Ich arbeite in einem Irrenhaus
Vom ganz normalen Büroalltag
Die deutschen Unternehmen haben sich von Tretmühlen in Klapsmühlen verwandelt. Ungelernte Führungskräfte dilettieren auf den Chefsesseln. Meetings mutieren zu Machtkämpfen. Immer mehr Arbeitsabläufe enden in einem Irrgarten der Sinnlosigkeit. Martin Wehrle...
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Produktinformationen zu „Ich arbeite in einem Irrenhaus “
Die deutschen Unternehmen haben sich von Tretmühlen in Klapsmühlen verwandelt. Ungelernte Führungskräfte dilettieren auf den Chefsesseln. Meetings mutieren zu Machtkämpfen. Immer mehr Arbeitsabläufe enden in einem Irrgarten der Sinnlosigkeit. Martin Wehrle zeichnet ein schonungsloses Panorama des Büroalltag.
Klappentext zu „Ich arbeite in einem Irrenhaus “
Die deutschen Unternehmen haben sich von Tretmühlen in Klapsmühlen verwandelt. Ungelernte Führungskräfte dilettieren auf den Chefsesseln. Meetings mutieren zu Machtkämpfen. Immer mehr Arbeitsabläufe enden in einem Irrgarten der Sinnlosigkeit. Und die Mitarbeiter gebrauchen ihren Kopf vor allem zu einem Zweck: zum Kopfschütteln über die haarsträubenden Zustände. Martin Wehrle zeichnet ein schonungsloses und witziges Panorama des Irrsinns im deutschen Büroalltag - Wiedererkennungswert garantiert.
Lese-Probe zu „Ich arbeite in einem Irrenhaus “
Ich arbeite in einem Irrenhaus von Martin WehrleSie wollten doch unbedingt wissen, wie dick Ihr Fell noch werden muss, um hier auf Dauer zu arbeiten!
Der neue Mitarbeiter will wissen: »Wie tickt die Firma?« Der Erfahrene fragt sich eher: »Tickt sie noch richtig?« Dieses Kapitel verrät Ihnen ...
»Wir sind der Meinung, dass ...« Wenn ein Mitarbeiter die Wir- Form verwendet, dürfen Sie sicher sein: Er spricht für sein Unternehmen. Wie der Fan mit seinem Verein verschmilzt (»Wir haben gewonnen!«) und die Mutter mit ihrem Baby (»Wir löffeln unseren Brei!«), so wird der Mitarbeiter mit seiner Firma eins. Er spricht nicht in der dritten Person, nicht mit Distanz, sondern ergreift stellvertretend das Wort. Die Firma ist er. Und er ist die Firma.
Und so geschieht ein kleines Wunder: Einem einzelnen Menschen, der eigentlich nur über ein Gehirn verfügt, wachsen dreitausend Köpfe (falls das Unternehmen so viele Mitarbeiter hat). Sein Jahresumsatz schießt von 40 000 Euro auf 4 Milliarden in die Höhe (falls seine Firma so viel Geld macht). Er ist nicht mehr Hans Müller, nicht mehr Lisa Schulz - er ist Teil von etwas Größerem.
Ist Daimler. Ist Microsoft. Ist Porsche. Und tritt auch so in seinem Freundeskreis auf.
Er ist bedeutend.
Welche Sogwirkung dieses »Wir« hat, erlebe ich in der Karriereberatung: Nach fünf Tagen in einer neuen Firma sagt der Mitarbeiter noch: »Die wollen ein neues Produkt einführen!« Doch bereits nach zwei Wochen heißt es: »Unser neues Produkt kommt voran.« Der Mitarbeiter verschmilzt mit der Firma wie ein Zuckerwürfel mit dem heißen Kaffee. Eine solche Vereinigung ist durch nichts in der Welt rückgängig zu machen, nicht mal durch eine Kündigung.
... mehr
Einer meiner Klienten war Manager bei einem Chemiekonzern und wurde mit einer Abfindung vom Hof gejagt. Doch noch heute, fünf Jahre später, ist seine Distanz zum ehemaligen Arbeitgeber gleich null. Er spricht von »unserem Aktienkurs«, »unserer Produktlinie«, und es fehlt nur noch, dass er seine eigene Entlassung bald als »unsere weise Personalentscheidung« bezeichnet.
Neulich habe ich ihn auf diese Tatsache angesprochen: »Mir fällt auf, dass Sie immer noch ›wir‹ sagen, wenn Sie Ihre alte Firma meinen ...«
»Ach, tu ich das? War mir gar nicht klar.«
»Warum immer noch ›wir‹?«
»Ich war 15 Jahre dort. Ich habe viel bewegt. Das ist die liebe Gewohnheit. «
»Aber nach fünf Jahren könnten Sie sich auch daran gewöhnt haben, dass Sie jetzt nicht mehr dort sind ...«
»Hab ich ja auch. Aber mit einer Firma ist das doch so wie mit ...« Er zögerte und sah lange zur Decke, als würde er dort nach einem Wort suchen. Dann hellte sich sein Gesicht auf: »Wie mit einem eigenen Kind ist das!«
»Inwiefern?«
»Wenn ich ein Kind in die Welt setze, wird es immer meines bleiben. Auch wenn die Mutter mich verlässt und ich es nicht mehr sehe: Es bleibt mein Kind!«
Ich musste schmunzeln: »Sie der Vater, der Konzern Ihr Kind - bringen Sie da nicht die Größenverhältnisse durcheinander?«
Er zog eine Grimasse: »Jetzt legen Sie doch nicht jedes Wort auf die Goldwaage! Es geht mir ums Prinzip. Ich habe dort viele Projekte in die Welt gesetzt. Einige laufen bis heute.«
Es ist tatsächlich so: Die meisten Mitarbeiter sehen ihr Verhältnis zur Firma nicht als nüchterne Geschäftsbeziehung, sondern als emotionale Bindung. Manche lieben ihre Firma. Manche hassen sie. Aber kaum einer steht ihr gleichgültig gegenüber, wie es bei einem nüchternen Vertragsverhältnis zu erwarten wäre.
Der Spruch »Ich heirate eine Firma« mag augenzwinkernd gemeint sein, doch er streift die Wahrheit: Erstens lieben die meisten Menschen ihren Beruf und damit ihren Arbeitgeber - wenigstens so lange, bis ihnen der Firmen-Irrsinn diese Liebe austreibt. Zweitens heiratet jeder neue Mitarbeiter nicht nur seinen Job, sondern gleichzeitig die komplette Arbeitsfamilie - als wäre der Chef ein mächtiger Schwiegervater mit weitverzweigtem Anhang. Und drittens gilt für Arbeits-Ehen dasselbe wie für andere Ehen auch: Mit den Jahren werden sich die Eheleute immer ähnlicher. Nicht, weil die Firma sich verändert. Sondern, weil der Mitarbeiter sich anpasst.
Aber welche Sitten gelten in dieser schrägen Firmenfamilie? Was muss ein (neuer) Mitarbeiter erdulden? Und wo liegt die Grenze zum Irrsinn? Zum Beispiel könnten Sie sich fragen:
Ist es normal, dass Ihr Chef in der Weihnachtsrede ein hohes Lied auf Weiterqualifizierung singt, Sie aber mit Ihrem Fortbildungswunsch gegen eine Wand laufen?
Ist es normal, dass eine ausgeschriebene Stelle, auf die Sie sich bewerben, schon zwei Monate zuvor unter der Hand vergeben wurde?
Ist es normal, dass der Dienstweg, den Sie gehen, und das Meeting, das Sie besuchen, nur Treffpunkte für Idioten sind - während die Entscheidungsfäden hinter den Kulissen gezogen wurden?
Ist es normal, dass Ihr neuer Chef ein erfolgreiches Projekt seines Vorgängers killt, nur weil es nicht von ihm selbst auf den Weg gebracht wurde?
Ist es normal, dass Ihre Firma die Teamarbeit offiziell hochleben lässt, aber immer nur die Ellbogentypen ins Management befördert werden?
Ist es normal, dass in der Werbebroschüre der Kundenservice in höchsten Tönen gepriesen, aber in Wirklichkeit die ganze Serviceabteilung von Ihrer Firma wie stinkender Sondermüll »ausgelagert « wird?
Und ist es normal, dass auf die Aktionäre ein Dividendenregen einprasselt, während bei den Mitarbeitern Einstellungsstopps verhängt, Gehälter eingefroren und Sozialleistungen gekürzt werden - angeblich mangels Geld?
Ja, all das ist unter deutschen Firmendächern gängig. Üblich. Weit verbreitet. Aber normal, wenn Sie mich fragen, ist es nicht - es ist irre!
§ 1 Irrenhaus-Ordnung: Ein neuer Mitarbeiter denkt, Teil des
Unternehmens zu werden. Dabei wird das Unternehmen ein Teil von ihm.
Kleiner Irrenhaus-Steckbrief
Woran können Sie schnell erkennen, ob Ihre Firma ein Irrenhaus ist (ein detaillierter Test erwartet Sie ab Seite 199)?
Im Laufe der Jahre sind mir vier wichtige Kennzeichen aufgefallen, von denen mindestens eines zutreffen muss:
1. Heuchelei: Die Firma tut nicht, was sie sagt, und sagt nicht, was sie tut. Sie verspricht Mitarbeitern (und Kunden) mehr, als sie hält. Sie pflegt Leitsätze, die nicht gelten. Sie stellt Forderungen, die nicht zu erfüllen sind. Nur eine Moral ist ihr heilig: die Doppelmoral. Wahr ist, was ihr nützt. Solche Firmen sind Spezialisten für Fassadenbau - nur ihr Außenbild ist makellos.
2. Profitsucht: Die Firma fühlt sich nur einem »höheren« Ziel verpflichtet: der Gewinnmaximierung. Der Kunde ist für sie nur eine Einnahmequelle, ein »Account«; die Umwelt ist für sie nur ein Rohstoff, den es auszubeuten gilt; und der Mitarbeiter ist nur ein Mohr, der gehen kann, wenn er seine Schuldigkeit getan hat. Der Bagger des Personal- und Kostenabbaus schlägt ohne Skrupel zu. Vor allem Konzerne handeln nach dieser plutokratischen Maxime.
3. Egozentrik: Die Firma ist vor allem mit sich selbst beschäftigt - nicht mit dem Markt. Man definiert Prozesse, zelebriert Meetings, schlägt Schaum. Mal herrscht Chaos, etwa nach einer Restrukturierung, dann Erstarrung, etwa nach einer Budgetsperre. Die Mitarbeiter sind auf den Chef fixiert. Der Kunde spielt die letzte Geige.
4. Dilettantismus: Die Firma stolpert über die eigenen Füße. Hier wird kein Geschäft geführt, hier wird fröhlich dilettiert. Die Führungskräfte verdienen ihren Namen nicht. Die Entscheidungen werden gewürfelt. Der Horizont reicht nicht weiter als der Stadtbus. Vor allem im Mittelstand macht sich dieser unfähige Irrenhaus- Typus breit. Haben Sie Ihre aktuelle Firma erkannt? Und Ex-Firmen womöglich auch? Dann interessiert es Sie bestimmt, wie dieser Irrsinn unterm Firmendach gewachsen ist. Davon handelt gleich »die Wachstumsstory «.
Betr.: Ich arbeite für eine Windmaschine
Unsere Firma ist eine einzige Windmaschine. Das mag typisch für eine Werbeagentur sein, aber wir schießen den Vogel ab. Unser Ruf in der Branche ist erstklassig. Und warum? Wir betreuen zwei deutsche Top-Firmen. Und diese Namen posaunen wir bei jeder Gelegenheit hinaus.
Was aber kein Mensch von außerhalb weiß (und ich auch nur durch eine Indiskretion): Diese Aufträge, mit denen wir trommeln, sind gar keine Aufträge. Es sind Geschenke an die Kunden. Wir texten Slogans, fahren Kampagnen und betreuen die Homepages. Doch unsere GL hat einen schrägen Deal vereinbart: Wir erbringen unsere Leistung für ein besseres Trinkgeld, einen nichtigen Betrag - im Gegenzug dürfen wir die Namen dieser Firmen stolz auf unsere Fahnen schreiben.
Diese Kunden ziehen die meiste Arbeitskraft auf sich, spülen aber kaum Geld in die Kasse. Und die Sogwirkung, die sie entfalten sollen, hält sich in Grenzen: Die anderen Konzerne, die wir dringend als zahlende Kunden bräuchten, denken offenbar: »Mehr als zwei Großkunden schaffen die nicht!«
Wir sperren die Tür, durch die normal zahlende Großkunden spazieren sollen, durch einen Bluff selbst zu. Völliger Irrsinn, zumal Einnahmen fehlen. Die Gehaltszahlungen kommen immer wieder verzögert. Unsere halbe Firma besteht schon aus Praktikanten. Keiner von denen weiß, dass ihr »Geschäftsmodell « mit dem der Agentur identisch ist: Arbeiten ohne Vergütung, nur für den klangvollen Namen im Lebenslauf.
Bitte behandeln Sie diese Angaben vertraulich und verändern Sie alle Namen und wiedererkennbaren Fakten (das ist hier und auch bei allen folgenden Fallgeschichten geschehen, M. W.).
© Ullstein Verlag
Einer meiner Klienten war Manager bei einem Chemiekonzern und wurde mit einer Abfindung vom Hof gejagt. Doch noch heute, fünf Jahre später, ist seine Distanz zum ehemaligen Arbeitgeber gleich null. Er spricht von »unserem Aktienkurs«, »unserer Produktlinie«, und es fehlt nur noch, dass er seine eigene Entlassung bald als »unsere weise Personalentscheidung« bezeichnet.
Neulich habe ich ihn auf diese Tatsache angesprochen: »Mir fällt auf, dass Sie immer noch ›wir‹ sagen, wenn Sie Ihre alte Firma meinen ...«
»Ach, tu ich das? War mir gar nicht klar.«
»Warum immer noch ›wir‹?«
»Ich war 15 Jahre dort. Ich habe viel bewegt. Das ist die liebe Gewohnheit. «
»Aber nach fünf Jahren könnten Sie sich auch daran gewöhnt haben, dass Sie jetzt nicht mehr dort sind ...«
»Hab ich ja auch. Aber mit einer Firma ist das doch so wie mit ...« Er zögerte und sah lange zur Decke, als würde er dort nach einem Wort suchen. Dann hellte sich sein Gesicht auf: »Wie mit einem eigenen Kind ist das!«
»Inwiefern?«
»Wenn ich ein Kind in die Welt setze, wird es immer meines bleiben. Auch wenn die Mutter mich verlässt und ich es nicht mehr sehe: Es bleibt mein Kind!«
Ich musste schmunzeln: »Sie der Vater, der Konzern Ihr Kind - bringen Sie da nicht die Größenverhältnisse durcheinander?«
Er zog eine Grimasse: »Jetzt legen Sie doch nicht jedes Wort auf die Goldwaage! Es geht mir ums Prinzip. Ich habe dort viele Projekte in die Welt gesetzt. Einige laufen bis heute.«
Es ist tatsächlich so: Die meisten Mitarbeiter sehen ihr Verhältnis zur Firma nicht als nüchterne Geschäftsbeziehung, sondern als emotionale Bindung. Manche lieben ihre Firma. Manche hassen sie. Aber kaum einer steht ihr gleichgültig gegenüber, wie es bei einem nüchternen Vertragsverhältnis zu erwarten wäre.
Der Spruch »Ich heirate eine Firma« mag augenzwinkernd gemeint sein, doch er streift die Wahrheit: Erstens lieben die meisten Menschen ihren Beruf und damit ihren Arbeitgeber - wenigstens so lange, bis ihnen der Firmen-Irrsinn diese Liebe austreibt. Zweitens heiratet jeder neue Mitarbeiter nicht nur seinen Job, sondern gleichzeitig die komplette Arbeitsfamilie - als wäre der Chef ein mächtiger Schwiegervater mit weitverzweigtem Anhang. Und drittens gilt für Arbeits-Ehen dasselbe wie für andere Ehen auch: Mit den Jahren werden sich die Eheleute immer ähnlicher. Nicht, weil die Firma sich verändert. Sondern, weil der Mitarbeiter sich anpasst.
Aber welche Sitten gelten in dieser schrägen Firmenfamilie? Was muss ein (neuer) Mitarbeiter erdulden? Und wo liegt die Grenze zum Irrsinn? Zum Beispiel könnten Sie sich fragen:
Ist es normal, dass Ihr Chef in der Weihnachtsrede ein hohes Lied auf Weiterqualifizierung singt, Sie aber mit Ihrem Fortbildungswunsch gegen eine Wand laufen?
Ist es normal, dass eine ausgeschriebene Stelle, auf die Sie sich bewerben, schon zwei Monate zuvor unter der Hand vergeben wurde?
Ist es normal, dass der Dienstweg, den Sie gehen, und das Meeting, das Sie besuchen, nur Treffpunkte für Idioten sind - während die Entscheidungsfäden hinter den Kulissen gezogen wurden?
Ist es normal, dass Ihr neuer Chef ein erfolgreiches Projekt seines Vorgängers killt, nur weil es nicht von ihm selbst auf den Weg gebracht wurde?
Ist es normal, dass Ihre Firma die Teamarbeit offiziell hochleben lässt, aber immer nur die Ellbogentypen ins Management befördert werden?
Ist es normal, dass in der Werbebroschüre der Kundenservice in höchsten Tönen gepriesen, aber in Wirklichkeit die ganze Serviceabteilung von Ihrer Firma wie stinkender Sondermüll »ausgelagert « wird?
Und ist es normal, dass auf die Aktionäre ein Dividendenregen einprasselt, während bei den Mitarbeitern Einstellungsstopps verhängt, Gehälter eingefroren und Sozialleistungen gekürzt werden - angeblich mangels Geld?
Ja, all das ist unter deutschen Firmendächern gängig. Üblich. Weit verbreitet. Aber normal, wenn Sie mich fragen, ist es nicht - es ist irre!
§ 1 Irrenhaus-Ordnung: Ein neuer Mitarbeiter denkt, Teil des
Unternehmens zu werden. Dabei wird das Unternehmen ein Teil von ihm.
Kleiner Irrenhaus-Steckbrief
Woran können Sie schnell erkennen, ob Ihre Firma ein Irrenhaus ist (ein detaillierter Test erwartet Sie ab Seite 199)?
Im Laufe der Jahre sind mir vier wichtige Kennzeichen aufgefallen, von denen mindestens eines zutreffen muss:
1. Heuchelei: Die Firma tut nicht, was sie sagt, und sagt nicht, was sie tut. Sie verspricht Mitarbeitern (und Kunden) mehr, als sie hält. Sie pflegt Leitsätze, die nicht gelten. Sie stellt Forderungen, die nicht zu erfüllen sind. Nur eine Moral ist ihr heilig: die Doppelmoral. Wahr ist, was ihr nützt. Solche Firmen sind Spezialisten für Fassadenbau - nur ihr Außenbild ist makellos.
2. Profitsucht: Die Firma fühlt sich nur einem »höheren« Ziel verpflichtet: der Gewinnmaximierung. Der Kunde ist für sie nur eine Einnahmequelle, ein »Account«; die Umwelt ist für sie nur ein Rohstoff, den es auszubeuten gilt; und der Mitarbeiter ist nur ein Mohr, der gehen kann, wenn er seine Schuldigkeit getan hat. Der Bagger des Personal- und Kostenabbaus schlägt ohne Skrupel zu. Vor allem Konzerne handeln nach dieser plutokratischen Maxime.
3. Egozentrik: Die Firma ist vor allem mit sich selbst beschäftigt - nicht mit dem Markt. Man definiert Prozesse, zelebriert Meetings, schlägt Schaum. Mal herrscht Chaos, etwa nach einer Restrukturierung, dann Erstarrung, etwa nach einer Budgetsperre. Die Mitarbeiter sind auf den Chef fixiert. Der Kunde spielt die letzte Geige.
4. Dilettantismus: Die Firma stolpert über die eigenen Füße. Hier wird kein Geschäft geführt, hier wird fröhlich dilettiert. Die Führungskräfte verdienen ihren Namen nicht. Die Entscheidungen werden gewürfelt. Der Horizont reicht nicht weiter als der Stadtbus. Vor allem im Mittelstand macht sich dieser unfähige Irrenhaus- Typus breit. Haben Sie Ihre aktuelle Firma erkannt? Und Ex-Firmen womöglich auch? Dann interessiert es Sie bestimmt, wie dieser Irrsinn unterm Firmendach gewachsen ist. Davon handelt gleich »die Wachstumsstory «.
Betr.: Ich arbeite für eine Windmaschine
Unsere Firma ist eine einzige Windmaschine. Das mag typisch für eine Werbeagentur sein, aber wir schießen den Vogel ab. Unser Ruf in der Branche ist erstklassig. Und warum? Wir betreuen zwei deutsche Top-Firmen. Und diese Namen posaunen wir bei jeder Gelegenheit hinaus.
Was aber kein Mensch von außerhalb weiß (und ich auch nur durch eine Indiskretion): Diese Aufträge, mit denen wir trommeln, sind gar keine Aufträge. Es sind Geschenke an die Kunden. Wir texten Slogans, fahren Kampagnen und betreuen die Homepages. Doch unsere GL hat einen schrägen Deal vereinbart: Wir erbringen unsere Leistung für ein besseres Trinkgeld, einen nichtigen Betrag - im Gegenzug dürfen wir die Namen dieser Firmen stolz auf unsere Fahnen schreiben.
Diese Kunden ziehen die meiste Arbeitskraft auf sich, spülen aber kaum Geld in die Kasse. Und die Sogwirkung, die sie entfalten sollen, hält sich in Grenzen: Die anderen Konzerne, die wir dringend als zahlende Kunden bräuchten, denken offenbar: »Mehr als zwei Großkunden schaffen die nicht!«
Wir sperren die Tür, durch die normal zahlende Großkunden spazieren sollen, durch einen Bluff selbst zu. Völliger Irrsinn, zumal Einnahmen fehlen. Die Gehaltszahlungen kommen immer wieder verzögert. Unsere halbe Firma besteht schon aus Praktikanten. Keiner von denen weiß, dass ihr »Geschäftsmodell « mit dem der Agentur identisch ist: Arbeiten ohne Vergütung, nur für den klangvollen Namen im Lebenslauf.
Bitte behandeln Sie diese Angaben vertraulich und verändern Sie alle Namen und wiedererkennbaren Fakten (das ist hier und auch bei allen folgenden Fallgeschichten geschehen, M. W.).
© Ullstein Verlag
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Autoren-Porträt von Martin Wehrle
Wehrle, MartinMartin Wehrle war Führungskraft in einem Konzern, ehe seine Erfolgsstory als Karrierecoach begann. Heute leitet er die Karriereberater-Akademie in Hamburg und bildet Karrierecoachs aus. Er hat über ein Dutzend Bücher veröffentlicht, bei Econ zuletzt den aktuellen Bestseller "Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus" (2012).Meissner, Dirk
Dirk Meissner lebt und arbeitet als freier Cartoonist in Köln. Nach einem VWL-Studium erschienen seine ersten Cartoon-Bände als Bücher. Seit 2006 arbeitet er regelmäßig für die Süddeutsche Zeitung. Dirk Meissner wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a mit dem Deutschen Karikaturenpreis. In Köln betreibt er die Galerie Der Rote Pinguin, die zeitgenössische Karikatur und Cartoons präsentiert.
Bibliographische Angaben
- Autor: Martin Wehrle
- 2014, 2. Aufl., 283 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Illustration:Meissner, Dirk
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548374433
- ISBN-13: 9783548374437
Rezension zu „Ich arbeite in einem Irrenhaus “
»Wer sich an seinem Arbeitsplatz wie in einer 'geschlossenen Abteilung' fühlt, sollte dieses Buch lesen.« Euro Finanzen, 2011/05
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