Vampirpsychologin / Kismet Knight Bd.1
Roman
Der Vampir Devereux verliebt sich in die Psychologin Kismet. Die glaubt aber weder ans Übersinnliche noch an Vampire. Devereux hält sie lediglich für geistesgestört. Also bietet sich Kismet als Vampirpsychologin an. Damit bringt sie sich in Gefahr - doch Devereux rettet sie.
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Produktinformationen zu „Vampirpsychologin / Kismet Knight Bd.1 “
Der Vampir Devereux verliebt sich in die Psychologin Kismet. Die glaubt aber weder ans Übersinnliche noch an Vampire. Devereux hält sie lediglich für geistesgestört. Also bietet sich Kismet als Vampirpsychologin an. Damit bringt sie sich in Gefahr - doch Devereux rettet sie.
Klappentext zu „Vampirpsychologin / Kismet Knight Bd.1 “
"Ich bin ein Vampir."Selbstverständlich bist du das, dachte ich spöttisch. "Erzählen Sie mir davon."
Er lachte wieder. Er schien mich ausgesprochen amüsant zu finden.
Hm. Unangebrachter Humor. Das ist ein Symptom bei mehreren Störungen!
Kismet Knight hat als Psychologin schon viele ungewöhnliche Patienten behandelt. Das Mädchen Midnight, das ein Vampir sein möchte, gehört da noch zu ihren normalsten Fällen. Wirklich verrückt wird es aber, als der angebliche Vampir, von dem Midnight ihr erzählt hat, plötzlich vor Kismet steht. Deveraux ist umwerfend attraktiv und behauptet tatsächlich, dass er über 800 Jahre alt ist. Kismet scheint einer neuen Geisteskrankheit auf die Spur gekommen zu sein: Schließlich gibt es Vampire ja nicht wirklich. Oder?
Lese-Probe zu „Vampirpsychologin / Kismet Knight Bd.1 “
Kismet Knight - Vampirpsychologin von Lynda HilburnKAPITEL 1
Meine Beziehung zu Vampiren begann in aller Unschuld.
Lang bevor das Blut ins Spiel kam, sozusagen.
Wie die meisten Psychologen war ich dazu ausgebildet worden, die Welt durch die diagnostische Brille zu betrachten, mir die Geschichten meiner Patienten mit dem metaphorischen Ohr anzuhören und überall nach der wirklichen Bedeutung zu suchen. Glücklicherweise wurde meine Neigung, jeden Menschen auf eine Neurose zu reduzieren, ein Stück weit von einem respektlosen, morbiden Humor untergraben, der mich davor bewahrte, mich selbst und die Welt ringsum allzu ernst zu nehmen. Ich war zwar nie so weit gegangen wie manche meiner Kollegen, die nur glaubten, was man beweisen konnte – wenn es nicht in Zahlen darzustellen war, dann existierte es nicht –, aber im Lauf der Jahre hatte ich in meiner privaten Praxis so viel merkwürdiges Zeug erlebt, dass ich zu einer größeren Skeptikerin geworden war, als ich selbst mir gern eingestand.
Diese Privatpraxis hatte Entführungen durch Außerirdische, dämonische Inbesitznahmen, Satanskult-Geschädigte, religiöse Fanatiker und parasitäre Wesenheiten gesehen – all die modernen, neuen psychischen und emotionalen Probleme eben. Sowie selbstverständlich sämtliche normalen Therapiethemen. Als ich an jenem schicksalhaften Freitag also die Tür öffnete, die mein Warte- vom Sprechzimmer trennte, um meine neue Patientin zu begrüßen, war ich nur einen Moment lang überrascht.
Wer dort auf mich wartete, war eine junge Frau in einem langen schwarzen Kleid, über dem sie ein Samtcape in dunklem Violett trug. Alle zehn Finger waren mit Ringen geschmückt, und ein langer Schlangenarmreif mit rot funkelnden Augen wand sich vom Handgelenk bis zum Ellbogen um ihren Unterarm. Sie hatte taillenlanges hellbraunes Haar mit
... mehr
vielfarbigen Strähnchen darin und trug dramatisches weißes Make-up mit dunkelrotem Lippenstift und bemerkenswert echt aussehenden, sehr hochwertigen herausnehmbaren Reißzähnen.
In meinen Gedanken begannen sofort die möglichen Schubladen aufzugehen. Gothgirl? Möchtegernvampir? Rebellierender Teenager?
»Bitte komm doch herein und setz dich!« Ich schenkte ihr mein wärmstes therapeutisches Lächeln und winkte zu dem Sofa und den Sesseln im Sprechzimmer hinüber. »Ich bin Dr. Knight. Nenn mich doch bitte Kismet.«
Das ist mal ein Outfit! Um fair zu sein – es ist spektakulär! Sie hat wirklich ein Händchen fürs Dramatische. Und was ist das für ein wunderbarer Duft – Sandelholz?
Sie kam schweigend herein, gab mir den Stoß Vordruckblätter, den sie im Wartezimmer ausgefüllt hatte, und nahm sich den Sessel, der am weitesten von mir entfernt stand. Ich überflog die Einträge und stellte fest, dass sie als Namen »Midnight« angegeben hatte.
»Midnight? Das ist wunderschön. Gibt es auch einen Nachnamen?«
»Nein. Ich brauche nichts aus meiner menschlichen Vergangenheit«, erklärte sie mit übertriebener Ernsthaftigkeit.
Okay. Keine voreiligen Schlüsse bitte! Ich setzte mich in den Sessel gegenüber und griff nach Block und Kugelschreiber. »Bitte sag mir, inwiefern ich dir helfen kann.«
»Ich bin bloß hier, weil meine Familie mich geschickt hat. Sie können meine Entscheidungen einfach nicht akzeptieren und hoff en jetzt, dass Sie mir den Wunsch, ein Vampir zu sein, ausreden werden. Sie wollen, dass Sie mich heilen.« Ihre Stimme trennte jedes Wort klar vom nächsten – eine Reihe wütender kleiner Stakkatotöne.
Jetzt musterte sie mich mit dem Blick, den ich von jüngeren Patienten bereits gewöhnt war, mit der amüsierten Bestandsaufnahme, die das hellblaue Schneiderkostüm und die schwarzen Schuhe mit den halbhohen Absätzen zur Kenntnis nahm und als hoffnungslos konventionell verbuchte. Dann landeten ihre Augen unvermeidlich bei meinem Haar, das sehr lang und lockig war und oft eigene Vorstellungen hatte. Der Kontrast zwischen dem konservativen Kostüm und der unbeabsichtigten Rockstarfrisur geriet dem Bild in die Quere, das sie sich gerade von mir machten. Mir macht der kurze Moment der Verwirrung, der sich an genau diesem Punkt unweigerlich auf den Gesichtern abzeichnet, jedes Mal Spaß. Meine Freude daran, andere aufs Glatteis zu führen, hat mich noch nie im Stich gelassen.
Sie zog ihren Rock hoch, bis der Saum auf ihren Knien lag, und schlug dramatisch ihre Beine übereinander. »Sie sind anders, als ich erwartet habe.«
Ich lächelte. »Was hast du denn erwartet?«
»Eine ältere Frau mit Haarknoten und ohne Make-up. Sie sind nicht so sehr viel älter als ich. Und Sie sind hübsch. Sie erinnern mich an diese Sängerin, die meine Mutter dauernd hört – Sarah Brightman. Die mit den langen dunklen Haaren und den blauen Augen.«
»Danke. Die mag ich auch. Fühlst du dich wohl bei jemandem, der nicht alt ist und keinen Haarknoten trägt?«
Sie runzelte die Stirn. »Ich nehm’s an.«
Ich merkte ihr an, dass ihr Bedürfnis, eine Verbindung zu mir aufzubauen, gegen ihre instinktiven Schutzmechanismen ankämpfte – was am Ende siegen würde, stand noch dahin.
»Na, dann erzähl mir einfach von deinem Wunsch, ein Vampir zu sein! Wie lange wünschst du dir das schon?«
Sie neigte den Kopf zur Seite, schob ihre Lippen vor und sagte ein paar Sekunden lang nichts. Einzelne Empfindungen zuckten über ihr Gesicht – Furcht, Enttäuschung, Groll – und machten schließlich der Hoffnung Platz.
»Seit ich letztes Jahr Devereux kennengelernt habe – Dev nennen wir ihn«, antwortete sie träumerisch.
Ah, ein erster Vertrauensbeweis! Vielleicht lässt sie mich an sich ran.
»Warum hat die Begegnung dir den Wunsch vermittelt, ein Vampir zu werden?«
»Pfft, weil er einer ist natürlich!« Sie verdrehte ihre schokoladenbraunen Augen und ließ ihre Zunge gegen die Vorderzähne schnalzen.
Ich sorgte dafür, dass das warme Lächeln mir erhalten blieb, und ignorierte die Teenager-Überspanntheiten. »Kannst du mir mehr von Dev erzählen?«
Sie zögerte, starrte auf den Fußboden hinunter und spielte mit der Zungenspitze an ihren falschen Reißzähnen herum. »Ich glaube eigentlich nicht, dass ich über ihn reden sollte. Er würde das nicht wollen. Er sagt, es sei besser, wenn niemand glaubt, dass es Vampire wirklich gibt.«
Oh, jetzt habe ich’s! Diese kleinen Reißzähne sind an ihre eigenen Eckzähne angepasst und mit einem fast unsichtbaren Band verbunden, fast wie eine Zahnspange. Wirklich raffiniert!
»Glaubst du, dass es Vampire wirklich gibt?« Ich versuchte, mich anzuhören, als gäbe es auf diese Frage nicht nur eine korrekte Antwort.
»Oh ja! Sie können sich nicht vorstellen, was ich alles gesehen habe! In Denver gibt es haufenweise Vampire«, schwärmte sie.
»Tatsächlich? Midnight, ich sollte dir sagen, dass alles, was wir hier besprechen, absolut vertraulich ist. Du kannst mir erzählen, was auch immer du mir erzählen willst – es wird nicht weitergesagt. Und ich wüsste wirklich gern mehr über diese Vampire.«
Vampire. Na ja, es ist auf jeden Fall eine Abwechslung nach all den Außerirdischen und Inbesitznahmen durch dämonische Wesenheiten. Sie zog eine Augenbraue hoch. »Und woher soll ich wissen, dass Sie es meinen Eltern nicht erzählen?«
»Solange nicht die Gefahr besteht, dass du dir selbst oder jemand anders Schaden zufügst, werde ich nichts von dem weitererzählen, was wir hier besprechen.« So, da war die vorgeschriebene Einschränkung.
Sie zögerte einen Moment lang und studierte mich. »Na ja, ich nehme mal an, dann ist das in Ordnung, denn dann können Sie keinem davon erzählen.«
Sie stellte beide Füße wieder auf den Boden und beugte sich im Sessel vor. »Was wollen Sie also wissen?«
»Warum fängst du nicht einfach ganz am Anfang an?«
Sie nickte. »Ich habe die Vampire getroffen, als ich letztes Jahr gerade mit der Highschool fertig war. Meine Freunde sind alle in diesen coolen Club in der Stadt gegangen – war früher mal eine große alte Kirche, und es ist wirklich auch eine coole Gegend. Der Laden heißt The Crypt. Wir haben alle gute falsche Ausweise, reinzukommen war also kein Problem. Aber es war trotzdem komisch. Hereingelassen haben sie uns, aber Alkohol haben sie uns dort nie verkauft. Wenn wir zur Bar gehen, lacht der Typ da uns immer bloß aus. Ziemlich nervig. Ich kapier’s wirklich nicht.«
Ich kritzelte ein paar Notizen. Es war immer ein schwieriges Unterfangen, das Nötige zu notieren, ohne dass meine Patienten das Gefühl hatten, ich konzentrierte mich nicht wirklich auf sie.
Ich hatte nach jeder Sitzung einen Krampf in den Fingern von dem schnellen Schreiben.
Interessant, dass sie ihr in dem Club keinen Alkohol serviert haben!
Vielleicht hatten sie davor schon einmal Ärger mit dem Verkauf von Alkohol an Minderjährige?
Sie nagte mit einem ihrer Reißzähne an der Unterlippe herum, als versuchte sie, sich Zeit zum Überlegen zu verschaff en, bevor sie weitersprach.
»Na ja, jedenfalls, der Club hat mehrere Stockwerke, und eins davon unten im Keller – wir nennen es ›das Verlies‹ – ist privat. An der Tür hängt ein Vorhang, aber meine Freundin Emerald und ich, wir warteten, bis der Typ an der Tür mal einen Moment wegging, und dann haben wir uns hinuntergeschlichen und durch einen Spalt hereingeschaut, und da waren diese ganzen Wahnsinnsleute«, sprudelte sie los; ihr Gesichtsausdruck war noch bei der Erinnerung ehrfurchtsvoll.
»Wahnsinnsleute?«
»Ja – zwei Sorten Leute, um genau zu sein: ein Haufen Kids
so in meinem Alter, ein paar Jahre älter vielleicht, ein bisschen goth in der Aufmachung, aber auch wieder nicht richtig, mit weißem Make-up und roten Lippen. Und dann waren da noch die anderen – dermaßen schön. Sie hatten normales Zeug an, Leder und so, und hatten auch kein weißes Make-up, aber sie waren total umwerfend. Ein bisschen älter, Ende zwanzig oder über dreißig oder so und alle mit tollen langen Haaren …«
Sie starrte sekundenlang mit herabhängendem Unterkiefer ins Leere, vollkommen von ihrer Vision gebannt.
»Sie waren also absolut umwerfend?«
Sie nickte sachte und bestätigte: »Total.«
»Und was ist dann passiert?«
»Wir standen einfach da und sahen uns das an, und dann ist eine Hand durch den Vorhang gekommen und hat ihn aufgemacht, und der heißeste Typ, den ich je gesehen hab, fragte uns, ob wir reinkommen wollten. Emerald lehnte ab – sie hat wirklich vor allem und jedem Angst –, aber ich wollte mir diese Leute wirklich näher ansehen, also hab ich ja gesagt. Der Typ streckte seinen Arm aus und nahm meine Hand, küsste mich doch wirklich auf den Handrücken und sagte, er heiße Devereux. Ich habe gedacht, gleich kippe ich um – bloß davon, dass ich ihn ansehe. Es war irgendetwas mit seinen Augen.« Sie unterbrach sich und warf einen Blick in meine Richtung, als wollte sie meine Reaktionen abschätzen, bevor sie sich auf weitere Details einließ.
Ich spürte, wie die Muskeln in meinem Nacken und Rücken sich verspannten – etwas, das manchmal passierte, wenn ich mir allzu viel Mühe geben musste, die Ansichten für mich zu behalten, mit denen ich am liebsten herausgeplatzt wäre. Den Mund zu halten konnte der schwierigste Aspekt meines Berufs sein. Sie lernte also in einer Bar einen fremden Mann kennen. Einen in Leder gekleideten Mann, der sie in einen privaten Raum einlud.
Was stimmt mit diesem Bild nicht?
Ich lächelte. »Und dann?«
»Dann führte er mich irgendwie da hinein, und Emerald kam hinterher. In dem Zimmer müssen so ungefähr fünfzig Leute gewesen sein, und sie waren alle unglaublich. Dev führte uns zu einem Tisch, und er war so höflich dabei. Er hat uns die Stühle zurechtgeschoben wie in einem alten Film und gefragt, ob wir etwas trinken wollten. Wir haben beide Bier bestellt – wir mussten das einfach ausprobieren –, aber er brachte uns Cola, und dann haben wir einfach dagesessen und ihn angestarrt. Er trank gar nichts, und ich fragte ihn, warum. Da sagte er, er hätte für diesen Abend schon genug getrunken, und lächelte einfach nur und machte diese psychedelischen Augen. Ich hab damals nicht gewusst, was er damit meint, aber jetzt weiß ich’s.«
»Nämlich was?«
»Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie das nicht weitererzählen? Ich will nicht, dass Dev wütend wird«, erklärte sie, während sie in meinem Gesicht nach Anzeichen für Unaufrichtigkeit forschte.
»Ich verspreche es«, versicherte ich.
Sie nickte. Offenbar hatte ich die Prüfung bestanden.
»Na ja, er trinkt Blut, wissen Sie? Vampire machen das eben so. Und als er sagte, er hätte genug, meinte er damit, dass er schon ›gegessen‹ hätte«, erläuterte sie; ihr Tonfall war leichthin und beiläufig, als redeten wir über das Wetter. Igitt. Er trinkt Blut. Wenn das nicht krank ist …
»Und – trinkst du Blut?«
Das war offensichtlich eine heikle Frage, denn Midnight begann wieder, an ihrer Unterlippe herumzunagen; sie drehte den Saum ihres Capes zwischen den Fingern und starrte in ihren Schoß hinunter.
»Midnight? Alles in Ordnung mit dir?«
Sie rutschte in ihrem Sessel herum und sagte: »Ja. Es ist einfach unheimlich, darüber zu reden.«
»Meinst du wegen dem, was deine Familie von alldem halten würde?«
Sie zögerte. »Nein, wegen dem, was Dev machen würde, wenn er’s herausfände«, entgegnete sie leise. »Wir dürfen kein Blut trinken.«
Na Gott sei Dank, immerhin!
»Wir kommen gleich noch einmal darauf zurück. Wie sieht deine Beziehung zu Dev aus?« Ich wurde zusehends misstrauischer, was diesen off enbar recht charismatischen Menschen betraf.
Midnight merkte off enbar, was ich dachte, und schüttelte den Kopf. »Er ist einfach bloß ein Freund. Die Mädchen sind alle hinter ihm her, aber er sagt, wir sind zu jung für ihn, er hat es eher mit älteren Frauen. Wir haben’s alle probiert, aber er geht nie mit einer von uns weg. Er hat das Sagen dort – ist der Boss, nehme ich mal an.«
Eine Vampirversion von Bruce Springsteen also? »Der Boss wovon? «
»Von den Vampiren. Und den Lehrlingen.«
»Den Lehrlingen?« Ich hatte plötzlich eine Vision von mehreren Möchtegernvampiren in einer Show à la Big Boss, die irgendwo in New York mit Donald Trump um einen Konferenztisch herumsaßen – einer vampirischen Version von Donald Trump.
Ich gab mir große Mühe, mir die Erheiterung nicht anmerken zu lassen. Mein Humor kann manchmal wirklich ein Problem sein. »So nennen wir uns.«
»Kommen wir doch noch einmal auf das mit dem Blut zurück.
Du hattest deine Schwierigkeiten, als ich das erste Mal danach gefragt habe. Warum?«
Sie senkte den Blick und begann wieder, an ihrer Unterlippe zu nagen. »Dev hat nichts dagegen, dass wir dort bei ihm und den anderen Vampiren herumhängen, aber er erlaubt keinem, Blut von uns zu nehmen, und er lässt uns auch kein Blut trinken.
Er sagt, nur echte Vampire könnten Blut so verwenden, wie es verwendet werden sollte. Wir sind technisch immer noch Menschen, und deswegen könnten wir uns Krankheiten holen, die Vampire nicht kriegen können. Er hat eine Menge Regeln, was wir tun dürfen und was nicht, wenn wir mit ihm zusammen sein wollen.«
Okay, vielleicht ist der Typ also noch nicht komplett daneben, wenn er sie wenigstens von dieser Bluttrinkerei abhält.
»Und was ist es also, von dem du nicht willst, dass er dahinterkommt?«
Lange Pause.
Ich wartete schweigend und sah zu, wie widerstreitende Emotionen in Wellen über Midnights Gesicht huschten, als sie zu entscheiden versuchte, was sie mir erzählen sollte – wenn sie mir überhaupt noch etwas anvertrauen würde.
Übersetzung: Christine Gaspard
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe bei PAN-Verlag.
In meinen Gedanken begannen sofort die möglichen Schubladen aufzugehen. Gothgirl? Möchtegernvampir? Rebellierender Teenager?
»Bitte komm doch herein und setz dich!« Ich schenkte ihr mein wärmstes therapeutisches Lächeln und winkte zu dem Sofa und den Sesseln im Sprechzimmer hinüber. »Ich bin Dr. Knight. Nenn mich doch bitte Kismet.«
Das ist mal ein Outfit! Um fair zu sein – es ist spektakulär! Sie hat wirklich ein Händchen fürs Dramatische. Und was ist das für ein wunderbarer Duft – Sandelholz?
Sie kam schweigend herein, gab mir den Stoß Vordruckblätter, den sie im Wartezimmer ausgefüllt hatte, und nahm sich den Sessel, der am weitesten von mir entfernt stand. Ich überflog die Einträge und stellte fest, dass sie als Namen »Midnight« angegeben hatte.
»Midnight? Das ist wunderschön. Gibt es auch einen Nachnamen?«
»Nein. Ich brauche nichts aus meiner menschlichen Vergangenheit«, erklärte sie mit übertriebener Ernsthaftigkeit.
Okay. Keine voreiligen Schlüsse bitte! Ich setzte mich in den Sessel gegenüber und griff nach Block und Kugelschreiber. »Bitte sag mir, inwiefern ich dir helfen kann.«
»Ich bin bloß hier, weil meine Familie mich geschickt hat. Sie können meine Entscheidungen einfach nicht akzeptieren und hoff en jetzt, dass Sie mir den Wunsch, ein Vampir zu sein, ausreden werden. Sie wollen, dass Sie mich heilen.« Ihre Stimme trennte jedes Wort klar vom nächsten – eine Reihe wütender kleiner Stakkatotöne.
Jetzt musterte sie mich mit dem Blick, den ich von jüngeren Patienten bereits gewöhnt war, mit der amüsierten Bestandsaufnahme, die das hellblaue Schneiderkostüm und die schwarzen Schuhe mit den halbhohen Absätzen zur Kenntnis nahm und als hoffnungslos konventionell verbuchte. Dann landeten ihre Augen unvermeidlich bei meinem Haar, das sehr lang und lockig war und oft eigene Vorstellungen hatte. Der Kontrast zwischen dem konservativen Kostüm und der unbeabsichtigten Rockstarfrisur geriet dem Bild in die Quere, das sie sich gerade von mir machten. Mir macht der kurze Moment der Verwirrung, der sich an genau diesem Punkt unweigerlich auf den Gesichtern abzeichnet, jedes Mal Spaß. Meine Freude daran, andere aufs Glatteis zu führen, hat mich noch nie im Stich gelassen.
Sie zog ihren Rock hoch, bis der Saum auf ihren Knien lag, und schlug dramatisch ihre Beine übereinander. »Sie sind anders, als ich erwartet habe.«
Ich lächelte. »Was hast du denn erwartet?«
»Eine ältere Frau mit Haarknoten und ohne Make-up. Sie sind nicht so sehr viel älter als ich. Und Sie sind hübsch. Sie erinnern mich an diese Sängerin, die meine Mutter dauernd hört – Sarah Brightman. Die mit den langen dunklen Haaren und den blauen Augen.«
»Danke. Die mag ich auch. Fühlst du dich wohl bei jemandem, der nicht alt ist und keinen Haarknoten trägt?«
Sie runzelte die Stirn. »Ich nehm’s an.«
Ich merkte ihr an, dass ihr Bedürfnis, eine Verbindung zu mir aufzubauen, gegen ihre instinktiven Schutzmechanismen ankämpfte – was am Ende siegen würde, stand noch dahin.
»Na, dann erzähl mir einfach von deinem Wunsch, ein Vampir zu sein! Wie lange wünschst du dir das schon?«
Sie neigte den Kopf zur Seite, schob ihre Lippen vor und sagte ein paar Sekunden lang nichts. Einzelne Empfindungen zuckten über ihr Gesicht – Furcht, Enttäuschung, Groll – und machten schließlich der Hoffnung Platz.
»Seit ich letztes Jahr Devereux kennengelernt habe – Dev nennen wir ihn«, antwortete sie träumerisch.
Ah, ein erster Vertrauensbeweis! Vielleicht lässt sie mich an sich ran.
»Warum hat die Begegnung dir den Wunsch vermittelt, ein Vampir zu werden?«
»Pfft, weil er einer ist natürlich!« Sie verdrehte ihre schokoladenbraunen Augen und ließ ihre Zunge gegen die Vorderzähne schnalzen.
Ich sorgte dafür, dass das warme Lächeln mir erhalten blieb, und ignorierte die Teenager-Überspanntheiten. »Kannst du mir mehr von Dev erzählen?«
Sie zögerte, starrte auf den Fußboden hinunter und spielte mit der Zungenspitze an ihren falschen Reißzähnen herum. »Ich glaube eigentlich nicht, dass ich über ihn reden sollte. Er würde das nicht wollen. Er sagt, es sei besser, wenn niemand glaubt, dass es Vampire wirklich gibt.«
Oh, jetzt habe ich’s! Diese kleinen Reißzähne sind an ihre eigenen Eckzähne angepasst und mit einem fast unsichtbaren Band verbunden, fast wie eine Zahnspange. Wirklich raffiniert!
»Glaubst du, dass es Vampire wirklich gibt?« Ich versuchte, mich anzuhören, als gäbe es auf diese Frage nicht nur eine korrekte Antwort.
»Oh ja! Sie können sich nicht vorstellen, was ich alles gesehen habe! In Denver gibt es haufenweise Vampire«, schwärmte sie.
»Tatsächlich? Midnight, ich sollte dir sagen, dass alles, was wir hier besprechen, absolut vertraulich ist. Du kannst mir erzählen, was auch immer du mir erzählen willst – es wird nicht weitergesagt. Und ich wüsste wirklich gern mehr über diese Vampire.«
Vampire. Na ja, es ist auf jeden Fall eine Abwechslung nach all den Außerirdischen und Inbesitznahmen durch dämonische Wesenheiten. Sie zog eine Augenbraue hoch. »Und woher soll ich wissen, dass Sie es meinen Eltern nicht erzählen?«
»Solange nicht die Gefahr besteht, dass du dir selbst oder jemand anders Schaden zufügst, werde ich nichts von dem weitererzählen, was wir hier besprechen.« So, da war die vorgeschriebene Einschränkung.
Sie zögerte einen Moment lang und studierte mich. »Na ja, ich nehme mal an, dann ist das in Ordnung, denn dann können Sie keinem davon erzählen.«
Sie stellte beide Füße wieder auf den Boden und beugte sich im Sessel vor. »Was wollen Sie also wissen?«
»Warum fängst du nicht einfach ganz am Anfang an?«
Sie nickte. »Ich habe die Vampire getroffen, als ich letztes Jahr gerade mit der Highschool fertig war. Meine Freunde sind alle in diesen coolen Club in der Stadt gegangen – war früher mal eine große alte Kirche, und es ist wirklich auch eine coole Gegend. Der Laden heißt The Crypt. Wir haben alle gute falsche Ausweise, reinzukommen war also kein Problem. Aber es war trotzdem komisch. Hereingelassen haben sie uns, aber Alkohol haben sie uns dort nie verkauft. Wenn wir zur Bar gehen, lacht der Typ da uns immer bloß aus. Ziemlich nervig. Ich kapier’s wirklich nicht.«
Ich kritzelte ein paar Notizen. Es war immer ein schwieriges Unterfangen, das Nötige zu notieren, ohne dass meine Patienten das Gefühl hatten, ich konzentrierte mich nicht wirklich auf sie.
Ich hatte nach jeder Sitzung einen Krampf in den Fingern von dem schnellen Schreiben.
Interessant, dass sie ihr in dem Club keinen Alkohol serviert haben!
Vielleicht hatten sie davor schon einmal Ärger mit dem Verkauf von Alkohol an Minderjährige?
Sie nagte mit einem ihrer Reißzähne an der Unterlippe herum, als versuchte sie, sich Zeit zum Überlegen zu verschaff en, bevor sie weitersprach.
»Na ja, jedenfalls, der Club hat mehrere Stockwerke, und eins davon unten im Keller – wir nennen es ›das Verlies‹ – ist privat. An der Tür hängt ein Vorhang, aber meine Freundin Emerald und ich, wir warteten, bis der Typ an der Tür mal einen Moment wegging, und dann haben wir uns hinuntergeschlichen und durch einen Spalt hereingeschaut, und da waren diese ganzen Wahnsinnsleute«, sprudelte sie los; ihr Gesichtsausdruck war noch bei der Erinnerung ehrfurchtsvoll.
»Wahnsinnsleute?«
»Ja – zwei Sorten Leute, um genau zu sein: ein Haufen Kids
so in meinem Alter, ein paar Jahre älter vielleicht, ein bisschen goth in der Aufmachung, aber auch wieder nicht richtig, mit weißem Make-up und roten Lippen. Und dann waren da noch die anderen – dermaßen schön. Sie hatten normales Zeug an, Leder und so, und hatten auch kein weißes Make-up, aber sie waren total umwerfend. Ein bisschen älter, Ende zwanzig oder über dreißig oder so und alle mit tollen langen Haaren …«
Sie starrte sekundenlang mit herabhängendem Unterkiefer ins Leere, vollkommen von ihrer Vision gebannt.
»Sie waren also absolut umwerfend?«
Sie nickte sachte und bestätigte: »Total.«
»Und was ist dann passiert?«
»Wir standen einfach da und sahen uns das an, und dann ist eine Hand durch den Vorhang gekommen und hat ihn aufgemacht, und der heißeste Typ, den ich je gesehen hab, fragte uns, ob wir reinkommen wollten. Emerald lehnte ab – sie hat wirklich vor allem und jedem Angst –, aber ich wollte mir diese Leute wirklich näher ansehen, also hab ich ja gesagt. Der Typ streckte seinen Arm aus und nahm meine Hand, küsste mich doch wirklich auf den Handrücken und sagte, er heiße Devereux. Ich habe gedacht, gleich kippe ich um – bloß davon, dass ich ihn ansehe. Es war irgendetwas mit seinen Augen.« Sie unterbrach sich und warf einen Blick in meine Richtung, als wollte sie meine Reaktionen abschätzen, bevor sie sich auf weitere Details einließ.
Ich spürte, wie die Muskeln in meinem Nacken und Rücken sich verspannten – etwas, das manchmal passierte, wenn ich mir allzu viel Mühe geben musste, die Ansichten für mich zu behalten, mit denen ich am liebsten herausgeplatzt wäre. Den Mund zu halten konnte der schwierigste Aspekt meines Berufs sein. Sie lernte also in einer Bar einen fremden Mann kennen. Einen in Leder gekleideten Mann, der sie in einen privaten Raum einlud.
Was stimmt mit diesem Bild nicht?
Ich lächelte. »Und dann?«
»Dann führte er mich irgendwie da hinein, und Emerald kam hinterher. In dem Zimmer müssen so ungefähr fünfzig Leute gewesen sein, und sie waren alle unglaublich. Dev führte uns zu einem Tisch, und er war so höflich dabei. Er hat uns die Stühle zurechtgeschoben wie in einem alten Film und gefragt, ob wir etwas trinken wollten. Wir haben beide Bier bestellt – wir mussten das einfach ausprobieren –, aber er brachte uns Cola, und dann haben wir einfach dagesessen und ihn angestarrt. Er trank gar nichts, und ich fragte ihn, warum. Da sagte er, er hätte für diesen Abend schon genug getrunken, und lächelte einfach nur und machte diese psychedelischen Augen. Ich hab damals nicht gewusst, was er damit meint, aber jetzt weiß ich’s.«
»Nämlich was?«
»Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie das nicht weitererzählen? Ich will nicht, dass Dev wütend wird«, erklärte sie, während sie in meinem Gesicht nach Anzeichen für Unaufrichtigkeit forschte.
»Ich verspreche es«, versicherte ich.
Sie nickte. Offenbar hatte ich die Prüfung bestanden.
»Na ja, er trinkt Blut, wissen Sie? Vampire machen das eben so. Und als er sagte, er hätte genug, meinte er damit, dass er schon ›gegessen‹ hätte«, erläuterte sie; ihr Tonfall war leichthin und beiläufig, als redeten wir über das Wetter. Igitt. Er trinkt Blut. Wenn das nicht krank ist …
»Und – trinkst du Blut?«
Das war offensichtlich eine heikle Frage, denn Midnight begann wieder, an ihrer Unterlippe herumzunagen; sie drehte den Saum ihres Capes zwischen den Fingern und starrte in ihren Schoß hinunter.
»Midnight? Alles in Ordnung mit dir?«
Sie rutschte in ihrem Sessel herum und sagte: »Ja. Es ist einfach unheimlich, darüber zu reden.«
»Meinst du wegen dem, was deine Familie von alldem halten würde?«
Sie zögerte. »Nein, wegen dem, was Dev machen würde, wenn er’s herausfände«, entgegnete sie leise. »Wir dürfen kein Blut trinken.«
Na Gott sei Dank, immerhin!
»Wir kommen gleich noch einmal darauf zurück. Wie sieht deine Beziehung zu Dev aus?« Ich wurde zusehends misstrauischer, was diesen off enbar recht charismatischen Menschen betraf.
Midnight merkte off enbar, was ich dachte, und schüttelte den Kopf. »Er ist einfach bloß ein Freund. Die Mädchen sind alle hinter ihm her, aber er sagt, wir sind zu jung für ihn, er hat es eher mit älteren Frauen. Wir haben’s alle probiert, aber er geht nie mit einer von uns weg. Er hat das Sagen dort – ist der Boss, nehme ich mal an.«
Eine Vampirversion von Bruce Springsteen also? »Der Boss wovon? «
»Von den Vampiren. Und den Lehrlingen.«
»Den Lehrlingen?« Ich hatte plötzlich eine Vision von mehreren Möchtegernvampiren in einer Show à la Big Boss, die irgendwo in New York mit Donald Trump um einen Konferenztisch herumsaßen – einer vampirischen Version von Donald Trump.
Ich gab mir große Mühe, mir die Erheiterung nicht anmerken zu lassen. Mein Humor kann manchmal wirklich ein Problem sein. »So nennen wir uns.«
»Kommen wir doch noch einmal auf das mit dem Blut zurück.
Du hattest deine Schwierigkeiten, als ich das erste Mal danach gefragt habe. Warum?«
Sie senkte den Blick und begann wieder, an ihrer Unterlippe zu nagen. »Dev hat nichts dagegen, dass wir dort bei ihm und den anderen Vampiren herumhängen, aber er erlaubt keinem, Blut von uns zu nehmen, und er lässt uns auch kein Blut trinken.
Er sagt, nur echte Vampire könnten Blut so verwenden, wie es verwendet werden sollte. Wir sind technisch immer noch Menschen, und deswegen könnten wir uns Krankheiten holen, die Vampire nicht kriegen können. Er hat eine Menge Regeln, was wir tun dürfen und was nicht, wenn wir mit ihm zusammen sein wollen.«
Okay, vielleicht ist der Typ also noch nicht komplett daneben, wenn er sie wenigstens von dieser Bluttrinkerei abhält.
»Und was ist es also, von dem du nicht willst, dass er dahinterkommt?«
Lange Pause.
Ich wartete schweigend und sah zu, wie widerstreitende Emotionen in Wellen über Midnights Gesicht huschten, als sie zu entscheiden versuchte, was sie mir erzählen sollte – wenn sie mir überhaupt noch etwas anvertrauen würde.
Übersetzung: Christine Gaspard
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe bei PAN-Verlag.
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Autoren-Porträt von Lynda Hilburn
Lynda Hilburn, Jahrgang 1951, lebt mit ihrem Sohn in Boulder, Colorado. Sie gehört zu den Menschen, die es lieben, immer etwas Neues auszuprobieren kein Wunder also, dass sie schon auf die unterschiedlichsten Arten Geld verdient hat: als Sängerin, Schriftsetzerin, Kolumnistin, Tarotkartenlegerin, aber auch als Psycho- und Hypnosetherapeutin. Zu ihren großen Leidenschaften gehört aber auch das Schreiben zum Beispiel über die Vampirpsychologin Kismet Knight.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lynda Hilburn
- 2009, 459 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzer: Christine Gaspard
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426283026
- ISBN-13: 9783426283028
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