Der Wolkenatlas
Roman. Das Buch zum Film "Cloud Atlas".
Sechs Lebenswege, die sich unmöglich kreuzen können: darunter ein amerikanischer Anwalt, der um 1850 Ozeanien erforscht, ein britischer Komponist, der 1931 vor seinen Gläubigern nach Belgien flieht, und ein koreanischer Klon, der in der...
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Produktinformationen zu „Der Wolkenatlas “
Sechs Lebenswege, die sich unmöglich kreuzen können: darunter ein amerikanischer Anwalt, der um 1850 Ozeanien erforscht, ein britischer Komponist, der 1931 vor seinen Gläubigern nach Belgien flieht, und ein koreanischer Klon, der in der Zukunft wegen des Verbrechens angeklagt wird, ein Mensch sein zu wollen. Und dennoch sind alle diese Geschichten miteinander verwoben. Mitchells Roman katapultiert den Leser durch Räume, Zeiten, Genres und Erzählstile ein Pageturner für Literatursüchtige.
"Mitchell schreibt Weltliteratur."
Neue Zürcher Zeitung
Mit einem großen Staraufgebot wurde der Roman unter dem Titel "Cloud Atlas" von Tom Tykwer ("Lola rennt", "Das Parfum") und den Wachowski-Geschwistern ("Matrix"-Trilogie) verfilmt.
Mit Tom Hanks, Halle Berry, Jim Broadbent, Hugo Weaving, Jim Sturgess, Doona Bae, Ben Whishaw, James D'Arcy, Zhou Xun, Keith David, David Gyasi, Susan Sarandon und Hugh Grant.
"Mitchell schreibt Weltliteratur."
Neue Zürcher Zeitung
Mit einem großen Staraufgebot wurde der Roman unter dem Titel "Cloud Atlas" von Tom Tykwer ("Lola rennt", "Das Parfum") und den Wachowski-Geschwistern ("Matrix"-Trilogie) verfilmt.
Mit Tom Hanks, Halle Berry, Jim Broadbent, Hugo Weaving, Jim Sturgess, Doona Bae, Ben Whishaw, James D'Arcy, Zhou Xun, Keith David, David Gyasi, Susan Sarandon und Hugh Grant.
Lese-Probe zu „Der Wolkenatlas “
Der Wolkenatlas von David Mitchell Donnerstag, 7. November
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Jenseits des indischen Weilers, an einem einsamen Gestade, stieß ich auf eine Spur frischer Fußabdrücke. Über fauligen Riementang, Meerescocosnüsse u. Bambus führten sie mich zu ihrem Verursacher, einem Weißen mit flott gestutztem Barte u. übergroßem Biberhut, welcher, Hosenbeine u. Ärmel seiner Seemannsjacke aufgekrempelt, mit einem Teelöffel so andächtig den groben Sand durchschaufelte u. siebte, daß er mich erst bemerkte, als ich ihn aus etwa zehn Schritt Entfernung anrief. Auf diese Weise machte ich Bekanntschaft mit Dr. Henry Goose, Chirurg der Londoner feinen Gesellschaft. Seine Staatszugehörigkeit erstaunte mich nicht. Sollte es irgendwo ein so verlassenes Nest geben, eine so abgelegene Insel, daß man dort Zuflucht finden könnte, ohne einem Engländer in die Arme zu laufen, so ist dieser Ort auf keiner mir bekannten Landkarte verzeichnet. Ob er an diesem trostlosen Ufer etwas verloren habe? Könne ich ihm behülflich sein? Dr. Goose schüttelte den Kopf, knüpfte sein Schnupftuch auf u. breitete mit sichtlichem Stolze dessen Inhalt aus. «Zähne, Sir, sind emaillierte Schätze u. der Gegenstand meiner Suche. In früheren Tagen hielten an diesem idyllischen Gestade Cannibalen ihre Festgelage ab, während deren die Starken sich gierig an den Schwachen labten. Die Zähne spuckten sie aus, wie Sie u. ich Kirschkerne ausspeien. Aber diese Backenzähne hier werden sich zu Gold verwandeln! Wie das? Ein Künstler in Piccadilly, der Gebisse für den Adel fertigt, zahlt ein hübsches Sümmchen für menschliche Beißerchen. Wissen Sie, was ein Viertelpfund von dieser Ware einbringt, Sir?» Nein, bekannte ich, das wisse ich nicht. «Dann werde ich Ihnen auch kein Licht aufstecken, Sir, denn das ist ein Berufsgeheimniß!» Er tippte sich auf die Nase. «Kennen Sie die Marquise Grace of Mayfair, Mr. Ewing? Nein? Um so besser für Sie, sie ist nämlich ein Cadaver in Unterröcken! Fünf Jahre ist es nun her, seit die alte Vettel meinen Namen beschmutzt hat, ja, u. zwar mit Anschuldigungen, die zu meinem Ausschluß aus der guten Gesellschaft führten.» Dr. Goose blickte hinaus aufs Meer. «In jener finstren Stunde begann mein Auszug in die Fremde! » Ich bekundete seiner Misere meine Antheilnahme. «Ich danke Ihnen, Sir, ich danke Ihnen vielmals, aber diese Zähne», er schüttelte sein Schnupftuch, «sind meine Engel der Erlösung. Lassen Sie mich das erklären: Die Marquise trägt künstliche Zähne, hergestellt von vorgenanntem Dentisten. Kommende Weihnachtszeit, wenn die parfumierte Schnepfe auf dem Botschafterballe das Wort ergreift, werde ich, jawohl ich, Henry Goose, mich erheben u. vor allen Anwesenden verkünden, daß unsere Gastgeberin mit Cannibalenzähnen kaut! Sogleich wird mich Sir Hubert scharf attaquieren. ‹Legen Sie Ihre Beweise vor›, wird der Flegel pöbeln, ‹oder geben Sie mir Genugthuung!› Ich werde erwidern: ‹Beweise, Sir Hubert? Wohlan, ich sammelte die Zähne Ihrer Mutter eigenhändig aus dem Spucknapfe des Südpacifik! Hier, Sir, hier sind noch einige von derselben Sorte!› Dann werfe ich ebendiese Zähne hier in die Suppenterrine aus Schildpatt, u. das, Sir, gibt dann mir Genugthuung. Die scharfzüngigen Schreiber werden die eiskalte Marquise in ihren Klatschjournalen gar kochen, u. in der nächsten Saison wird sie sich glücklich schätzen, wenn sie noch eine Einladung zum Armenhausballe erhält!» In aller Eile entbot ich Henry Goose einen guten Tag. Ich glaube, dieser Mann ist irrsinnig!
Freitag, 8. November
In der primitiven Schiffswerft unterhalb meines Fensters schreitet die Arbeit am Klüverbaum unter Mr. Sykes' Leitung voran. Mr. Walker, Ocean Bays einziger Kneipenwirth, ist auch der führende Holzhändler am Ort u. prahlt damit, er sei seinerzeit Schiffsbaumeister in Liverpool gewesen. (Mittlerweile bin ich mit der Etiquette der Antipoden ausreichend vertraut, um solche unglaubwürdigen Wahrheiten auf sich beruhen zu lassen.) Mr. Sykes berichtete mir, es bedürfe einer ganzen Woche, um die Prophetess nach «Bristoler Art» wieder herzurichten. Sieben Tage in der Musket eingelocht zu sein ist wie eine grausame Strafe, doch wenn ich mir die Urgewalt des tropischen Wirbelsturms u. die über Bord gespülten Seeleute in Erinnerung rufe, verliert mein gegenwärthiges Schicksal an Härte. Heute morgen begegnete ich Dr. Goose auf der Treppe, u. wir frühstückten gemeinsam. Er logiert schon seit Mitte October in der Musket, nachdem er mit der Namorados, einem brasilianischen Kauffahrteyschiffe, von Fidschi, wo er in einer Missionsstation seinen Beruf practicierte, hierherkam. Nun wartet er auf einen längst überfälligen australischen Robbenfänger, die Nellie, welcher ihn nach Sydney bringen soll. In der Colonie wird er sich eine Position an Bord eines Passagierschiffes nach dem heimathlichen London suchen. Mein Urtheil über Dr. Goose war ungerecht u. voreilig. Man muß schon cynisch sein wie Diogenes, um in meinem Berufe zu reüssieren, aber Cynismus kann einen für höhere Werthe blind machen. Der Doctor hat so seine Grillen, über die er für ein Gläschen portugiesischen Pisco (nie im Übermaße) mit Freuden berichtet, doch ich will ihm zugestehen, daß er östlich von Sydney u. westlich von Valparaiso der einzige andere Gentleman in diesen Breiten ist. Vielleicht setze ich ihm sogar ein Empfehlungsschreiben für die Partridges in Sydney auf, zumal Dr. Goose u. der liebe Fred aus ein u. demselben Holze geschnitzt sind.
Da mein morgendlicher Ausgang von schlechtem Wetter vereitelt wurde, fabulierten wir beim Torffeuer, u. die Stunden entschwanden wie Minuten. Die meiste Zeit sprach ich von Tilda u. Jackson sowie von meinen Befürchtungen hinsichtlich des «Goldrausches» in San Francisco. Unsere Unterhaltung wanderte von meiner Heimathstadt zu meinen gegenwärthigen Pflichten als Notar in Neusüdwales, von dort über Egel u. Eisenbahnen zu Gibbon, Malthus u. Goodwin. Eine gepflegte Unterhaltung ist wie Balsam, den ich an Bord der Prophetess schmerzlich entbehre, u. der Doctor ist ein wahrer Universalgelehrter. Darüber hinaus besitzt er eine hübsche Armee handgeschnitzter Schachfiguren, von denen wir eifrig Gebrauch machen werden, bis entweder die Prophetess ausläuft oder die Nellie eintrifft. Sonnabend, 9. November ~ Sonnenaufgang, glänzend wie ein Silberdollar! Unser Schoner draußen in der Bucht bietet weiterhin ein jammervolles Bild. Am Ufer wird ein indisches Kriegskanu ausgebessert. Henry u. ich schlugen in Feiertagslaune den Weg zum «Festmahlsstrand» ein u. grüßten frohgemuth das Mädchen, das im Dienste Mr. Walkers steht. Das mürrische Ding hängte Wäsche über einen Busch u. schenkte uns keinerlei Beachtung. Sie hat einen Tropfen schwarzen Blutes u. ich vermuthe, ihre Mutter ist noch eng mit dem Urwaldstamme verwandt. Während wir unterhalb des indischen Weilers einhergingen, erregte ein «Summen» unsere Neugier, u. wir kamen überein, seinen Ursprung zu ergründen. Die Ansiedlung ist von einem Lattenzaune umgeben, so morsch allerdings, daß sich wohl an einem Dutzend Stellen Zutritt finden ließe. Eine kahle Hündin hob ihren Kopf, doch sie war zahnlos u. schien vor sich hin zu sterben, denn sie bellte nicht. Ein äußerer Ring von Ponga-Hütten (errichtet aus Zweigen, Lehm u. abgedeckt mit Matten) stand geduckt im Windschatten «erhabener» Wohnstätten, Holzbauten mit geschnitzten Thürstürzen u. einfachen Portalen. Im Centrum des Dorfes fand eine öffentliche Auspeitschung statt. Henry u. ich waren die einzigen anwesenden Weißen, während die zuschauenden Inder sich in drei gesellschaftliche Gruppen untertheilten. Der Häuptling saß in einem mit Federn geschmückten Mantel auf seinem Throne, umgeben von den tatauierten Vornehmen samt ihren Weibern u. Kindern, alles in allem etwa dreißig Leute. Die Sclaven, dunkelhäutiger als ihre nußbraunen Herren u. an Zahl weniger als die Hälfte, hockten abseits im Schlamm. Welch angeborene, thierische Stumpfheit! Von Pockennarben u. eitrigen haki-haki-Pusteln gezeichnet, beobachten diese armen Teufel den Strafvollzug ohne jede Reaktion außer diesem absonderlichen bienenartigen «Summen». Ob das Geräusch Antheilnahme oder Verdammung ausdrückte, war uns nicht ersichtlich. Der Auspeitscher war ein Goliath, dessen physische Kraft jeden Preisboxer im Grenzland das Fürchten lehren würde. Jeder Zoll seines muskulösen Leibes war mit Eidechsen unterschiedlichster Größe tatauiert: seine Haut würde einen schönen Preis erzielen, wobei ich für alle Perlen Hawaiis nicht derjenige sein wollte, sie ihm abzuziehen. Der bedauernswerthe Häftling, eisgrau von vielen entbehrungsreichen Jahren, war nackt an einen Dreiecksrahmen gefesselt. Sein Leib erzitterte unter jedem Peitschenhieb, der sich in seine Haut schnitt; sein Rücken glich einem Pergament voll blutiger Runen, sein ungerührtes Antlitz jedoch zeugte von der heiteren Ruhe eines Märtyrers, der sich bereits in des Herrn Obhuth wähnt. Ich bekenne, daß ich bei jedem Klatschen der Peitsche einer Ohnmacht nahe war. Dann geschah etwas Sonderbares. Der geprügelte Wilde hob den gebeugten Kopf, sah mir in die Augen u. musterte mich mit einem Blicke unheimlichen, freundschaftlichen Erkennens! Als habe ein Bühnenschauspieler einen lange verlorengeglaubten Freund in der königlichen Loge erblickt u. würde nun, vom Publicum unbemerkt, mit dem Wiedergefundenen in Verbindung treten. Ein tatauierter «Australneger» kam auf uns zu u. bedeutete uns mit einer kurzen Bewegung seines Nephritdolches, daß wir nicht willkommen seien. Ich erkundigte mich, welchen Vergehens der Gefangene schuldig sei. Henry legte seinen Arm um mich. «Kommen Sie, Adam, ein kluger Mann stellt sich nicht zwischen das Raubthier u. seine Beute.»
Sonntag, 10. November
Mr. Boerhaave saß inmitten seiner Bande getreuer Raufbolde wie Lord Anaconda mit seinen Strumpfbandnattern. Ihr «Sonntagsgottesdienst » hatte unten schon begonnen, bevor ich aufgestanden war. Als ich herunterkam, um mir Wasser zum Rasieren zu holen, fand ich die Schenke überfüllt mit Teerjacken, die um die bedauernswerthen indischen Mädchen anstanden, welche Mr. Walker in seinem improvisierten Bordell gefangenhält. (Rafael war nicht unter den Lüstlingen.) Ich entweihe meinen Sonntag nicht in einem Hurenhause. Henrys Abscheu entsprach dem meinen, u. so ließen wir das Frühstück ausfallen (das Mädchen war zweifellos zu Diensten anderer Art verpflichtet worden) u. brachen zur Kapelle auf, um dort, ohne unser Fasten gebrochen zu haben, am Gottesdienste theilzunehmen. Wir waren noch nicht zweihundert Meter weit gegangen, als mir mit Entsetzen einfiel, daß dieses Tagebuch auf dem Tische meines Zimmers in der Musket lag, einzusehen für jeden trunkenen Seemann, der sich dort hineinstahl. Besorgt um seine Sicherheit (u. um meine eigene, falls Mr. Boerhaave es in die Hände bekäme), eilte ich zurück, um es an einem besseren Orte zu verstecken. Bei meiner Rückkehr empfing mich breites Grinsen, u. ich nahm an, ich sei jener «Teufel, von dem man spricht», doch als ich meine Thür öffnete, lernte ich den wahren Grund der Belustigung kennen: nämlich Mr. Boerhaave, den ich in flagranti in meinem Bette ertappte, als er mit seinen bärigen Hinterbacken rittlings auf seinem Mohren-Goldschopf saß! Entschuldigte sich dieser holländische Teufel vielleicht? Mitnichten! Er übernahm sogleich selbst die Rolle des Gekränkten u. brüllte: «Macht, daß Ihr fortkommt, Mr. Federschwanz! Oder ich breche Euch, beim Bl-e Christi, Euren elenden Yankee-Stecken entzwei!» Ich griff eilig mein Tagebuch u. polterte die Treppe hinunter, wo die dort versammelte Crawallgesellschaft weißer Wilder mich mit ausgelassenem Spotte empfing. Ich beschwerte mich bei Mr. Walker. Ich entrichte für einen privaten Raum meine Miethe u. dürfe daher wohl erwarten, daß dieser auch in meiner Abwesenheit privat bleibe, doch dieser Halunke bot mir lediglich einen Nachlaß von einem Drittel für «einen viertelstündigen Ritt auf dem hübschesten Fohlen in meinem Stall!» an. Angewidert gab ich zurück, ich sei Ehemann u. Vater u. würde eher sterben, als wegen einer seiner pockennarbigen Huren von meiner Würde u. Wohlanständigkeit etwas abzustreichen! Walker schwor, er werde mir «die Augen decorieren», wenn ich seine lieben Töchter noch ein einziges Mal «Huren» schimpfte. Wäre bereits der Besitz eines Weibes u. eines Kindes für sich gesehen eine Tugend, höhnte eine zahnlose Strumpfbandnatter, «wohlan, Mr. Ewing, dann bin ich zehnmal tugendhafter als Sie!». Eine unsichtbare Hand leerte einen Humpen Kaffernbier über mir. Ich entfernte mich, bevor das Gebräu durch ein handfesteres Geschoß ersetzt wurde. Die Glocke rief die Gottesfürchtigen von Ocean Bay, u. ich eilte, bemüht, die soeben in meiner Unterkunft bezeugten Widerwärthigkeiten zu vergessen, stehenden Fußes zur Kapelle, wo Henry auf mich wartete. Die Kapelle knarrte wie ein altes Faß, u. die Gemeinde zählte kaum mehr Mitglieder, als Finger an zwei Händen sind, doch kein Reisender hat je in einer Wüstenoase seinen Durst mit derselben Dankbarkeit gelöscht, mit der Henry u. ich an diesem Morgen unsere Andacht verrichteten. Der lutherische Gründer war schon vor zehn Wintern auf dem Gottesacker der Kapelle zur letzten Ruhe gebettet worden, u. bis jetzt ist kein geweihter Nachfolger das Wagniß eingegangen, die Herrschaft über den Altar für sich zu reclamieren. Folglich ist die Gemeinde ein Sammelsurium christlicher Glaubensrichtungen. Bibelabschnitte wurden von jener Hälfte der Gemeinde gelesen, die über die nöthige Bildung verfügten, u. wir übrigen stimmten in die ein, zwei Choräle ein, die vom Vatican benannt wurden. Der «Kirchenvorsteher» dieser volksthümlichen Herde, ein gewisser Mr. D'Arnoq, stand unter dem einfachen Kreuze u. ersuchte Henry u. mich, uns in irgendeiner Weise zu betheiligen. Eingedenk meiner eigenen Errettung aus dem Sturme der letzten Woche, gab ich Lukas, Cap. 8 an: «Da traten sie zu ihm, wecketen ihn auf u. sprachen: ‹Meister, Meister, wir verderben!› Da stund er auf u. bedräuete den Wind u. die Woge des Wassers; u. es ließ ab, u. ward eine Stille.» Henry recitierte den achten Psalm mit so klangvoller Stimme, als wäre er ein geübter Dramatiker: «Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk; alles hast du unter seine Füße gethan: Schafe u. Ochsen allzumal dazu auch die wilden Thiere, die Vögel unter dem Himmel u. die Fische im Meer, u. was im Meer gehet.» Das Magnificat spielte kein Organist, sondern der Wind im Rauchfang; das Nunc Dimittis sang kein Chor, sondern die Sturmmöwen; dennoch glaube ich, unser Schöpfer war nicht unzufrieden. Wir glichen eher den Frühchristen in Rom denn irgendeiner späteren, mit Mysterien u. Geprunke überladenen Kirche. Es folgten die Fürbitten. Die Gemeindemitglieder beteten aus dem Stegreif für die Ausrottung der Kartoffelfäule, baten um Erlösung für die Seele eines verstorbenen Kindes, den Segen für ein neues Fischerboot u. so fort. Henry dankte für die Gastfreundschaft, die uns von den Christen der Chatham-Inseln erwiesen wurde. Ich wiederholte seine Bekundungen u. sprach ein Gebet für Tilda, Jackson u. meinen Schwiegervater wegen der langen Dauer meines Fortseins. Nach dem Gottesdienste wurden der Doctor u. ich überaus herzlich von einem älteren «Hauptmast» der Gemeinde begrüßt, einem gewissen Mr. Evans, der uns seiner lieben Frau (beide umschifften die Behinderung, die ihnen durch ihre Schwerhörigkeit verursacht wurde, indem sie nur auf Fragen antworteten, von denen sie glaubten, sie seien gestellt worden, u. nur Antworten acceptierten, von denen sie annahmen, sie seien gegeben worden - eine List, die so mancher amerikanische Anwalt verinnerlicht hat) u. ihren Zwillingssöhnen, Keegan u. Dyfedd, vorstellte. Mr. Evans gab bekannt, es sei seine Gepflogenheit, Mr. D'Arnoq, unseren Prediger, jede Woche zum Abendessen in sein nahegelegenes Haus einzuladen, denn letzterer wohne bei Port Hutt, einem Vorgebirge, einige Meilen von hier entfernt. Ob wir die Güthe hätten, ebenfalls an ihrem Sonntagsmahle theilzunehmen? Da ich Henry von dem Sündenbabel in der Musket schon berichtet hatte u. unsere Mägen knurrend aufbegehrten, nahmen wir die freundliche Einladung der Evans dankbar an. Der Hof unseres Gastgebers, eine halbe Meile oberhalb von Ocean Bay in einem gewundenen, winddurchbrausten Thale gelegen, erwies sich als ein bescheidenes Gebäude, aber eine feste Burg gegen die rasenden Stürme, die so vielen unglückseligen Schiffen auf den nahegelegenen Riffs das Rückgrat brechen. Die gute Stube bewohnte außer einem gräßlichen Keilerkopfe (verunziert durch ein hängendes Maul u. Glotzaugen), den die Zwillinge an ihrem sechzehnten Geburtstage geschossen hatten, auch eine mondsüchtige Standuhr (welche meiner Taschenuhr um mehrere Stunden voraus war. Die genaue Zeitmessung ist in der That ein wertvoller Import aus Neu-Seeland). Ein indischer Knecht starrte durch die Fensterscheibe auf die Gäste seines Herrn. Nie zuvor habe ich ein so zerlumptes Subject gesehen, doch Mr. Evans versicherte uns feierlich, der Quarteron «Barnabas» sei der «flinkeste Hütehund, der je auf zwei Beinen gelaufen ist». Keegan u. Dyfedd sind rauhe, schlichte Burschen, hauptsächlich beschlagen in allem, was Schafe betrifft (der Familie gehören 200 Stück), denn beide haben weder jemals die «Stadt» besucht (so bezeichnen die Insulaner Neu-Seeland) noch eine Schulbildung erfahren, abgesehen von dem Bibelunterricht ihres Vaters, mittels dessen sie leidlich gut Lesen u. Schreiben gelernt haben. Mrs. Evans sprach das Tischgebet, u. ich genoß das köstlichste Mahl (weder durch Salz noch Maden oder Flüche verdorben) seit meinem Abschiedsessen mit Consul Bax u. den Partridges im Beaumont. Mr. D'Arnoq unterhielt uns mit Geschichten über Schiffe, die er in den zehn Jahren seines Aufenthaltes auf den Chatham-Inseln beliefert hat, während Henry uns mit Geschichten über hoch- u. niedriggeborene Patienten ergötzte, welche er in London u. Polynesien behandelte. Ich für meinen Theil beschrieb die vielen Unannehmlichkeiten, denen sich ein amerikanischer Notar ausgesetzt sieht, der den australischen Begünstigten eines in Californien zu vollstreckenden Testamentes aufzuspüren hat. Wir spülten unseren Hammeleintopf u. die Apfelknödel mit dem leichten Biere hinunter, das Mrs. Evans braut u. an Walfänger verkauft. Keegan u. Dyfedd zogen los, um sich um ihr Vieh zu kümmern, während Mrs. Evans sich ihren Pflichten in der Küche widmete. Henry erkundigte sich danach, ob derzeit auf den Chathams Missionare tätig seien, worauf Mr. Evans u. Mr. D'Arnoq Blicke wechselten u. der erstere uns mittheilte: «Nein, die Maori schätzen es gar nicht, wenn wir Pakeha ihre Moriori durch zu viel Civilisation verderben.» Ich äußerte Bedenken, ob es überhaupt ein solches Übel wie «zu viel Civilisation» geben könne. Mr. D'Arnoq antwortete: «Wenn es westlich von Cap Horn keinen Gott gibt, dann gibt es auch jenen Grundsatz Ihrer Verfassung nicht, der ‹Alle Menschen sind gleich geschaffen› heißt, Mr. Ewing.» Die Begriffe «Maori» u. «Pakeha» waren mir durch den Aufenthalt der Prophetess in der Bay of Island geläufig, aber ich bat um Aufklärung, wen oder was «Moriori» wohl bezeichnen möge. Meine Nachfrage öffnete die Büchse der Pandora, die genauen historischen Abläufe des Verfalles u. Untergangs der Eingeborenen der Chatham-Inseln betreffend. Wir zündeten unsere Pfeifen an. Mr. D'Arnoqs Schilderungen waren noch nicht beendet, als er drei Stunden später, bevor die hereinbrechende Nacht den Weg auf dem Deiche verdunkelte, nach Port Hutt aufbrechen mußte. Sein historischer Vortrag kann sich für meine Begriffe mit der Feder Defoes oder Melvilles messen, u. ich werde nach einem, so Morpheus will, gesunden Schlafe in diesen Blättern davon berichten.
Montag, 11. November
Tagesanbruch trübe u. schwül. Die Bucht wirkt schlammig, doch das Wetter ist mild genug, um die Reparaturen an der Prophetess fortzusetzen. Ich danke Poseidon. In diesem Augenblicke wird ein neues Kreuzbramsegel gehißt. Vorhin, als Henry u. ich beim Frühstück saßen, tauchte ein heimlichtuerischer Mr. Evans auf u. bestürmte meinen Freund, den Doctor, er möge eine zurückgezogen lebende Nachbarin, eine gewisse Witwe Bryden, aufsuchen, die von ihrem Pferde in ein steiniges Schlammloch abgeworfen worden sei. Mrs. Evans sei schon dort u. befürchte, die Witwe ringe um ihr Leben. Henry holte seine Arzttasche u. brach unverzüglich auf. (Ich bot an, ihn zu begleiten, aber Mr. Evans bat mich um Nachsicht, denn die Patientin habe ihm das Versprechen abgenommen, daß nur ein Arzt sie in ihrem versehrten Zustande zu Gesicht bekäme.) Walker, der die ganze Angelegenheit mit angehört hatte, erzählte mir, seit zwanzig Jahren habe kein Angehöriger des männlichen Geschlechts die Schwelle dieser Witwe übertreten, u. gelangte zu dem Schluß, daß «die frigide alte Sau aus dem letzten Loch pfeifen muß, wenn sie sich von Dr. Quacksalber filzen läßt». Die Ursprünge der Moriori auf «Re-ko hu» (der einheimische Name für die Chathams) bleiben bis in unsere Tage verborgen. Mr. Evans vertritt die Ansicht, sie würden von aus Spanien vertriebenen Juden abstammen, wobei er sich auf ihre Hakennasen u. höhnisch hochgezogenen Lippen beruft. Mr. D'Arnoqs bevorzugte Theorie, die Moriori seien dereinsten Maori gewesen, deren Kanus vor dieser entlegensten aller Inseln Schiffbruch erlitten hätten, gründet sich auf Ähnlichkeiten von Sprache u. Mythologie u. verfügt daher über einen höheren Grad an Logik. In jedem Fall ist gewiß, daß die Moriori nach Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden des Lebens in Abgeschiedenheit ein ebenso primitives Dasein fristeten wie ihre leidgeprüften Vettern in Van-Diemen's-Land. Die Kunst des Bootsbaues (über roh zusammengezimmerte Flöße, mit denen sie die Meeresarme zwischen den Inseln überquerten, hinausgehend) u. der Seefahrt gingen verloren. Daß der Erdenkreis noch aus anderen Ländern bestand, welche von anderen Füßen beschritten wurden, ahnten die Moriori nicht. In der That fehlt ihrer Sprache ein Wort für «Volk», u. «Moriori» heißt nichts weiter als «Leute». Viehwirthschaft betrieben sie nicht, denn auf den Inseln gab es keine Säugethiere, bis vorbeifahrende Walfänger hier Schweine aussetzten, damit diese sich vermehrten, für die Speisekammern. In ihrem ursprünglichen Zustande waren die Moriori Sammler; sie lasen Paua-Schnecken auf, tauchten nach Langusten, plünderten Vogelnester, speerten Robben, pflückten Riementang u. buddelten nach Maden u. Wurzeln. Insoweit waren die Moriori nichts anderes als eine örtliche Variante der meisten bastbeschurzten, federgeschmückten Heiden von jenen im Verschwinden begriffenen «weißen Flecken» im Oceane, die noch nicht vom civilisierten Mann beeinflußt sind. Was dem alten Re-ko hu jedoch seinen Anspruch auf Einmaligkeit ertheilte, waren seine einzigartig friedfertigen Glaubensvorstellungen. Seit unvordenklichen Zeiten bestimmte die Priesterkaste der Moriori, daß, wer auch immer das Blut eines Menschen vergoß, sein eigenes mana - seine Ehre, seinen Werth, seinen gesellschaftlichen Rang u. seine Seele - tötet. Kein Moriori durfte der persona non grata zu Hülfe eilen, ihr zu essen geben, mit ihr sprechen oder sie auch nur ansehen. Falls der ausgestoßene Mörder seinen ersten Winter überlebte, trieb ihn die Verzweiflung über seine Vereinsamung gewöhnlich zu einem Spritzloch am Cape Young, wo er sich das Leben nahm. «Überlegen Sie nur», drängte uns Mr. D'Arnoq. «Zweitausend Wilde (nach Mr. Evans' günstigsten Schätzungen) beherzigen Du sollst nicht töten in Worten u. in Thaten u. formulieren eine mündliche ‹Magna Charta›, um eine Eintracht zu erschaffen, die, seit Adam vor sechs Jahrtausenden vom Baume der Erkenntniß aß, nirgendwo bekannt war. Krieg war den Moriori ein ebenso fremder Begriff wie den Pygmäen das Telescop. Frieden, nicht als Zeitspanne zwischen Kriegen, sondern Jahrtausende währender Frieden herrschte auf diesen entlegenen Inseln. Wer kann bestreiten, daß das alte Re-ko hu näher an Thomas Morus' Utopia lag als unsere fortschrittlichen Staaten, regiert von kriegslüsternen Fürstelchen in Versailles u. Wien, Washington u. Westminster? Hier», eiferte Mr. D'Arnoq, «u. nur hier gab es jenes vage Phantasiegeschöpf, den edlen Wilden, geformt aus Fleisch u. Blut!» (Später, als wir auf dem Rückwege zur Musket waren, bekannte Henry: «Ich könnte eine Rasse von Wilden, die zu rückständig ist, um ordentlich einen Speer zu werfen, niemals ‹edel› nennen.») Unter wiederholten Schlägen erbringen Glas u. Frieden den Nachweis ihrer Zerbrechlichkeit auf selbige Weise. Der erste Schlag gegen die Moriori war der Union Jack, den Lieutenant Broughton von HMS Chatham vor fünfzig Jahren im Namen König Georgs auf einem Rasenstück in der Skirmish Bay aufpflanzte. Drei Jahre später war Broughtons Entdeckung in den Londoner u. Sydneyer Seekarten verzeichnet, u. vereinzelte freie Siedler (unter denen sich auch Mr. Evans' Vater befand), schiffbrüchige Seeleute u. Strafgefangene, welche über die Bedingungen ihrer Haft mit dem Colonialamte von Neusüdwales uneins waren, bauten Kürbisse, Zwiebeln, Mais u. Mohrrüben an. Diese verkauften sie an nachfragende Robbenfänger, die - der zweite Schlag gegen die Unabhängigkeit der Moriori - die Hoffnungen der Eingeborenen auf glückliches Gedeihen zunichte machten, indem sie die Brandung mit Robbenblut rosa färbten. (Mr. D'Arnoq illustrierte die Gewinne durch folgende Rechnung: Jedes Fell erzielte in Canton 15 Schillinge, u. jene ersten Robbenschläger erbeuteten über zweitausend Felle pro Boot!) Innerhalb weniger Jahre gab es nur noch an den weit draußen liegenden Felsen Robben, so daß nun auch die Robbenschläger sich dem Anbau von Kartoffeln sowie der Schafu. Schweinezucht zuwandten, u. zwar in einem Umfange, daß die Chatham-Inseln heute als «der Garten des Pacifik» tituliert werden. Diese Amateurbauern roden das Land mit Buschfeuern, die im darunter liegenden Torfe noch über viele Jahre schwelen, was in Trockenperioden zu neuerlichem Elend führt. Der dritte Schlag gegen die Moriori erfolgte durch die Walfänger, welche nun in beträchtlicher Zahl in Ocean Bay, Waitangi, Owenga u. Te Whakaru der Reparaturarbeiten, Ausrüstung u. Vorräte bedurften. Ihre Katzen u. Ratten vermehrten sich wie die Plagen Ägyptens u. fraßen die Vögel, deren Eier die Moriori für ihre Ernährung so hochschätzten. Viertens senkte das bunte Gemisch von Krankheiten, welche die dunkleren Rassen decimieren, wann immer die weiße Civilisation sich nähert, die Zahl der Eingeborenen weiter nach unten. All diese Schicksalsschläge hätten die Moriori womöglich ertragen, wäre Neu-Seeland nicht von Berichten erreicht worden, die Chatham-Inseln seien ein wahres Paradies von mit Schalenthieren bedeckten Buchten, aalreichen Lagunen u. Bewohnern, die sich weder auf Verteidigung noch auf Waffen verstünden. Für die Ohren der Ngati Tama u. der Ngati Mutunga, zweier Stämme der Taranaki Te Ati Awa Maori (in der Genealogie der Maori ist, wie Mr. D'Arnoq uns versicherte, jeder Familienzweig so verschlungen wie die adorierten Stammbäume des europäischen Landadels, u. in der That kann jedes Kind dieses analphabetischen Volkes im Handumdrehen Namen u. Rang seines Ururgroßvaters benennen), verhießen diese Gerüchte einen Ersatz für die Landstriche aus dem Besitze ihrer Vorfahren, die sie kürzlich in den «Musketenkriegen» verloren hatten. Kundschafter wurden ausgesandt, welche die Leidensfähigkeit der Moriori überprüfen sollten, indem sie gegen ihr tapu verstießen u. ihre heiligen Stätten plünderten. Diesen Provocationen begegneten die Moriori, wie unser Herr Christus es verlangt, indem sie «die andere Backe hinhielten». Die Übelthäter kehrten nach Neu-Seeland zurück, wo sie den augenscheinlichen Kleinmuth der Moriori bestätigten. Die tatauierten Maori-Conquistadores fanden ihre einschiffige Armada bei Captain Harewood von der Brigg Rodney, welcher sich in den letzten Monaten des Jahres 1835 bereit erklärte, im Austausch gegen Saatkartoffeln, Feuerwaffen, Schweine, eine große Lieferung gekämmten Flachses u. eine Kanone neunhundert Maori u. sieben Kriegskanus in zwei Überfahrten zu verschiffen. (Vor fünf Jahren begegnete Mr. D'Arnoq dem verarmten Harewood in einer Schenke in der Bay of Islands. Zunächst stritt dieser ab, der Harewood von der Rodney zu sein, dann schwor er, er sei dazu gezwungen worden, die Schwarzen zu befördern, aber es blieb undurchsichtig, auf welche Weise dieser Zwang auf ihn ausgeübt worden war.) Die Rodney segelte im November von Port Nicholas ab, doch als sie sechs Tage später in der Whangatete-Bucht vor Anker ging, war ihre heidnische Fracht von fünfhundert Männern, Frauen u. Kindern, welche die ganze sechstägige Reise seekrank u. ohne jede Versorgung mit Wasser zusammengepfercht im schmutzigen Kielraum verbracht hatte, in einem so geschwächten Zustande, daß es selbst für die Moriori, hätten sie denn den Willen gehabt, ein leichtes gewesen wäre, ihre kriegerischen Brüder zu erschlagen. Doch anstatt ihr mana durch Blutvergießen zu zerstören, zogen die barmherzigen Samariter es vor, den geschwundenen Überfluß Re- ko hus zu theilen, u. sie pflegten die kranken, dem Tode nahen Maori wieder gesund. «Schon früher waren Maori nach Re-ko hu gekommen», erklärte Mr. D'Arnoq, «aber sie waren auch wieder gegangen, weshalb die Moriori annahmen, die Colonisten würden sie gleichfalls in Frieden lassen.» Die Großmut der Moriori wurde belohnt, als Cpt. Harewood mit den übrigen vierhundert Maori aus Neu-Seeland zurückkehrte. Die Fremden erhoben nun Anspruch auf Chatham durch takahi, ein Maori-Ritual, welches übersetzt «Das Land ablaufen u. in Besitz nehmen» bedeutet. Das alte Re-ko hu wurde somit aufgetheilt u. das Volk der Moriori darüber unterrichtet, daß sie fortan Unterthanen der Maori seien. Anfang December, als einige Dutzend Eingeborene dagegen protestierten, wurden sie schonungslos mit der Streitaxt erschlagen. Die Maori erwiesen sich in den «finsteren Künsten der Colonisierung» als gelehrige Schüler der Engländer. Im Osten der Chatham-Insel liegt Te Whanga, eine ausgedehnte Lagune mit fruchtbarem Marschland, das mit jeder Flut bei Te Awapatiki vom Ocean überschwemmt wird. Vor vierzehn Jahren hielten die Moriori auf diesem geheiligten Boden ein Palaver ab. Es währte drei Tage u. behandelte die Frage, ob das Vergießen von Maoriblut ihr mana zerstöre. Die jüngeren Männer führten an, das Bekenntniß zum Frieden beziehe sich nicht auf fremdländische Cannibalen, von denen ihre Vorfahren keine Kenntniß gehabt hätten. Die Moriori müßten töten oder würden selbst getötet werden. Die Älteren rieten zur Beschwichtigung, denn solange die Moriori mit ihren Ländereyen ihr mana wahrten, würden ihre Götter u. Ahnen sie vor allem Übel beschützen. «Umarme deinen Feind», drängten sie, «u. halte ihn so davon ab, dich zu schlagen.» («Umarme deinen Feind», witzelte Henry, «u. fühle, wie sein Dolch deine Nieren kitzelt.»)
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Jenseits des indischen Weilers, an einem einsamen Gestade, stieß ich auf eine Spur frischer Fußabdrücke. Über fauligen Riementang, Meerescocosnüsse u. Bambus führten sie mich zu ihrem Verursacher, einem Weißen mit flott gestutztem Barte u. übergroßem Biberhut, welcher, Hosenbeine u. Ärmel seiner Seemannsjacke aufgekrempelt, mit einem Teelöffel so andächtig den groben Sand durchschaufelte u. siebte, daß er mich erst bemerkte, als ich ihn aus etwa zehn Schritt Entfernung anrief. Auf diese Weise machte ich Bekanntschaft mit Dr. Henry Goose, Chirurg der Londoner feinen Gesellschaft. Seine Staatszugehörigkeit erstaunte mich nicht. Sollte es irgendwo ein so verlassenes Nest geben, eine so abgelegene Insel, daß man dort Zuflucht finden könnte, ohne einem Engländer in die Arme zu laufen, so ist dieser Ort auf keiner mir bekannten Landkarte verzeichnet. Ob er an diesem trostlosen Ufer etwas verloren habe? Könne ich ihm behülflich sein? Dr. Goose schüttelte den Kopf, knüpfte sein Schnupftuch auf u. breitete mit sichtlichem Stolze dessen Inhalt aus. «Zähne, Sir, sind emaillierte Schätze u. der Gegenstand meiner Suche. In früheren Tagen hielten an diesem idyllischen Gestade Cannibalen ihre Festgelage ab, während deren die Starken sich gierig an den Schwachen labten. Die Zähne spuckten sie aus, wie Sie u. ich Kirschkerne ausspeien. Aber diese Backenzähne hier werden sich zu Gold verwandeln! Wie das? Ein Künstler in Piccadilly, der Gebisse für den Adel fertigt, zahlt ein hübsches Sümmchen für menschliche Beißerchen. Wissen Sie, was ein Viertelpfund von dieser Ware einbringt, Sir?» Nein, bekannte ich, das wisse ich nicht. «Dann werde ich Ihnen auch kein Licht aufstecken, Sir, denn das ist ein Berufsgeheimniß!» Er tippte sich auf die Nase. «Kennen Sie die Marquise Grace of Mayfair, Mr. Ewing? Nein? Um so besser für Sie, sie ist nämlich ein Cadaver in Unterröcken! Fünf Jahre ist es nun her, seit die alte Vettel meinen Namen beschmutzt hat, ja, u. zwar mit Anschuldigungen, die zu meinem Ausschluß aus der guten Gesellschaft führten.» Dr. Goose blickte hinaus aufs Meer. «In jener finstren Stunde begann mein Auszug in die Fremde! » Ich bekundete seiner Misere meine Antheilnahme. «Ich danke Ihnen, Sir, ich danke Ihnen vielmals, aber diese Zähne», er schüttelte sein Schnupftuch, «sind meine Engel der Erlösung. Lassen Sie mich das erklären: Die Marquise trägt künstliche Zähne, hergestellt von vorgenanntem Dentisten. Kommende Weihnachtszeit, wenn die parfumierte Schnepfe auf dem Botschafterballe das Wort ergreift, werde ich, jawohl ich, Henry Goose, mich erheben u. vor allen Anwesenden verkünden, daß unsere Gastgeberin mit Cannibalenzähnen kaut! Sogleich wird mich Sir Hubert scharf attaquieren. ‹Legen Sie Ihre Beweise vor›, wird der Flegel pöbeln, ‹oder geben Sie mir Genugthuung!› Ich werde erwidern: ‹Beweise, Sir Hubert? Wohlan, ich sammelte die Zähne Ihrer Mutter eigenhändig aus dem Spucknapfe des Südpacifik! Hier, Sir, hier sind noch einige von derselben Sorte!› Dann werfe ich ebendiese Zähne hier in die Suppenterrine aus Schildpatt, u. das, Sir, gibt dann mir Genugthuung. Die scharfzüngigen Schreiber werden die eiskalte Marquise in ihren Klatschjournalen gar kochen, u. in der nächsten Saison wird sie sich glücklich schätzen, wenn sie noch eine Einladung zum Armenhausballe erhält!» In aller Eile entbot ich Henry Goose einen guten Tag. Ich glaube, dieser Mann ist irrsinnig!
Freitag, 8. November
In der primitiven Schiffswerft unterhalb meines Fensters schreitet die Arbeit am Klüverbaum unter Mr. Sykes' Leitung voran. Mr. Walker, Ocean Bays einziger Kneipenwirth, ist auch der führende Holzhändler am Ort u. prahlt damit, er sei seinerzeit Schiffsbaumeister in Liverpool gewesen. (Mittlerweile bin ich mit der Etiquette der Antipoden ausreichend vertraut, um solche unglaubwürdigen Wahrheiten auf sich beruhen zu lassen.) Mr. Sykes berichtete mir, es bedürfe einer ganzen Woche, um die Prophetess nach «Bristoler Art» wieder herzurichten. Sieben Tage in der Musket eingelocht zu sein ist wie eine grausame Strafe, doch wenn ich mir die Urgewalt des tropischen Wirbelsturms u. die über Bord gespülten Seeleute in Erinnerung rufe, verliert mein gegenwärthiges Schicksal an Härte. Heute morgen begegnete ich Dr. Goose auf der Treppe, u. wir frühstückten gemeinsam. Er logiert schon seit Mitte October in der Musket, nachdem er mit der Namorados, einem brasilianischen Kauffahrteyschiffe, von Fidschi, wo er in einer Missionsstation seinen Beruf practicierte, hierherkam. Nun wartet er auf einen längst überfälligen australischen Robbenfänger, die Nellie, welcher ihn nach Sydney bringen soll. In der Colonie wird er sich eine Position an Bord eines Passagierschiffes nach dem heimathlichen London suchen. Mein Urtheil über Dr. Goose war ungerecht u. voreilig. Man muß schon cynisch sein wie Diogenes, um in meinem Berufe zu reüssieren, aber Cynismus kann einen für höhere Werthe blind machen. Der Doctor hat so seine Grillen, über die er für ein Gläschen portugiesischen Pisco (nie im Übermaße) mit Freuden berichtet, doch ich will ihm zugestehen, daß er östlich von Sydney u. westlich von Valparaiso der einzige andere Gentleman in diesen Breiten ist. Vielleicht setze ich ihm sogar ein Empfehlungsschreiben für die Partridges in Sydney auf, zumal Dr. Goose u. der liebe Fred aus ein u. demselben Holze geschnitzt sind.
Da mein morgendlicher Ausgang von schlechtem Wetter vereitelt wurde, fabulierten wir beim Torffeuer, u. die Stunden entschwanden wie Minuten. Die meiste Zeit sprach ich von Tilda u. Jackson sowie von meinen Befürchtungen hinsichtlich des «Goldrausches» in San Francisco. Unsere Unterhaltung wanderte von meiner Heimathstadt zu meinen gegenwärthigen Pflichten als Notar in Neusüdwales, von dort über Egel u. Eisenbahnen zu Gibbon, Malthus u. Goodwin. Eine gepflegte Unterhaltung ist wie Balsam, den ich an Bord der Prophetess schmerzlich entbehre, u. der Doctor ist ein wahrer Universalgelehrter. Darüber hinaus besitzt er eine hübsche Armee handgeschnitzter Schachfiguren, von denen wir eifrig Gebrauch machen werden, bis entweder die Prophetess ausläuft oder die Nellie eintrifft. Sonnabend, 9. November ~ Sonnenaufgang, glänzend wie ein Silberdollar! Unser Schoner draußen in der Bucht bietet weiterhin ein jammervolles Bild. Am Ufer wird ein indisches Kriegskanu ausgebessert. Henry u. ich schlugen in Feiertagslaune den Weg zum «Festmahlsstrand» ein u. grüßten frohgemuth das Mädchen, das im Dienste Mr. Walkers steht. Das mürrische Ding hängte Wäsche über einen Busch u. schenkte uns keinerlei Beachtung. Sie hat einen Tropfen schwarzen Blutes u. ich vermuthe, ihre Mutter ist noch eng mit dem Urwaldstamme verwandt. Während wir unterhalb des indischen Weilers einhergingen, erregte ein «Summen» unsere Neugier, u. wir kamen überein, seinen Ursprung zu ergründen. Die Ansiedlung ist von einem Lattenzaune umgeben, so morsch allerdings, daß sich wohl an einem Dutzend Stellen Zutritt finden ließe. Eine kahle Hündin hob ihren Kopf, doch sie war zahnlos u. schien vor sich hin zu sterben, denn sie bellte nicht. Ein äußerer Ring von Ponga-Hütten (errichtet aus Zweigen, Lehm u. abgedeckt mit Matten) stand geduckt im Windschatten «erhabener» Wohnstätten, Holzbauten mit geschnitzten Thürstürzen u. einfachen Portalen. Im Centrum des Dorfes fand eine öffentliche Auspeitschung statt. Henry u. ich waren die einzigen anwesenden Weißen, während die zuschauenden Inder sich in drei gesellschaftliche Gruppen untertheilten. Der Häuptling saß in einem mit Federn geschmückten Mantel auf seinem Throne, umgeben von den tatauierten Vornehmen samt ihren Weibern u. Kindern, alles in allem etwa dreißig Leute. Die Sclaven, dunkelhäutiger als ihre nußbraunen Herren u. an Zahl weniger als die Hälfte, hockten abseits im Schlamm. Welch angeborene, thierische Stumpfheit! Von Pockennarben u. eitrigen haki-haki-Pusteln gezeichnet, beobachten diese armen Teufel den Strafvollzug ohne jede Reaktion außer diesem absonderlichen bienenartigen «Summen». Ob das Geräusch Antheilnahme oder Verdammung ausdrückte, war uns nicht ersichtlich. Der Auspeitscher war ein Goliath, dessen physische Kraft jeden Preisboxer im Grenzland das Fürchten lehren würde. Jeder Zoll seines muskulösen Leibes war mit Eidechsen unterschiedlichster Größe tatauiert: seine Haut würde einen schönen Preis erzielen, wobei ich für alle Perlen Hawaiis nicht derjenige sein wollte, sie ihm abzuziehen. Der bedauernswerthe Häftling, eisgrau von vielen entbehrungsreichen Jahren, war nackt an einen Dreiecksrahmen gefesselt. Sein Leib erzitterte unter jedem Peitschenhieb, der sich in seine Haut schnitt; sein Rücken glich einem Pergament voll blutiger Runen, sein ungerührtes Antlitz jedoch zeugte von der heiteren Ruhe eines Märtyrers, der sich bereits in des Herrn Obhuth wähnt. Ich bekenne, daß ich bei jedem Klatschen der Peitsche einer Ohnmacht nahe war. Dann geschah etwas Sonderbares. Der geprügelte Wilde hob den gebeugten Kopf, sah mir in die Augen u. musterte mich mit einem Blicke unheimlichen, freundschaftlichen Erkennens! Als habe ein Bühnenschauspieler einen lange verlorengeglaubten Freund in der königlichen Loge erblickt u. würde nun, vom Publicum unbemerkt, mit dem Wiedergefundenen in Verbindung treten. Ein tatauierter «Australneger» kam auf uns zu u. bedeutete uns mit einer kurzen Bewegung seines Nephritdolches, daß wir nicht willkommen seien. Ich erkundigte mich, welchen Vergehens der Gefangene schuldig sei. Henry legte seinen Arm um mich. «Kommen Sie, Adam, ein kluger Mann stellt sich nicht zwischen das Raubthier u. seine Beute.»
Sonntag, 10. November
Mr. Boerhaave saß inmitten seiner Bande getreuer Raufbolde wie Lord Anaconda mit seinen Strumpfbandnattern. Ihr «Sonntagsgottesdienst » hatte unten schon begonnen, bevor ich aufgestanden war. Als ich herunterkam, um mir Wasser zum Rasieren zu holen, fand ich die Schenke überfüllt mit Teerjacken, die um die bedauernswerthen indischen Mädchen anstanden, welche Mr. Walker in seinem improvisierten Bordell gefangenhält. (Rafael war nicht unter den Lüstlingen.) Ich entweihe meinen Sonntag nicht in einem Hurenhause. Henrys Abscheu entsprach dem meinen, u. so ließen wir das Frühstück ausfallen (das Mädchen war zweifellos zu Diensten anderer Art verpflichtet worden) u. brachen zur Kapelle auf, um dort, ohne unser Fasten gebrochen zu haben, am Gottesdienste theilzunehmen. Wir waren noch nicht zweihundert Meter weit gegangen, als mir mit Entsetzen einfiel, daß dieses Tagebuch auf dem Tische meines Zimmers in der Musket lag, einzusehen für jeden trunkenen Seemann, der sich dort hineinstahl. Besorgt um seine Sicherheit (u. um meine eigene, falls Mr. Boerhaave es in die Hände bekäme), eilte ich zurück, um es an einem besseren Orte zu verstecken. Bei meiner Rückkehr empfing mich breites Grinsen, u. ich nahm an, ich sei jener «Teufel, von dem man spricht», doch als ich meine Thür öffnete, lernte ich den wahren Grund der Belustigung kennen: nämlich Mr. Boerhaave, den ich in flagranti in meinem Bette ertappte, als er mit seinen bärigen Hinterbacken rittlings auf seinem Mohren-Goldschopf saß! Entschuldigte sich dieser holländische Teufel vielleicht? Mitnichten! Er übernahm sogleich selbst die Rolle des Gekränkten u. brüllte: «Macht, daß Ihr fortkommt, Mr. Federschwanz! Oder ich breche Euch, beim Bl-e Christi, Euren elenden Yankee-Stecken entzwei!» Ich griff eilig mein Tagebuch u. polterte die Treppe hinunter, wo die dort versammelte Crawallgesellschaft weißer Wilder mich mit ausgelassenem Spotte empfing. Ich beschwerte mich bei Mr. Walker. Ich entrichte für einen privaten Raum meine Miethe u. dürfe daher wohl erwarten, daß dieser auch in meiner Abwesenheit privat bleibe, doch dieser Halunke bot mir lediglich einen Nachlaß von einem Drittel für «einen viertelstündigen Ritt auf dem hübschesten Fohlen in meinem Stall!» an. Angewidert gab ich zurück, ich sei Ehemann u. Vater u. würde eher sterben, als wegen einer seiner pockennarbigen Huren von meiner Würde u. Wohlanständigkeit etwas abzustreichen! Walker schwor, er werde mir «die Augen decorieren», wenn ich seine lieben Töchter noch ein einziges Mal «Huren» schimpfte. Wäre bereits der Besitz eines Weibes u. eines Kindes für sich gesehen eine Tugend, höhnte eine zahnlose Strumpfbandnatter, «wohlan, Mr. Ewing, dann bin ich zehnmal tugendhafter als Sie!». Eine unsichtbare Hand leerte einen Humpen Kaffernbier über mir. Ich entfernte mich, bevor das Gebräu durch ein handfesteres Geschoß ersetzt wurde. Die Glocke rief die Gottesfürchtigen von Ocean Bay, u. ich eilte, bemüht, die soeben in meiner Unterkunft bezeugten Widerwärthigkeiten zu vergessen, stehenden Fußes zur Kapelle, wo Henry auf mich wartete. Die Kapelle knarrte wie ein altes Faß, u. die Gemeinde zählte kaum mehr Mitglieder, als Finger an zwei Händen sind, doch kein Reisender hat je in einer Wüstenoase seinen Durst mit derselben Dankbarkeit gelöscht, mit der Henry u. ich an diesem Morgen unsere Andacht verrichteten. Der lutherische Gründer war schon vor zehn Wintern auf dem Gottesacker der Kapelle zur letzten Ruhe gebettet worden, u. bis jetzt ist kein geweihter Nachfolger das Wagniß eingegangen, die Herrschaft über den Altar für sich zu reclamieren. Folglich ist die Gemeinde ein Sammelsurium christlicher Glaubensrichtungen. Bibelabschnitte wurden von jener Hälfte der Gemeinde gelesen, die über die nöthige Bildung verfügten, u. wir übrigen stimmten in die ein, zwei Choräle ein, die vom Vatican benannt wurden. Der «Kirchenvorsteher» dieser volksthümlichen Herde, ein gewisser Mr. D'Arnoq, stand unter dem einfachen Kreuze u. ersuchte Henry u. mich, uns in irgendeiner Weise zu betheiligen. Eingedenk meiner eigenen Errettung aus dem Sturme der letzten Woche, gab ich Lukas, Cap. 8 an: «Da traten sie zu ihm, wecketen ihn auf u. sprachen: ‹Meister, Meister, wir verderben!› Da stund er auf u. bedräuete den Wind u. die Woge des Wassers; u. es ließ ab, u. ward eine Stille.» Henry recitierte den achten Psalm mit so klangvoller Stimme, als wäre er ein geübter Dramatiker: «Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk; alles hast du unter seine Füße gethan: Schafe u. Ochsen allzumal dazu auch die wilden Thiere, die Vögel unter dem Himmel u. die Fische im Meer, u. was im Meer gehet.» Das Magnificat spielte kein Organist, sondern der Wind im Rauchfang; das Nunc Dimittis sang kein Chor, sondern die Sturmmöwen; dennoch glaube ich, unser Schöpfer war nicht unzufrieden. Wir glichen eher den Frühchristen in Rom denn irgendeiner späteren, mit Mysterien u. Geprunke überladenen Kirche. Es folgten die Fürbitten. Die Gemeindemitglieder beteten aus dem Stegreif für die Ausrottung der Kartoffelfäule, baten um Erlösung für die Seele eines verstorbenen Kindes, den Segen für ein neues Fischerboot u. so fort. Henry dankte für die Gastfreundschaft, die uns von den Christen der Chatham-Inseln erwiesen wurde. Ich wiederholte seine Bekundungen u. sprach ein Gebet für Tilda, Jackson u. meinen Schwiegervater wegen der langen Dauer meines Fortseins. Nach dem Gottesdienste wurden der Doctor u. ich überaus herzlich von einem älteren «Hauptmast» der Gemeinde begrüßt, einem gewissen Mr. Evans, der uns seiner lieben Frau (beide umschifften die Behinderung, die ihnen durch ihre Schwerhörigkeit verursacht wurde, indem sie nur auf Fragen antworteten, von denen sie glaubten, sie seien gestellt worden, u. nur Antworten acceptierten, von denen sie annahmen, sie seien gegeben worden - eine List, die so mancher amerikanische Anwalt verinnerlicht hat) u. ihren Zwillingssöhnen, Keegan u. Dyfedd, vorstellte. Mr. Evans gab bekannt, es sei seine Gepflogenheit, Mr. D'Arnoq, unseren Prediger, jede Woche zum Abendessen in sein nahegelegenes Haus einzuladen, denn letzterer wohne bei Port Hutt, einem Vorgebirge, einige Meilen von hier entfernt. Ob wir die Güthe hätten, ebenfalls an ihrem Sonntagsmahle theilzunehmen? Da ich Henry von dem Sündenbabel in der Musket schon berichtet hatte u. unsere Mägen knurrend aufbegehrten, nahmen wir die freundliche Einladung der Evans dankbar an. Der Hof unseres Gastgebers, eine halbe Meile oberhalb von Ocean Bay in einem gewundenen, winddurchbrausten Thale gelegen, erwies sich als ein bescheidenes Gebäude, aber eine feste Burg gegen die rasenden Stürme, die so vielen unglückseligen Schiffen auf den nahegelegenen Riffs das Rückgrat brechen. Die gute Stube bewohnte außer einem gräßlichen Keilerkopfe (verunziert durch ein hängendes Maul u. Glotzaugen), den die Zwillinge an ihrem sechzehnten Geburtstage geschossen hatten, auch eine mondsüchtige Standuhr (welche meiner Taschenuhr um mehrere Stunden voraus war. Die genaue Zeitmessung ist in der That ein wertvoller Import aus Neu-Seeland). Ein indischer Knecht starrte durch die Fensterscheibe auf die Gäste seines Herrn. Nie zuvor habe ich ein so zerlumptes Subject gesehen, doch Mr. Evans versicherte uns feierlich, der Quarteron «Barnabas» sei der «flinkeste Hütehund, der je auf zwei Beinen gelaufen ist». Keegan u. Dyfedd sind rauhe, schlichte Burschen, hauptsächlich beschlagen in allem, was Schafe betrifft (der Familie gehören 200 Stück), denn beide haben weder jemals die «Stadt» besucht (so bezeichnen die Insulaner Neu-Seeland) noch eine Schulbildung erfahren, abgesehen von dem Bibelunterricht ihres Vaters, mittels dessen sie leidlich gut Lesen u. Schreiben gelernt haben. Mrs. Evans sprach das Tischgebet, u. ich genoß das köstlichste Mahl (weder durch Salz noch Maden oder Flüche verdorben) seit meinem Abschiedsessen mit Consul Bax u. den Partridges im Beaumont. Mr. D'Arnoq unterhielt uns mit Geschichten über Schiffe, die er in den zehn Jahren seines Aufenthaltes auf den Chatham-Inseln beliefert hat, während Henry uns mit Geschichten über hoch- u. niedriggeborene Patienten ergötzte, welche er in London u. Polynesien behandelte. Ich für meinen Theil beschrieb die vielen Unannehmlichkeiten, denen sich ein amerikanischer Notar ausgesetzt sieht, der den australischen Begünstigten eines in Californien zu vollstreckenden Testamentes aufzuspüren hat. Wir spülten unseren Hammeleintopf u. die Apfelknödel mit dem leichten Biere hinunter, das Mrs. Evans braut u. an Walfänger verkauft. Keegan u. Dyfedd zogen los, um sich um ihr Vieh zu kümmern, während Mrs. Evans sich ihren Pflichten in der Küche widmete. Henry erkundigte sich danach, ob derzeit auf den Chathams Missionare tätig seien, worauf Mr. Evans u. Mr. D'Arnoq Blicke wechselten u. der erstere uns mittheilte: «Nein, die Maori schätzen es gar nicht, wenn wir Pakeha ihre Moriori durch zu viel Civilisation verderben.» Ich äußerte Bedenken, ob es überhaupt ein solches Übel wie «zu viel Civilisation» geben könne. Mr. D'Arnoq antwortete: «Wenn es westlich von Cap Horn keinen Gott gibt, dann gibt es auch jenen Grundsatz Ihrer Verfassung nicht, der ‹Alle Menschen sind gleich geschaffen› heißt, Mr. Ewing.» Die Begriffe «Maori» u. «Pakeha» waren mir durch den Aufenthalt der Prophetess in der Bay of Island geläufig, aber ich bat um Aufklärung, wen oder was «Moriori» wohl bezeichnen möge. Meine Nachfrage öffnete die Büchse der Pandora, die genauen historischen Abläufe des Verfalles u. Untergangs der Eingeborenen der Chatham-Inseln betreffend. Wir zündeten unsere Pfeifen an. Mr. D'Arnoqs Schilderungen waren noch nicht beendet, als er drei Stunden später, bevor die hereinbrechende Nacht den Weg auf dem Deiche verdunkelte, nach Port Hutt aufbrechen mußte. Sein historischer Vortrag kann sich für meine Begriffe mit der Feder Defoes oder Melvilles messen, u. ich werde nach einem, so Morpheus will, gesunden Schlafe in diesen Blättern davon berichten.
Montag, 11. November
Tagesanbruch trübe u. schwül. Die Bucht wirkt schlammig, doch das Wetter ist mild genug, um die Reparaturen an der Prophetess fortzusetzen. Ich danke Poseidon. In diesem Augenblicke wird ein neues Kreuzbramsegel gehißt. Vorhin, als Henry u. ich beim Frühstück saßen, tauchte ein heimlichtuerischer Mr. Evans auf u. bestürmte meinen Freund, den Doctor, er möge eine zurückgezogen lebende Nachbarin, eine gewisse Witwe Bryden, aufsuchen, die von ihrem Pferde in ein steiniges Schlammloch abgeworfen worden sei. Mrs. Evans sei schon dort u. befürchte, die Witwe ringe um ihr Leben. Henry holte seine Arzttasche u. brach unverzüglich auf. (Ich bot an, ihn zu begleiten, aber Mr. Evans bat mich um Nachsicht, denn die Patientin habe ihm das Versprechen abgenommen, daß nur ein Arzt sie in ihrem versehrten Zustande zu Gesicht bekäme.) Walker, der die ganze Angelegenheit mit angehört hatte, erzählte mir, seit zwanzig Jahren habe kein Angehöriger des männlichen Geschlechts die Schwelle dieser Witwe übertreten, u. gelangte zu dem Schluß, daß «die frigide alte Sau aus dem letzten Loch pfeifen muß, wenn sie sich von Dr. Quacksalber filzen läßt». Die Ursprünge der Moriori auf «Re-ko hu» (der einheimische Name für die Chathams) bleiben bis in unsere Tage verborgen. Mr. Evans vertritt die Ansicht, sie würden von aus Spanien vertriebenen Juden abstammen, wobei er sich auf ihre Hakennasen u. höhnisch hochgezogenen Lippen beruft. Mr. D'Arnoqs bevorzugte Theorie, die Moriori seien dereinsten Maori gewesen, deren Kanus vor dieser entlegensten aller Inseln Schiffbruch erlitten hätten, gründet sich auf Ähnlichkeiten von Sprache u. Mythologie u. verfügt daher über einen höheren Grad an Logik. In jedem Fall ist gewiß, daß die Moriori nach Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden des Lebens in Abgeschiedenheit ein ebenso primitives Dasein fristeten wie ihre leidgeprüften Vettern in Van-Diemen's-Land. Die Kunst des Bootsbaues (über roh zusammengezimmerte Flöße, mit denen sie die Meeresarme zwischen den Inseln überquerten, hinausgehend) u. der Seefahrt gingen verloren. Daß der Erdenkreis noch aus anderen Ländern bestand, welche von anderen Füßen beschritten wurden, ahnten die Moriori nicht. In der That fehlt ihrer Sprache ein Wort für «Volk», u. «Moriori» heißt nichts weiter als «Leute». Viehwirthschaft betrieben sie nicht, denn auf den Inseln gab es keine Säugethiere, bis vorbeifahrende Walfänger hier Schweine aussetzten, damit diese sich vermehrten, für die Speisekammern. In ihrem ursprünglichen Zustande waren die Moriori Sammler; sie lasen Paua-Schnecken auf, tauchten nach Langusten, plünderten Vogelnester, speerten Robben, pflückten Riementang u. buddelten nach Maden u. Wurzeln. Insoweit waren die Moriori nichts anderes als eine örtliche Variante der meisten bastbeschurzten, federgeschmückten Heiden von jenen im Verschwinden begriffenen «weißen Flecken» im Oceane, die noch nicht vom civilisierten Mann beeinflußt sind. Was dem alten Re-ko hu jedoch seinen Anspruch auf Einmaligkeit ertheilte, waren seine einzigartig friedfertigen Glaubensvorstellungen. Seit unvordenklichen Zeiten bestimmte die Priesterkaste der Moriori, daß, wer auch immer das Blut eines Menschen vergoß, sein eigenes mana - seine Ehre, seinen Werth, seinen gesellschaftlichen Rang u. seine Seele - tötet. Kein Moriori durfte der persona non grata zu Hülfe eilen, ihr zu essen geben, mit ihr sprechen oder sie auch nur ansehen. Falls der ausgestoßene Mörder seinen ersten Winter überlebte, trieb ihn die Verzweiflung über seine Vereinsamung gewöhnlich zu einem Spritzloch am Cape Young, wo er sich das Leben nahm. «Überlegen Sie nur», drängte uns Mr. D'Arnoq. «Zweitausend Wilde (nach Mr. Evans' günstigsten Schätzungen) beherzigen Du sollst nicht töten in Worten u. in Thaten u. formulieren eine mündliche ‹Magna Charta›, um eine Eintracht zu erschaffen, die, seit Adam vor sechs Jahrtausenden vom Baume der Erkenntniß aß, nirgendwo bekannt war. Krieg war den Moriori ein ebenso fremder Begriff wie den Pygmäen das Telescop. Frieden, nicht als Zeitspanne zwischen Kriegen, sondern Jahrtausende währender Frieden herrschte auf diesen entlegenen Inseln. Wer kann bestreiten, daß das alte Re-ko hu näher an Thomas Morus' Utopia lag als unsere fortschrittlichen Staaten, regiert von kriegslüsternen Fürstelchen in Versailles u. Wien, Washington u. Westminster? Hier», eiferte Mr. D'Arnoq, «u. nur hier gab es jenes vage Phantasiegeschöpf, den edlen Wilden, geformt aus Fleisch u. Blut!» (Später, als wir auf dem Rückwege zur Musket waren, bekannte Henry: «Ich könnte eine Rasse von Wilden, die zu rückständig ist, um ordentlich einen Speer zu werfen, niemals ‹edel› nennen.») Unter wiederholten Schlägen erbringen Glas u. Frieden den Nachweis ihrer Zerbrechlichkeit auf selbige Weise. Der erste Schlag gegen die Moriori war der Union Jack, den Lieutenant Broughton von HMS Chatham vor fünfzig Jahren im Namen König Georgs auf einem Rasenstück in der Skirmish Bay aufpflanzte. Drei Jahre später war Broughtons Entdeckung in den Londoner u. Sydneyer Seekarten verzeichnet, u. vereinzelte freie Siedler (unter denen sich auch Mr. Evans' Vater befand), schiffbrüchige Seeleute u. Strafgefangene, welche über die Bedingungen ihrer Haft mit dem Colonialamte von Neusüdwales uneins waren, bauten Kürbisse, Zwiebeln, Mais u. Mohrrüben an. Diese verkauften sie an nachfragende Robbenfänger, die - der zweite Schlag gegen die Unabhängigkeit der Moriori - die Hoffnungen der Eingeborenen auf glückliches Gedeihen zunichte machten, indem sie die Brandung mit Robbenblut rosa färbten. (Mr. D'Arnoq illustrierte die Gewinne durch folgende Rechnung: Jedes Fell erzielte in Canton 15 Schillinge, u. jene ersten Robbenschläger erbeuteten über zweitausend Felle pro Boot!) Innerhalb weniger Jahre gab es nur noch an den weit draußen liegenden Felsen Robben, so daß nun auch die Robbenschläger sich dem Anbau von Kartoffeln sowie der Schafu. Schweinezucht zuwandten, u. zwar in einem Umfange, daß die Chatham-Inseln heute als «der Garten des Pacifik» tituliert werden. Diese Amateurbauern roden das Land mit Buschfeuern, die im darunter liegenden Torfe noch über viele Jahre schwelen, was in Trockenperioden zu neuerlichem Elend führt. Der dritte Schlag gegen die Moriori erfolgte durch die Walfänger, welche nun in beträchtlicher Zahl in Ocean Bay, Waitangi, Owenga u. Te Whakaru der Reparaturarbeiten, Ausrüstung u. Vorräte bedurften. Ihre Katzen u. Ratten vermehrten sich wie die Plagen Ägyptens u. fraßen die Vögel, deren Eier die Moriori für ihre Ernährung so hochschätzten. Viertens senkte das bunte Gemisch von Krankheiten, welche die dunkleren Rassen decimieren, wann immer die weiße Civilisation sich nähert, die Zahl der Eingeborenen weiter nach unten. All diese Schicksalsschläge hätten die Moriori womöglich ertragen, wäre Neu-Seeland nicht von Berichten erreicht worden, die Chatham-Inseln seien ein wahres Paradies von mit Schalenthieren bedeckten Buchten, aalreichen Lagunen u. Bewohnern, die sich weder auf Verteidigung noch auf Waffen verstünden. Für die Ohren der Ngati Tama u. der Ngati Mutunga, zweier Stämme der Taranaki Te Ati Awa Maori (in der Genealogie der Maori ist, wie Mr. D'Arnoq uns versicherte, jeder Familienzweig so verschlungen wie die adorierten Stammbäume des europäischen Landadels, u. in der That kann jedes Kind dieses analphabetischen Volkes im Handumdrehen Namen u. Rang seines Ururgroßvaters benennen), verhießen diese Gerüchte einen Ersatz für die Landstriche aus dem Besitze ihrer Vorfahren, die sie kürzlich in den «Musketenkriegen» verloren hatten. Kundschafter wurden ausgesandt, welche die Leidensfähigkeit der Moriori überprüfen sollten, indem sie gegen ihr tapu verstießen u. ihre heiligen Stätten plünderten. Diesen Provocationen begegneten die Moriori, wie unser Herr Christus es verlangt, indem sie «die andere Backe hinhielten». Die Übelthäter kehrten nach Neu-Seeland zurück, wo sie den augenscheinlichen Kleinmuth der Moriori bestätigten. Die tatauierten Maori-Conquistadores fanden ihre einschiffige Armada bei Captain Harewood von der Brigg Rodney, welcher sich in den letzten Monaten des Jahres 1835 bereit erklärte, im Austausch gegen Saatkartoffeln, Feuerwaffen, Schweine, eine große Lieferung gekämmten Flachses u. eine Kanone neunhundert Maori u. sieben Kriegskanus in zwei Überfahrten zu verschiffen. (Vor fünf Jahren begegnete Mr. D'Arnoq dem verarmten Harewood in einer Schenke in der Bay of Islands. Zunächst stritt dieser ab, der Harewood von der Rodney zu sein, dann schwor er, er sei dazu gezwungen worden, die Schwarzen zu befördern, aber es blieb undurchsichtig, auf welche Weise dieser Zwang auf ihn ausgeübt worden war.) Die Rodney segelte im November von Port Nicholas ab, doch als sie sechs Tage später in der Whangatete-Bucht vor Anker ging, war ihre heidnische Fracht von fünfhundert Männern, Frauen u. Kindern, welche die ganze sechstägige Reise seekrank u. ohne jede Versorgung mit Wasser zusammengepfercht im schmutzigen Kielraum verbracht hatte, in einem so geschwächten Zustande, daß es selbst für die Moriori, hätten sie denn den Willen gehabt, ein leichtes gewesen wäre, ihre kriegerischen Brüder zu erschlagen. Doch anstatt ihr mana durch Blutvergießen zu zerstören, zogen die barmherzigen Samariter es vor, den geschwundenen Überfluß Re- ko hus zu theilen, u. sie pflegten die kranken, dem Tode nahen Maori wieder gesund. «Schon früher waren Maori nach Re-ko hu gekommen», erklärte Mr. D'Arnoq, «aber sie waren auch wieder gegangen, weshalb die Moriori annahmen, die Colonisten würden sie gleichfalls in Frieden lassen.» Die Großmut der Moriori wurde belohnt, als Cpt. Harewood mit den übrigen vierhundert Maori aus Neu-Seeland zurückkehrte. Die Fremden erhoben nun Anspruch auf Chatham durch takahi, ein Maori-Ritual, welches übersetzt «Das Land ablaufen u. in Besitz nehmen» bedeutet. Das alte Re-ko hu wurde somit aufgetheilt u. das Volk der Moriori darüber unterrichtet, daß sie fortan Unterthanen der Maori seien. Anfang December, als einige Dutzend Eingeborene dagegen protestierten, wurden sie schonungslos mit der Streitaxt erschlagen. Die Maori erwiesen sich in den «finsteren Künsten der Colonisierung» als gelehrige Schüler der Engländer. Im Osten der Chatham-Insel liegt Te Whanga, eine ausgedehnte Lagune mit fruchtbarem Marschland, das mit jeder Flut bei Te Awapatiki vom Ocean überschwemmt wird. Vor vierzehn Jahren hielten die Moriori auf diesem geheiligten Boden ein Palaver ab. Es währte drei Tage u. behandelte die Frage, ob das Vergießen von Maoriblut ihr mana zerstöre. Die jüngeren Männer führten an, das Bekenntniß zum Frieden beziehe sich nicht auf fremdländische Cannibalen, von denen ihre Vorfahren keine Kenntniß gehabt hätten. Die Moriori müßten töten oder würden selbst getötet werden. Die Älteren rieten zur Beschwichtigung, denn solange die Moriori mit ihren Ländereyen ihr mana wahrten, würden ihre Götter u. Ahnen sie vor allem Übel beschützen. «Umarme deinen Feind», drängten sie, «u. halte ihn so davon ab, dich zu schlagen.» («Umarme deinen Feind», witzelte Henry, «u. fühle, wie sein Dolch deine Nieren kitzelt.»)
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Autoren-Porträt von David Mitchell
David Mitchell, geboren 1969 in Southport, Lancashire, studierte Literatur an der University of Kent, lebte danach in Sizilien und Japan. Er gehört zu jenen polyglotten britischen Autoren, deren Thema nichts weniger als die ganze Welt ist. Für sein Werk wurde er u.a. mit dem John-Llewellyn-Rhys-Preis ausgezeichnet, zweimal stand er auf der Booker-Shortlist. 2011 erhielt er den Commonwealth Writers' Prize für «Die tausend Herbste des Jacob de Zoet», 2015 den World Fantasy Award für «Die Knochenuhren». Sein Weltbestseller «Der Wolkenatlas» wurde von Tom Tykwer und den Wachowski-Geschwistern verfilmt. David Mitchell lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Clonakilty, Irland. Times, Guardian und Sunday Express wählten «Utopia Avenue» (dt. 2022) zum «Book of the Year». Oldenburg, VolkerVolker Oldenburg lebt in Hamburg. Er übersetzte unter anderem Colum McCann, Oscar Wilde, T Cooper und Dinaw Mengestu. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis.
Bibliographische Angaben
- Autor: David Mitchell
- 2012, 3. Aufl., 672 Seiten, Maße: 11,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Volker Oldenburg
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499241412
- ISBN-13: 9783499241413
- Erscheinungsdatum: 01.11.2012
Rezension zu „Der Wolkenatlas “
Mitchell kartographiert Seelen und schreibt Weltliteratur. Neue Zürcher Zeitung
Pressezitat
Mitchell kartographiert Seelen und schreibt Weltliteratur. Neue Zürcher Zeitung
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