Ohrfeige für die Seele
Kränkungen und Zurückweisungen sind wie Ohrfeigen für die Seele: Wir sind verletzt - und suchen oft auch noch die Schuld bei uns selbst! Die Psychologin B. Wardetzki zeigt hier, wie diese üblen Mechanismen funktionieren - und wo die Auswege liegen:...
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Kränkungen und Zurückweisungen sind wie Ohrfeigen für die Seele: Wir sind verletzt - und suchen oft auch noch die Schuld bei uns selbst! Die Psychologin B. Wardetzki zeigt hier, wie diese üblen Mechanismen funktionieren - und wo die Auswege liegen:
Eine Kränkung oder Zurückweisung ist wie eine Ohrfeige für die Seele. Wir sind verletzt und fühlen uns in unserem Selbstwertgefühl getroffen. Daraus resultiert eine tiefe Verunsicherung unserer Person, verbunden mit Gefühlen von Ohnmacht, Wut und Selbstzweifeln. In unserer Gekränktheit wenden wir uns trotzig von unserem Gegenüber ab und sinnen häufig auf Rache oder Vergeltung. Bärbel Wardetzki interessiert in ihrem Buch vor allem die Frage, wann wir besonders verletzbar sind. Anhand vieler Beispiele zeigt sie, dass Kränkungen oftmals eine Chance sind, unsere unfertigen Geschichten zu Ende zu bringen. Wir haben die Wahl, ob wir uns als Opfer der äußeren Umstände sehen, oder ob wir beginnen, verantwortlich zu handeln, und die Entwertung gar nicht erst zulassen bzw. abwehren.
Zur Homepage der Autorin: www.baerbel-wardetzki.de
Ohrfeigefür die Seele von Bärbel Wardetzki
LESEPROBE
Aktivierte Ängste und Bedürfnisse
Die Folge früher Selbstwertverletzungen sind Ängste und unbefriedigteBedürfnisse.
Nach dem neuesten Stand der Forschung werden vier wichtigeBedürfnisbereiche unterschieden, in denen der Mensch Befriedigung sucht undbraucht:
1. Narzisstische Bedürfnisse. Sie beinhalten das Bedürfnis nachSelbstwerterhöhung, Akzeptanz und Bedeutung. Der Mensch braucht zurAufrechterhaltung seines Selbstwertgefühls positive Erfahrungen, das Gefühl,akzeptiert zu werden und Bedeutung für andere Menschen zu besitzen. Wem alldies fehlt, wird sich depressiv und wertlos fühlen.
2. Bindungsbedürfnisse beziehen sich auf das Bedürfnisnach verlässlichen und solidarischen Beziehungen. Diese betreffen sowohlLiebesbeziehungen als auch freundschaftliche Bindungen, die dem Menschenvermitteln, nicht allein zu sein und Unterstützung und Zuneigung zu erhalten.Wem solche Beziehungen fehlen, wird sich ängstlich in seine Isolationzurückziehen und möglicherweise in Ersatzhandlungen wie Sucht einen Haltsuchen.
3. Bedürfnis nach Autonomie, Orientierung und Kontrolle. Sieumfassen die Bedürfnisse nach Selbstbestimmung und Selbstentwicklung sowie nachGrenzen, Eigenräumen und Einflussnahme/Kontrolle. Der Mensch hat das Bedürfnis,Einfluss zu nehmen, eigenständig zu werden und nicht ohnmächtig ausgeliefert zusein. Er braucht einen Eigenraum, dessen Grenzen von anderen respektiertwerden und die er seinerseits bei anderen nicht überschreitet. Wessen Grenzen nichtgeachtet werden, wie dies bei Ausbeutungsbeziehungen der Fall ist, wirdSchwierigkeiten haben, ein Gefühl für seine persönliche Autonomie zuentwickeln.
4. Bedürfnisse nach Lustgewinn und Unlustvermeidung. Der Menschhat das grundlegende Bedürfnis, Zustände, die ihm Unbehagen verursachen, zubeseitigen. Beim Säugling können wir dieses angeborene Streben besonders gutbeobachten: Er bekundet sein Unwohlsein durch Schreien, zum Beispiel wenn erHunger hat, und ist lustvoll zufrieden, wenn diesem Zustand ein Ende gesetztwird, er also essen kann und satt wird. Durch einschränkende Erfahrungen, Introjekteund soziale sowie gesellschaftliche Umstände kann uns dieser Mechanismusverloren gehen oder er kann nur unvollständig entwickelt sein. Frauen mit Essstörungenbeispielsweise müssen erst wieder lernen zu spüren, was ihnen gut tut und wassie brauchen, da sie mehr dazu neigen, sich Unwohlgefühle zu verschaffen alsLust.
Neben unerfüllten Bedürfnissen finden wir als Folge früher Verletzungenauch unterschiedliche Ängste. Die jeweils spezifischen Ängste und Bedürfnissegeben dem individuellen wunden Punkt sein Thema.
Ich erinnere mich an einen wunderschönen Sommertag, den ichbei Freunden im Garten verbrachte. Jörg fing an, Tomaten für den Salat zu schneiden.Zuvor hatten wir unsere Phantasien über Lieblingsbeschäftigungen ausgetauschtund Jörg meinte, es würde ihm Spaß machen, ein Gourmetlokal zu führen. Ichsagte scherzhaft: »Dann müsstest du aber das Auge aus der Tomate schneiden.«Von mir war es nicht böse gemeint, und es war nicht meine Absicht, ihn zumaßregeln. Mich trafen jedoch sogleich ein bitterböser Blick und ärgerliche Worte,die verrieten, dass ich zu weit gegangen war und Jörg die Bemerkung kränkte.Ich hatte ihn, ohne dass ich es wollte, an seinem wunden Punkt getroffen.
Dieser hatte zu tun mit seiner Familie, speziell mit seiner Mutter.Er fühlte sich von ihr nie anerkannt und versuchte sein ganzes Leben lang,ihren Erwartungen zu entsprechen. Die Wunde lag brach, da er aktuell einenKonflikt mit ihr hatte, der sich um dieses Thema drehte. Sein wunder Punkthieß: »Jetzt strenge ich mich schon so an, aber statt endlich gelobt zu werdenfür das, was ich alles schaffe, höre ich nur, es könnte noch besser sein«. Seinperfektionistisches Introjekt hieß: »Du musst dich anstrengen und alles gutmachen«, sein abwertendes Introjekt: »Ich bin nicht gut genug«. Und nun kam ichund sagte ihm durch die Tomate: Du machst das nicht richtig. Es war zu diesemZeitpunkt Öl aufs Feuer. Ich erschrak über die Heftigkeit seiner Reaktion undbeschloss zu gehen. Ich spürte dann, dass ich meinerseits gekränkt war, da ichzum einen Angst hatte, etwas falsch gemacht zu haben, und dadurch befürchtete,den Frieden zu stören, zum anderen fühlte ich mich unverstanden, weil ich esdoch nicht böse meinte. Ich zog mich zurück und versuchte zu verstehen, wasgerade geschehen war. Als ich mich beruhigt hatte, ging ich zurück ohne Zornund ohne Selbstanklage. Ich konnte mich so lassen, wie ich war, hatte keinenDruck, verstanden werden zu müssen oder alles wieder gut zu machen. DieSituation hatte sich zwischenzeitlich schon verändert. Der Salat war fertig,schmeckte köstlich und wir genossen das Essen.
Ich musste nicht in meiner Kränkung bleiben, da ich es als sein Problemsehen konnte und es nicht persönlich als gegen mich gerichtetnehmen musste. Ich konnte mein Selbstwertgefühl aufrechterhalten auch auf dieGefahr hin, dass er mich für blöd hielt, was er jedoch nicht tat. Jörg konnteauch wieder über sich lachen und seine Reaktion seiner momentanen Empfindlichkeitzuschreiben. Indem wir einen guten Kontakt zueinander fanden, löste sich dieSituation unproblematisch, doch es hätte auch leicht zum Krach kommen können.
An diesem Beispiel sehen wir deutlich, wie viele Ängste undunbefriedigte Bedürfnisse bei Kränkungen aktiviert werden. Sie stehen hinterden Introjekten bzw. werden von diesen abgeschirmt. Was heißt das?
Perfektionistische Introjekte schützen uns vor der Wahrnehmungunserer Ängste und Bedürfnisse. Indem wir versuchen, diese Introjekte zuerfüllen, müssen wir unser Defizit nicht spüren und beruhigen die abwertendenIntrojekte.
Indem Jörg gemäß seinem Introjekt »Du musst dich anstrengen«handelt, muss er nicht so viel Angst haben, etwas falsch zu machen undabgelehnt zu werden. Dieses Introjekt ist eine Konsequenz aus den Erfahrungenin seiner Kindheit und hat den Sinn, sein Bedürfnis nach Anerkennung zubefriedigen. Er erlebte, dass er ohne Vorleistung diese Anerkennung nicht bekam.Also beschloss er, einen Weg zu finden, der sie ihm bescheren könnte. Und erentschied sich für die Anstrengung, in der Hoffnung, dann seiner Mutter zu gefallen.Meine Kritik an seiner Art, Tomaten zu schneiden, belebte seine Angst, nicht zugenügen, und aktivierte sein Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung. Ererlebte daher meine Bemerkung als Kränkung, denn sie brachte ihn in Kontakt mitseiner alten Verletzung.
© Deutscher Taschenbuch Velag GmbH & Co. KG, München
- Autor: Bärbel Wardetzki
- 2004, Nachdruck, 224 Seiten, Maße: 12,3 x 19,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423340576
- ISBN-13: 9783423340571
- Erscheinungsdatum: 17.12.2003
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