Die Geisha, Sonderausgabe
Die achtjährige Chiyo lebt in einem armseligen japanischen Fischernest. Als die Mutter im Sterben liegt, verkauft der Vater seine Tochter, die eine außergewöhnliche Schönheit zu werden verspricht, an ein Geisha-Haus in der alten Kaiserstadt Kyoto. Hier...
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Die achtjährige Chiyo lebt in einem armseligen japanischen Fischernest. Als die Mutter im Sterben liegt, verkauft der Vater seine Tochter, die eine außergewöhnliche Schönheit zu werden verspricht, an ein Geisha-Haus in der alten Kaiserstadt Kyoto. Hier absolviert sie im mörderischen Konkurrenzkampf mit anderen Mädchen die harte Ausbildung zur Geisha.
Mit seinem Roman führt der amerikanische Autor Arthur Golden in eine Welt, die es so nur in Japan gibt.
Zu Beginn der 30er Jahre wird das einfache Fischermädchen Chiyo in die alte Kaiserstadt Kyoto gebracht. Nach einer qualvollen Ausbildung steigt sie zu einer der begehrtesten Geishas in ganz Japan auf. Doch ihr Traum vom privaten Glück erfüllt sich erst nach dem Untergang der alten Geisha-Kultur.
Der Weltbestseller - nun verfilmt von Hollywood. Produzent: Steven Spielberg
Die Geishavon Arthur Golden
LESEPROBE
Mal angenommen, Sie und ich säßen in einem stillenRaum mit Blick auf einen Garten, tränken grünen Tee, plauderten über langvergangene Zeiten, und ich sagte zu Ihnen: »Der Nachmittag, an dem ichden-und-den kennenlernte das war der beste Nachmittag in meinem Leben, undzugleich der schlimmste.« Vermutlich würden Sie Ihre Teetasse absetzen undfragen: »Also, was denn nun? War es der beste oder der schlimmste? Beides auf einmalist ja wohl kaum möglich!« Normalerweise hätte ich dann über mich selbst lachenund Ihnen beipflichten müssen. Doch der Nachmittag, an dem ich Herrn TanakaIchiro kennenlernte, war tatsächlich der beste und zugleich der schlimmstemeines Lebens. Er wirkte so faszinierend auf mich, und sogar der Fischgeruch anseinen Händen kam mir wie Parfüm vor. Hätte ich ihn nicht kennengelernt, wäreich bestimmt keine Geisha geworden. Es war mir nicht von Geburt bestimmt,Geisha in Kyoto zu werden. Nicht einmal geboren bin ich in Kyoto. Ich bin dieTochter eines Fischers aus einem Dorf namens Yoroido am Japanischen Meer. Inmeinem ganzen Leben habe ich nicht mal einer Handvoll Menschen irgend etwas vonYoroido erzählt, oder von dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, oder vonmeinen Eltern, oder von meiner älteren Schwester, und ganz gewiß nicht davon, wieich Geisha wurde und wie es war, eine zu sein. Die meisten Leute würden dieVorstellung vorziehen, daß meine Mutter und meine Großmutter Geishas gewesenwären, daß ich mit dem Tanztraining begann, als ich kaum abgestillt worden war,und so weiter. Vor vielen Jahren schenkte ich einmal einem Mann Sake ein, alsdieser ganz nebenbei erwähnte, er sei erst in der vorangegangenen Woche inYoroido gewesen. Nun ja, ich kam mir vor wie ein Vogel, der einen ganzen Ozeanüberflogen hat, um auf der anderen Seite ein Wesen zu treffen, das sein Nestkennt. Ich war so erschrocken, daß ich unwillkürlich sagte: »Yoroido! Aber dabin ich ja aufgewachsen!« Der arme Mann! Sein Gesicht machte eine ganze Skalavon Verwandlungen durch. Er gab sich die größte Mühe zu lächeln, doch es gelangihm nicht besonders gut, weil er den Schock nicht aus seiner Miene verbannenkonnte. »Yoroido?« fragte er. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!« Ich hattemir schon lange ein stereotypes Lächeln angewöhnt, das ich als mein»No-Lächeln« bezeichne, weil es einer No- Maske ähnelt, deren Gesichtszüge zuEis erstarrt sind. Der Vorteil dieses Lächelns ist, daß die Männer hineinlesenkönnen, was sie wollen - Sie können sich sicher vorstellen, welch gute Dienste esmir schon geleistet hat. Auch in jenem Moment entschloß ich mich, daraufzurückzugreifen, und es funktionierte natürlich. Er stieß den Atem aus, kipptedie Tasse Sake, die ich ihm eingeschenkt hatte, und brach in ein enormesGelächter aus, das wohl, wie ich meinte, seiner Erleichterung entsprang. »Alleinschon die Vorstellung!« keuchte er in einem weiteren Lachanfall. »Du - in einemKaff wie Yoroido aufgewachsen! Das wäre, als wollte man in einem Nachttopf Teeaufbrühen!« Nachdem er abermals gelacht hatte, sagte er zu mir: »Deswegen machtes so großen Spaß, mit dir zusammenzusein, Sayuri-san. Manchmal bringst du estatsächlich so weit, daß ich glaube, deine kleinen Scherze seien Ernst.« Ichhalte nicht viel davon, mich als Tee zu sehen, der in einem Nachttopfaufgebrüht wurde, aber vermutlich trifft der Vergleich irgendwie zu.Schließlich bin ich in Yoroido aufgewachsen, und bestimmt würde kein Menschbehaupten wollen, das sei eine besonders vornehme Ortschaft. Von Fremden wirdsie so gut wie nie besucht. Und was die Menschen betrifft, die dort leben, so habensie kaum einen Grund, das Dorf zu verlassen. Nun fragen Sie sich vermutlich,wie es kam, daß ich es dennoch verlassen habe. Und damit fängt meine Geschichtean. In unserem kleinen Fischerdorf Yoroido lebte ich in einer Hütte, die ichals »beschwipstes Haus« bezeichnete. Sie stand dicht an einer Klippe, woständig der Wind landeinwärts pfiff. Als Kind schien es mir, als wäre das Meerschrecklich erkältet, da es be- ständig ächzte und keuchte und zuweilen einenkräftigen Nieser losließ, das heißt einen Windstoß mit einem dicken Schwall Gischt.In meiner Vorstellung war unsere winzige Hütte tief gekränkt, weil das Meer ihrimmer wieder ins Gesicht nieste, und hatte sich, um dem zu entgehen, soweit wiemöglich zurückgelehnt. Vermutlich wäre sie zusammengebrochen, wenn mein Vaternicht einen Balken von einem gestrandeten Fischerboot geholt hätte, um damitdas Dach zu stützen - woraufhin unser Haus einem beschwipsten alten Mann glich,der sich auf seine Krücke stützt. In diesem beschwipsten Haus führte ich soetwas wie ein windschiefes Leben, denn von frühester Kindheit an sah ich meinerMutter sehr ähnlich, meinem Vater und meiner älteren Schwester hingegen fastgar nicht. Meine Mutter sagte, das komme daher, daß wir genau gleich gemachtseien, sie und ich - und das traf zu, denn wir hatten beide die gleichenseltsamen Augen, wie man sie sonst in Japan fast nirgendwo sieht. Stattdunkelbraun wie die aller anderen waren die Augen meiner Mutter von einemdurchsichtigen Grau, und die meinen sehen genauso aus. Als ich noch sehr kleinwar, erzählte ich meiner Mutter, daß ich glaubte, jemand hätte ihr ein Loch indie Augen gebohrt und die ganze Tinte sei herausgeflossen. Sie hielt das fürziemlich komisch. Die Wahrsager behaupteten, ihre Augen seien so hell, weilihre Persönlichkeit zuviel Wasser enthalte, so viel, daß für die anderen vierElemente so gut wie gar kein Platz mehr übrig sei - und deswegen, meinten sie,paßten auch ihre Gesichtszüge so schlecht zusammen. Die Leute im Dorf sagtenoft, sie hätte eigentlich sehr attraktiv sein müssen, weil ihre Elternattraktiv gewesen waren. Nun, ein Pfirsich schmeckt ganz wunderbar, und einPilz auch, aber man kann die beiden nicht zusammen essen - und genau diesen gemeinenStreich hatte ihr die Natur gespielt. Sie besaß den kleinen Schmollmund ihrerMutter, aber das kantige Kinn ihres Vaters, was an ein zierliches Bild in einemviel zu schweren Rahmen denken ließ. Und ihre schönen grauen Augen waren von dickenWimpern umrahmt, die bei ihrem Vater eindrucksvoll gewirkt haben mußten, ihrjedoch einen ständig erschrockenen Gesichtsausdruck verliehen. Meine Muttersagte immer, sie habe meinen Vater geheiratet, weil sie zuviel Wasser in ihrerPersönlichkeit habe und er zuviel Holz. Menschen, die meinen Vater kannten,begriffen sofort, wovon sie sprach. Wasser fließt schnell von einem Ort zumanderen und findet immer einen Spalt, durch den es sickern kann. Holz dagegenist fest in der Erde verankert. Im Fall meines Vaters war das auch gut so, denner war Fischer, und ein Mann mit Holz in der Persönlichkeit fühlt sich auf demWasser wohl. Tatsächlich fühlte sich mein Vater auf dem Meer wohler alsanderswo und entfernte sich nie weit von ihm. Selbst wenn er gebadet hatte,roch er nach Meer. Wenn er nicht fischen ging, saß er an dem kleinen Tisch inunserem dunklen Vorderzimmer und flickte Fischernetze. Wenn ein Fischernetz einschlafendes Wesen wäre, hätte er es bei seinem Arbeitstempo nicht mal geweckt.Er machte alles so gemächlich. Selbst wenn er konzentriert dreinblicken wollte,konnte man hinauslaufen, das Bad ablassen und zurückkehren, ehe er seineGesichtszüge entsprechend geordnet hatte. Sein Gesicht war von sehr tiefenFalten durchzogen, und in jeder Falte hielt er die eine oder andere Sorgeverborgen, so daß es gar nicht mehr wie sein Gesicht aussah, sondern eher einemBaum glich, in dessen Ästen überall Vogelnester hängen. Mit diesem Gesichtfertig zu werden war ein ständiger Kampf, und man sah ihm die Anstrengung an. Alsich sechs oder sieben war, erfuhr ich etwas Neues über meinen Vater. EinesTages fragte ich ihn: »Papa, warum bist du so alt?« Daraufhin zog er die Brauenhoch, so daß sie kleine Schirme über seinen Augen bildeten. Er stieß einenlangen Seufzer aus, schüttelte den Kopf und antwortete: »Ich weiß es nicht.«Als ich mich an meine Mutter wandte, warf sie mir einen Blick zu, der bedeutete,daß sie mir die Frage ein andermal beantworten werde. Am folgenden Tag führtesie mich, ohne ein Wort zu sagen, den Hügel hinab zum Dorf und bog in einenPfad ein, der zu einem Friedhof im Wald führte. Sie zeigte mir drei Gräber ineiner Ecke, mit drei weißen Holztafeln, die mich um einiges überragten. Sie warenvon oben bis unten mit streng wirkenden schwarzen Schriftzeichen bedeckt, aberich hatte die Schule in unserem kleinen Dorf nicht lange genug besucht, um zuerkennen, wo das eine endete und das andere begann. Meine Mutter zeigte aufeine Tafel und sagte: »Natsu, Ehefrau von Sakamoto Minoru.« Sakamoto Minoruhieß mein Vater. »Gestorben im Alter von vierundzwanzig Jahren im neunzehntenRegierungsjahr des Meiji.« Dann zeigte sie auf die nächste. »Jinichiro, Sohnvon Sakamoto Minoru, gestorben im Alter von sechs Jahren im neunzehntenRegierungsjahr des Meiji.« Und auf die nächste, deren Text genauso lautete, bisauf den Namen, Masao, und das Alter, drei Jahre. Es dauerte eine Weile, bis ichbegriff, daß mein Vater vor langer Zeit schon einmal verheiratet gewesen undseine ganze Familie gestorben war. Kurze Zeit darauf kehrte ich noch einmal zudiesen Gräbern zurück, und als ich dort stand, mußte ich feststellen, daß Trauereine sehr schwere Bürde war. Mein Körper wog doppelt soviel wie einen Momentzuvor, fast so, als zögen die Gräber mich zu sich herab. (...)
© C. Bertelsmann Verlag
Übersetzung: Gisela Stege
- Autor: Arthur Golden
- 2006, 576 Seiten, Maße: 11,8 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Gisela Stege
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 344273522X
- ISBN-13: 9783442735228
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