Qual
Die Kindheit des jungen Blaze ist schrecklich: Die Mutter ist gestorben, und sein Vater, ein Trinker, verprügelt ihn ständig und wirft ihn so oft die Treppe hinunter, bis das Kind einen bleibenden Schaden davonträgt. Der leicht behinderte...
Die Kindheit des jungen Blaze ist schrecklich: Die Mutter ist gestorben, und sein Vater, ein Trinker, verprügelt ihn ständig und wirft ihn so oft die Treppe hinunter, bis das Kind einen bleibenden Schaden davonträgt. Der leicht behinderte Junge kommt in ein Kinderheim, wo sich die kommenden Jahre jedoch erst recht qualvoll gestalten. Als Jugendlicher begeht er mit seinem Kumpel George harmlose Straftaten, bis dieser bei einer Stecherei umkommt.
Aber George meldet sich aus dem Totenreich und flüstert Blaze ein, einen größeren Coup zu starten. Um an wirklich viel Geld zu kommen, entführt Blaze schließlich das Baby einer reichen Familie. Allein mit dem kleinen Bündel Leben, erwacht in ihm eine ungeahnte Fürsorge. Die Flucht vor dem gigantischen Polizeiaufgebot führt in eine Katastrophe.
"Wir erfinden Horror, damit wir mit dem wahren Leben besser klarkommen!"
Stephen King
Ein groer Coup soll den geistig zurckgebliebenen Blaze aller Sorgen entledigen. Er entfhrt das Baby einer reichen Familie. Was wird er dem Kleinen antun? Whrend alle Welt ihn jagt, um den Horror zu beenden, geht in Blaze eine Verwandlung vor. Das Lsegeld interessiert ihn lngst nicht mehr ...
Die Kindheit des jungen Blaze ist schrecklich: Die Mutter ist gestorben, und sein Vater, ein Trinker, verprgelt ihn stndig und wirft ihn so oft die Treppe hinunter, bis das Kind einen bleibenden Schaden davontrgt. Der leicht behinderte Junge kommt in ein Kinderheim, wo sich die kommenden Jahre jedoch erst recht qualvoll gestalten. Als Jugendlicher begeht er mit seinem Kumpel George harmlose Straftaten, bis dieser bei einer Stecherei umkommt. Aber George meldet sich aus dem Totenreich und flstert Blaze ein, einen greren Coup zu starten. Um an wirklich viel Geld zu kommen, entfhrt Blaze schlielich das Baby einer reichen Familie. Allein mit dem kleinen Bndel Leben, erwacht in ihm eine ungeahnte Frsorge. Die Flucht vor dem gigantischen Polizeiaufgebot fhrt in eine Katastrophe ...
"Ein groer Wurf!" Spiegel ber "Love" "Auf der Hhe seines Knnens!" Frankfurter Allgemeine ber "Love" "Mit 'Love' hat Stephen King seinen seit langem besten Roman geschrieben." Sddeutsche Zeitung ber "Love"
Qual von Richard Bachman (Stephen King)
LESEPROBE
George warirgendwo im Dunkeln. Blaze konnte ihn nicht sehen,aber seine Stimme war laut und deutlich zu hören, rau und ein wenig heiser.George hörte sich immer irgendwie erkältet an. Als Kind hatte er mal einenUnfall gehabt. Er sprach nie darüber, was passiert war. Jedenfalls hatte ereine ziemlich große Narbe auf dem Adamsapfel. »Der doch nicht, Dummkopf, derist doch total mit Aufklebern zugepflastert. Nimm einen Chevy oder einen Ford.Dunkelblau oder grün. Zwei Jahre alt. Nicht älter, nicht jünger. An dieerinnert sich kein Mensch. Und keine Sticker.« Blazeging an dem kleinen Auto mit den Aufklebern vorbei. Das schwache Dröhnen desBasses erreichte ihn sogar hier am anderen Ende des Parkplatzes, der zu derKneipe gehörte. Es war Samstagabend, und der Laden war voll. Die Luft warbitterkalt. Er war in die Stadt getrampt, aber jetzt stand er schon seitvierzig Minuten im Freien, und seine Ohren waren wie abgestorben. Er hatteseine Mütze vergessen. Irgendwas vergaß er immer. Er hatte schon die Hände ausden Jackentaschen nehmen und auf seine Ohren legen wollen, aber George hieltihn davon ab. George sagte, die Ohren könnten ruhig kalt werden, nur nicht dieHände. Zum Kurzschließen eines Autos brauche man die Ohren nicht. Es warsechzehn Grad unter null.
»Da«, sagteGeorge. »Rechts von dir.«
Blazedrehte den Kopf und sah einen Saab. Mit einem Aufkleber. Sah überhaupt nicht wiedas richtige Auto aus. »Das ist links, du Dummkopf«, sagte George. »Rechts vondir, hab ich gesagt. Die Hand, mit der du in der Nase bohrst.«
»tschuldigung, George.«
Ja, erstellte sich schon wieder wie ein Idiot an. Er konnte beidhändig in der Nase bohren,aber seine rechte Hand kannte er, die Hand, mit der man auch schreibt. Erdachte an diese Hand und schaute auf die entsprechende Seite. Dort stand eindunkelgrüner Ford.
Blazeschlenderte betont lässig zu dem Ford hinüber. Er warf einen Blick über dieSchulter. Die Kaschemme war eine College-Kneipenamens The Bag. Das war einblöder Name, weil, wenn man Sack sagte, meinte man doch eigentlich seine Eier.Zum Eingang musste man ein paar Stufen runtergehen. Freitags und samstagsabends spielte eine Band. Drinnen würde es voll und warm sein, eine Menge wieverrückt tanzender kleiner Mädchen in kurzen Röcken. Wäre nett, reinzugehen, sich nur mal umzuschauen
»Was sollstdu jetzt machen?«, fragte George. »Etwa auf derCommonwealth Avenue rumlatschen? Du könntest nicht mal meiner alten blinden Omawas vormachen. Tus einfach, kapiert?«
»Okay, ichhab ja nur «
»Jaja, ich weiß schon, was du nur hast. Konzentrier dich aufden Job.«
»Okay.«
»Was bistdu, Blaze?«
Er senkteden Kopf und zog Rotz hoch. »Ich bin ein Dummkopf.«
Georgesagte immer, das wäre überhaupt keine Schande, aber es wäre eben eine Tatsache,der man ins Auge sehen müsse. Man könnte keinem vormachen, man wäre clever. Dieschauten einen an und sahen die Wahrheit: Das Licht brannte, aber es war niemandzu Hause. Wenn man ein Dummkopf war, dann musste man einfach losziehen undseinen Kram machen. Und wenn man erwischt wurde, dann gestand man eben alles,außer mit wem man zusammen gewesen war, denn am Ende würden sie ja sowiesoalles andere aus einem herausbekommen. George sagte, Dummköpfe könnten nichtfür fünf Cent lügen.
Blazenahm die Hände aus den Taschen und ballte sie zweimal kurz zu Fäusten. DieKnöchel knackten laut in der kalten, stillen Luft.
»Bist du soweit, Großer?«, fragte George.
»Ja.«
»Dann gehich mir jetzt ein Bier besorgen. Und du kümmerst dich um die Sache.«
Blazespürte Panik in sich aufsteigen. Sie schnürte ihm den Hals zu. »He, nein, ichhab so was noch nie gemacht. Ich hab dir doch immer nur zugesehen.«
»Tja,diesmal wirst du mehr tun als nur zusehen.«
»Aber «
Er sprachnicht weiter. Es hatte keinen Sinn, weiterzureden, es sei denn, er wollte lautbrüllen. Er konnte das harte Knirschen des Schnees hören, als George zu derKneipe hinüberging. Schon bald wurden seine Schritte vom pulsierenden Wummerndes Basses übertönt.
»Himmel«,sagte Blaze. »O Herr im Himmel.«
Und seineFinger wurden kalt. Bei dieser Temperatur würden sie nur ungefähr fünf Minutenzu irgendwas zu gebrauchen sein. Vielleicht noch nicht mal so lange. Er gingzur Fahrerseite hinüber und dachte, wahrscheinlich ist abgeschlossen. Falls dieTür abgeschlossen war, taugte dieser Wagen nichts, er hatte den Slim Jim nämlich nicht dabei, den hatte George. Aber dieTür war nicht abgeschlossen. Er öffnete sie, griff hinein, fand den Hebel fürdie Motorhaube und zog daran. Dann ging er nach vorn, tastete nach der zweitenVerriegelung, fand auch die und hob die Haube hoch.
In seinerTasche steckte eine kleine Stifttaschenlampe. Er nahm sie heraus, knipste siean und richtete den Strahl auf den Motorblock.
Findedas Zündkabel.
Aber es warder reinste Spaghettihaufen. Batteriekabel, Schläuche, Zündkerzenkabel, dieBenzinleitung
Der Schweißlief ihm über Stirn und Schläfen und gefror auf seinen Wangen. Das hier würdenicht hinhauen. Niemals. Auf einmal hatte er jedoch eine Idee. Es warvielleicht keine besonders gute Idee, aber er hatte nicht viele, und wenn ermal eine hatte, dann musste er dranbleiben. Er kehrte zur Fahrerseite zurückund öffnete wieder die Tür. Die Innenbeleuchtung ging an, aber dagegen konnteer nichts machen. Wenn irgendwer ihn hier herumfummeln sah, würde der bestimmtdenken, er hätte Startschwierigkeiten. Klar, in so einer kalten Nacht konntedas doch sein, oder? Nicht mal George könnte ihm deshalb Ärger machen.Zumindest nicht viel.
Er klapptedie Sonnenblende über dem Lenkrad runter, hoffte wider alle Vernunft, dassvielleicht ein Reserveschlüssel runterfiel, weil dieLeute da manchmal ihren Ersatzschlüssel aufbewahrten, aber außer einem altenEiskratzer war da nichts. Der fiel dann runter. Als Nächstes versuchteer es mit dem Handschuhfach. Vollgestopft mitPapieren. Er räumte alles raus, auf den Boden, kniete sich dazu auf den Sitz,sein Atem stieg in Wölkchen auf. Jede Menge Papiere, eine Schachtel Pfefferminzbonbons,aber keine Schlüssel.
Na siehste, du gottverdammter Idiot, hörte er George sagen, bist dujetzt zufrieden? Bist du jetzt vielleicht so weit, wenigstens mal zu versuchen,die Karre kurzzuschließen?
Ja, er warwohl so weit. Er könnte zumindest mal ein paar von den Drähten losreißen undsie aneinanderhalten, so wie George es immer tat, undmal sehen, was dann passierte. Er schloss die Tür und kehrte mit gesenktem Kopfzurück nach vorn zum Kühler des Fords. Dann blieb er stehen. Ihm war eine neueIdee gekommen. Er ging zurück, öffnete die Tür, bückte sich, hob die Fußmattean - und da war er. Auf dem Schlüssel stand nicht FORD, da stand überhauptnichts, denn es war ein Dupli, aber er hatte aufjeden Fall den rechteckigen Kopf und alles.
Blaze hobihn auf und küsste das kalte Metall.
UnverschlossenesAuto, dachte er.Dann dachte er: Unverschlossenes Auto und Schlüssel unter der Fußmatte. Danndachte er: Ich bin hier heute Abend nicht der größte Idiot, George.
Er schob sichhinter das Lenkrad, zog die Tür zu, steckte den Schlüssel ins Zündschloss -ging wie geschmiert rein - und bemerkte dann, dass er den Parkplatz nicht sehenkonnte, weil die Haube immer noch oben war. Er schaute sich schnell um, zuerstin die eine Richtung, dann in die andere, vergewisserte sich, dass George inder Zwischenzeit nicht etwa beschlossen hatte, zurückzukommen und ihm zuhelfen. Darauf würde George noch eine Ewigkeit herumreiten, wenn er sah, dassdie Motorhaube noch offen war. Aber George war nicht da. Kein Mensch weit undbreit. Der Parkplatz war eine Tundra voller Autos.
Blazestieg aus und knallte die Motorhaube zu. Dann stieg er wieder ein, verharrteaber mitten in der Bewegung, als er die Hand nach dem Türgriff ausstreckte. Waswar mit George? Sollte er zu der Kneipe rübergehenund ihn abholen? Die Stirn in tiefen Falten, saß Blazemit gesenktem Kopf da. Die Innenbeleuchtung warf gelbes Licht auf seine großenHände.
Weißtewas?, dachte er und hob schließlich wieder den Kopf. Leck mich.
»Leck mich,George«, sagte er. George hatte ihn per Anhalter herkommen lassen, hatte sichganz kurz mit ihm hier getroffen, nur um dann wieder abzuschwirren. Ließ ihndie Drecksarbeit machen, und es war wirklich nur ein saublödes Glück, dass Blaze einen Schlüssel gefunden hatte, also, leck mich doch,George. Soll er ruhig mal bei minus sechzehn Grad den Daumenrausstrecken.
Blaze zogdie Tür zu, schob den Schalthebel auf D und fuhr vorwärts aus der Parklückehinaus. Als er auf der richtigen Straße war, gab er ordentlich Gummi, und derFord machte einen Satz nach vorn, brach auf dem festgefahrenen Schnee hintenaus und schlingerte hin und her. Er trat auf die Bremse, war plötzlich starrvor Angst. Was machte er da? Was dachte er sich dabei? Ohne George losfahren?Er würde keine fünf Meilen weit kommen, bis sie ihn schnappten. Wahrscheinlichschnappten sie ihn gleich bei der ersten Ampel. Er konnte nicht ohne Georgefahren.
AberGeorge ist tot.
Das wardoch Affenscheiße. George war gerade noch da gewesen. Er war nur ein Biertrinken gegangen.
Er isttot.
»Ach,George«, stöhnte Blaze. Er saß über das Lenkradgebeugt da. »Ach, George, bitte sei nicht tot.«
So saß ereine ganze Weile da. Der Motor des Fords klang okay. Er klopfte nicht oderirgendwas, obwohl es so kalt war. Die Tankanzeige stand auf drei Viertel. DerRauch aus dem Auspuff stieg im Rückspiegel auf, weiß und eisig. George kamnicht aus der Kneipe. Konnte er auch gar nicht, weil er nämlich nie reingegangen war. George war tot. Schon seit drei Monaten. Blaze fing an zu zittern.
Nach einerWeile fing er sich wieder. Er fuhr los. Niemand stoppte ihn an der erstenAmpel, auch nicht an der zweiten. Den ganzen Weg ausder Stadt hielt ihn niemand an. Als er die Stadtgrenze von Apex erreichte, fuhrer etwa fünfzig Meilen pro Stunde. Manchmal geriet der Wagen auf vereistenStellen leicht ins Schleudern, aber das beunruhigte ihn nicht weiter. Ersteuerte einfach mit. Seit seinen Teenagertagen fuhr er schon auf vereistenStraßen.
Außerhalbder Stadt beschleunigte er den Ford weiter auf sechzig und ließ ihn danneinfach rollen. Die Scheinwerfer umklammerten die Straße mit hell leuchtendenFingern und prallten von den Schneeverwehungen auf beiden Seiten strahlendzurück. Mann, da würde ein College-Junge aberBauklötze staunen, wenn er mit seinem College-Mädchenzu dem leeren Parkplatz zurückkehrte. Sie würde ihn ansehen und sagen: Dubist ein Dummkopf, mit dir gehe ich garantiert nicht mehr, hier nicht her undnicht sonst wohin.
»Weder -noch«, sagte Blaze. »Wenn sie ein College-Mädchenist, wird sie sagen: weder hierher noch sonst wohin.«
Dabeimusste er lächeln. Das Lächeln veränderte sein ganzes Gesicht. Er schaltete dasRadio ein. Rockmusik. Blaze drehte am Suchknopf, biser einen Sender mit Countrymusic fand. Als er dann den Schuppen erreichte, sanger aus vollem Halse mit und hatte George völlig vergessen.
© HeyneVerlag
Übersetzung:Jürgen Bürger
- Autoren: Stephen King , Richard Bachman
- 2007, 382 Seiten, Maße: 14,2 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Jürgen Bürger
- Übersetzer: Jürgen Bürger
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453265831
- ISBN-13: 9783453265837
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