Schaumküsse
Lilly Heiden betreibt erfolgreich ein Cateringunternehmen und arbeitet als Privatköchin, als sie feststellt, dass sie schwanger ist. Sie wäre überglücklich, denn sie liebt ihren Freund Christian sehr und sie wünscht sich seit längerem ein Kind, wäre da...
Als Mängel-Exemplar
nur
Lilly Heiden betreibt erfolgreich ein Cateringunternehmen und arbeitet als Privatköchin, als sie feststellt, dass sie schwanger ist. Sie wäre überglücklich, denn sie liebt ihren Freund Christian sehr und sie wünscht sich seit längerem ein Kind, wäre da nicht dieses klitzekleine Problem: Vor einer Woche ist Lilly aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Der Grund für die vorläufige Trennung: Christians Babypanik.
Schaumküsse von BärbelSchäfer und Susanne Luerweg
LESEPROBE
Supermodels und andere Schwangere
6. Woche / Gewicht unbekannt /Schwindelgefühle
Zehn Euro Praxisgebühr gezahlt,vierzig Minuten im Wartezimmer gesessen und vermutlich schon wieder fünf Anrufeauf meiner Mailbox. Dieser Termin bei meinem Frauenarzt passt so gar nicht inmeinen Tagesablauf.
Wäre ich heute wieder nichterschienen, hätte mich die resolute Sprechstundenhilfe, da bin ich mir ganz sicher,aus der Kartei geschmissen. Ich neige dazu, Pflichttermine und Unangenehmesimmer auf die lange Bank zu schieben.
Übrigens, ich heiße Lilly.
Ich bin private Mietköchin und mirist schwindelig.
Ich fühle ein Kribbeln im Bauch,gemischt mit einem seltsamen Gefühl im Magen. Flattrigund flau zugleich.
Mal ehrlich, vielleicht wäre jederFrau mit sechsunddreißig Jahren schwindelig, wenn sie mit winterweißen Beinenund drei Tage alten Stoppeln an den Waden bei ihrem Frauenarzt säße und aufihre mit »rechts« und »links« beschrifteten Socken schaute.
Sie sind ein Geschenk meinerFreundin Ida. Peinlich, sie überhaupt zu tragen, und dann verwechsele ich auch nochdie Füße. Warum bekomme ich von meiner besten Freundin etwas, von dem ichmeine, dass sie es beim letzten Weihnachtswichtelngewonnen hat? Der gruselige Trostpreis an den Füßen gibt mir zu denken. Ida kenntmich doch in- und auswendig. Wie kann sie mir dann solche Socken überreichen?
Doktor Herzog, bei dem ich bereitsseit Teenagerjahren Patientin bin, hat mir vor fünf Minuten mit einem breitenGrinsen Folgendes verkündet: »Gratulation, Frau Heiden, Sie sind schwanger. Inder sechsten Woche.«
Viele Frauen in meinem Alter wärenüberglücklich, und sie würden mit Sicherheit ihrem Gynäkologen um den Halsfallen, wenn es nicht so verdammt kompliziert wäre, aus diesem unbequemenStuhl herauszukommen.
Ich dagegen falle in eine ArtSchockstarre.
Während Doktor Herzog dieGummihandschuhe abstreift und sich die Hände wäscht, wird seine Stimme immerleiser. Ich bekomme gerade noch mit, wie er im Hintergrund das ersteUltraschallbild ausdruckt und einige Werte in meine Patientendatei einträgt.
In schnulzigen Kinofilmen fragt diewerdende Mutter in diesem Moment immer patent nach einem Mutterpass undstarrt für die kommenden neun Monate auf das erste Ultraschallbild.
Ich hingegen gucke diesenSchwarz-Weiß-Ausdruck unsicher an und kann, ehrlich gesagt, nichts darauf erkennen.Es sieht aus, als hätte mir jemand einen Stern am Himmel auf meinen Namenreserviert, und das ist die dazugehörige Karte des Universums.
Leicht verwirrt wende ich michmeinem Arzt zu: »Herr Doktor, nur für den Fall, dass mich jemand fragt, wo istdenn genau mein Kind auf diesem Bild?«
Er lacht und erklärt mirverständnisvoll: »Hier, dieser kleine Punkt wird Ihr Kind.«Dann beugt er sich über meine Schulter und zeigt mit der Kulispitze auf das neueLeben. Und auf meine Füße. »Übrigens lustige Socken! Trägt meine Tochter auch.Sie wird nächsten Monat vier.«
Vier, ich ignoriere diese Zahl undkonzentriere mich auf das Bild. Ich kneife die Augen zusammen und kann mirnicht vorstellen, dass dieser Punkt irgendwann einmal die Schule schwänzenwird und ich ihm Entschuldigungen schreiben werde. Neugierig frage ich weiter:»Was wird es denn, ein Junge oder ein Mädchen?«
Doktor Herzog zieht Luft durch seineZähne und beantwortet auch diese Frage mit Engelsgeduld: »Das wollen alleunerfahrenen Mütter wissen, Frau Heiden. Wie allen anderen kann ich auch Ihnenjetzt nichts dazu sagen. In der sechsten Woche freuen wir uns, wenn das Herzschlägt. Alles andere zeigt sich erst später.«
In Kinofilmen wird drei Minutendanach schon das Kinderzimmer, ein rosa oder hellblauer Plüschtraum, eingerichtet.
Mein Leben, hier mitten in Köln, istaber kein romantischer Film. Ich bin immer dafür, der Wahrheit ins Auge zublicken. Manche Menschen sehen alles im Leben verklärt und glauben an dasParadies auf Erden, andere sind froh, wenn sie sich das Recht auf eine Kaffeepauseerstreiten. So unterschiedlich können Sichtweisensein.
Zurück zu meiner Wahrheit: Bis vorsieben Tagen hatte ich ihn noch. Den Mann meines Lebens. Auf den ersten Blickein Prachtexemplar, bei genauerer Betrachtung aber leider infiziert mit derneuen Männerkrankheit:
BABYPANIK.
Karriere ja, gemeinsame Urlaube gernund Zusammenleben mehr als erwünscht. Aber absolute Blockade bei derFamilienplanung. Solange dieses sensible Thema nicht auf den Tisch kommt,verstehen wir uns bestens. Christian und ich führen nach außen die perfekte Beziehung.Unsere Vier-Zimmer-Neubauwohnung am Kölner Stadtgarten ist das Zentrum für alleunsere Freunde. Wir feiern Partys, schlafen gern lange, brunchenuns durch zahlreiche verregnete Kölner Sonntage, kochen mit Freunden, sehen amWochenende in der Nachmittagsvorstellung unsere Lieblingsfilme im Kino - dasist unser Leben. Oder sollte ich besser sagen: Das war unser Leben?
Zu Beginn unseres Glücks fehlte mirnichts. Das Kinderthema kam eher selten zwischen uns auf, dafür waren wirviel zu beschäftigt. Und uns selbst genug.
Paare aus der Nachbarschaft, die amSonntag schon um sieben Uhr in der Früh mit den schreienden Kindern um dieHäuser zogen, hatten kaum unser Mitleid.
Spätestens aber, als Oskar, derfünfjährige Sohn eines Kollegen von Christian, beim Brunch seine Playstation in unseren Flachbildschirm warf, bekam unsereFassade erste Risse. Christians Toleranz ging gegen null, ab sofort erhieltOskars Vater keine Einladungen mehr. Und er begann, Freunde mit Kindern rigorosaus seinem Adressbuch zu streichen. Ein potenzieller Familienmensch war eroffensichtlich nicht. Damals hätte ich das erste Mal stutzig werden können.
Dieser Zwischenfall liegt nun dreiJahre zurück.
Mittlerweile sind wir eines derwenigen Paare, die ohne Kinder leben. Dafür aber mit einem einmal ein Meter fünfzig großen Flachbildschirm.
Die anderen Kinderlosen sind Stephanund Andreas, unsere schwulen Nachbarn, die seit drei Sommern ihre lesbischen Studienkolleginnenzu einem Kind überreden wollen. Alle vier scheitern immer wieder an der Fragenach dem Unterhalt und ob ein kleiner Junge nur bei den Männern und ein kleinesMädchen nur bei den Frauen aufwachsen dürfe. Dann gibt es in unserem Freundeskreisnoch Martina und Jürgen. Sie haben sich beinahe getrennt, nachdem sie schwangerwar und das Baby verlor. Seitdem rasen die beiden von Party zu Party, selbstwir sehen sie kaum noch. Und Andrea, die sich auch vorstellen könnte, alleinerziehend zu sein? Moment, was ist noch mit ihr? Siehofft auf Glück bei Männern wie andere auf den Sechser im Lotto. Andrea trifftstets auf Exemplare, die nur so tun, als wären sie verantwortungsvolle Männer,im Grunde sind es alles unentschiedene Jungs, die Angst vor einer festen Beziehunghaben. Porsche polieren kommt eben doch vor Popo putzen. Stellt sie Forderungenoder macht zaghaft Pläne in Richtung gemeinsame Zukunft, bekommen dieSchlipsträger kalte Füße.
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© Diana Verlag
- Autoren: Susanne Luerweg , Bärbel Schäfer
- 2007, 1, 270 Seiten, Maße: 12 x 19,5 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: Diana
- ISBN-10:
- ISBN-13: 4026411360034
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