Anselm Grüns Buch der Antworten
Es gibt Fragen im Leben, auf die jeder irgendwann stoßen wird. Nach deren Antworten jeder irgendwann suchen wird. Warum ist ausgerechnet mir das passiert? Worauf kann ich mich eigentlich verlassen? Pater Anselm Grün versucht, einfühlsam Antworten zu...
Es gibt Fragen im Leben, auf die jeder irgendwann stoßen wird. Nach deren Antworten jeder irgendwann suchen wird. Warum ist ausgerechnet mir das passiert? Worauf kann ich mich eigentlich verlassen? Pater Anselm Grün versucht, einfühlsam Antworten zu finden und zu geben.
In seiner unnachahmlichen Art spürt Pater Anselm dem roten Faden in unserem Leben nach.
Anselm Grüns Buch der Antworten von AnselmGrün
LESEPROBE
Soll ich mein Glück suchen?Oder wie findet es mich?
Wir sind durchaus fähig, an unseremGlück zu arbeiten. Normalerweise wird es uns nicht einfach in den Schoß gelegt,aber natürlich gibt es das, dass uns etwas Glückliches zufällt. Die Griechennennen das "eutyche". Das heißt: Das Schicksal meintes gut mit mir und ich gewinne z. B. im Lotto. Aber diese Form von Glück istfür die Griechen nur die minderwertigste. Das eigentliche Glück besteht in der"eudamonia", in der guten Beziehung zu seinem "daimon", zum inneren Seelenbegleiter, zum göttlichen Kern,den jeder in sich trägt. Und an dieser guten Beziehung kann man arbeiten. DurchKontemplation kommt man in Berührung mit seiner Seele, also mit derWirklichkeitsebene, in der Gott seine Spur im Menschen hinterlassen hat. Glückist Ausdruck von erfülltem Leben. Am Glück arbeiten, das heißt also einmal:bewusst zu leben, mit allen Sinnen zu leben, die Kraft, die in mir liegt, aucheinzusetzen und mich einer Aufgabe oder einem Menschen hinzugeben. Aber mankann das Glück nicht in dem Sinn machen, dass man etwa joggt, um auf dieseWeise Glückshormone auszuschütten, die im Gehirn positive Emotionen auslösen.Dieses Glück ist nur ein momentanes Gefühl, das nicht trägt. Es gibt keineschnellen Methoden, sich glücklich zu machen. Glück, das von Dauer sein soll,verlangt eine innere Haltung. Erasmus von Rotterdam nennt den Kern des Glücks:"der sein zu wollen, der du bist". Das ist keine leichte Vorgabe, das verlangtinnere Arbeit. Das heißt: Ich muss Abschied nehmen von den Illusionen, die ichmir von mir gemacht habe, von der Illusion, perfekt zu sein, der Größte, derIntelligenteste, der Erfolgreichste zu sein. Es heißt aber auch: Ich söhne michnicht nur mühsam aus mit dem, was ich bin. Vielmehr sage ich bewusst "Ja" zumir. Ich will der sein, der ich bin. Ich bin einverstanden mit mir und meinemLeben. Ich möchte gar kein anderer sein. Ich höre daher auf, mich mit anderenzu vergleichen und auf andere neidisch zu sein, die mehr haben als ich. Ich binich selbst. Und ich will mit ganzem Herzen der sein, der ich bin. Das verlangteine Änderung der Einstellung. Dies ist kein einfacher und schnell wirkenderTrick. Einsicht in die Notwendigkeit der eigenen Einstellung kostet durchausMühe, denn sie kränkt unser grandioses Selbstwertgefühl und unserenarzisstischen Vorstellungen vom Leben. Heute gibt es viele Berater, die gegenteures Geld Kurse oder Einzelbegleitung anbieten, um die Menschen glücklicherzu machen. Der große Zulauf sagt etwas über die Hoffnungen und über dasHilfebedürfnis der Menschen aus. Doch der beste Coach kann mir kein Erfolgsrezeptzum Glücklichwerden anbieten. Der Weg zum Glück liegt immer in mir. Und wennich nicht bereit bin, mich von manchen Illusionen zu verabschieden, - eben:dass mein Leben perfekt ist, dass ich der beste bin und dass mir alles glückt,- dann werden mir die vielen Kurse, die mir das Glück versprechen, nicht weiterhelfen. Der Weg zum Glück liegt in mir. Nur der Begleiter, der michunterstützt, dass ich in Einklang komme mit meinem eigenen Wesen, kann eineHilfe sein auf dem Weg zum Ziel. Aber er kann mir das Glück nicht garantieren.Es liegt immer in meiner Entscheidung, ob ich glücklich bin. Und dazu gehörtletztlich auch ein Stück Demut, die Bereitschaft, mich mit meiner Begrenztheitauszusöhnen. Allzu große Sprüche, wie sich das Glück anfühlt, führen nur in dieEnttäuschung oder in die kurzfristige Euphorie, die aber schnell derErnüchterung weichen wird. Wir können das Glück durchaus bewusst und aktivsuchen. Jede Philosophie war letztlich Suche nach dem Glück. Die Philosophenhaben ja auch immer wieder Wege aufgezeigt, wie wir das Glück finden können.Aber diese Wege fordern uns als Menschen ganz und gar heraus. Notwendig istbeides: Es braucht die Anstrengung des Denkens, was wirkliches Glück ist. Undes braucht den Übungsweg, der immer über die Begegnung mit der eigenen Wahrheitgeht, um uns - nicht immer, aber immer öfter - glücklich fühlen zu können.Manche Menschen meinen, sie hätten das Glück gar nicht gesucht, es habe sievielmehr gefunden. Das ist durchaus möglich. Aber auch das braucht eine bestimmteinnere Einstellung, die Einstellung der Offenheit und der Dankbarkeit. Wenn ichdas, was mir von außen begegnet, dankbar annehme, dann wird das Glück mich oftfinden, auch wenn ich es gar nicht gesucht habe oder ihm gar ständig hinterhergejagt bin. Aber weil ich in der Haltung derDankbarkeit lebe, bin ich überhaupt erst fähig, das Glück, das mich sucht,wahrzunehmen, es dankbar zu genießen und innere Zufriedenheit zu finden.
Ist Gottesliebe und dieLiebe zwischen Menschen das Gleiche?
Die Liebe zu Gott und zu denMenschen spricht in uns die gleichen Gefühle an. Aber dennoch gibt esUnterschiede. Die Griechen haben nicht nur das eine Wort für Liebe, sonderndrei Begriffe, die uns die Beziehung zwischen Gottesliebe und Liebe zumMenschen besser begreifen lassen.
Da ist eros,das ist die begehrliche Liebe. Wir fühlen uns vom anderen angezogen. DieGriechen stellen sich den Eros als einen jungen Mann mit Pfeilen vor, der seineLiebespfeile verschießt. Wer vom Pfeil des Eros getroffen ist, der istunsterblich verliebt in diesen Menschen. Er will ihn unbedingt haben und mitihm eins werden.
Philia ist die Freundesliebe. Es ist die Liebe, die sich amSosein des Freundes freut. Sie lässt ihn, wie er ist. Sie steht an seinerSeite. Das Lob der Freundschaft haben die Griechen immer wieder besungen.Freundesliebe war für die Griechen ein hohes Gut.
Und dann gibt es die agape. Das ist die Gottesliebe oder auch die reine Liebezum Menschen. Es ist eine Quelle von Liebe, die einfach strömen möchte. DieErfahrung, die wir mit der menschlichen Liebe machen, ist immer die vonErfüllung und Enttäuschung. Sowohl die Erfüllung als auch die Enttäuschungverweist uns auf die Quelle einer Liebe, die tiefer ist als das Lieben undGeliebt werden. Auf einmal spüren wir, dass wir nicht nur lieben und geliebtwerden, sondern zugleich Liebe sind. In uns ist eine Quelle der Liebe, dieeinfach strömt. Die Liebe durchfließt unsern Leib. Sie strömt zu den Menschen,zur ganzen Schöpfung - zu den Pflanzen und Tieren um uns, zu allem, was unsumgibt. Wir müssen uns nicht zwingen, dass wir den oder jenen lieben. Die Liebeist einfach da. Von dieser Liebe gilt, was der 1. Johannesbrief sagt: "Gott istLiebe. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt inihm." (1 Joh 4,16) Es ist eine göttliche Liebe. Aberdiese Liebe strömt nicht nur zu Gott, sondern auch zum Menschen. So sehr eros, philia und agape unterschieden sind, so gehören sie auch zusammen. Dieagape nährt sich aus dem erosund der philia. Und die begehrliche und freundschaftlicheLiebe braucht immer auch etwas von der göttlichen Quelle der unerschöpflichenLiebe, die uns von Gott her zukommt. Die Liebe zu Gott und zu den Menschen istkein Gegensatz. Ich muss mich nichtentscheiden, ob ich Gott liebe oder die Menschen. Vielmehr liebe ich Gott nurdann, wenn ich auch die Menschen liebe. Und umgekehrt gilt: wenn ich einenMenschen wirklich liebe, dann erfahre ich darin als Tiefe dieser Liebe auch dieLiebe zu Gott, der meine tiefste Sehnsucht nach Liebe allein und für immer zuerfüllen vermag. Es ist eine Erfahrung, die auch dem Alltag neuen Glanz gibt.
Glauben kann ich nur anderenMenschen - Wozu an Gott glauben?
Als Kind habe ich gelernt,den Eltern zu vertrauen und ihnen zu glauben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dasssie es gut mit mir meinen. Diesen Glauben darf ich in meinem Leben auch aufandere Menschen richten. Es ist gut, wenn ich Menschen vertrauen kann. Abergenügt es, nur auf Menschen zu bauen? Ist es nicht ein Urbedürfnis desMenschen, dem Ganzen zu trauen, der Welt zu trauen? Die Welt selber ist aberoft genug brüchig. Das erleben wir nicht nur in den Umweltkatastrophen. Wiekommt es nun zum Glauben an Gott?
Es gibt sicher eineSehnsucht, dem, der für alles verantwortlich ist, zu trauen und sich nicht alsWillkürobjekt einer unsichtbaren negativen Macht zu sehen, die viele zumGlauben führt. Manche Menschen finden zum Glauben, weil sie gegen den Zustandder Welt, so wie sie sich ihnen faktisch gibt, rebellieren. Ihr Protest gegendiese Welt führt sie über diese Welt hinaus in einen Bereich des Jenseitigen.Diese Welt, die sie als so unvollkommen erfahren, ist ihnen zu wenig. Sieglauben, dass es jenseits dieser Welt etwas geben muss, dasalles zusammen hält und unsere Sehnsucht nach wahrer Gerechtigkeit erfüllt. DieFrage, was es bringt, an Gott zu glauben, oder wofür dieser Glaube gut ist,kann ich nicht beantworten. Ich kann nur feststellen, dass in der menschlichenSeele ein Urbedürfnis ist, das Vertrauen auf jemanden zu richten, der die Welterschaffen hat und das Ganze in Händen hält. Natürlich ist dieses Urbedürfnisim Menschen noch kein schlüssiger Beweis für Gott. Und ich kann mich natürlichauch fragen, ob dieses Urbedürfnis nur ein Ergebnis der Evolution ist, damitder Mensch in dieser Welt besser leben kann, oder ob dieser Sehnsucht eineWirklichkeit entspricht. Aber für mich ist die Entscheidung, dass meineSehnsucht der Wirklichkeit entspricht, eine durchaus rationale Entscheidung,die ich vor meinem Verstand rechtfertigen kann. Denn wenn das Urbedürfnis nachGlauben in meiner Seele nur ein Trick der Evolution ist, dann ist letztlichalles sinnlos, dann sind wir nur Produkte der Natur. Und diese Sicht istzumindest nicht sehr einladend. Da scheint es mir sinnvoller, sich für dieAlternative des Glaubens zu entscheiden. Gott gibt es nicht als Gegenstandunter anderen Dingen dieser Welt. Er liegt nicht auf der gleichen Ebene wieetwas, das ich aneinanderreihen kann. Ich kann alsonicht mit dem gleichen Grad an Aussagekraft sagen: Ich glaube an die Existenzvon Neuseeland, und: Ich glaube an Gott. Gott ist nicht ein Etwas, nicht etwasSichtbares, das man in der Welt vorfindet. Er ist der Grund von allem, derSchöpfer von allem. Und er ist der, der mich in der Tiefe der Seele anspricht,der in meine Seele eine Ahnung gelegt hat von einer Transzendenz, von etwas,das diese Welt übersteigt. Der evangelische Theologe Paul Tillichnennt Gott "das, was mich unbedingt angeht". Er ist also eine Wirklichkeit, dieentscheidende Folgen hat in meinem Leben. ()
© Herder Verlag
- Autor: Anselm Grün
- 2007, 1, 272 Seiten, Maße: 12,9 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Herausgegeben von Lichtenauer, Anton
- Herausgegeben: Anton Lichtenauer
- Verlag: Herder, Freiburg
- ISBN-10: 3451296306
- ISBN-13: 9783451296307
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