Die Ernährungslüge
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Nicht immer ist bei industrieller Kost drin, was draufsteht. So werden zum Beispiel Nahrungsmitteln lebenswichtige Stoffe entzogen, die wir für unsere grauen Zellen brauchen, dafür werden Chemikalien eingebaut, die dem Gehirn schaden. Oft nur deshalb, um die Produkte für den Supermarkt länger haltbar zu machen. Hans-Ulrich Grimm klärt über Risiken und Gefahren der schönen neuen Nahrungswelt auf. Er zeigt, wie schon eine einzige Mahlzeit unsere Hirntätigkeit beeinflussen kann, welch fatale Wirkung Glutamat und Farbstoffe haben und warum Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson immer häufiger mit der schlechten Qualität unseres Essens in Verbindung gebracht werden.
DieErnährungslüge von Hans-Ulrich Grimm
LESEPROBE
Katastropheim Kopf
Essen wiruns dumm?
Frühstückmit Aussicht: Warum der Professor schon morgens an sein Gehirn denkt / Von derEpidemie der Vergesslichkeit / Wenn die grauen Zellen schrumpfen: Kehrt sichdie Evolution des Gehirns um? / Der Supermarkt als Drohkulisse fürs Denkorgan /Und: Wann kommt die Pille gegen die Dummheit?
Die Sorge scheint ein bisschen übertrieben, gerade beiihm. Sein Geist ist wach und rege. Seine Gene versprechen nur Gutes, denn seinVater war bis ins 98. Lebensjahr geistig immer noch fit. Und einen anregendenBeruf hat er auch: Er ist Alzheimer-Forscher.
Aber dasbefördert eher die Sorge um die grauen Zellen. Die Hirne, die er auf demBildschirm betrachtet, sehen nicht sehr schön aus. Sorgsam zerlegt und nach Arteines Carpaccios in feine Scheiben geschnitten, zeugen große braune Flecken vongroßflächigen Zerstörungen: dunkle Nester, die aussehen wie Misteln im Baum,dazwischen kleine Klumpen, die sich dem Denken wie Steine in den Weg legen, undgeschwänzte Gebilde, wie Kaulquappen, die wachsen und den Geist durchwuchern.Spuren des Vergessens. Es ist nicht ansteckend, und dennoch breitet es sich auswie eine Seuche.
KonradBeyreuther kennt die Gefahr, und er nimmt sie ernst. Beyreuther istHirnforscher, ein Wissenschaftler von Weltruf. Er hat an der amerikanischenElite-Uni in Harvard gearbeitet, er hat in den First-Class-Journalenpubliziert, in Nature, Science, Lancet. Er wird zu Vorträgen in aller Welteingeladen; zuletzt war er in Osaka im Süden Japans. Für einen wie ihn ist derGedanke unerträglich, Opfer jener zerstörerischen Kräfte zu werden, diedas Bewusstsein auslöschen und dieHandlungsfreiheit beseitigen.
KonradBeyreuther ist gern Herr seiner Handlungen, er lebt bewusst und kultiviertseine äußere Erscheinung: Er ist ein Intellektueller mit Stil. Der Professorträgt, je nach Stimmung, mal Fliege, mal ein vornehm-graues, kragenloses Hemdmit silbernen Schließen; die Anzüge kauft er stets von seiner bevorzugten Designerin,die Schuhe in Italien. Eine Taschenuhr an goldener Kette, eine Hornbrille: auchdie Accessoires passen ins Gefüge.
In derkühleren Jahreszeit zieht er noch einen eleganten, plüschigen Mantel mitdurchgehendem Reißverschluss über. Wenn er dann einen Termin hat irgendwo aufdem Heidelberger Campus, dann setzt er noch einen glänzenden schwarzenSchutzhelm auf und schwingt sich aufs Rad, und wenn es dann noch regnet, lenkter mit der einen Hand und hält mit der anderen seinen Schirm. Und wenn dasetwas seltsam aussieht, dann stört ihn das überhaupt nicht.
Waselegant ist und was seltsam, das entscheidet so einer, bitteschön, selber. Unddamit das so bleibt, achtet er sehr darauf, dass seine grauen Zellen fitbleiben, dass die Hirnkiller fern bleiben und er seine inneren Abwehrtruppenstärkt - und zwar schon beim Frühstück. Der Professor wohnt hoch oben amHeiligenberg, in einer Villengegend in einem Haus aus dem Jahr 1935; es ist ineinem warmen Gelb gehalten mit großen grünen Fensterläden. Vom Esszimmer aushat er einen weiten Blick über die Rheinebene, an klaren Tagen fast bis nachFrankreich. Auf dem Esstisch steht eine Karaffe mit Saft, ein Obstkorb,Joghurt, Tee.
Sie denkenbeim Frühstück schon ans Denken?
Selbstverständlich.Denken verbraucht wahnsinnig viel Energie. Ein Fünftel der Energie, die wir imKörper verbrennen, verbraucht das Gehirn, obwohl es gerade zwei Prozent unseresKörpergewichts ausmacht. Das Gehirn ist das teuerste Organ, vomEnergieverbrauch pro Kilo betrachtet.
Und wasbringt die Energie ins Hirn?
Das Hirnbraucht reinen Zucker, Glukose.
Sielöffeln Zucker zum Frühstück?
Ich esseZucker in Form von Obst. Morgens zum Beispiel einen Apfel. Ich bin ein sehrsinnlicher Mensch, ich dusche morgens gerne warm, einfach um mit dem Gefühl der Wärme den Tag beginnen zu lassen. Und sohabe ich auch gern diesen sinnlichen Apfel in der Hand.
Ein kargesMahl.
Keineswegs.Das Frühstück bei mir ist ein Genießerfrühstück. Ich trinke Früchtetee, Malveoder Brennnessel oder mal eine Kamille, das hängt von meiner Laune ab, so wieich mir auch jeden Tag den Anzug aussuche nach meiner Stimmung. Heute habe ichauch Feigen gegessen zum Frühstück. Feigen haben wahnsinnig viel Zucker. Aberich schaue auf der anderen Seite auch, dass ich nicht zu viel Zucker bekomme.Zuviel ist ganz schlecht fürs Gehirn.
Lieber wasDeftiges.
Ich essedann meistens noch ein Schwarzbrot mit ner Tomate darauf. Und Joghurt. Heutehabe ich auch noch Lust gehabt auf Joghurt. Da ist sehr viel Eiweiß drin
Eiweißfürs Hirn?
Das ist wahnsinnigwichtig. Der menschliche Körper kann bestimmte Eiweißbausteine nicht machen.Wirsind da ganz arm dran. Wir können auch kein eigenes Vitamin C machen. Was dasPferd noch kann. Der Esel kanns schon nicht mehr. Wir gehören dawahrscheinlich zu den Eseln.
Und müssenVitamine essen.
Bei denVitaminen bin ich ganz heikel. Ich trinke meistens einen Obstsaft,handgepressten Orangensaft, die fünf Minuten nehm ich mir. Wenn ich mal vielunterwegs war und nichts gescheites gegessen habe, dann nehme ich auch so eineMultivitamintablette. Ich schaue, dass ich möglichst viel Vitamin E zu mirnehme, und da ich der Meinung bin, dass ich das mit normalem Essen nichtschaffe, nehme ich Vitamin E auch in Tablettenform. Ich bin da vielleichtübertrieben vorsichtig, weil ich eben dieses Alzheimer-Problem kenne.
Die Angstdes Professors ist berechtigt. Das Gehirn ist in Gefahr, Morbus Alzheimerbreitet sich aus, und der Professor weiß, woher die Gefahr kommt. Dabei spieltdie Ernährung eine bislang völlig unterschätzte Rolle. Das Gehirn willwohlgenährt sein, und wird es immer weniger. Der Professor weiß um den Mangelan hirnwichtigen Nährstoffen, von den Risiken durch Schadstoffe im Essen, auchdurch die Chemie im Essen, in der industriellen Nahrung vor allem die vielenZusatzstoffe. Sie sollten künftig auf ihre »Neurotoxizität« geprüft werden, aufihre Giftigkeit fürs Gehirn, so fordert der Professor, der auch Staatsrat fürLebens- und Gesundheitsschutz in der baden-württembergischen Landesregierungist. Die amerikanischen Behörden arbeiten schon an solchen Tests.
© Verlagsgruppe Droemer Knaur
- Autor: Hans-Ulrich Grimm
- 2005, 303 Seiten, Maße: 12,3 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426778076
- ISBN-13: 9783426778074
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