Die Spur der Hebamme / Hebammen-Romane Bd.2
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Und damit nicht genug: Eines Tages taucht im Dorf jener fanatische Beichtvater auf, dem Marthe und ihre Fähigkeit, die Menschen zu heilen, schon lange ein Dorn im Auge sind. Nur zu gern ergreift er die Gelegenheit, die Hebamme zu denunzieren.
Christian will seine Frau in Sicherheit bringen, doch zu spät: Marthe muss sich wegen Hexerei vor einem Kirchengericht verantworten.
Die Spur der Hebamme von Sabine Ebert
LESEPROBE
ERSTER TEIL
Gefährliche Begegnungen
März 1173 in Christiansdorf
Herr, wir brauchen ein Hurenhaus!«
Verwundert starrte der Reiter - ein dunkelhaarigerRitter von etwa dreißig Jahren mit scharf geschnittenen Gesichtszügen - aufdie alte Frau, die ihm trotz des Schneetreibens entgegengeranntwar und sich auf die Knie geworfen hatte, um mit griesgrämiger Miene diesemerkwürdige Mitteilung loszuwerden.
Mit einem stummen Seufzer zügelte er seinenGrauschimmel. Er war tagelang bei Kälte und Schnee unterwegs gewesen und warmüde, hungrig, durchgefroren und nass bis auf die Haut. Und er sehnte sich nachseiner Frau.
Herr im Himmel, ich weiß, wir sollen unsereNächsten lieben, doch bei diesem ewig zeternden Weib machst Du mir dieswirklich schwer, dachte er grimmig angesichts der griesgrämigen Alten.
Die Bäuerin schien seinen Unwillen vor lauterEntrüstung gar nicht wahrzunehmen. » Man kann nicht mehr durchs Dorf gehen,ohne auf diese Schamlosen mit ihren halbnackten Brüsten und lüsternen Blickenzu treffen«, ereiferte sie sich. »Selbst auf die Ehemänner haben sie esabgesehen. Und vor all dem wilden Mannsvolk, das sich inzwischen hierniedergelassen hat, ist keine ehrbare Frau mehr sicher.«An dir wird sich bestimmt niemand vergreifen, schoss es dem Ritter durch denKopf. Doch etwas musste vorgefallen sein, wenn ihm die Alte bei diesem Wetterregelrecht aufgelauert hatte, noch bevor er in seinem Haus angekommen war.
»Ich kümmere mich darum, Griseldis«,sagte er ungeduldig. »Nun geh endlich wieder an deinen warmen Herd! «
Wie es aussah, wollte der Winter in diesem Jahrkein Ende nehmen. Dabei war es schon Mitte März. Wenn der Schnee nicht baldschmolz, würde die Aussaat verspätet beginnen. Aber falls die Nachrichtenzutrafen, die er in Meißen bei seinem Dienstherren Markgraf Otto erfahrenhatte, würde sein Dorf bald noch schlimmere Sorgen haben als eine verspäteteAussaat.
»ja, Herr. Selbstverständlich, Herr. « Eifrigverbeugte sich die Alte und humpelte davon, während der Ritter sein Pferdwieder in Bewegung setzte. Der Grauschimmel wusste längst, dass sein Stall inder Nähe war, und strebte von selbst dorthin.
Wie jedes Mal, wenn er nach längerer Abwesenheitzurückkehrte, ließ Christian seine Blicke über die Flur schweifen undbetrachtete die gewaltigen Veränderungen, die sein Dorf erfahren hatte, seiter vor knapp sechs Jahren mit einer Gruppe fränkischer Siedler hiereingetroffen war. Sie hatten ihre Heimat verlassen und waren mit ihm insUngewisse gezogen, um nach einer gefahrvollen Reise mitten in der Wildnis demDunkelwald ein Stück Land abzuringen und urbar zu machen. Doch dann war einemächtige Ader Silbererz gefunden worden. Bald zogenBergleute und Handwerker in so großer Zahl hierher, dass aus den ursprünglichvier Dutzend Bewohnern nun schon ein paar hundert geworden waren. Und es kamenauch Diebe, Abenteurer und Huren, mit denen es während seiner Abwesenheitwieder einmal Ärger gegeben haben musste, wollte er Griseldisglauben.
Männer und Frauen verbeugten sich und grüßtenehrerbietig, als sie ihren Herrn erkannten. Im Gegensatz zu anderen Dörfernherrschte hier keine Winterruhe. Von allen Seiten hörte er das Schlagen undPochen der Bergleute in den Gruben, die an Stelle von Feldern die Flur prägten,das Hämmern an den Scheidebänken und in der Schmiede. Aus den Schmelzhütten amBach drang dicker Qualm.
Voller Vorfreude lenkte Christian den Grauschimmelauf den Hof seines Anwesens. Doch statt der erwarteten Marthe war es eine derMägde, die ihm entgegenlief.
Wozu hat man eine hellsichtige Frau, wenn sie nichteinmal ahnt, dass ich komme, dachte er enttäuscht.
»Gott sei gepriesen, Ihr seid gesund zurück, Herr«,begrüßte ihn die Magd mit ehrlicher Freude.
Er dankte ihr für das Willkommen. »Wo ist meineFrau?«
»Es tut mir leid, Herr. Siesagte, dass Ihr wohl heute eintreffen würdet. Wir haben Suppe auf dem Herd undheißes Wasser für ein Bad. Aber sie musste fort. Vorhin hat es in einer der Grubenein Unglück gegeben.«
Wenigstens ist es keine Entbindung, zu der siegerufen wurde, dachte Christian. Dann hätte es sein können, dass er sie denganzen Tag nicht zu sehen bekam. Doch im nächsten Augenblick schalt er sichfür seine Gedanken. Vielleicht hatte es Verletzte gegeben oder sogar Tote.
»Jemand soll ihr Bescheid sagen, dass ich da bin. Undein heißes Bad wäre wunderbar. «
Die Magd entfernte sich rasch, während Christianbegann, seinen Hengst trocken zu reiben. Der Grauschimmel war zu unberechenbar,als dass er einen der Stallburschen an ihn heranlassen konnte. Nachdem er demPferd eine reichliche Portion Hafer gegeben hatte, ging er endlich ins Haus. Dorterwartete ihn schon die zehnjährige Marie, eine der beiden Stieftöchter seinerFrau aus ihrer ersten, erzwungenen und unglücklichen Ehe. Sie hatte seinen SohnThomas an der Hand. Scheu begrüßte Marie den Ankömmling, während der knappDreijährige begeis tertseinem Vater entgegenstürzte. Erst umklammerte er Christians Beine, dannreckte er die Arme, um hochgenommen zu werden. Der junge schmiegte sein Gesichtan die Wange seines Vaters, um im nächsten Augenblick zurückzuzucken und sichlautstark über die Bartstoppeln zu beschweren.
»Nachher lasse ich mich rasieren«, versprachChristian lächelnd. Stolz und zärtlich sah er auf seinen Sohn, der ihm mitseinen schwarzen Haaren und dunklen Augen wie aus dem Gesicht geschnitten war.
»Was macht deine Schwester?«,erkundigte er sich.
»Schläft. Sie kann immernoch nicht laufen«, entrüstete sich Thomas zur heimlichen Belustigung seinesVaters. »Aber alle sagen, dass sie es bald tut«, fügte er mit wichtigtuerischerMiene hinzu.
Clara war ein dreiviertel Jahr alt. Ihr Bruderhegte vom Tag ihrer Geburt an ritterliche Gefühle für seine Schwester und beobachtetegenau jeden Fortschritt, den die Kleine machte.
Der junge strampelte, um auf dem Boden abgesetzt zuwerden, und zerrte seinen Vater zur Wiege, der nur zu bereitwillig mitging. Gerührtbetrachtete er seine Tochter. Während Thomas nach ihm kam, versprach diekleine Clara mit ihren grünen Augen und dem kastanienbraunen Haar das Abbildihrer Mutter zu werden. Jetzt schlief sie. Ihre Lippen zuckten leicht, als obsie saugen würde, ihr Gesicht war rund und rosig. Jeden Tag dankte ChristianGott dafür, dass er ihn mit zwei gesunden Kindern gesegnet und dass seine Fraudie Entbindungen überlebt hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, wie er ohneMarthe leben sollte. Sie war die Liebe seines Lebens.
Mechthild, die Köchin, kam zu ihnen. »Wollt Ihrheiße Suppe, Herr? Das Bad ist gleich fertig.«
Christian beschloss, sich das Essen in der Küchegeben zu lassen, die wegen der Brandgefahr etwas abseits des Haupthausesstand. Dort war es wärmer, und die Mahlzeiten wurden nicht kalt auf dem Weg indie Halle. Die Köchin füllte ihm eine Schüs sel und schob ihm einen Kanten Brot zu. Frisch gebacken,merkte Christian beim ersten Bissen und sog den verführerischen Duft der Suppeein, ehe er zu essen begann. Bohneneintopf, auf jene besondere Art mit Kräuterngewürzt, die nur Marthe beherrschte. Er tunkte das Brot in die Schüssel undließ seinen Sohn davon abbeißen.
Die heiße Suppe und das Herdfeuer taten ihm gut. Erstjetzt merkte er, wie erschöpft und durchgefroren er war. Der harte Ritt hatteihn trotz der Kälte schwitzen lassen. Seine in Heilkünsten erfahrene Frauwürde darauf bestehen, dass er schnellstens die nassen Sachen ablegte und insheiße Wasser stieg.
Er schob die Schüssel mit dem Rest der Suppe zuseinem Sohn, der ihn mit immer kleiner werdenden Augen ansah.
»Wenn du aufgegessen hast, gehst du schlafen.«
Der junge verzog das Gesicht. »Noch nicht«,bettelte er.
»Gehorche, dann reiten wir morgen zusammen aus.«
Freudestrahlend sah Thomas zu ihm auf. Christianstrich ihm über das seidige Haar. Nachdem er seinen Sohn wieder Marie übergebenhatte, ging er hinauf in die Schlafkammer, wo heißes Wasser im Badezuberdampfte und Tücher bereitgelegt waren.
Während er es genoss, wie sich sein Körperentspannte und durchgewärmt wurde, kreisten seine Gedanken um die Reise, vonder er gerade zurückgekehrt war.
Was ihm sein Lehnsherr, Markgraf Otto von Meißen,aufgetragen hatte, konnte beträchtlichen Ärger mit sich bringen. Wiedereinmal standen das Schicksal seines Dorfes und sein eigenes auf dem Spiel. DasSilber war Segen und Fluch zugleich. Es hatte ihnen zu einem gewissenWohlstand verholfen, gemessen an den Entbehrungen der ersten harten Jahre nachihrer Ankunft in der Einöde, aber es hatte auch Begehrlichkeiten von Feindengeweckt, Blut und Leid gekostet.
© Knaur Verlag
- Autor: Sabine Ebert
- 2010, 22. Aufl., 656 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426636956
- ISBN-13: 9783426636954
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