Die Kosakenbraut
Südrussland um 1600: Elja, eine Kosakenkriegerin, ist vor ihrem grausamen Vater, dem Stammesfürsten, geflohen. Mit dem jungen Kosaken Andrej findet sie die Liebe. Doch Elja muss schmerzlich erfahren, dass Andrej sie verraten will. Denn sie hat eine mächtige...
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Produktinformationen zu „Die Kosakenbraut “
Südrussland um 1600: Elja, eine Kosakenkriegerin, ist vor ihrem grausamen Vater, dem Stammesfürsten, geflohen. Mit dem jungen Kosaken Andrej findet sie die Liebe. Doch Elja muss schmerzlich erfahren, dass Andrej sie verraten will. Denn sie hat eine mächtige Gabe: Elja kann Träume lesen und beeinflussen. Mit großem historischem Wissen und einer packenden Liebesgeschichte erweckt Katerina Timm das Kosakenreich des 17. Jahrhunderts zu farbenprächtigem Leben. »Ein spannender Schmöker aus einer wenig bekannten Welt...« (literature.de)
Klappentext zu „Die Kosakenbraut “
'In der Welt der Jarostnye sind Frauen mächtig: Die Kosakinnen kämpfen als Kriegerinnen an der Seite der Männer, ihre Stimme zählt. Die junge Elja ist die Tochter des Atamans, der über das Volk herrscht. Er hat sie zu seiner Nachfolgerin ausersehen. Doch Elja leidet unter seiner Grausamkeit, sie bricht mit ihm und flieht an die Schwarzmeerküste. Dort findet sie Frieden, bis ihr Vater sie unter dem Vorwand, er liege im Sterben, zurück in die Heimat lockt. Der junge Kosak Andrej holt sie ab, und auf der langen Reise zurück in die Steppe verlieben sich die beiden ineinander. Gleichzeitig beginnt Elja zu begreifen, dass sie über ungeahnte Macht verfügt: Wie ihre tote Mutter besitzt sie die Gabe, Träume zu lesen und zu beeinflussen. Als sie den Verrat ihres Geliebten entdeckt und es zum Machtkampf mit ihrem Vater kommt, findet Elja zu einem anderen, wirklich unabhängigen Leben. Auf atemberaubende Weise verknüpft Katerina Timm in diesem großen historischen Roman die Welt und Geschichteder Kosaken mit dem Leben einer außergewöhnlichen Frau.
Lese-Probe zu „Die Kosakenbraut “
Die Kosakenbraut von Katerina Timm LESEPROBE In dieser Nacht träumte Elja von Säbeln. Es war ein düsterer, ein wilder Traum, der beim Erwachen rasch verblasste. Nur das Klirren des Stahls hallte nach. Dennoch war Elja froh über jede Nacht, in der sie einen anderen Traum hatte als den, der sich ständig quälend wiederholte.
Durch die kleinen, gewölbten Scheiben fiel weiches Morgenlicht in einen Raum, in dessen Ecken noch die Nacht hockte. Dumpfes Poltern und kurze Befehle drangen herein. Die vertrauten Geräusche vermochten den Mann nicht zu wecken, der neben Elja lag. Vorsichtig richtete sie sich auf einem Ellbogen auf und betrachtete den Schlafenden. Dunkle Locken fielen in Nazars Gesicht, und auf seinen Lippen lag ein Lächeln. In seinen Träumen herrschte Frieden. Elja streckte ihre Hand aus, berührte fast die feinen Härchen auf seiner Brust, in die sie heute Nacht ihre Finger vergraben, an denen sie gezogen hatte, bis es ihn schmerzte. Was tust du da?, hatte er sie mit einem erschrockenen Lachen gefragt.
Wie dünn doch die menschliche Haut war, wie dicht das Blut unter ihrer Oberfläche strömte. Elja stellte sich vor, auf welche Weise Nazar zu Tode kommen könnte. Sie sah Klingen, Pfeile oder Kugeln in seinen Körper eindringen und hielt in Gedanken seinen sterbenden Körper in ihren Armen. Auch jetzt sah sie es in allen Einzelheiten vor sich und fühlte beinahe schon sein Blut an ihren Händen. Sie konnte nicht aufhören, sich mit dieser Vorstellung zu quälen, wenn sie ihn so wehrlos vor sich sah.
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In dem vergeblichen Versuch, diese Bilder in sich zu ersticken, schmiegte sie sich an ihn. Nazar erwachte, wie stets, wenn sie ihn so verzweifelt umschlang, und das war es auch, was sie erreichen wollte. Nur der Blick seiner dunklen Augen konnte ihre grausamen Gedanken bannen. Er wandte sich ihr zu und zog sie an sich. Der Geruch seiner Haut weckte den Wunsch in ihr, die warme Stelle zwischen seinem Hals und seiner Schulter mit kleinen Küssen zu bedecken. Es drängte sie danach, sich erneut in ihrer gemeinsamen Lust zu verlieren. Die Pflichten des Tages konnten warten. Elja wusste, dass eine einzige Geste genügte, ihre Umarmung in Leidenschaft münden zu lassen.
Aber heute brachte sie es nicht über sich, ihn glauben zu lassen, es sei lediglich ihr Verlangen, das sie zu ihm trieb. So entwand sie sich Nazar und schwang ihre Beine über die Kante seines Bettes. Sie stand auf, griff nach ihrem Hemd und streifte es sich über, ohne ihn dabei allzu viel ihres nackten Körpers sehen zu lassen, nun, da sie sich für das Ende dieser Liebesnacht entschieden hatte. Nazar seufzte und stand ebenfalls auf. Er ging um das Bett herum und schmiegte sich an sie, so dass sie sein Geschlecht an ihrer Hüfte spüren konnte. »Heute Abend, versprich es mir«, murmelte er in ihr Ohr.
Elja drehte sich um und umarmte ihn. »Ich verspreche es.«
Sie lächelte und verspürte erleichtert das freudige Pochen ihres Herzens. Ich gehöre zu ihm, sagte sie sich, ich bin in Sicherheit. Es war wie ein morgendliches Gebet.
Nazar nahm ihr linkes Handgelenk und zog sie mit sich zum Fenster. Ohne sie loszulassen, öffnete er einen Fensterflügel. Als Elja begriff, was er vorhatte, versuchte sie ihm ihre Hand zu entziehen. Sein Griff wurde fester. Elja kämpfte den Impuls nieder, sich mit einer einzigen Bewegung mühelos zu befreien.
»Lass mich sehen«, sagte er und drehte ihre Hand so, dass das Licht auf die Innenseite traf. Vorsichtig strich er mit einem Finger darüber.»Hör auf. Du tust mir weh.« Es stimmte nicht, aber so konnte Elja sich seinem Griff entwinden.
»Es ist nicht mehr so rot. – Aber du verbrennst dich oft, und immer an der gleichen Stelle.«
»Es ist meine Arbeit, die dir missfällt, ist es nicht so?« Elja wusste, dass ihr Vorwurf ungerecht war. Doch vielleicht würde Nazar ihre Hand künftig mit weniger Interesse betrachten, wenn er fürchten musste, dass ein Streit damit einherging. »Du solltest dir eine Frau suchen, die mit nichts Gefährlicherem hantiert als mit einer Sticknadel.«
»Ich will keine andere Frau.« Nazar trat erneut auf sie zu, ergriff nun ihre beiden Hände und führte sie nacheinander an seine Lippen. Er verstand sie nicht, und Elja konnte nicht begreifen, wie er sie dennoch lieben konnte. »Aber darf ich mir nicht Sorgen machen, wenn meiner Setenai, meiner Rose, ein Leid geschieht?«
»Gewiss darfst du das, und du sollst es sogar.« Elja schenkte ihm einen versöhnlichen Blick. »Du sollst mich nur nicht für ein schwächliches Ding halten, das es nicht versteht, sich vor den Gefahren der Welt zu schützen. Oder wünschst du dir, dass ich solch ein Geschöpf sein soll, das deines Schutzes bedarf?«
»Frieden!« Nazar hob kapitulierend seine Hände.
Während sie sich schweigend ankleideten, warfen sie sich immer wieder liebevolle Blicke zu, die ihre Missstimmung ungeschehen machen sollten. Elja zog ihr langes Oberhemd an, dann den Überrock, der bis zu den Knöcheln reichte. Sie setzte sich auf das Bett, um ihre Schuhe aus feinem Leder überzustreifen, auf die sie nicht verzichten mochte. Für eine Frau des Standes, den sie freiwillig einnahm, hätte es sich geschickt, Schuhe aus Birkenbast zu tragen, die zu dieser Jahreszeit bereits nach vier Tagen verschlissen wären.
»Komm her«, sagte Nazar, als sie nach dem Kamm griff. Er deutete auf den Schemel, der vor dem Fenster stand. »Ich möchte sehen, wie die Morgensonne die Funken in deinem Haar zum Leben erweckt.«
Elja folgte seinem Wunsch und begann, ihre Haare mit langen Strichen zu kämmen.
»Dein Haar hat die Farbe von altem Eibenholz, das mit Bienenwachs gepflegt wurde.«
Elja lachte. Ihr Liebster konnte seinen Beruf nicht verleugnen. Sie selbst war eher der Meinung, ihr Haar habe die Farbe des Laubs vom vergangenen Jahr.
»Flichtst du mir meinen Zopf?« Sie sprach diese Bitte auch deshalb aus, weil sie wusste, dass dies ihn besänftigen würde.
»Wenn du einmal des Holzhandels überdrüssig bist, kannst du dich als Leibmagd bei einer vornehmen Dame verdingen«, neckte sie ihn, als sie sein Werk beendete, indem sie eine bunte Quaste um das Ende ihres Zopfes wand und verknotete.
Sie hielten sich an den Händen, als sie Nazars Wohnräume verließen und die schmale Treppe hinabstiegen. Wie jeden Morgen drehte Elja sich zu Nazar um, bevor sie die Tür öffneten, die zum Holzplatz führte. Es war nicht nötig, seinen Leuten das Schauspiel ihrer Verabschiedung zu bieten. Elja wurde von ihnen mit der Höflichkeit behandelt, die der zukünftigen Herrin gebührte. Jedoch war ihr bewusst, dass die Männer bei ihren Schwestern oder Töchtern die Verstöße gegen Sitte und Anstand nicht geduldet hätten, die Elja als Fremde für sich in Anspruch nahm.Sie umarmten und küssten sich zärtlich.»Es ist unser letzter Abend«, sagte Nazar.
Elja nickte. Morgen würden ihn Geschäfte auf die Krim führen, und sie würden sich erst in zwei Wochen wiedersehen. Das Wissen, dass sie ihn vermissen würde, schuf ein wohlig-warmes Gefühl in ihrem Inneren.
»Ich komme zu dir, sobald es mir möglich ist«, versprach sie. »Vielleicht lässt Ontonko mich ein wenig früher gehen.«
Nazar gab ihr einen letzten raschen Kuss. »Als ob er dir etwas abschlagen könnte!«
Auch in dieser Nacht hatte er im Wald geschlafen, in seinen Mantel gewickelt. Die Kälte konnte ihm nichts anhaben. Selbst in tiefem Schnee hatte er schon tagelang draußen überlebt. Aus Gewohnheit verwischte er die Spuren seines Lagerplatzes, obwohl es nicht notwendig gewesen wäre.Dann wartete er.
Zur gleichen Zeit wie an den vergangenen Tagen tauchte sie zwischen den Bäumen auf. Ihre Kleidung war die einer einfachen russischen Frau. Allein schon diese Tatsache erzürnte ihn.
Elja. Ihr Name war ihm seit vielen Jahren vertraut, dennoch hatte er sie vor drei Tagen zum ersten Mal gesehen. Rurik hatte stets dafür gesorgt, dass sie einander nicht begegneten.
Es war einfach gewesen, sie zu finden. Sie hatte die Kleidung nicht gewechselt auf ihrer Flucht und damit eine Spur hinterlassen, die sogar zwei Jahre später noch nicht erkaltet war. Andrej hingegen hatte seine dunkle Tracht schon vor Tagen gegen unauffälligere Gewänder getauscht. Er würde sie erst wieder tragen, wenn er sich entschieden hatte.
Elja wandte sich nicht um, lief durch das lichte Kiefernwäldchen so unbekümmert, als reite sie auf ihrem Pferd über die Holzknüppeldämme Siljongorods. Immer wieder wurden die adygeischen Bewohner dieses Landes Opfer der Sklavenjäger; vor allem ihre schönen Töchter landeten nur allzu oft in den Harems der osmanischen Eroberer. Elja unterschied sich von den Menschen der Küste mit ihrer durchscheinenden Haut, die von ein paar Sommersprossen gesprenkelt war, ihren weichen Gesichtszügen mit den runden Wangen, den vollen Lippen und den sehr hellen, blaugrünen Augen. Auf dem Sklavenmarkt in Asow würde sie darum einen umso höheren Preis erbringen. Andrej malte sich aus, wie sie von Sklavenhändlern gejagt und gefangen genommen wurde, und fand, dies könne eine akzeptable Lösung seines Dilemmas sein. Es wäre ihre eigene Schuld. Schließlich hatte sie selbst sich so wehrlos gemacht. Sie hatte lange Beine und hielt sich auffallend gerade, doch ihr Körper wirkte zu weich, um einen Kampf bestehen zu können.
Lediglich die Spuren der Pferde und Kutschenräder verrieten, dass hier Menschen lebten. Nur selten tauchten zwischen den Bäumen die Zäune oder die seegrasgedeckten Dächer eines Gehöfts auf. Erst als in der Ferne zwischen Lehmhäusern der flache Spiegel des Meeres schimmerte, kamen ihnen einzelne Reiter oder Karren entgegen. Chulyschi erwachte.
Wie jeden Morgen folgte Andrej Elja zum Markt in der Nähe des Hafens, dorthin, wo auch die Häuser der Fremden standen. Auf Karren, Tischen oder Tüchern, die sie auf dem Boden ausgebreitet hatten, boten die Händler ihre Waren zum Kaufen und Tauschen feil. Trotz der frühen Stunde drängten sich bereits Menschen, die das erste Gemüse genießen wollten, frische Früchte statt der getrockneten und eingekochten.
Zunächst war Andrej vorsichtig gewesen, hatte täglich seine Kleidung und seine Kopfbedeckung gewechselt und war Elja in großem Abstand gefolgt. Er hatte befürchtet, aufzufallen unter den Einheimischen mit ihren schwarzen Augen und den starken Brauenbögen. Doch Chulyschi war eine Hafenstadt, und der Anblick von Fremden hier wohlvertraut.
Obwohl Elja nur selten etwas kaufte, wurde sie überall freundlich begrüßt, und viele Händler verführten sie zum Probieren. Sie bewegte sich unter diesen Menschen wie ein Barsch im Fluss, wirkte unbeschwert und lächelte häufig. Wie konnte sie es wagen, so fröhlich zu sein, nach allem, was sie Rurik angetan hatte?
Sie erstand einen Becher Granatapfelsaft und einen kleinen Fladen aus dunklem Brotteig. Der Honighändler winkte sie zu sich, als sie an seinem Stand vorbeikam, und bestrich ihr Brot mit einem Löffel Kastanienhonig. Andrej stand dicht genug hinter ihr, um zu hören, wie der Händler seine süße Ware anpries.
Sie zu beobachten war fast zu einem Spiel geworden. Es war, als sei er auf der Jagd, nicht um seinen Hunger zu stillen, vielmehr um seine Geschicklichkeit zu beweisen. Doch dieses Wild war seiner Kunst nicht würdig. Elja bemerkte nicht einmal, dass sie verfolgt wurde. Einst hatte Rurik voller Stolz von ihr gesprochen. Wenn sie seine Liebe je verdient hatte, so musste dies in einem anderen Leben gewesen sein – oder Rurik hatte sich in ihr getäuscht. Immer wieder geriet Andrej in Versuchung, unvorsichtig zu sein, es ihr leichter zu machen. Mitunter hätte er nur die Hand auszustrecken brauchen, um sie berühren zu können. Dass er dennoch unbemerkt blieb, nährte nur seine Verachtung.
Zunächst hatte er sich eingeredet, er wolle sichergehen, ob es sich wirklich um Elja handelte. In Wahrheit hatte er es vom ersten Augenblick an gewusst. Rurik hatte sie in der Art der Lateiner vor einigen Jahren von einem Maler porträtieren lassen. Vor Andrejs Abreise hatte er das Gemälde hervorgeholt und es wieder neben dem Romans aufhängen lassen.
Der letzte Stand, den Elja besuchte, war der des Gewürzhändlers. Er lachte, als biete er einem Kind Spielzeug an, und öffnete bereitwillig seine kleinen und großen irdenen Töpfe, in denen er feilbot, was aus allen Teilen der Welt über die Meere hierhergebracht worden war. Wieder spürte Andrej Wut in sich aufsteigen, als er sah, wie Elja ihre Nase in ein Döschen steckte, einen tiefen Atemzug nahm und lächelte.
Er würde bald zu einer Entscheidung kommen müssen. Aber war nicht längst für ihn entschieden worden? © Schröder Verlag
Aber heute brachte sie es nicht über sich, ihn glauben zu lassen, es sei lediglich ihr Verlangen, das sie zu ihm trieb. So entwand sie sich Nazar und schwang ihre Beine über die Kante seines Bettes. Sie stand auf, griff nach ihrem Hemd und streifte es sich über, ohne ihn dabei allzu viel ihres nackten Körpers sehen zu lassen, nun, da sie sich für das Ende dieser Liebesnacht entschieden hatte. Nazar seufzte und stand ebenfalls auf. Er ging um das Bett herum und schmiegte sich an sie, so dass sie sein Geschlecht an ihrer Hüfte spüren konnte. »Heute Abend, versprich es mir«, murmelte er in ihr Ohr.
Elja drehte sich um und umarmte ihn. »Ich verspreche es.«
Sie lächelte und verspürte erleichtert das freudige Pochen ihres Herzens. Ich gehöre zu ihm, sagte sie sich, ich bin in Sicherheit. Es war wie ein morgendliches Gebet.
Nazar nahm ihr linkes Handgelenk und zog sie mit sich zum Fenster. Ohne sie loszulassen, öffnete er einen Fensterflügel. Als Elja begriff, was er vorhatte, versuchte sie ihm ihre Hand zu entziehen. Sein Griff wurde fester. Elja kämpfte den Impuls nieder, sich mit einer einzigen Bewegung mühelos zu befreien.
»Lass mich sehen«, sagte er und drehte ihre Hand so, dass das Licht auf die Innenseite traf. Vorsichtig strich er mit einem Finger darüber.»Hör auf. Du tust mir weh.« Es stimmte nicht, aber so konnte Elja sich seinem Griff entwinden.
»Es ist nicht mehr so rot. – Aber du verbrennst dich oft, und immer an der gleichen Stelle.«
»Es ist meine Arbeit, die dir missfällt, ist es nicht so?« Elja wusste, dass ihr Vorwurf ungerecht war. Doch vielleicht würde Nazar ihre Hand künftig mit weniger Interesse betrachten, wenn er fürchten musste, dass ein Streit damit einherging. »Du solltest dir eine Frau suchen, die mit nichts Gefährlicherem hantiert als mit einer Sticknadel.«
»Ich will keine andere Frau.« Nazar trat erneut auf sie zu, ergriff nun ihre beiden Hände und führte sie nacheinander an seine Lippen. Er verstand sie nicht, und Elja konnte nicht begreifen, wie er sie dennoch lieben konnte. »Aber darf ich mir nicht Sorgen machen, wenn meiner Setenai, meiner Rose, ein Leid geschieht?«
»Gewiss darfst du das, und du sollst es sogar.« Elja schenkte ihm einen versöhnlichen Blick. »Du sollst mich nur nicht für ein schwächliches Ding halten, das es nicht versteht, sich vor den Gefahren der Welt zu schützen. Oder wünschst du dir, dass ich solch ein Geschöpf sein soll, das deines Schutzes bedarf?«
»Frieden!« Nazar hob kapitulierend seine Hände.
Während sie sich schweigend ankleideten, warfen sie sich immer wieder liebevolle Blicke zu, die ihre Missstimmung ungeschehen machen sollten. Elja zog ihr langes Oberhemd an, dann den Überrock, der bis zu den Knöcheln reichte. Sie setzte sich auf das Bett, um ihre Schuhe aus feinem Leder überzustreifen, auf die sie nicht verzichten mochte. Für eine Frau des Standes, den sie freiwillig einnahm, hätte es sich geschickt, Schuhe aus Birkenbast zu tragen, die zu dieser Jahreszeit bereits nach vier Tagen verschlissen wären.
»Komm her«, sagte Nazar, als sie nach dem Kamm griff. Er deutete auf den Schemel, der vor dem Fenster stand. »Ich möchte sehen, wie die Morgensonne die Funken in deinem Haar zum Leben erweckt.«
Elja folgte seinem Wunsch und begann, ihre Haare mit langen Strichen zu kämmen.
»Dein Haar hat die Farbe von altem Eibenholz, das mit Bienenwachs gepflegt wurde.«
Elja lachte. Ihr Liebster konnte seinen Beruf nicht verleugnen. Sie selbst war eher der Meinung, ihr Haar habe die Farbe des Laubs vom vergangenen Jahr.
»Flichtst du mir meinen Zopf?« Sie sprach diese Bitte auch deshalb aus, weil sie wusste, dass dies ihn besänftigen würde.
»Wenn du einmal des Holzhandels überdrüssig bist, kannst du dich als Leibmagd bei einer vornehmen Dame verdingen«, neckte sie ihn, als sie sein Werk beendete, indem sie eine bunte Quaste um das Ende ihres Zopfes wand und verknotete.
Sie hielten sich an den Händen, als sie Nazars Wohnräume verließen und die schmale Treppe hinabstiegen. Wie jeden Morgen drehte Elja sich zu Nazar um, bevor sie die Tür öffneten, die zum Holzplatz führte. Es war nicht nötig, seinen Leuten das Schauspiel ihrer Verabschiedung zu bieten. Elja wurde von ihnen mit der Höflichkeit behandelt, die der zukünftigen Herrin gebührte. Jedoch war ihr bewusst, dass die Männer bei ihren Schwestern oder Töchtern die Verstöße gegen Sitte und Anstand nicht geduldet hätten, die Elja als Fremde für sich in Anspruch nahm.Sie umarmten und küssten sich zärtlich.»Es ist unser letzter Abend«, sagte Nazar.
Elja nickte. Morgen würden ihn Geschäfte auf die Krim führen, und sie würden sich erst in zwei Wochen wiedersehen. Das Wissen, dass sie ihn vermissen würde, schuf ein wohlig-warmes Gefühl in ihrem Inneren.
»Ich komme zu dir, sobald es mir möglich ist«, versprach sie. »Vielleicht lässt Ontonko mich ein wenig früher gehen.«
Nazar gab ihr einen letzten raschen Kuss. »Als ob er dir etwas abschlagen könnte!«
Auch in dieser Nacht hatte er im Wald geschlafen, in seinen Mantel gewickelt. Die Kälte konnte ihm nichts anhaben. Selbst in tiefem Schnee hatte er schon tagelang draußen überlebt. Aus Gewohnheit verwischte er die Spuren seines Lagerplatzes, obwohl es nicht notwendig gewesen wäre.Dann wartete er.
Zur gleichen Zeit wie an den vergangenen Tagen tauchte sie zwischen den Bäumen auf. Ihre Kleidung war die einer einfachen russischen Frau. Allein schon diese Tatsache erzürnte ihn.
Elja. Ihr Name war ihm seit vielen Jahren vertraut, dennoch hatte er sie vor drei Tagen zum ersten Mal gesehen. Rurik hatte stets dafür gesorgt, dass sie einander nicht begegneten.
Es war einfach gewesen, sie zu finden. Sie hatte die Kleidung nicht gewechselt auf ihrer Flucht und damit eine Spur hinterlassen, die sogar zwei Jahre später noch nicht erkaltet war. Andrej hingegen hatte seine dunkle Tracht schon vor Tagen gegen unauffälligere Gewänder getauscht. Er würde sie erst wieder tragen, wenn er sich entschieden hatte.
Elja wandte sich nicht um, lief durch das lichte Kiefernwäldchen so unbekümmert, als reite sie auf ihrem Pferd über die Holzknüppeldämme Siljongorods. Immer wieder wurden die adygeischen Bewohner dieses Landes Opfer der Sklavenjäger; vor allem ihre schönen Töchter landeten nur allzu oft in den Harems der osmanischen Eroberer. Elja unterschied sich von den Menschen der Küste mit ihrer durchscheinenden Haut, die von ein paar Sommersprossen gesprenkelt war, ihren weichen Gesichtszügen mit den runden Wangen, den vollen Lippen und den sehr hellen, blaugrünen Augen. Auf dem Sklavenmarkt in Asow würde sie darum einen umso höheren Preis erbringen. Andrej malte sich aus, wie sie von Sklavenhändlern gejagt und gefangen genommen wurde, und fand, dies könne eine akzeptable Lösung seines Dilemmas sein. Es wäre ihre eigene Schuld. Schließlich hatte sie selbst sich so wehrlos gemacht. Sie hatte lange Beine und hielt sich auffallend gerade, doch ihr Körper wirkte zu weich, um einen Kampf bestehen zu können.
Lediglich die Spuren der Pferde und Kutschenräder verrieten, dass hier Menschen lebten. Nur selten tauchten zwischen den Bäumen die Zäune oder die seegrasgedeckten Dächer eines Gehöfts auf. Erst als in der Ferne zwischen Lehmhäusern der flache Spiegel des Meeres schimmerte, kamen ihnen einzelne Reiter oder Karren entgegen. Chulyschi erwachte.
Wie jeden Morgen folgte Andrej Elja zum Markt in der Nähe des Hafens, dorthin, wo auch die Häuser der Fremden standen. Auf Karren, Tischen oder Tüchern, die sie auf dem Boden ausgebreitet hatten, boten die Händler ihre Waren zum Kaufen und Tauschen feil. Trotz der frühen Stunde drängten sich bereits Menschen, die das erste Gemüse genießen wollten, frische Früchte statt der getrockneten und eingekochten.
Zunächst war Andrej vorsichtig gewesen, hatte täglich seine Kleidung und seine Kopfbedeckung gewechselt und war Elja in großem Abstand gefolgt. Er hatte befürchtet, aufzufallen unter den Einheimischen mit ihren schwarzen Augen und den starken Brauenbögen. Doch Chulyschi war eine Hafenstadt, und der Anblick von Fremden hier wohlvertraut.
Obwohl Elja nur selten etwas kaufte, wurde sie überall freundlich begrüßt, und viele Händler verführten sie zum Probieren. Sie bewegte sich unter diesen Menschen wie ein Barsch im Fluss, wirkte unbeschwert und lächelte häufig. Wie konnte sie es wagen, so fröhlich zu sein, nach allem, was sie Rurik angetan hatte?
Sie erstand einen Becher Granatapfelsaft und einen kleinen Fladen aus dunklem Brotteig. Der Honighändler winkte sie zu sich, als sie an seinem Stand vorbeikam, und bestrich ihr Brot mit einem Löffel Kastanienhonig. Andrej stand dicht genug hinter ihr, um zu hören, wie der Händler seine süße Ware anpries.
Sie zu beobachten war fast zu einem Spiel geworden. Es war, als sei er auf der Jagd, nicht um seinen Hunger zu stillen, vielmehr um seine Geschicklichkeit zu beweisen. Doch dieses Wild war seiner Kunst nicht würdig. Elja bemerkte nicht einmal, dass sie verfolgt wurde. Einst hatte Rurik voller Stolz von ihr gesprochen. Wenn sie seine Liebe je verdient hatte, so musste dies in einem anderen Leben gewesen sein – oder Rurik hatte sich in ihr getäuscht. Immer wieder geriet Andrej in Versuchung, unvorsichtig zu sein, es ihr leichter zu machen. Mitunter hätte er nur die Hand auszustrecken brauchen, um sie berühren zu können. Dass er dennoch unbemerkt blieb, nährte nur seine Verachtung.
Zunächst hatte er sich eingeredet, er wolle sichergehen, ob es sich wirklich um Elja handelte. In Wahrheit hatte er es vom ersten Augenblick an gewusst. Rurik hatte sie in der Art der Lateiner vor einigen Jahren von einem Maler porträtieren lassen. Vor Andrejs Abreise hatte er das Gemälde hervorgeholt und es wieder neben dem Romans aufhängen lassen.
Der letzte Stand, den Elja besuchte, war der des Gewürzhändlers. Er lachte, als biete er einem Kind Spielzeug an, und öffnete bereitwillig seine kleinen und großen irdenen Töpfe, in denen er feilbot, was aus allen Teilen der Welt über die Meere hierhergebracht worden war. Wieder spürte Andrej Wut in sich aufsteigen, als er sah, wie Elja ihre Nase in ein Döschen steckte, einen tiefen Atemzug nahm und lächelte.
Er würde bald zu einer Entscheidung kommen müssen. Aber war nicht längst für ihn entschieden worden? © Schröder Verlag
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Autoren-Porträt von Katerina Timm
Katerina Timm, geboren 1952, studierte in Marburg Psychologie und arbeitet als Psychotherapeutin. Ihr beruflicher Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet der Traumdeutung. Katerina Timm lebt mit ihrem Mann in Südwestdeutschland. Die Kosakenbraut ist ihr Romandebüt
Bibliographische Angaben
- Autor: Katerina Timm
- 2007, 424 Seiten, Maße: 14,7 x 21,9 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: MARION VON SCHRÖDER
- ISBN-10: 3547711363
- ISBN-13: 9783547711363
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