Das Spiel
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Eines Tages erhält die junge Bibliothekarin Jane einen Fünfzig-Dollar-Schein und die Aufforderung, sich an einem ominösen "Spiel" zu beteiligen: Wenn sie jeweils mitternachts eine bestimmte Aufgabe löst, dann verdoppelt sich ihre Belohnung. Sie macht mit. Die ersten Aufgaben sind noch leicht, doch sie werden härter - bis es kein Zurück mehr gibt: Das "Spiel" artet zu reinstem Terror aus ....
Das Spiel von Richard Laymon
LESEPROBE
Jane Kerry bemerkte den Umschlag auf dem Stuhl, als sie zu ihremSchalter zurückkehrte. Sie hatte ihn nicht dorthin gelegt. Vielleicht war ervom Tisch gerutscht. Sie fragte sich, ob ihn jemand dort vergessen hatte, undob sich etwas Wichtiges darin befand.
Dann wollteAgnes Dixon ein halbes Dutzend Kriminalromane ausleihen, und Jane verschwendetekeinen weiteren Gedanken an den Umschlag. Agnes war eine pensionierte Lehrerinund eine ihrer Stammkundinnen.
Menschenwie sie hatten ihr geholfen, sich in ihrem neuen Job als Leiterin derBibliothek von Donnerville einzuleben. Während siesich flüsternd mit ihr unterhielt, kamen weitere Leute zum Schalter oderverließen die Bibliothek, die bald schließen würde.
Der Umschlag.
Janeschob die vergilbte Leihkarte in die Tasche im Einband des letzten Krimis, denAgnes auslieh - ein Roman von Dick Francis -, schlug das Buch zu und legte eszu den anderen auf den Stapel.
»Das isteiner seiner besten Romane«, sagte sie und trat einen Schritt zurück. Mit demHintern stieß sie gegen den Bürostuhl. Ohne sich umzudrehen, griff sie nachhinten, ertastete den Umschlag und hob ihn auf.
»Hi«, sagte ein Teenager, der ihr irgendwie bekannt vorkam.
»Kann ichdas ausleihen?«
»Na klar.«
Er schobJane ein aufgeschlagenes Buch und seine Bibliothekskarte hin. Sie nahm dieKarte mit ihrer linken Hand entgegen und ihr Blick wanderte zu dem Umschlag inihrer Rechten.
In derMitte war mit schwarzer Tinte ein Wort geschrieben: JANE
Wer?
Ich?
Sie warverblüfft, aber auch ein wenig verängstigt.
Was warda drin?
Zumindeststand jetzt fest, dass niemand den Umschlag verloren hatte. Sie musste sichalso nicht auf die Suche nach seinem Besitzer begeben.
Jane warfden Umschlag zurück auf den Stuhl und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Wieimmer versuchte sie, zu jedem ihrer Kunden besonders nett zu sein, um sie besserkennenzulernen. Jane wollte ihnen zeigen, dass sie jederzeitfür sie da war.
So musstesie wenigstens nicht dauernd an den geheimnisvollen Umschlag denken. Nur ab undzu spähte sie aus den Augenwinkeln hinüber und fragte sich, was er wohlenthielt.
EineEinladung? Eine Grußkarte? Vielleicht auch einen Liebesbrief oder ein Gedichtvon einem heimlichen Verehrer? Eine Beschwerde? Oder etwa einen Hassbrief vonjemandem, den ich ermahnt habe, in der Bibliothek ruhig zu sein?
Möglich waralles. Sinnlos, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Sie musste bloß abwarten,bis der Letzte gegangen war, dann würde sie es schon herausfinden.
»Ich hoffe,es gefällt dir«, sagte sie zu einem Mädchen mit Pferdeschwanz, »wir haben nochviele andere Bücher von diesem Autor.«
Das Mädchenbedankte sich und ging zum Ausgang. Jane ließ den Blick über die übrigenBesucher schweifen. Immer noch ziemlich viele Leute. Sechs standen in der Schlange,ein Dutzend weitere verteilten sich über den Hauptlesesaal. Sie hatte keineAhnung, wie viele sich im ersten Stock aufhielten. Zumindest konnte sieniemanden erkennen, der sich auffällig benahm.
Derjenige, der den Umschlag hier hingelegt hat, wartet bestimmtdarauf, dass ich ihn öffne. Na, hoffentlich sieht der Kerl gut aus.
Nein,daran solltest du nicht mal denken, sagte sie sich. Sei lieber froh, wenn eskein Psychopath ist. Als Jane den letzten Kunden bedient hatte, waren nur nochwenige Besucher im Lesesaal. Jane kannte die meisten von ihnen - sie warenöfter hier. Alle waren mit irgendetwas beschäftigt. Don, ihre Hilfskraft, wardabei, herumliegende Bücher und Zeitschriften einzusammeln.
Sie sah aufdie Uhr. Zehn vor Neun. Sie nahm den Umschlag wieder in die Hand und hielt ihnauf Hüfthöhe, damit ihn der Schalter vor neugierigen Blicken verbarg. Danndrehte sie ihn um. Nichts. Nur das Wort JANE auf der Vorderseite. Der Umschlagwar sauber und glatt. Und er war zugeklebt.
Da er nichtbesonders dick war, konnte er nicht mehr als ein oder zwei gefaltete Blätterenthalten. Sie riss eine Ecke auf, steckte ihren Zeigefinger in das kleine Lochund öffnete den Brief.
Sie sahsich um. Niemand beobachtete sie. Im Umschlag lag ein gefaltetes Blatt Papier.Liniertes, gelochtes Papier von der Art, wie Schüler es für ihre Ordner verwendeten.Es war zweimal gefaltet. Auf der Innenseite konnte sie eine geschwungeneHandschrift erkennen. Sie bemerkte ein weiteres Stück Papier, in dem etwas vonder Größe eines Schecks oder einer Banknote steckte.
Schicktmir jemand Geld?
Plötzlichkam sie sich ziemlich dämlich vor. Das war keine Botschaft eines heimlichenVerehrers. Auch keine Drohung. Hier wollte nur jemand ein verloren gegangenesBuch oder eine Mahngebühr bezahlen, nichts weiter.
Jane fühltesich zwar wie eine Idiotin, aber sie war auch etwas erleichtert. Undenttäuscht. Sie faltete das Papier auseinander. Es war kein Scheck, sonderneine druckfrische, glatte Fünfzigdollarnote.
War wohlein ziemlich teures Buch, dachte sie. Sie schob den Geldschein wieder zurückund las die handgeschriebene Mitteilung:
LiebeJane, komm und spiel mit mir. Für weitere Anweisungen: Schau heimwärts, Engel.Du wirst es nicht bereuen.
LiebsteGrüße, MOG (Master of Games - Meister des Spiels)
Jane lasden Brief noch einmal. Und noch einmal. Sie sah sich um, aber die wenigenBesucher schenkten ihr keinerlei Beachtung.
»Wirschließen in zehn Minuten«, verkündete sie. Dann steckte sie die fünfzig Dollarund den Brief zurück in den Umschlag. »Don, hast du einen Moment Zeit?« Don, ein schlaksiger Doktorand, eilte auf sie zu. Erwirkte besorgt. Oder etwa schuldig? »Gibt es ein Problem, Miss Kerry?« Jane schüttelte den Kopf.»Nichts Wichtiges.« Sie zeigte ihm den Umschlag. »Hast du gesehen, dass denjemand auf meinen Stuhl gelegt hat?« Er blickte zurDecke, als stünde die Antwort dort geschrieben. Dann schüttelte er den Kopf.»Nein, ich glaube nicht.« »War jemand am Schalter, alsich nicht da war?« Wieder schüttelte er den Kopf. »Ichhabe niemanden gesehen.« Sie wedelte mit dem Umschlag.»Der ist von dir, stimmts?«»Von mir? Nein. Was ist das überhaupt?«
Janezögerte. Wie viel konnte sie ihm erzählen? Sie kannte Don jetzt seit ein paarMonaten, aber eigentlich wusste sie nichts über ihn. Nur, dass er bereits überein Jahr Bibliotheksaushilfe gewesen war, als sie hier angefangen hatte. Erpromovierte an der hiesigen Universität in englischer Literatur, war Single undwohnte allein in einem Apartment nicht weit von der Bibliothek entfernt.Außerdem war er schrecklich schüchtern und hatte anscheinend kein nennenswertesPrivatleben.
Vielleichtwill er das mit mir nachholen, dachte sie. Und versucht es jetzt mit einergeheimnisvollen Botschaft und einem Geldschein als Köder.
»Einanonymer Brief«, sagte sie und beschloss, die fünfzig Dollar nicht zu erwähnen.
Er machtegroße Augen. »Von einem heimlichen Verehrer?« »Nicht direkt.« Jetzt wirkte erbesorgt. »Doch kein Drohbrief?« »Nein. Nur eine seltsame Botschaft. Du hastbestimmt niemanden mit einem Umschlag in der Hand gesehen? Oder jemanden, derum den Schalter herumgeschlichen ist?« »Nein, wirklich nicht.« Er sah auf denUmschlag. »Darf ich mal sehen?« »Danke, aber liebernicht.« Sie bemerkte seine enttäuschte Miene. »Es ist ziemlich persönlich.« »Persönlich?« Auf einmal wurde er rot im Gesicht. »Aha.Also Tut mir leid. Konnte ich ja nicht wissen.« Er verzogdas Gesicht und schüttelte den Kopf. »Verzeihung.« »Nicht so schlimm, Don.Wirklich.« »Ich Dürfte ich jetzt nach Hause gehen? Ich bin zwar noch nichtfertig mit Aufräumen, aber, also ich fühle mich nicht besonders gut. MeinMagen.« Er hielt sich den Bauch.
»Klar. Gehnur.« »Vielen Dank.« Don wieselte um den Schalterherum, ging ins Büro und kam einige Augenblicke später mit seiner Aktentaschewieder. Er schenkte Jane ein verkrampftes Lächeln, winkte ihr zu und eilte aufden Ausgang zu. »Gute Besserung«, sagte sie.
Dann war erverschwunden. Jane fragte sich, ob sie nicht zufällig für seinen plötzlichen Krankheitsausbruchverantwortlich war. Das war gar nicht so unwahrscheinlich. Schließlich war siesein Chef und eine Frau. Noch dazu hatte sie ihn verdächtigt, ihr den anonymenBrief untergeschoben zu ha- ben. Das reichte, um jemandem mit Dons NervenkostümBauchschmerzen zu bereiten.
Dass sieden Brief als »persönlich« bezeichnet hatte, war dann wohl zu viel für ihngewesen. Das hätte ich nicht sagen sollen, dachte sie. Der Brief ist eigentlichgar nicht persönlich. Keine Frage nach meinem Einkommen, keine unanständigenDinge. Er ist nicht persönlich, er ist einfach nur durchgeknallt. Sie sah aufdie Uhr. »Wir schließen jetzt«, verkündete sie. »Zeit zu gehen, meineHerrschaften.« Als der letzte Besucher die Bibliothek verlassen hatte, schlosssie den Vordereingang ab und kehrte zum Pult zurück. Jetzt musste sie noch nachoben gehen, um nachzusehen, ob wirklich alle gegangen waren und um das Licht auszuschalten.Sie tat das nicht gerne. Weder sie noch Don rissen sich um diese Aufgabe.Allein war es ziemlich gruselig da oben. ()
© HeyneVerlag
Übersetzung:Kristof Kurz
- Autor: Richard Laymon
- 2007, Deutsche Erstausgabe, 493 Seiten, Maße: 11,8 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453675355
- ISBN-13: 9783453675353
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