Das Böse in uns
Thriller
In einem gelandeten Flugzeug wird die Leiche der jungen Lisa gefunden. Vom Täter fehlt jede Spur. Einziger Hinweis: ein silbernes Kreuz mit einem Totenkopf im Körper der Toten. Dann tauchen im Internet brutale Videos von Morden auf. Und es wird...
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Produktinformationen zu „Das Böse in uns “
In einem gelandeten Flugzeug wird die Leiche der jungen Lisa gefunden. Vom Täter fehlt jede Spur. Einziger Hinweis: ein silbernes Kreuz mit einem Totenkopf im Körper der Toten. Dann tauchen im Internet brutale Videos von Morden auf. Und es wird klar: Der Killer hat schon öfter zugeschlagen. FBI-Agentin Smoky Barrett ermittelt fieberhaft. Bis es der Mörder auch auf sie abgesehen hat.
Klappentext zu „Das Böse in uns “
Auf einem Flug freundet sich Lisa mit ihrem Sitznachbarn an. Der Mann lädt sie zu einem Drink ein. Nach ein paar Schluck wird Lisa schwindelig. Da lehnt sich der Mann zu ihr hinüber und flüstert: "Ich werde dich töten, Lisa." Nach der Landung findet die Besatzung Lisas Leiche; vom Täter fehlt jede Spur. Die FBI-Agentin Smoky Barrett hat nur einen Hinweis: Ein silbernes Kreuz mit einem Totenkopf und der Zahl 143 im Körper der Toten. Was bedeutet das Zeichen? Ein Rätsel,
bis im Internet brutale Videos von Morden auftauchen. Der Killer hat bereits öfters zugeschlagen. Und die Filme verraten noch etwas anderes: Jedes der Opfer hatte ein Geheimnis, das seine Seele schwarz färbte. Mit seinen Taten will der
Mörder die Seelen erlösen. Und eine Seele bedeutet ihm viel: die von Smoky Barrett. Denn auch Smoky hat ein Geheimnis, das sie in den Wahnsinn treiben wird ...
Lese-Probe zu „Das Böse in uns “
Das Böse in uns von Cody MacFadyenLESEPROBE
Kapitel 1
Sterben ist einsame Sache
Das Leben aber auch.
Wir alle verbringen unser Leben im tiefsten Innern einsam und allein. Ganz gleich, wie viel wir mit den Menschen teilen, die wir lieben, irgendetwas halten wir stets zurück. Manchmal ist es eine Kleinigkeit – zum Beispiel, wenn eine Frau sich an eine heimliche, längst vergangene Liebe erinnert. Sie erzählt ihrem Gatten, sie habe keinen Mann inniger geliebt als ihn, in ihrem ganzen Leben nicht, und das stimmt auch. Allerdings hat sie einen anderen Mann genauso sehr geliebt.
Manchmal ist das Geheimnis in unserem Innern etwas Riesiges und Düsteres – ein Ungeheuer, das direkt hinter uns lauert und dessen heißen Atem wir zwischen den Schulterblättern spüren. Ein Beispiel: Ein Student erlebt auf dem College, wie eine Frau von mehreren Kerlen nacheinander vergewaltigt wird, doch unser Student sagt kein Wort, zu keinem Menschen. Jahre später wird er Vater einer Tochter. Je mehr er sie liebt, desto größer werden seine Schuldgefühle. Trotzdem wird er seine inneren Qualen niemandem anvertrauen. Er wird eher Folter und Tod erleiden als die Wahrheit sagen.
In tiefster Nacht – in den Stunden, wenn jeder von uns alleine ist – kommen diese alten Geheimnisse und klopfen bei uns an. Einige klopfen lautstark, andere leise, kaum vernehmlich. Doch ob laut oder leise, sie kommen. Keine verschlossene Tür kann sie aufhalten. Sie haben den Schlüssel zu unserem Innersten. Wir reden mit ihnen, flehen sie an, wir verfluchen sie, schreien sie an. Wir wünschen uns, mit jemandem über diese Geheimnisse reden zu können, sie jemandem anvertrauen zu können, nur einem einzigen anderen Menschen, um ein klein wenig Erleichterung zu finden.
Wir wälzen uns im Bett hin und her oder gehen im Zimmer auf und ab oder nehmen Drogen oder heulen den
... mehr
Mond an, bis endlich der Morgen dämmert. Mit dem neuen Tag verstummt das Jaulen und Kreischen unserer dunklen Geheimnisse; sie kapseln sich wieder ein in unserem Innern, und wir tun unser Bestes, mit ihnen weiterzuleben. Der Erfolg bei diesem Unterfangen hängt von der Art und Größe des Geheimnisses ab und dem, der es in sich trägt. Nicht jeder ist dazu geschaffen, mit Schuld zu leben.
Jung oder Alt, Mann oder Frau, jeder hat Geheimnisse. Das habe ich gelernt. Das habe ich erfahren. Ich weiß es von mir selbst.
Jeder.
Ich blicke auf das tote Mädchen auf dem metallenen Untersuchungstisch und frage mich: Welche Geheimnisse hast du mitgenommen, von denen nie jemand erfahren wird?
Sie ist viel zu jung, um tot zu sein. Anfang zwanzig. Wunderschön. Langes, dunkles, glattes Haar. Ihre Haut hat die Farbe von hellem Kaffee; sogar im harten Licht der Leuchtstoffröhren sieht ihre Haut glatt und makellos aus. Hübsche, zarte Gesichtszüge. Eine Angloamerikanerin mit leichtem Latino-Einschlag. Ihre Lippen sind blass im Tod, doch sie sind voll, ohne dick zu sein. Ich stelle mir vor, wie diese Lippen bei einem Lächeln ausgesehen haben, das in ein Lachen übergeht – ein weiches, melodisches Lachen. Sie ist klein und schlank; das sehe ich durch das Laken hindurch, das sie vom Hals abwärts bedeckt.
Ich habe viele Ermordete gesehen, doch jedes Mal erschüttert es mich aufs Neue. Ob Täter oder Opfer, gut oder böse, jeder war ein Mensch mit Hoffnungen, Träumen und Lieben. Doch wir leben in einer Welt, in der die Karten gegen das Leben spielen.
Die Welt gibt uns reichlich Gelegenheit zu sterben: Krebs, ein Unfall auf der Autobahn, ein Herzanfall mit einem Glas Wein in der Hand und einem erstickten Lächeln im Gesicht. Mörder betrügen dieses System. Sie helfen den Dingen auf die Sprünge, beschleunigen sie, nehmen ihren Opfern etwas, das auch so schwer genug zu behalten und deshalb umso kostbarer ist. Und das macht mich rasend. Ich habe es gehasst, als ich es zum ersten Mal gesehen habe, und ich hasse es heute noch mehr.
Ich habe seit langem mit dem Tod zu tun. Ich arbeite beim FBI in Los Angeles und leite seit zwölf Jahren ein Team, dessen Aufgabe darin besteht, den schlimmsten Abschaum zu jagen. Serienkiller. Kinderschänder und -mörder. Männer, denen es Lust bereitet, Frauen zu Tode zu foltern, und die dann Sex mit den Leichen ihrer Opfer haben. Ich jage lebende Albträume, und es ist jedes Mal schrecklich. Doch es ist überall, und es ist unausweichlich.
Aus diesem Grund muss ich jetzt meine Frage stellen: »Was machen wir hier, Sir?«
Assistant Director Jones ist mein langjähriger Mentor, mein Boss und der Verantwortliche für sämtliche Aktivitäten des FBI im Großraum Los Angeles. Nur haben wir jetzt ein Problem: Wir sind nicht in Los Angeles. Wir sind in Virginia, nicht weit von Washington D. C.
Das ist der Grund für meine gefühllose Frage, was wir hier eigentlich verloren hätten.
Diese arme Frau mag tot sein, und die Unumstößlichkeit ihres Todes geht mir nahe, doch ich bin nicht für sie zuständig. Sie ist keine von meinen Toten.
AD Jones mustert mich mit einem Seitenblick, teils nachdenklich, teils verärgert. Jones sieht genau wie der Mann aus, der er ist: ein erfahrener Cop, ein narbiger Veteran. Er sorgt für die Einhaltung der Gesetze, und er führt Menschen. Jones hat ein kantiges, ausdrucksstarkes Gesicht, müde, aber harte Augen und einen militärischen Haarschnitt ohne Rücksicht auf Mode oder irgendwelche Kinkerlitzchen. Jones ist auf seine Weise ein attraktiver Mann, dreimal geschieden; die Frauen stehen auf ihn. Doch hier steckt mehr dahinter. Ein Schatten in einer Stahlkassette.
»Eine Bitte von ganz oben, Smoky«, sagt Jones. »Von Director Rathbun persönlich.«
»Tatsächlich?«
Ich bin ehrlich überrascht. Warum hier? Warum ich? Und warum geht AD Jones auf diese unübliche Bitte ein? Er war nie ein bürokratischer Sesselfurzer, sondern hat Befehle unnachgiebig hinterfragt, wenn er das Gefühl hatte, fragen zu müssen. AD Jones mag zwar »Bitte von ganz oben« gesagt haben, doch wir wären trotzdem nicht hier, hätte er nicht den Eindruck, dass es einen guten Grund dafür gibt.
»Ja«, antwortet er. »Rathbun hat einen Namen fallen lassen, den ich nicht übergehen konnte.«
Die Tür zur Leichenhalle schwingt auf, ehe ich die naheliegende Frage stellen kann.
»Wenn man vom Teufel spricht«, murmelt AD Jones.
FBI Director Samuel Rathbun betritt den Raum allein – schon wieder etwas Ungewöhnliches. Leute seines Ranges reisen normalerweise mit Gefolge; das war schon vor dem elften September so. Nun kommt Rathbun zu uns und streckt zuerst mir die Hand entgegen. Ich ergreife sie, schüttle sie und schaue ihm verwirrt ins Gesicht.
Sieht so aus, als wäre ich hier die Ballkönigin, geht es mir durch den Kopf. Aber warum?
»Agentin Barrett«, sagt Rathbun in jenem Bariton, der sein Markenzeichen und politisch sehr vorteilhaft ist. »Danke, dass Sie so kurzfristig gekommen sind.«
Sam Rathbun, normalerweise »Sir« genannt, ist für einen FBI-Chef eine durchaus erträgliche Mischung äußerer und innerer Qualitäten. Er hat das erforderliche gute Aussehen und den politischen Durchblick, doch er verfügt auch über polizeiliche Fronterfahrung. Er hat als Cop angefangen, nebenbei ein Abendstudium in Jura absolviert und ist irgendwann beim FBI gelandet. Ich würde nicht so weit gehen, ihn »aufrichtig« zu nennen – sein hoher Rang verhindert diesen Luxus –, doch er lügt nur, wenn es unbedingt sein muss. Dem Vernehmen nach ist er ziemlich rücksichtslos, was mich nicht überraschen würde, und er soll ein Gesundheitsfanatiker sein. Er raucht nicht, trinkt nicht, verzichtet auf Kaffee und Cola und joggt jeden Morgen fünf Kilometer.
Tja, jeder hat so seine Fehler.
Ich muss den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu sehen. Ich bin nur knapp einsfünfzig; deswegen bin ich daran gewöhnt.
»Überhaupt kein Problem, Sir«, lüge ich, dass sich die Balken biegen.
Denn genau genommen war es ein Problem. Ein verdammt großes Problem sogar. Doch AD Jones ist derjenige, der die Nebenwirkungen zu spüren bekommt, wenn ich mich störrisch zeige.
Rathbun nickt AD Jones zu. »Guten Tag, David«, sagt er. »Guten Tag, Sir.«
Ich vergleiche die beiden Männer mit einigem Interesse. Sie sind ungefähr gleich groß. AD Jones hat braunes Haar, kurz geschnitten auf eine Weise, die sagt: »Ich hab keine Zeit, mich mit Äußerlichkeiten aufzuhalten.« Rathbuns Haar ist schwarz, durchsetzt mit grauen Strähnen und sorgfältig frisiert. Ein sehr attraktiver Mann in den besten Jahren, ein Macher durch und durch. AD Jones ist vielleicht zehn Jahre älter als Rathbun und hat mehr Falten um die Augen, während Rathbun aussieht wie jemand, der morgens joggt und seinen Sport liebt. Jones hingegen sieht aus wie jemand, der morgens joggen könnte und es vorzieht, stattdessen eine Zigarette zu rauchen und eine Tasse Kaffee dazu zu trinken – und zum Teufel mit jedem, dem das nicht passt. Rathbuns Anzug sitzt besser, und er trägt eine Rolex am Handgelenk. Jones trägt eine Uhr, für die er wahrscheinlich nicht mehr als dreißig Dollar bezahlt hat – vor zehn Jahren. Die Unterschiede sind also deutlich. Doch was mich trotz allem viel mehr interessiert, sind die Ähnlichkeiten der beiden.
Jeder hat den gleichen müden Blick – einen Blick, den man bekommt, wenn man heimlich eine schwere Last zu tragen hat. Beide haben die Gesichter von Pokerspielern, die nie alles auf den Tisch legen.
Zwei Männer, mit denen das Leben für eine Frau nicht einfach wäre, überlege ich. Nicht, weil sie schlechte Kerle wären, sondern weil sie davon ausgehen, dass man um ihre Liebe weiß, und das muss reichen. Liebe ja, Blumen nein. (…)
© Verlagsgruppe Lübbe
Übersetzung: Axel Merz
Jung oder Alt, Mann oder Frau, jeder hat Geheimnisse. Das habe ich gelernt. Das habe ich erfahren. Ich weiß es von mir selbst.
Jeder.
Ich blicke auf das tote Mädchen auf dem metallenen Untersuchungstisch und frage mich: Welche Geheimnisse hast du mitgenommen, von denen nie jemand erfahren wird?
Sie ist viel zu jung, um tot zu sein. Anfang zwanzig. Wunderschön. Langes, dunkles, glattes Haar. Ihre Haut hat die Farbe von hellem Kaffee; sogar im harten Licht der Leuchtstoffröhren sieht ihre Haut glatt und makellos aus. Hübsche, zarte Gesichtszüge. Eine Angloamerikanerin mit leichtem Latino-Einschlag. Ihre Lippen sind blass im Tod, doch sie sind voll, ohne dick zu sein. Ich stelle mir vor, wie diese Lippen bei einem Lächeln ausgesehen haben, das in ein Lachen übergeht – ein weiches, melodisches Lachen. Sie ist klein und schlank; das sehe ich durch das Laken hindurch, das sie vom Hals abwärts bedeckt.
Ich habe viele Ermordete gesehen, doch jedes Mal erschüttert es mich aufs Neue. Ob Täter oder Opfer, gut oder böse, jeder war ein Mensch mit Hoffnungen, Träumen und Lieben. Doch wir leben in einer Welt, in der die Karten gegen das Leben spielen.
Die Welt gibt uns reichlich Gelegenheit zu sterben: Krebs, ein Unfall auf der Autobahn, ein Herzanfall mit einem Glas Wein in der Hand und einem erstickten Lächeln im Gesicht. Mörder betrügen dieses System. Sie helfen den Dingen auf die Sprünge, beschleunigen sie, nehmen ihren Opfern etwas, das auch so schwer genug zu behalten und deshalb umso kostbarer ist. Und das macht mich rasend. Ich habe es gehasst, als ich es zum ersten Mal gesehen habe, und ich hasse es heute noch mehr.
Ich habe seit langem mit dem Tod zu tun. Ich arbeite beim FBI in Los Angeles und leite seit zwölf Jahren ein Team, dessen Aufgabe darin besteht, den schlimmsten Abschaum zu jagen. Serienkiller. Kinderschänder und -mörder. Männer, denen es Lust bereitet, Frauen zu Tode zu foltern, und die dann Sex mit den Leichen ihrer Opfer haben. Ich jage lebende Albträume, und es ist jedes Mal schrecklich. Doch es ist überall, und es ist unausweichlich.
Aus diesem Grund muss ich jetzt meine Frage stellen: »Was machen wir hier, Sir?«
Assistant Director Jones ist mein langjähriger Mentor, mein Boss und der Verantwortliche für sämtliche Aktivitäten des FBI im Großraum Los Angeles. Nur haben wir jetzt ein Problem: Wir sind nicht in Los Angeles. Wir sind in Virginia, nicht weit von Washington D. C.
Das ist der Grund für meine gefühllose Frage, was wir hier eigentlich verloren hätten.
Diese arme Frau mag tot sein, und die Unumstößlichkeit ihres Todes geht mir nahe, doch ich bin nicht für sie zuständig. Sie ist keine von meinen Toten.
AD Jones mustert mich mit einem Seitenblick, teils nachdenklich, teils verärgert. Jones sieht genau wie der Mann aus, der er ist: ein erfahrener Cop, ein narbiger Veteran. Er sorgt für die Einhaltung der Gesetze, und er führt Menschen. Jones hat ein kantiges, ausdrucksstarkes Gesicht, müde, aber harte Augen und einen militärischen Haarschnitt ohne Rücksicht auf Mode oder irgendwelche Kinkerlitzchen. Jones ist auf seine Weise ein attraktiver Mann, dreimal geschieden; die Frauen stehen auf ihn. Doch hier steckt mehr dahinter. Ein Schatten in einer Stahlkassette.
»Eine Bitte von ganz oben, Smoky«, sagt Jones. »Von Director Rathbun persönlich.«
»Tatsächlich?«
Ich bin ehrlich überrascht. Warum hier? Warum ich? Und warum geht AD Jones auf diese unübliche Bitte ein? Er war nie ein bürokratischer Sesselfurzer, sondern hat Befehle unnachgiebig hinterfragt, wenn er das Gefühl hatte, fragen zu müssen. AD Jones mag zwar »Bitte von ganz oben« gesagt haben, doch wir wären trotzdem nicht hier, hätte er nicht den Eindruck, dass es einen guten Grund dafür gibt.
»Ja«, antwortet er. »Rathbun hat einen Namen fallen lassen, den ich nicht übergehen konnte.«
Die Tür zur Leichenhalle schwingt auf, ehe ich die naheliegende Frage stellen kann.
»Wenn man vom Teufel spricht«, murmelt AD Jones.
FBI Director Samuel Rathbun betritt den Raum allein – schon wieder etwas Ungewöhnliches. Leute seines Ranges reisen normalerweise mit Gefolge; das war schon vor dem elften September so. Nun kommt Rathbun zu uns und streckt zuerst mir die Hand entgegen. Ich ergreife sie, schüttle sie und schaue ihm verwirrt ins Gesicht.
Sieht so aus, als wäre ich hier die Ballkönigin, geht es mir durch den Kopf. Aber warum?
»Agentin Barrett«, sagt Rathbun in jenem Bariton, der sein Markenzeichen und politisch sehr vorteilhaft ist. »Danke, dass Sie so kurzfristig gekommen sind.«
Sam Rathbun, normalerweise »Sir« genannt, ist für einen FBI-Chef eine durchaus erträgliche Mischung äußerer und innerer Qualitäten. Er hat das erforderliche gute Aussehen und den politischen Durchblick, doch er verfügt auch über polizeiliche Fronterfahrung. Er hat als Cop angefangen, nebenbei ein Abendstudium in Jura absolviert und ist irgendwann beim FBI gelandet. Ich würde nicht so weit gehen, ihn »aufrichtig« zu nennen – sein hoher Rang verhindert diesen Luxus –, doch er lügt nur, wenn es unbedingt sein muss. Dem Vernehmen nach ist er ziemlich rücksichtslos, was mich nicht überraschen würde, und er soll ein Gesundheitsfanatiker sein. Er raucht nicht, trinkt nicht, verzichtet auf Kaffee und Cola und joggt jeden Morgen fünf Kilometer.
Tja, jeder hat so seine Fehler.
Ich muss den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu sehen. Ich bin nur knapp einsfünfzig; deswegen bin ich daran gewöhnt.
»Überhaupt kein Problem, Sir«, lüge ich, dass sich die Balken biegen.
Denn genau genommen war es ein Problem. Ein verdammt großes Problem sogar. Doch AD Jones ist derjenige, der die Nebenwirkungen zu spüren bekommt, wenn ich mich störrisch zeige.
Rathbun nickt AD Jones zu. »Guten Tag, David«, sagt er. »Guten Tag, Sir.«
Ich vergleiche die beiden Männer mit einigem Interesse. Sie sind ungefähr gleich groß. AD Jones hat braunes Haar, kurz geschnitten auf eine Weise, die sagt: »Ich hab keine Zeit, mich mit Äußerlichkeiten aufzuhalten.« Rathbuns Haar ist schwarz, durchsetzt mit grauen Strähnen und sorgfältig frisiert. Ein sehr attraktiver Mann in den besten Jahren, ein Macher durch und durch. AD Jones ist vielleicht zehn Jahre älter als Rathbun und hat mehr Falten um die Augen, während Rathbun aussieht wie jemand, der morgens joggt und seinen Sport liebt. Jones hingegen sieht aus wie jemand, der morgens joggen könnte und es vorzieht, stattdessen eine Zigarette zu rauchen und eine Tasse Kaffee dazu zu trinken – und zum Teufel mit jedem, dem das nicht passt. Rathbuns Anzug sitzt besser, und er trägt eine Rolex am Handgelenk. Jones trägt eine Uhr, für die er wahrscheinlich nicht mehr als dreißig Dollar bezahlt hat – vor zehn Jahren. Die Unterschiede sind also deutlich. Doch was mich trotz allem viel mehr interessiert, sind die Ähnlichkeiten der beiden.
Jeder hat den gleichen müden Blick – einen Blick, den man bekommt, wenn man heimlich eine schwere Last zu tragen hat. Beide haben die Gesichter von Pokerspielern, die nie alles auf den Tisch legen.
Zwei Männer, mit denen das Leben für eine Frau nicht einfach wäre, überlege ich. Nicht, weil sie schlechte Kerle wären, sondern weil sie davon ausgehen, dass man um ihre Liebe weiß, und das muss reichen. Liebe ja, Blumen nein. (…)
© Verlagsgruppe Lübbe
Übersetzung: Axel Merz
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Autoren-Porträt von Cody McFadyen
Cody Mcfadyen, geboren 1968, unternahm als junger Mann mehrere Weltreisen und arbeitete danach in den unterschiedlichsten Branchen. Der Autor ist verheiratet, Vater einer Tochter und lebt mit seiner Familie in Kalifornien. "Die Blutlinie" war sein erster Roman und sorgte weltweit für Aufsehen. In Deutschland war der Thriller wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Mit "Der Todeskünstler" hat er die außergewöhnliche Thriller-Reihe um Smoky Barrett fortgesetzt. "Das Böse in uns" ist sein dritter Roman mit der Protagonistin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Cody McFadyen
- 2008, Neuauflage, 445 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Merz, Axel
- Übersetzer: Axel Merz
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3785723393
- ISBN-13: 9783785723395
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