Wir Krisenköche
Einmal Hartz IV und zurück
In einem Fortbildungskurs der Agentur für Arbeit begegnen sich zwei Männer, die mit über fünfzig arbeitslos geworden sind. Die Chancen auf eine erneute Festanstellung in diesem Alter stehen bekanntermaßen schlecht. Selbst vom knapp bemessenen...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Wir Krisenköche “
Klappentext zu „Wir Krisenköche “
In einem Fortbildungskurs der Agentur für Arbeit begegnen sich zwei Männer, die mit über fünfzig arbeitslos geworden sind. Die Chancen auf eine erneute Festanstellung in diesem Alter stehen bekanntermaßen schlecht. Selbst vom knapp bemessenen Hartz-IV-Regelsatz lebend, beschließen Uwe Glinka und Kurt Meier, Speisepläne für eine preiswerte, ausgewogene Ernährung zu entwickeln. Sie erstellen eine Broschüre, mit der sie von Günther Jauch zu stern TV eingeladen werden. Seitdem genießen Glinka und Meier eine beachtliche Medienpräsenz. Ein Kochbuch und andere Projekte haben es möglich gemacht, dass sie keine Hartz-IV-Leistungen mehr beziehen müssen. Das Buch soll nicht zuletzt Mut machen, in schwierigen Situationen selbst Initiative zu ergreifen.
Lese-Probe zu „Wir Krisenköche “
Wir Krisenköche – Einmal Hartz IV und zurück von Uwe Glinka, Kurt Meier VORBEMERKUNG
Liebe Leserinnen und Leser,
aus unzähligen Briefen und E-Mails, die wir in der vergangenen Zeit erhielten, haben wir erfahren, dass sich viele Menschen über unsere Kochbücher hinaus dafür interessieren, welche Geschichte hinter diesen Büchern und hinter unserer Person steckt.
Das nahmen Uwe Glinka und ich zum Anlass, das vorliegende Buch zu schreiben. Es handelt von unserem abenteuerlichen Weg, wie wir aus dem Berufsleben herausgekegelt wurden, in der harten Wirklichkeit von Hartz IV landeten und uns – vom Glück gesegnet – mit einer Idee selbstständig machen und Hartz IV abschütteln konnten.
Doch hier geht es natürlich um die Geschichte von zwei Personen, die auch beide und abwechselnd zu Wort kommen sollen. Deshalb haben sich Kurt Meier und ich mit dem Verlag darauf geeinigt, dass die Textpassagen entsprechend unterschiedlich gestaltet werden. Als Leser kann man nun jeweils an der Gestaltung des Textes erkennen, wer da gerade spricht: Kurt Meier oder ich.
Wir beide wünschen Ihnen an dieser Stelle jedoch gemeinsam gute Unterhaltung beim Lesen! 1
LICHT AUS – SPOT AN!
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UND PLÖTZLICH STANDEN WIR IM SCHEINWERFERLICHT
Das Herz schlug uns bis zum Hals. Der Puls raste und im Kopf herrschte vor lauter Aufregung ein seltsames, adrenalinbefeuertes Rauschen. Der circa achtminütige Einspielfilm, mit dem man das Publikum im Studio und die Millionen Zuschauer draußen am Bildschirm auf das nun folgende Thema eingestimmt hatte, war gerade abgelaufen. Die Studioleuchten tauchten uns und die ganze Szenerie mit einem Mal in helles Licht. Jetzt waren wir auf Sendung. Live in stern TV!
Probelauf vor laufender Kamera
Gemeinsam mit dem Starmoderator Günther Jauch standen wir mit einer Hartz-IV- Empfängerin aus Berlin und ihrem halbwüchsigen Sohn hinter einer kurz zuvor im Studio aufgebauten kleinen Küchenzeile. Das machte Sinn. Die Berlinerin sollte nämlich mit ihrem Sohn vor Publikum kochen: Märkischen Bauernauflauf! Unseren Märkischen Bauernauflauf! Nicht dass wir das Rezept dafür erfunden oder gar neu erfunden hätten. Nein, dieser herzhafte Auflauf ist ein altes Traditionsrezept. Bodenständig, gibt’s schon ewig. Es ging vielmehr um die Kosten. Die Berlinerin sollte live und in Farbe unter Beweis stellen, dass man selbst mit dem Minitagesbudget eines Hartz-IV- Empfängers von sage und schreibe 4,33 Euro für Essen und Trinken einen schmackhaften Bauernauflauf hinbekommen konnte. Und zwar ohne das Tagesbudget zu sprengen. Ohne auf Frühstück und Abendessen verzichten zu müssen, die ebenfalls darin enthalten sind. Das war der eigentliche Clou. Dass es möglich ist, sich von einem solchen Armen-Etat ausgewogen ernähren zu können, hatten wir – Uwe Glinka und ich, Kurt Meier, damals ebenfalls noch Hartz-IV-Empfänger – nach monatelanger Recherchearbeit nachgewiesen und in einer Rezeptsammlung dokumentiert. Das war und ist einmalig. Das gab es bis dahin noch nicht. Und das war auch der Grund, warum Stern TV uns eingeladen hatte. Warum wir nun hier im Studio neben Günther Jauch standen.
4,33 Euro pro Tag und Person – darum geht’s!
Zwei Professoren aus Chemnitz hatten zwei Wochen zuvor behauptet, dass man sich als Hartz-IV- Empfänger sogar von nur 2,27 Euro pro Tag vernünftig ernähren könnte. Stern TV hatte daraufhin die Probe aufs Exempel gemacht und festgestellt: Geht nicht! 2,27 Euro sind zu wenig! Im Praxistest erwies sich die Behauptung als sehr graue und nicht sonderlich schmackhafte Theorie von Graubrot und Leitungswasser.
Zumal diese Professoren-Schmalkost noch nicht einmal die realistischen Zahlen für die Ernährung zugrunde gelegt hatte. Der Hartz-IV- Regelsatz beträgt 351,– Euro für einen Erwachsenen [seit 1. Juli 2009 359,– Euro, Anm. d. Red.]. Etwa 130,– Euro sind davon für Essen und Trinken vorgesehen. Das sind umgerechnet 4,33 Euro pro Tag und Erwachsener – für Frühstück, Mittag- und Abendessen! Das sind die Realitäten. Damit muss man zurechtkommen.
Und auch wenn das mehr ist, als die beiden Chemnitzer Professoren sehr öffentlichkeitswirksam veranschlagt hatten:
4,33 Euro ist alles andere als fürstlich bemessen! Und kaum ein Normalverdiener kann sich vorstellen, dass man mit diesem Minibudget klarkommen kann, ohne auf Dauer an Skorbut oder irgendeiner anderen Mangelerkrankung zu leiden.
Die Probe aufs Exempel
Dass es geht, und zwar auch dauerhaft, war in dem zuvor gezeigten Einspielfilm bereits eindrucksvoll von der Berlinerin und ihrem Sohn unter Beweis gestellt worden. Ein Fernsehteam von Stern TV hatte die alleinerziehende Mutter und ihren Sohn über einen Monat begleitet und dokumentiert, wie sie mit Hilfe unserer Rezepte ihre Ernährung umgestellt hatten. Die beiden waren vorher mit ihrem Hartz-IV- Regelsatz kaum über die Runden gekommen. Vor allem beim Essen hatte es immer wieder Engpässe gegeben.
Um mit dem knapp bemessenen Geld bis zum Monatsende auszukommen, wurde aufs Mittagessen allzu oft ganz verzichtet. Und vor allem: »Wat Warmet is eijentlich nich drin«, hatte die Mutter offen in die Kamera berlinert. Hin und wieder mal eine Fünf-Minuten-Terrine. Ja, das ging wohl. Aber das war’s.
Dass man mit 4,33 Euro sogar täglich eine warme Mahlzeit auf den Tisch bringen konnte, hatten die beiden nun praktisch erfahren dürfen, als sie sich einen Monat lang mit Hilfe unserer Broschüre »Günstig und ausgewogen ernähren – entsprechend dem Regelsatz Hartz IV« ernährten und bekochten. Für insgesamt einen Monat hatten wir in dieser Broschüre jeweils für ein Frühstück, ein warmes Mittagessen und eine Abendmahlzeit Rezepte zusammengetragen und die Kosten der einzelnen Bestandteile nachvollziehbar und minutiös aufgelistet.
Und so war es jetzt auch hier im Studio. Die Redaktion hatte die Zutaten für unseren Bauernauflauf im Wert von 3,40 Euro für zwei Erwachsene auf der Küchenzeile angerichtet. Während die Berlinerin mit ihrem Sohn zu rühren und zu brutzeln begann, wandte sich Günther Jauch uns zu.
Jetzt hatten wir – Nervosität hin, Aufregung her – die einmalige Möglichkeit, unsere Broschüre einem Millionenpublikum vorzustellen. Das war eine Chance, wie wir sie nicht noch einmal bekommen würden! Hoffentlich machten wir jetzt keinen Fehler, stammelten nicht irgendeinen unverständlichen Blödsinn in die Kameras. Ich glaube, wir waren beide noch nie so aufgeregt wie in dem Moment, zu Beginn der Sendung. Im Studio war es sehr warm, die Zuschauer links von der Küchenzeile richteten ihre Blicke auf uns. Jetzt also galt es, sich gut zu verkaufen!
»Hat allet jeschmeckt!«
Günther Jauch erwies sich, wie nicht anders zu erwarten, als ein absoluter Profi seines Fachs. Mit einer bezwingenden Mischung aus Lockerheit und Neugier stellte er uns seine Fragen, übernahm sofort die Gesprächsführung, wenn einer von uns beiden ins Stocken zu geraten drohte. Und er ergänzte und kommentierte alles, was wir sagten, um sicherzustellen, dass auch wirklich alle Informationen sein TV-Publikum erreichten: dass Ernährungsexperten unserem Ernährungsplan weitestgehend eine »gesunde Ausgewogenheit« attestiert hätten, dass die Portionen allesamt reichlich bemessen seien, dass die Gerichte durch die Bank weg schmackhaft seien (was die köchelnde Berlinerin mit einem kurzen »Hat allet jeschmeckt!« bestätigte) und nicht zuletzt, dass man das knapp bemessene Budget natürlich nur dann einhalten kann, wenn man bei den großen Discountern einkauft.
Zum Schluss wurde der Bauernauflauf auf Teller verteilt und dem Publikum zum Probieren angeboten. Und siehe da, den Gästen schmeckte es ausgezeichnet! Auch Günther Jauch war angetan, aß seinen Teller komplett leer. Allen schmeckte es, was wollten wir mehr?
Ein Wermutstropfen
Wir wollten mit unserer Idee Geld verdienen! Jauch aber schloss das Interview mit dem Hinweis, dass die von uns zusammengetragenen Rezepte mitsamt aller Berechnungen bei Stern TV ab sofort kostenlos via Internet runterzuladen seien. Das war bei aller Freude über den Fernsehauftritt ein echter Wermutstropfen: kostenlos! Ursprünglich hatten wir Einwände gehabt. Wir wollten die Broschüre, die Arbeit der letzten Monate, doch verkaufen! Wir wollten Geld verdienen. Wir wollten raus aus Hartz IV. Und wir hatten Angst, dass wir mit dem kostenlosen Angebot von Stern TV unserer eigenen Geschäftsidee Konkurrenz machen würden.
Der in diesem Moment einzige Lichtblick war, dass Günther Jauch abschließend darauf verwies, dass wir natürlich einen Verlag suchen würden, der aus unserer Idee für das Heer der Arbeitslosen und für all die mit einem knappen Geldbeutel ein richtiges Kochbuch machen würde. Doch die Skepsis blieb: Jeder kostenlose Download bei Stern TV musste doch zwangsläufig ein potenzieller Kunde weniger für unser noch gar nicht existentes Produkt sein!
Der Anfang vom Hartz-IV-Ende?
Was wir in diesem Moment auch nicht ansatzweise ahnen konnten, war die im Anschluss an unseren Auftritt bei Stern TV einsetzende riesige Zuschauerresonanz, das gewaltige Interesse an unserer – noch kostenlosen – Broschüre und noch viel weniger das große Medieninteresse an uns und unserer Idee. Und dass wir unsere Rezeptsammlung dann schließlich doch noch würden vermarkten können, dass diese Idee uns sogar den Weg heraus aus Hartz IV asphaltieren würde – und zwar wegen und nicht trotz Stern TV. All das hätten wir uns zu diesem Zeitpunkt nicht träumen lassen.
Aber wir hatten uns bis dahin ja vieles nicht träumen lassen. Schon gar nicht, dass wir uns tatsächlich einmal Gedanken darüber würden machen müssen, ob man mit 4,33 Euro pro Tag für die Ernährung zurande kommen kann. Weil wir uns auch nicht hatten träumen lassen, dass wir einmal im tristen Dasein von Transferleistungsempfängern landen würden. Denn bis vor wenigen Jahren noch hatten Uwe Glinka und ich einen Job. Wir verdienten gutes Geld, gehörten zu denen, die man als »Leistungsträger der Gesellschaft« bezeichnet, die man zum sogenannten Mittelstand zählt – bis, ja, bis wir eben rausgekegelt wurden aus der Arbeitswelt und uns auf den Gängen der Agentur für Arbeit in Lüneburg wiederfanden.
Bis hierher, bis zum Auftritt bei Stern TV, war es ein langer Weg gewesen. Und nichts von all dem, was wir jetzt gerade erlebten, und nichts von dem, was da noch alles kommen würde, hatte sich auch nur ansatzweise abgezeichnet.
© 2010 vgs verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
Das Herz schlug uns bis zum Hals. Der Puls raste und im Kopf herrschte vor lauter Aufregung ein seltsames, adrenalinbefeuertes Rauschen. Der circa achtminütige Einspielfilm, mit dem man das Publikum im Studio und die Millionen Zuschauer draußen am Bildschirm auf das nun folgende Thema eingestimmt hatte, war gerade abgelaufen. Die Studioleuchten tauchten uns und die ganze Szenerie mit einem Mal in helles Licht. Jetzt waren wir auf Sendung. Live in stern TV!
Probelauf vor laufender Kamera
Gemeinsam mit dem Starmoderator Günther Jauch standen wir mit einer Hartz-IV- Empfängerin aus Berlin und ihrem halbwüchsigen Sohn hinter einer kurz zuvor im Studio aufgebauten kleinen Küchenzeile. Das machte Sinn. Die Berlinerin sollte nämlich mit ihrem Sohn vor Publikum kochen: Märkischen Bauernauflauf! Unseren Märkischen Bauernauflauf! Nicht dass wir das Rezept dafür erfunden oder gar neu erfunden hätten. Nein, dieser herzhafte Auflauf ist ein altes Traditionsrezept. Bodenständig, gibt’s schon ewig. Es ging vielmehr um die Kosten. Die Berlinerin sollte live und in Farbe unter Beweis stellen, dass man selbst mit dem Minitagesbudget eines Hartz-IV- Empfängers von sage und schreibe 4,33 Euro für Essen und Trinken einen schmackhaften Bauernauflauf hinbekommen konnte. Und zwar ohne das Tagesbudget zu sprengen. Ohne auf Frühstück und Abendessen verzichten zu müssen, die ebenfalls darin enthalten sind. Das war der eigentliche Clou. Dass es möglich ist, sich von einem solchen Armen-Etat ausgewogen ernähren zu können, hatten wir – Uwe Glinka und ich, Kurt Meier, damals ebenfalls noch Hartz-IV-Empfänger – nach monatelanger Recherchearbeit nachgewiesen und in einer Rezeptsammlung dokumentiert. Das war und ist einmalig. Das gab es bis dahin noch nicht. Und das war auch der Grund, warum Stern TV uns eingeladen hatte. Warum wir nun hier im Studio neben Günther Jauch standen.
4,33 Euro pro Tag und Person – darum geht’s!
Zwei Professoren aus Chemnitz hatten zwei Wochen zuvor behauptet, dass man sich als Hartz-IV- Empfänger sogar von nur 2,27 Euro pro Tag vernünftig ernähren könnte. Stern TV hatte daraufhin die Probe aufs Exempel gemacht und festgestellt: Geht nicht! 2,27 Euro sind zu wenig! Im Praxistest erwies sich die Behauptung als sehr graue und nicht sonderlich schmackhafte Theorie von Graubrot und Leitungswasser.
Zumal diese Professoren-Schmalkost noch nicht einmal die realistischen Zahlen für die Ernährung zugrunde gelegt hatte. Der Hartz-IV- Regelsatz beträgt 351,– Euro für einen Erwachsenen [seit 1. Juli 2009 359,– Euro, Anm. d. Red.]. Etwa 130,– Euro sind davon für Essen und Trinken vorgesehen. Das sind umgerechnet 4,33 Euro pro Tag und Erwachsener – für Frühstück, Mittag- und Abendessen! Das sind die Realitäten. Damit muss man zurechtkommen.
Und auch wenn das mehr ist, als die beiden Chemnitzer Professoren sehr öffentlichkeitswirksam veranschlagt hatten:
4,33 Euro ist alles andere als fürstlich bemessen! Und kaum ein Normalverdiener kann sich vorstellen, dass man mit diesem Minibudget klarkommen kann, ohne auf Dauer an Skorbut oder irgendeiner anderen Mangelerkrankung zu leiden.
Die Probe aufs Exempel
Dass es geht, und zwar auch dauerhaft, war in dem zuvor gezeigten Einspielfilm bereits eindrucksvoll von der Berlinerin und ihrem Sohn unter Beweis gestellt worden. Ein Fernsehteam von Stern TV hatte die alleinerziehende Mutter und ihren Sohn über einen Monat begleitet und dokumentiert, wie sie mit Hilfe unserer Rezepte ihre Ernährung umgestellt hatten. Die beiden waren vorher mit ihrem Hartz-IV- Regelsatz kaum über die Runden gekommen. Vor allem beim Essen hatte es immer wieder Engpässe gegeben.
Um mit dem knapp bemessenen Geld bis zum Monatsende auszukommen, wurde aufs Mittagessen allzu oft ganz verzichtet. Und vor allem: »Wat Warmet is eijentlich nich drin«, hatte die Mutter offen in die Kamera berlinert. Hin und wieder mal eine Fünf-Minuten-Terrine. Ja, das ging wohl. Aber das war’s.
Dass man mit 4,33 Euro sogar täglich eine warme Mahlzeit auf den Tisch bringen konnte, hatten die beiden nun praktisch erfahren dürfen, als sie sich einen Monat lang mit Hilfe unserer Broschüre »Günstig und ausgewogen ernähren – entsprechend dem Regelsatz Hartz IV« ernährten und bekochten. Für insgesamt einen Monat hatten wir in dieser Broschüre jeweils für ein Frühstück, ein warmes Mittagessen und eine Abendmahlzeit Rezepte zusammengetragen und die Kosten der einzelnen Bestandteile nachvollziehbar und minutiös aufgelistet.
Und so war es jetzt auch hier im Studio. Die Redaktion hatte die Zutaten für unseren Bauernauflauf im Wert von 3,40 Euro für zwei Erwachsene auf der Küchenzeile angerichtet. Während die Berlinerin mit ihrem Sohn zu rühren und zu brutzeln begann, wandte sich Günther Jauch uns zu.
Jetzt hatten wir – Nervosität hin, Aufregung her – die einmalige Möglichkeit, unsere Broschüre einem Millionenpublikum vorzustellen. Das war eine Chance, wie wir sie nicht noch einmal bekommen würden! Hoffentlich machten wir jetzt keinen Fehler, stammelten nicht irgendeinen unverständlichen Blödsinn in die Kameras. Ich glaube, wir waren beide noch nie so aufgeregt wie in dem Moment, zu Beginn der Sendung. Im Studio war es sehr warm, die Zuschauer links von der Küchenzeile richteten ihre Blicke auf uns. Jetzt also galt es, sich gut zu verkaufen!
»Hat allet jeschmeckt!«
Günther Jauch erwies sich, wie nicht anders zu erwarten, als ein absoluter Profi seines Fachs. Mit einer bezwingenden Mischung aus Lockerheit und Neugier stellte er uns seine Fragen, übernahm sofort die Gesprächsführung, wenn einer von uns beiden ins Stocken zu geraten drohte. Und er ergänzte und kommentierte alles, was wir sagten, um sicherzustellen, dass auch wirklich alle Informationen sein TV-Publikum erreichten: dass Ernährungsexperten unserem Ernährungsplan weitestgehend eine »gesunde Ausgewogenheit« attestiert hätten, dass die Portionen allesamt reichlich bemessen seien, dass die Gerichte durch die Bank weg schmackhaft seien (was die köchelnde Berlinerin mit einem kurzen »Hat allet jeschmeckt!« bestätigte) und nicht zuletzt, dass man das knapp bemessene Budget natürlich nur dann einhalten kann, wenn man bei den großen Discountern einkauft.
Zum Schluss wurde der Bauernauflauf auf Teller verteilt und dem Publikum zum Probieren angeboten. Und siehe da, den Gästen schmeckte es ausgezeichnet! Auch Günther Jauch war angetan, aß seinen Teller komplett leer. Allen schmeckte es, was wollten wir mehr?
Ein Wermutstropfen
Wir wollten mit unserer Idee Geld verdienen! Jauch aber schloss das Interview mit dem Hinweis, dass die von uns zusammengetragenen Rezepte mitsamt aller Berechnungen bei Stern TV ab sofort kostenlos via Internet runterzuladen seien. Das war bei aller Freude über den Fernsehauftritt ein echter Wermutstropfen: kostenlos! Ursprünglich hatten wir Einwände gehabt. Wir wollten die Broschüre, die Arbeit der letzten Monate, doch verkaufen! Wir wollten Geld verdienen. Wir wollten raus aus Hartz IV. Und wir hatten Angst, dass wir mit dem kostenlosen Angebot von Stern TV unserer eigenen Geschäftsidee Konkurrenz machen würden.
Der in diesem Moment einzige Lichtblick war, dass Günther Jauch abschließend darauf verwies, dass wir natürlich einen Verlag suchen würden, der aus unserer Idee für das Heer der Arbeitslosen und für all die mit einem knappen Geldbeutel ein richtiges Kochbuch machen würde. Doch die Skepsis blieb: Jeder kostenlose Download bei Stern TV musste doch zwangsläufig ein potenzieller Kunde weniger für unser noch gar nicht existentes Produkt sein!
Der Anfang vom Hartz-IV-Ende?
Was wir in diesem Moment auch nicht ansatzweise ahnen konnten, war die im Anschluss an unseren Auftritt bei Stern TV einsetzende riesige Zuschauerresonanz, das gewaltige Interesse an unserer – noch kostenlosen – Broschüre und noch viel weniger das große Medieninteresse an uns und unserer Idee. Und dass wir unsere Rezeptsammlung dann schließlich doch noch würden vermarkten können, dass diese Idee uns sogar den Weg heraus aus Hartz IV asphaltieren würde – und zwar wegen und nicht trotz Stern TV. All das hätten wir uns zu diesem Zeitpunkt nicht träumen lassen.
Aber wir hatten uns bis dahin ja vieles nicht träumen lassen. Schon gar nicht, dass wir uns tatsächlich einmal Gedanken darüber würden machen müssen, ob man mit 4,33 Euro pro Tag für die Ernährung zurande kommen kann. Weil wir uns auch nicht hatten träumen lassen, dass wir einmal im tristen Dasein von Transferleistungsempfängern landen würden. Denn bis vor wenigen Jahren noch hatten Uwe Glinka und ich einen Job. Wir verdienten gutes Geld, gehörten zu denen, die man als »Leistungsträger der Gesellschaft« bezeichnet, die man zum sogenannten Mittelstand zählt – bis, ja, bis wir eben rausgekegelt wurden aus der Arbeitswelt und uns auf den Gängen der Agentur für Arbeit in Lüneburg wiederfanden.
Bis hierher, bis zum Auftritt bei Stern TV, war es ein langer Weg gewesen. Und nichts von all dem, was wir jetzt gerade erlebten, und nichts von dem, was da noch alles kommen würde, hatte sich auch nur ansatzweise abgezeichnet.
© 2010 vgs verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH.
... weniger
Autoren-Porträt von Kurt Meier, Uwe Glinka
Kurt Meier, Heizungsbauer und Informationselektroniker, war mehrere Jahre arbeitslos.Uwe Glinka, gelernter Industriekaufmann und Vertriebsleiter war mehrere Jahre arbeitslos.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Kurt Meier , Uwe Glinka
- 2010, 190 Seiten, Maße: 13,9 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: EGMONT VGS
- ISBN-10: 3802537122
- ISBN-13: 9783802537127
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