Zwei Esel auf Sardinien
Ein deutsch-italienisches Abenteuer
Nach ihrem letzten Bestseller "Wir haben gar kein Auto ..." satteln die Bestseller-Autoren Jutta Speidel und Bruno Maccallini jetzt um: Auf zwei Eseln wollen sie zur Hochzeit eines Cousins in der sardischen Provinz. Doch wer mit störrischen Langohren...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Zwei Esel auf Sardinien “
Nach ihrem letzten Bestseller "Wir haben gar kein Auto ..." satteln die Bestseller-Autoren Jutta Speidel und Bruno Maccallini jetzt um: Auf zwei Eseln wollen sie zur Hochzeit eines Cousins in der sardischen Provinz. Doch wer mit störrischen Langohren unterwegs ist, erlebt schon mal ein graues Wunder.
Klappentext zu „Zwei Esel auf Sardinien “
Vom Drahtesel zum Esel - nachdem Jutta Speidel und Bruno Maccallini in ihrem Bestseller Wir haben gar kein Auto ... per Rad die Alpen überquert haben, satteln die beiden jetzt um: Auf zwei Eseln wollen sie zur Hochzeit eines Cousins in der sardischen Provinz. Ihre erste Erkenntnis: Wer mit störrischen Grautieren unterwegs ist, steht manchmal eine halbe Stunde in der Gegend herum ... Ein neues, wunderbar komisches Abenteuer vom deutsch-italienischen Dreamteam!
Lese-Probe zu „Zwei Esel auf Sardinien “
Zwei Esel auf Sardinien von Jutta Speidel und Bruno MaccalliniDer fremde Cousin
Bruno
... mehr
Der Anruf erreicht mich Anfang Januar um fünf vor acht, kurz vor den Nachrichten. Jutta und ich haben die Weihnachtstage in meiner Wohnung in Rom verbracht. Zum Glück hat sie meinen Weihnachtsbaum mit ins Flugzeug bekommen - als Sperrgepäck! Ich wusste doch, dass sie es schafft.
Meine Pizza steht dampfend auf dem Couchtisch und wartet auf mich. Das darf ich mir nicht entgehen lassen: Die neueste Meldung über den hundertsten Sexskandal unseres Hardcore-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ist zu bestürzend und deftig, als dass man sie ignorieren könnte. Ich mache es mir auf dem Sofa bequem und ... DRRIIINNG ... Wenn das wieder diese CallcenterTante von Bofrost ist, oder schlimmer, der Schwätzer von der Telecom, dann zeige ich sie an. Diese Telefonverkäufer sind eine einzige Pest. Gleich das erste »Ja?«, mit dem ich mich melde, muss also bedrohlich klingen. Schweigen am anderen Ende. Dann höre ich nur noch das Besetztzeichen. Prima, wer auch immer das war, hat verstanden und aufgelegt. Ich beiße in das erste Stück meiner Pizza und - DRIINNGGG! Schon wieder!
»Hallo?« Diesmal gebe ich mich etwas zugänglicher. Am anderen Ende sagt eine etwas schrille, aber höfliche Stimme schüchtern:
»Hallo, Bruno, bist du's? Weißt du, wer ich bin ...?« »Wer spricht da?«
»Ich bin's, Maurizio, dein Cousin ...«
Schweigen. Das trifft mich. Ich möchte jetzt nicht mehr gemütlich in meinem Sofa versinken, sondern vor Scham im Erdboden - und das nicht nur, weil ich die Stimme meines Cousins nicht gleich erkannt habe, sondern mich in diesem Moment nicht einmal an sein Gesicht erinnere! Na ja, er ist schließlich nur ein Cousin dritten Grades, was will man da erwarten?
»Maurizio ... Maurizio, DU bist das? Ja, wie lange ist das denn jetzt her ??«
»Tante Ada hat mir deine Nummer gegeben, also eigentlich hatte ich es schon auf Facebook versucht, aber du hast meine Freundschaftsanfrage nie bestätigt ...«
Wie peinlich! Maurizio, der wahrscheinlich meine Verlegenheit bemerkt hat, stürzt sich in einen zehnminütigen Wortschwall und zündet sich dazu eine Zigarette nach der anderen an. Ich unterbreche ihn nicht. Er kommt von einem zum anderen: Erst erzählt er von seinem Peter-Pan-Syndrom, dann von seinem Studium an einer Elite-Uni in Rom, seinem Abschluss summa cum laude in Pharmakologie, dem Master in Chemie an der Berkeley-Universität in Kalifornien, seinen Forschungen über die Fotochemie der DNA, seinen Patenten und wie man ihn bei Fragen zur Nukleinsäure hinzuzieht, seinen Büchern und Preisen, internationalen Ehrungen, schließlich sogar, dass er mit Bono (ja genau, dem Bono!) befreundet ist und - von seiner bevorstehenden Hochzeit!
»Das ist ja wunderbar, du heiratest? Wer ist die Glückliche?«
»Giulia. Wir sind seit fünf Jahren zusammen. Sie ist fünfzehn Jahre jünger als ich, lebt auch in Rom, aber ihre Familie kommt aus Sardinien.«
»Das ist ja fabelhaft, Maurizio, ich freu mich wirklich für dich. Und ich seh dich immer noch in diesen unmöglichen hautengen Jeans vor mir! Tja, lang ist's her. Und jetzt bist du ein international anerkannter Chemiker und sogar mit Bono befreundet!«
»Hmm, ja, wir haben uns in München kennengelernt.«
»In München?«
»Ja, er wurde dort an der Wirbelsäule operiert, ein böser Unfall während der Proben, aber jetzt geht es ihm wieder gut. Sein Arzt ist ein guter Freund von mir und hat mich ihm während seiner Reha vorgestellt. Um ihn aufzumuntern, habe ich ihm dann einige von meinen Kondomwitzen erzählt, weißt du noch?«
»Na klar erinnere ich mich!«
»Er hat sich weggeschmissen, und so haben wir gleich unsere Handynummern ausgetauscht.«
»Was hast du denn in München gemacht? Ich bin oft dort. Meine Lebensgefährtin ist Deutsche.«
»Sì, sì, ich weiß ... Ich weiß alles ... Irgendwann wirst du mir deine berühmte Jutta Speidel doch vorstellen, oder? Also, willst du mein Trauzeuge sein?«
Ich bin heftig versucht, spontan nein zu sagen. »Aber ja doch, gern ... Wann denn?«
»Wir heiraten im Oktober, in Gesturi, du weißt schon, das Land der Nuraghen. Es ist wunderschön dort, warst du schon mal da? Wir werden feiern, feiern und feiern!« Nachdem wir noch eine Weile geplaudert und uns dann verabschiedet haben, schalte ich den Fernseher aus und schiebe meine Pizza noch mal in den Ofen, denn inzwischen ist sie kalt geworden. Ich erinnere mich an den Wunschtraum meiner Jugendzeit: Ich wollte damals unbedingt auf den Komoren heiraten, da ich irgendwo gelesen hatte, Hochzeiten auf den Inseln vor den Küsten von Mosambik und Madagaskar würden auf besondere Weise gefeiert. Ich war vollkommen fasziniert von der dort sogenannten »Grand Mariage«, die bis zu neun Tage dauern kann und an der die ganze Dorfgemeinschaft teilnimmt.
Wie schön doch Hochzeiten sind! Schade nur, dass sie nicht immer halten, was sie versprechen! Ich hole die Pizza wieder aus dem Ofen und schnappe mir ein Bier aus dem Kühlschrank. Eigentlich bin ich richtig froh, dass der Cousin dritten Grades aus dem Nichts aufgetaucht ist. Maurizio hat erzählt, dass sie am Sonntagvormittag heiraten, aber das eigentliche Fest schon drei Tage vorher beginnt: mit dem Junggesellenabschied, dem Umzug der Aussteuer (der Braut) ins neue Heim und der Probe. Gibt es eine bessere Gelegenheit, mit Jutta einen so wenig bekannten Teil von Sardinien zu besuchen, der nichts mit dem Rummel und dem Luxus der Costa Smeralda zu tun hat? So ein Kurzurlaub im Spätsommer wäre doch genau das Richtige. Diese kargen unberührten Landschaften, die tausendjährige Tradition und eine ursprüngliche Küche sind doch der ideale Ausgleich für unser hektisches Alltagsleben. Tagsüber werden wir auf einem Felsen in der Sonne sitzen und eine Herde Schafe an uns vorüberziehen lassen, nachts liegen wir uns in den Armen und beobachten die Sterne ... Hektisch greife ich mir das letzte Stück Pizza vom Teller - und dann zum Telefon.
»Ach, tesoro, ich bin so richtig romantisch gestimmt ...«
Die Einladung Jutta
Als die Sonne den letzten Schnee aufleckt, flattert eine vielversprechende Einladung in mein Haus in München. Vorausgegangen war ein Anruf im Januar von Bruno, ich möchte mir doch unbedingt Mitte Oktober eine Woche freihalten, denn uns erwarte eine grandiose Einladung. Mehr wolle er jetzt nicht verraten, aber ich würde staunen, denn so was hätte ich bestimmt noch nie erlebt. Bruno liebt es, mich auf die Folter zu spannen.
Sofort gehe ich in Gedanken meinen Kleiderschrank, meinen Schuhschrank, meine Handtaschen und die Schmuckschatulle durch, um festzustellen, dass fast alles zu alt und viel zu häufig getragen ist und ich außerdem schon lange nach einem Grund suche, mir was Schönes zu kaufen. Vielleicht brauche ich ja auch einen neuen Hut?
So öffne ich den rosaroten Umschlag, überlege noch, wer denn jetzt eine Tochter bekommen haben könnte, um in schnörkeliger goldener Schrift zu lesen, dass sich Maurizio die Ehre gibt, seine Giulia zu ehelichen, und man doch größten Wert darauf legt, die bucklige italienische Verwandtschaft nebst ihren Angebinden an der Seite zu haben, um diesen wichtigen Tag im Leben gemeinsam zu zelebrieren. Da Giulia, die schon jahrelang in Rom an Maurizios Seite lebt, eine echte Sardin ist, aber Großmutter, Großvater sowie sicherlich fünfzig Cousinen und Cousins und bestimmt auch Mama und Papa die Insel nur im äußersten Notfall verlassen, findet die Hochzeit tief im Süden Sardiniens in einem Dorf namens Gesturi statt. Maurizio ist einer von Brunos unzähligen Cousins, wie ich wenig später am Telefon erfahre.
Er freue sich riesig über diese unerwartete Einladung, hätte man sich doch in den letzten Jahren etwas aus den Augen verloren. Der Umstand, dass Bruno eigentlich gar nicht so genau weiß, ob er Giulia überhaupt schon mal gesehen hat, hört sich nicht gerade nach tiefen verwandtschaftlichen Beziehungen an. Aber in Italien will das gar nichts heißen, denn: La famiglia è la famiglia. Wir haben zu kommen, ohne Wenn und Aber. Es scheint die Familie auch gar nicht zu stören, dass Bruno geschieden ist und mit einer tedesca aus Bayern zusammenlebt. Sicherlich nehmen sie an, dass ich ständig in Rom um ihn herumscharwenzle, die brave Hausfrau gebe und selbstredend un italiano perfetto quatsche, am besten noch römischen Dialekt. Man kann nämlich einem Italiener unmöglich zumuten, Deutsch zu lernen. Diese Sprache ist kalt und hart und völlig unsexy, und jeder Mensch muss sich doch glücklich schätzen, die schönste Sprache der Welt sprechen zu dürfen.
Wie schwer sich diese metaphernreiche Sprache erlernen lässt, wenn man über grazie und prego hinauswill, kann sich ein Italiener nur schwer vorstellen. Bei Gott, ich bin wahrlich kein Sprachgenie und tue mich wirklich schwer damit. Wenn dann noch mein Gegenüber in rasendem Tempo Dialekt spricht, verstehe ich nulla. Warum haben eigentlich Italiener nie Zeit, langsam und deutlich zu sprechen? Wahrscheinlich, weil sie immer so unglaublich viel in einen schlichten Satz reinpacken wollen. Sie gehen nicht einfach mal kurz Brot holen, sondern erzählen ausgiebig, warum es eigentlich gerade ein ungünstiger Zeitpunkt für sie ist und man doch wirklich Wichtigeres zu tun habe. Aus allem wird ein großes Theater gemacht. Natürlich gibt's sone und solche - und ich hab eben so einen an meiner Seite. Ein Schelm, wer Schlimmes dabei denkt!
Man sollte meinen, die Aussicht, Mitte Oktober nochmals in wärmere Gefilde fliehen zu dürfen, stimmt mich glücklich. Aber derart langfristige Verabredungen machen mich eigentlich immer nervös. Weiß ich denn, ob in einem halben Jahr etwas Wichtiges ansteht? Vielleicht stecke ich mitten in einem Film oder liege mit Grippe im Bett? Aber bei dieser Einladung wird keine Ausrede akzeptiert, denn hier heißt es: Mitgefangen, mitgehangen! Gerne auch Sippenhaft genannt. Das ist überhaupt eine gute Bezeichnung für italienische Verhältnisse.
Ich will keinesfalls undankbar erscheinen, es gibt ja nun wirklich Schlimmeres, als zu einer Hochzeit nach Sardinien zu fliegen und eine Woche richtig gut zu essen, viel zu lachen und mit entzückenden alten Männern Ballu Sardu, den sardischen Volkstanz, zu tanzen, der einem die Tränen in die Augen treibt. Sardinien, so mutmaßt der einschlägig belesene deutsche Tourist, ist eine Insel mit endlos langen Sandstränden und unglaublich reichen Menschen, die nachts bis in die Puppen feiern und tagsüber ihre Luxuskörper der Sonne entgegenstrecken. Die Costa Smeralda, wo die Gärten der Schönen und Reichen liegen, wie man sie von Luftaufnahmen kennt, wo im Sommer die Boulevardblätter sich die Klinke in die Hand geben, um die neuesten Skandale aufzudecken! Man hat es ja schon immer gewusst, Berlusconi geht fremd!!! Skandal!
Aber kann ich mich darauf verlassen, dass Sardinien wirklich so ist? Oder muss ich mich vielleicht auf etwas ganz anderes gefasst machen? Soll ich meine Vorurteile pflegen? Hab ich nicht gerade deswegen diese Insel seit Jahrzehnten gemieden, und jetzt kann ich ihr nicht mehr ausweichen! Nicht nur die Frage, in welche Gesellschaft ich hineingerate, beschäftigt mich, sondern auch, wie ich aufgenommen werde, wie ich mich verständige, und nicht zuletzt: WAS ZIEHE ICH AN?
Nein, wirklich, verstehen Sie mich nicht falsch, aber hier wird es bereits herbsteln, und dort? Brauche ich einen Pullover, oder kann ich noch im Meer baden?
Und wie kleidet man sich als Nichtverwandte bei einer so großangelegten Hochzeit?
Highheels und Spaghettiträgerkleidchen? Und was, um Himmels willen, schenkt man einem italienischen Brautpaar? Schweißperlen zieren meine Stirn angesichts all dieser existentiellen Fragen!
Der Anruf erreicht mich Anfang Januar um fünf vor acht, kurz vor den Nachrichten. Jutta und ich haben die Weihnachtstage in meiner Wohnung in Rom verbracht. Zum Glück hat sie meinen Weihnachtsbaum mit ins Flugzeug bekommen - als Sperrgepäck! Ich wusste doch, dass sie es schafft.
Meine Pizza steht dampfend auf dem Couchtisch und wartet auf mich. Das darf ich mir nicht entgehen lassen: Die neueste Meldung über den hundertsten Sexskandal unseres Hardcore-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ist zu bestürzend und deftig, als dass man sie ignorieren könnte. Ich mache es mir auf dem Sofa bequem und ... DRRIIINNG ... Wenn das wieder diese CallcenterTante von Bofrost ist, oder schlimmer, der Schwätzer von der Telecom, dann zeige ich sie an. Diese Telefonverkäufer sind eine einzige Pest. Gleich das erste »Ja?«, mit dem ich mich melde, muss also bedrohlich klingen. Schweigen am anderen Ende. Dann höre ich nur noch das Besetztzeichen. Prima, wer auch immer das war, hat verstanden und aufgelegt. Ich beiße in das erste Stück meiner Pizza und - DRIINNGGG! Schon wieder!
»Hallo?« Diesmal gebe ich mich etwas zugänglicher. Am anderen Ende sagt eine etwas schrille, aber höfliche Stimme schüchtern:
»Hallo, Bruno, bist du's? Weißt du, wer ich bin ...?« »Wer spricht da?«
»Ich bin's, Maurizio, dein Cousin ...«
Schweigen. Das trifft mich. Ich möchte jetzt nicht mehr gemütlich in meinem Sofa versinken, sondern vor Scham im Erdboden - und das nicht nur, weil ich die Stimme meines Cousins nicht gleich erkannt habe, sondern mich in diesem Moment nicht einmal an sein Gesicht erinnere! Na ja, er ist schließlich nur ein Cousin dritten Grades, was will man da erwarten?
»Maurizio ... Maurizio, DU bist das? Ja, wie lange ist das denn jetzt her ??«
»Tante Ada hat mir deine Nummer gegeben, also eigentlich hatte ich es schon auf Facebook versucht, aber du hast meine Freundschaftsanfrage nie bestätigt ...«
Wie peinlich! Maurizio, der wahrscheinlich meine Verlegenheit bemerkt hat, stürzt sich in einen zehnminütigen Wortschwall und zündet sich dazu eine Zigarette nach der anderen an. Ich unterbreche ihn nicht. Er kommt von einem zum anderen: Erst erzählt er von seinem Peter-Pan-Syndrom, dann von seinem Studium an einer Elite-Uni in Rom, seinem Abschluss summa cum laude in Pharmakologie, dem Master in Chemie an der Berkeley-Universität in Kalifornien, seinen Forschungen über die Fotochemie der DNA, seinen Patenten und wie man ihn bei Fragen zur Nukleinsäure hinzuzieht, seinen Büchern und Preisen, internationalen Ehrungen, schließlich sogar, dass er mit Bono (ja genau, dem Bono!) befreundet ist und - von seiner bevorstehenden Hochzeit!
»Das ist ja wunderbar, du heiratest? Wer ist die Glückliche?«
»Giulia. Wir sind seit fünf Jahren zusammen. Sie ist fünfzehn Jahre jünger als ich, lebt auch in Rom, aber ihre Familie kommt aus Sardinien.«
»Das ist ja fabelhaft, Maurizio, ich freu mich wirklich für dich. Und ich seh dich immer noch in diesen unmöglichen hautengen Jeans vor mir! Tja, lang ist's her. Und jetzt bist du ein international anerkannter Chemiker und sogar mit Bono befreundet!«
»Hmm, ja, wir haben uns in München kennengelernt.«
»In München?«
»Ja, er wurde dort an der Wirbelsäule operiert, ein böser Unfall während der Proben, aber jetzt geht es ihm wieder gut. Sein Arzt ist ein guter Freund von mir und hat mich ihm während seiner Reha vorgestellt. Um ihn aufzumuntern, habe ich ihm dann einige von meinen Kondomwitzen erzählt, weißt du noch?«
»Na klar erinnere ich mich!«
»Er hat sich weggeschmissen, und so haben wir gleich unsere Handynummern ausgetauscht.«
»Was hast du denn in München gemacht? Ich bin oft dort. Meine Lebensgefährtin ist Deutsche.«
»Sì, sì, ich weiß ... Ich weiß alles ... Irgendwann wirst du mir deine berühmte Jutta Speidel doch vorstellen, oder? Also, willst du mein Trauzeuge sein?«
Ich bin heftig versucht, spontan nein zu sagen. »Aber ja doch, gern ... Wann denn?«
»Wir heiraten im Oktober, in Gesturi, du weißt schon, das Land der Nuraghen. Es ist wunderschön dort, warst du schon mal da? Wir werden feiern, feiern und feiern!« Nachdem wir noch eine Weile geplaudert und uns dann verabschiedet haben, schalte ich den Fernseher aus und schiebe meine Pizza noch mal in den Ofen, denn inzwischen ist sie kalt geworden. Ich erinnere mich an den Wunschtraum meiner Jugendzeit: Ich wollte damals unbedingt auf den Komoren heiraten, da ich irgendwo gelesen hatte, Hochzeiten auf den Inseln vor den Küsten von Mosambik und Madagaskar würden auf besondere Weise gefeiert. Ich war vollkommen fasziniert von der dort sogenannten »Grand Mariage«, die bis zu neun Tage dauern kann und an der die ganze Dorfgemeinschaft teilnimmt.
Wie schön doch Hochzeiten sind! Schade nur, dass sie nicht immer halten, was sie versprechen! Ich hole die Pizza wieder aus dem Ofen und schnappe mir ein Bier aus dem Kühlschrank. Eigentlich bin ich richtig froh, dass der Cousin dritten Grades aus dem Nichts aufgetaucht ist. Maurizio hat erzählt, dass sie am Sonntagvormittag heiraten, aber das eigentliche Fest schon drei Tage vorher beginnt: mit dem Junggesellenabschied, dem Umzug der Aussteuer (der Braut) ins neue Heim und der Probe. Gibt es eine bessere Gelegenheit, mit Jutta einen so wenig bekannten Teil von Sardinien zu besuchen, der nichts mit dem Rummel und dem Luxus der Costa Smeralda zu tun hat? So ein Kurzurlaub im Spätsommer wäre doch genau das Richtige. Diese kargen unberührten Landschaften, die tausendjährige Tradition und eine ursprüngliche Küche sind doch der ideale Ausgleich für unser hektisches Alltagsleben. Tagsüber werden wir auf einem Felsen in der Sonne sitzen und eine Herde Schafe an uns vorüberziehen lassen, nachts liegen wir uns in den Armen und beobachten die Sterne ... Hektisch greife ich mir das letzte Stück Pizza vom Teller - und dann zum Telefon.
»Ach, tesoro, ich bin so richtig romantisch gestimmt ...«
Die Einladung Jutta
Als die Sonne den letzten Schnee aufleckt, flattert eine vielversprechende Einladung in mein Haus in München. Vorausgegangen war ein Anruf im Januar von Bruno, ich möchte mir doch unbedingt Mitte Oktober eine Woche freihalten, denn uns erwarte eine grandiose Einladung. Mehr wolle er jetzt nicht verraten, aber ich würde staunen, denn so was hätte ich bestimmt noch nie erlebt. Bruno liebt es, mich auf die Folter zu spannen.
Sofort gehe ich in Gedanken meinen Kleiderschrank, meinen Schuhschrank, meine Handtaschen und die Schmuckschatulle durch, um festzustellen, dass fast alles zu alt und viel zu häufig getragen ist und ich außerdem schon lange nach einem Grund suche, mir was Schönes zu kaufen. Vielleicht brauche ich ja auch einen neuen Hut?
So öffne ich den rosaroten Umschlag, überlege noch, wer denn jetzt eine Tochter bekommen haben könnte, um in schnörkeliger goldener Schrift zu lesen, dass sich Maurizio die Ehre gibt, seine Giulia zu ehelichen, und man doch größten Wert darauf legt, die bucklige italienische Verwandtschaft nebst ihren Angebinden an der Seite zu haben, um diesen wichtigen Tag im Leben gemeinsam zu zelebrieren. Da Giulia, die schon jahrelang in Rom an Maurizios Seite lebt, eine echte Sardin ist, aber Großmutter, Großvater sowie sicherlich fünfzig Cousinen und Cousins und bestimmt auch Mama und Papa die Insel nur im äußersten Notfall verlassen, findet die Hochzeit tief im Süden Sardiniens in einem Dorf namens Gesturi statt. Maurizio ist einer von Brunos unzähligen Cousins, wie ich wenig später am Telefon erfahre.
Er freue sich riesig über diese unerwartete Einladung, hätte man sich doch in den letzten Jahren etwas aus den Augen verloren. Der Umstand, dass Bruno eigentlich gar nicht so genau weiß, ob er Giulia überhaupt schon mal gesehen hat, hört sich nicht gerade nach tiefen verwandtschaftlichen Beziehungen an. Aber in Italien will das gar nichts heißen, denn: La famiglia è la famiglia. Wir haben zu kommen, ohne Wenn und Aber. Es scheint die Familie auch gar nicht zu stören, dass Bruno geschieden ist und mit einer tedesca aus Bayern zusammenlebt. Sicherlich nehmen sie an, dass ich ständig in Rom um ihn herumscharwenzle, die brave Hausfrau gebe und selbstredend un italiano perfetto quatsche, am besten noch römischen Dialekt. Man kann nämlich einem Italiener unmöglich zumuten, Deutsch zu lernen. Diese Sprache ist kalt und hart und völlig unsexy, und jeder Mensch muss sich doch glücklich schätzen, die schönste Sprache der Welt sprechen zu dürfen.
Wie schwer sich diese metaphernreiche Sprache erlernen lässt, wenn man über grazie und prego hinauswill, kann sich ein Italiener nur schwer vorstellen. Bei Gott, ich bin wahrlich kein Sprachgenie und tue mich wirklich schwer damit. Wenn dann noch mein Gegenüber in rasendem Tempo Dialekt spricht, verstehe ich nulla. Warum haben eigentlich Italiener nie Zeit, langsam und deutlich zu sprechen? Wahrscheinlich, weil sie immer so unglaublich viel in einen schlichten Satz reinpacken wollen. Sie gehen nicht einfach mal kurz Brot holen, sondern erzählen ausgiebig, warum es eigentlich gerade ein ungünstiger Zeitpunkt für sie ist und man doch wirklich Wichtigeres zu tun habe. Aus allem wird ein großes Theater gemacht. Natürlich gibt's sone und solche - und ich hab eben so einen an meiner Seite. Ein Schelm, wer Schlimmes dabei denkt!
Man sollte meinen, die Aussicht, Mitte Oktober nochmals in wärmere Gefilde fliehen zu dürfen, stimmt mich glücklich. Aber derart langfristige Verabredungen machen mich eigentlich immer nervös. Weiß ich denn, ob in einem halben Jahr etwas Wichtiges ansteht? Vielleicht stecke ich mitten in einem Film oder liege mit Grippe im Bett? Aber bei dieser Einladung wird keine Ausrede akzeptiert, denn hier heißt es: Mitgefangen, mitgehangen! Gerne auch Sippenhaft genannt. Das ist überhaupt eine gute Bezeichnung für italienische Verhältnisse.
Ich will keinesfalls undankbar erscheinen, es gibt ja nun wirklich Schlimmeres, als zu einer Hochzeit nach Sardinien zu fliegen und eine Woche richtig gut zu essen, viel zu lachen und mit entzückenden alten Männern Ballu Sardu, den sardischen Volkstanz, zu tanzen, der einem die Tränen in die Augen treibt. Sardinien, so mutmaßt der einschlägig belesene deutsche Tourist, ist eine Insel mit endlos langen Sandstränden und unglaublich reichen Menschen, die nachts bis in die Puppen feiern und tagsüber ihre Luxuskörper der Sonne entgegenstrecken. Die Costa Smeralda, wo die Gärten der Schönen und Reichen liegen, wie man sie von Luftaufnahmen kennt, wo im Sommer die Boulevardblätter sich die Klinke in die Hand geben, um die neuesten Skandale aufzudecken! Man hat es ja schon immer gewusst, Berlusconi geht fremd!!! Skandal!
Aber kann ich mich darauf verlassen, dass Sardinien wirklich so ist? Oder muss ich mich vielleicht auf etwas ganz anderes gefasst machen? Soll ich meine Vorurteile pflegen? Hab ich nicht gerade deswegen diese Insel seit Jahrzehnten gemieden, und jetzt kann ich ihr nicht mehr ausweichen! Nicht nur die Frage, in welche Gesellschaft ich hineingerate, beschäftigt mich, sondern auch, wie ich aufgenommen werde, wie ich mich verständige, und nicht zuletzt: WAS ZIEHE ICH AN?
Nein, wirklich, verstehen Sie mich nicht falsch, aber hier wird es bereits herbsteln, und dort? Brauche ich einen Pullover, oder kann ich noch im Meer baden?
Und wie kleidet man sich als Nichtverwandte bei einer so großangelegten Hochzeit?
Highheels und Spaghettiträgerkleidchen? Und was, um Himmels willen, schenkt man einem italienischen Brautpaar? Schweißperlen zieren meine Stirn angesichts all dieser existentiellen Fragen!
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Autoren-Porträt von Jutta Speidel, Bruno Maccallini
Speidel, JuttaJutta Speidel ist eine der beliebtesten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum. Sie wurde in München geboren und hat zwei erwachsene Töchter.
Maccallini, Bruno
Bruno Maccallini ist Jutta Speidels Lebensgefährte. Er stammt aus Rom und ist in Italien ein erfolgreicher Schauspieler, Regisseur und Produzent. In Deutschland wurde er als »Cappuccino-Mann« in verschiedenen Werbekampagnen bekannt (»Isch abbe gar kein Auto, Signorina!«).
Bibliographische Angaben
- Autoren: Jutta Speidel , Bruno Maccallini
- 2011, 256 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548374093
- ISBN-13: 9783548374093
- Erscheinungsdatum: 10.06.2011
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