Ich arbeite in einem Irrenhaus
Vom ganz normalen Büroalltag
Ungelernte Führungskräfte dilettieren auf den Chefsesseln, Meetings mutieren zu Machtkämpfen.
Martin Wehrle zeigt ein schonungsloses und witziges Panorma des Irrsinns im deutschen Büroalltag.
Inklusive großem...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ich arbeite in einem Irrenhaus “
Ungelernte Führungskräfte dilettieren auf den Chefsesseln, Meetings mutieren zu Machtkämpfen.
Martin Wehrle zeigt ein schonungsloses und witziges Panorma des Irrsinns im deutschen Büroalltag.
Inklusive großem Irrenhaus-Test: Wie verrückt ist Ihre Firma?
Klappentext zu „Ich arbeite in einem Irrenhaus “
In deutschen Betrieben herrschen haarsträubende Zustände - ob in mittelständischen Unternehmen oder großen Konzernen, die zunehmend zu geschlossenen Anstalten mutieren. Tyrannische Chefs pflegen ihre Marotten. Statt über Sachfragen zu diskutieren, werden in endlosen Meetings Machtkämpfe ausgefochten. Absurde Arbeitsabläufe sind fast schon die Regel.Der renommierte Karrierecoach Martin Wehrle liefert einen schonungslosen Bericht aus dem Katastrophengebiet Büro. Anhand eines Tests kann der Leser herausfinden, wie sehr der Wahnsinn in seiner Firma das Zepter schwingt. Wehrle gibt zudem anschauliche Tipps, wie Sie den Bürowahnsinn überleben und irren Arbeitgebern durch ein Frühwarnsystem aus dem Weg gehen. Ein Buch für alle, die Tag für Tag wahnwitzige Arbeitsbedingungen zu ertragen haben.
Lese-Probe zu „Ich arbeite in einem Irrenhaus “
Ich arbeite in einem Irrenhaus von Martin Wehrle1. Gestatten, Irrenhaus GmbH!
Sie wollten doch unbedingt wissen, wie dick
Ihr Fell noch werden muss, um hier auf
Dauer zu arbeiten!
Der neue Mitarbeiter will wissen: »Wie tickt die Firma?« Der Erfahrene
fragt sich eher: »Tickt sie noch richtig?« Dieses Kapitel verrät
Ihnen ...
• an welchen vier Symptomen Sie ein Irrenhaus erkennen,
• in welchen Phasen der Irrsinn in einer Firma wächst,
• wie der Geiz in einem Konzern zur Hungersnot führte
• und warum Erich Honecker eines Abends nicht ganz zufällig
fünf Hirsche erlegte.
Ich heirate eine Firma
»Wir sind der Meinung, dass ...« Wenn ein Mitarbeiter die Wir-
Form verwendet, dürfen Sie sicher sein: Er spricht für sein Unternehmen.
Wie der Fan mit seinem Verein verschmilzt (»Wir haben
gewonnen!«) und die Mutter mit ihrem Baby (»Wir löffeln unseren
Brei!«), so wird der Mitarbeiter mit seiner Firma eins. Er spricht
nicht in der dritten Person, nicht mit Distanz, sondern ergreift stellvertretend
das Wort. Die Firma ist er. Und er ist die Firma.
Und so geschieht ein kleines Wunder: Einem einzelnen Menschen,
der eigentlich nur über ein Gehirn verfügt, wachsen dreitausend
Köpfe (falls das Unternehmen so viele Mitarbeiter hat).
Sein Jahresumsatz schießt von 40 000 Euro auf 4 Milliarden in die
Höhe (falls seine Firma so viel Geld macht). Er ist nicht mehr Hans
Müller, nicht mehr Lisa Schulz - er ist Teil von etwas Größerem.
Ist Daimler. Ist Microsoft. Ist Porsche. Und tritt auch so in seinem
Freundeskreis auf.
Er ist bedeutend.
... mehr
Welche Sogwirkung dieses »Wir« hat, erlebe ich in der Karriereberatung:
Nach fünf Tagen in einer neuen Firma sagt der Mitarbeiter
noch: »Die wollen ein neues Produkt einführen!« Doch bereits
nach zwei Wochen heißt es: »Unser neues Produkt kommt
voran.« Der Mitarbeiter verschmilzt mit der Firma wie ein Zuckerwürfel
mit dem heißen Kaffee. Eine solche Vereinigung ist durch
nichts in der Welt rückgängig zu machen, nicht mal durch eine
Kündigung.
Einer meiner Klienten war Manager bei einem Chemiekonzern
und wurde mit einer Abfindung vom Hof gejagt. Doch noch
heute, fünf Jahre später, ist seine Distanz zum ehemaligen Arbeitgeber
gleich null. Er spricht von »unserem Aktienkurs«, »unserer
Produktlinie«, und es fehlt nur noch, dass er seine eigene Entlassung
bald als »unsere weise Personalentscheidung« bezeichnet.
Neulich habe ich ihn auf diese Tatsache angesprochen: »Mir fällt
auf, dass Sie immer noch ›wir‹ sagen, wenn Sie Ihre alte Firma meinen ...«
»Ach, tu ich das? War mir gar nicht klar.«
»Warum immer noch ›wir‹?«
»Ich war 15 Jahre dort. Ich habe viel bewegt. Das ist die liebe Gewohnheit.«
»Aber nach fünf Jahren könnten Sie sich auch daran gewöhnt
haben, dass Sie jetzt nicht mehr dort sind ...«
»Hab ich ja auch. Aber mit einer Firma ist das doch so wie
mit ...« Er zögerte und sah lange zur Decke, als würde er dort nach
einem Wort suchen. Dann hellte sich sein Gesicht auf: »Wie mit
einem eigenen Kind ist das!«
»Inwiefern?«
»Wenn ich ein Kind in die Welt setze, wird es immer meines
bleiben. Auch wenn die Mutter mich verlässt und ich es nicht mehr
sehe: Es bleibt mein Kind!«
Ich musste schmunzeln: »Sie der Vater, der Konzern Ihr Kind -
bringen Sie da nicht die Größenverhältnisse durcheinander?«
Er zog eine Grimasse: »Jetzt legen Sie doch nicht jedes Wort auf
die Goldwaage! Es geht mir ums Prinzip. Ich habe dort viele Projekte
in die Welt gesetzt. Einige laufen bis heute.«
Es ist tatsächlich so: Die meisten Mitarbeiter sehen ihr Verhältnis
zur Firma nicht als nüchterne Geschäftsbeziehung, sondern als
emotionale Bindung. Manche lieben ihre Firma. Manche hassen
sie. Aber kaum einer steht ihr gleichgültig gegenüber, wie es bei
einem nüchternen Vertragsverhältnis zu erwarten wäre.
Der Spruch »Ich heirate eine Firma« mag augenzwinkernd gemeint
sein, doch er streift die Wahrheit: Erstens lieben die meisten
Menschen ihren Beruf und damit ihren Arbeitgeber - wenigstens
so lange, bis ihnen der Firmen-Irrsinn diese Liebe austreibt. Zweitens
heiratet jeder neue Mitarbeiter nicht nur seinen Job, sondern
gleichzeitig die komplette Arbeitsfamilie - als wäre der Chef ein
mächtiger Schwiegervater mit weitverzweigtem Anhang. Und
drittens gilt für Arbeits-Ehen dasselbe wie für andere Ehen auch:
Mit den Jahren werden sich die Eheleute immer ähnlicher. Nicht,
weil die Firma sich verändert. Sondern, weil der Mitarbeiter sich
anpasst.
Aber welche Sitten gelten in dieser schrägen Firmenfamilie? Was
muss ein (neuer) Mitarbeiter erdulden? Und wo liegt die Grenze
zum Irrsinn? Zum Beispiel könnten Sie sich fragen:
Ist es normal, dass Ihr Chef in der Weihnachtsrede ein hohes
Lied auf Weiterqualifizierung singt, Sie aber mit Ihrem Fortbildungswunsch
gegen eine Wand laufen?
Ist es normal, dass eine ausgeschriebene Stelle, auf die Sie sich
bewerben, schon zwei Monate zuvor unter der Hand vergeben
wurde?
Ist es normal, dass der Dienstweg, den Sie gehen, und das Meeting,
das Sie besuchen, nur Treffpunkte für Idioten sind - während
die Entscheidungsfäden hinter den Kulissen gezogen wurden?
Ist es normal, dass Ihr neuer Chef ein erfolgreiches Projekt seines
Vorgängers killt, nur weil es nicht von ihm selbst auf den Weg
gebracht wurde?
Ist es normal, dass Ihre Firma die Teamarbeit offiziell hochleben
lässt, aber immer nur die Ellbogentypen ins Management befördert
werden?
Ist es normal, dass in der Werbebroschüre der Kundenservice in
höchsten Tönen gepriesen, aber in Wirklichkeit die ganze Serviceabteilung
von Ihrer Firma wie stinkender Sondermüll »ausgelagert« wird?
Und ist es normal, dass auf die Aktionäre ein Dividendenregen
einprasselt, während bei den Mitarbeitern Einstellungsstopps verhängt,
Gehälter eingefroren und Sozialleistungen gekürzt werden
- angeblich mangels Geld?
Ja, all das ist unter deutschen Firmendächern gängig. Üblich.
Weit verbreitet. Aber normal, wenn Sie mich fragen, ist es nicht -
es ist irre!
§ 1 Irrenhaus-Ordnung: Ein neuer Mitarbeiter denkt, Teil des
Unternehmens zu werden. Dabei wird das Unternehmen ein Teil
von ihm.
Kleiner Irrenhaus-Steckbrief
Woran können Sie schnell erkennen, ob Ihre Firma ein Irrenhaus
ist (ein detaillierter Test erwartet Sie ab Seite 199)? Im Laufe der
Jahre sind mir vier wichtige Kennzeichen aufgefallen, von denen
mindestens eines zutreffen muss:
1. Heuchelei: Die Firma tut nicht, was sie sagt, und sagt nicht, was
sie tut. Sie verspricht Mitarbeitern (und Kunden) mehr, als sie hält.
Sie pflegt Leitsätze, die nicht gelten. Sie stellt Forderungen, die nicht
zu erfüllen sind. Nur eine Moral ist ihr heilig: die Doppelmoral.
Wahr ist, was ihr nützt. Solche Firmen sind Spezialisten für Fassadenbau
- nur ihr Außenbild ist makellos.
2. Profitsucht: Die Firma fühlt sich nur einem »höheren« Ziel verpflichtet:
der Gewinnmaximierung. Der Kunde ist für sie nur eine
Einnahmequelle, ein »Account«; die Umwelt ist für sie nur ein Rohstoff,
den es auszubeuten gilt; und der Mitarbeiter ist nur ein Mohr,
der gehen kann, wenn er seine Schuldigkeit getan hat. Der Bagger
des Personal- und Kostenabbaus schlägt ohne Skrupel zu. Vor allem
Konzerne handeln nach dieser plutokratischen Maxime.
3. Egozentrik: Die Firma ist vor allem mit sich selbst beschäftigt -
nicht mit dem Markt. Man definiert Prozesse, zelebriert Meetings,
schlägt Schaum. Mal herrscht Chaos, etwa nach einer Restrukturierung,
dann Erstarrung, etwa nach einer Budgetsperre. Die Mitarbeiter
sind auf den Chef fixiert. Der Kunde spielt die letzte Geige.
4. Dilettantismus: Die Firma stolpert über die eigenen Füße. Hier
wird kein Geschäft geführt, hier wird fröhlich dilettiert. Die Führungskräfte
verdienen ihren Namen nicht. Die Entscheidungen
werden gewürfelt. Der Horizont reicht nicht weiter als der Stadtbus.
Vor allem im Mittelstand macht sich dieser unfähige Irrenhaus-
Typus breit.
Haben Sie Ihre aktuelle Firma erkannt? Und Ex-Firmen womöglich
auch? Dann interessiert es Sie bestimmt, wie dieser Irrsinn unterm
Firmendach gewachsen ist. Davon handelt gleich »die Wachstumsstory«.
Betr.: Ich arbeite für eine Windmaschine
Unsere Firma ist eine einzige Windmaschine. Das mag typisch
für eine Werbeagentur sein, aber wir schießen den Vogel ab. Unser
Ruf in der Branche ist erstklassig. Und warum? Wir betreuen
zwei deutsche Top-Firmen. Und diese Namen posaunen wir bei
jeder Gelegenheit hinaus.
Was aber kein Mensch von außerhalb weiß (und ich auch nur
durch eine Indiskretion): Diese Aufträge, mit denen wir trommeln,
sind gar keine Aufträge. Es sind Geschenke an die Kunden.
Wir texten Slogans, fahren Kampagnen und betreuen die
Homepages. Doch unsere GL hat einen schrägen Deal vereinbart:
Wir erbringen unsere Leistung für ein besseres Trinkgeld,
einen nichtigen Betrag - im Gegenzug dürfen wir die Namen
dieser Firmen stolz auf unsere Fahnen schreiben.
Diese Kunden ziehen die meiste Arbeitskraft auf sich, spülen
aber kaum Geld in die Kasse. Und die Sogwirkung, die sie entfalten
sollen, hält sich in Grenzen: Die anderen Konzerne, die
wir dringend als zahlende Kunden bräuchten, denken offenbar:
»Mehr als zwei Großkunden schaffen die nicht!«
Wir sperren die Tür, durch die normal zahlende Großkunden
spazieren sollen, durch einen Bluff selbst zu. Völliger Irrsinn,
zumal Einnahmen fehlen. Die Gehaltszahlungen kommen
immer wieder verzögert. Unsere halbe Firma besteht schon
aus Praktikanten. Keiner von denen weiß, dass ihr »Geschäfts modell«
mit dem der Agentur identisch ist: Arbeiten ohne Vergütung,
nur für den klangvollen Namen im Lebenslauf.
Bitte behandeln Sie diese Angaben vertraulich und verändern
Sie alle Namen und wiedererkennbaren Fakten (das ist hier und
auch bei allen folgenden Fallgeschichten geschehen, M. W.).
© Weltbild
Welche Sogwirkung dieses »Wir« hat, erlebe ich in der Karriereberatung:
Nach fünf Tagen in einer neuen Firma sagt der Mitarbeiter
noch: »Die wollen ein neues Produkt einführen!« Doch bereits
nach zwei Wochen heißt es: »Unser neues Produkt kommt
voran.« Der Mitarbeiter verschmilzt mit der Firma wie ein Zuckerwürfel
mit dem heißen Kaffee. Eine solche Vereinigung ist durch
nichts in der Welt rückgängig zu machen, nicht mal durch eine
Kündigung.
Einer meiner Klienten war Manager bei einem Chemiekonzern
und wurde mit einer Abfindung vom Hof gejagt. Doch noch
heute, fünf Jahre später, ist seine Distanz zum ehemaligen Arbeitgeber
gleich null. Er spricht von »unserem Aktienkurs«, »unserer
Produktlinie«, und es fehlt nur noch, dass er seine eigene Entlassung
bald als »unsere weise Personalentscheidung« bezeichnet.
Neulich habe ich ihn auf diese Tatsache angesprochen: »Mir fällt
auf, dass Sie immer noch ›wir‹ sagen, wenn Sie Ihre alte Firma meinen ...«
»Ach, tu ich das? War mir gar nicht klar.«
»Warum immer noch ›wir‹?«
»Ich war 15 Jahre dort. Ich habe viel bewegt. Das ist die liebe Gewohnheit.«
»Aber nach fünf Jahren könnten Sie sich auch daran gewöhnt
haben, dass Sie jetzt nicht mehr dort sind ...«
»Hab ich ja auch. Aber mit einer Firma ist das doch so wie
mit ...« Er zögerte und sah lange zur Decke, als würde er dort nach
einem Wort suchen. Dann hellte sich sein Gesicht auf: »Wie mit
einem eigenen Kind ist das!«
»Inwiefern?«
»Wenn ich ein Kind in die Welt setze, wird es immer meines
bleiben. Auch wenn die Mutter mich verlässt und ich es nicht mehr
sehe: Es bleibt mein Kind!«
Ich musste schmunzeln: »Sie der Vater, der Konzern Ihr Kind -
bringen Sie da nicht die Größenverhältnisse durcheinander?«
Er zog eine Grimasse: »Jetzt legen Sie doch nicht jedes Wort auf
die Goldwaage! Es geht mir ums Prinzip. Ich habe dort viele Projekte
in die Welt gesetzt. Einige laufen bis heute.«
Es ist tatsächlich so: Die meisten Mitarbeiter sehen ihr Verhältnis
zur Firma nicht als nüchterne Geschäftsbeziehung, sondern als
emotionale Bindung. Manche lieben ihre Firma. Manche hassen
sie. Aber kaum einer steht ihr gleichgültig gegenüber, wie es bei
einem nüchternen Vertragsverhältnis zu erwarten wäre.
Der Spruch »Ich heirate eine Firma« mag augenzwinkernd gemeint
sein, doch er streift die Wahrheit: Erstens lieben die meisten
Menschen ihren Beruf und damit ihren Arbeitgeber - wenigstens
so lange, bis ihnen der Firmen-Irrsinn diese Liebe austreibt. Zweitens
heiratet jeder neue Mitarbeiter nicht nur seinen Job, sondern
gleichzeitig die komplette Arbeitsfamilie - als wäre der Chef ein
mächtiger Schwiegervater mit weitverzweigtem Anhang. Und
drittens gilt für Arbeits-Ehen dasselbe wie für andere Ehen auch:
Mit den Jahren werden sich die Eheleute immer ähnlicher. Nicht,
weil die Firma sich verändert. Sondern, weil der Mitarbeiter sich
anpasst.
Aber welche Sitten gelten in dieser schrägen Firmenfamilie? Was
muss ein (neuer) Mitarbeiter erdulden? Und wo liegt die Grenze
zum Irrsinn? Zum Beispiel könnten Sie sich fragen:
Ist es normal, dass Ihr Chef in der Weihnachtsrede ein hohes
Lied auf Weiterqualifizierung singt, Sie aber mit Ihrem Fortbildungswunsch
gegen eine Wand laufen?
Ist es normal, dass eine ausgeschriebene Stelle, auf die Sie sich
bewerben, schon zwei Monate zuvor unter der Hand vergeben
wurde?
Ist es normal, dass der Dienstweg, den Sie gehen, und das Meeting,
das Sie besuchen, nur Treffpunkte für Idioten sind - während
die Entscheidungsfäden hinter den Kulissen gezogen wurden?
Ist es normal, dass Ihr neuer Chef ein erfolgreiches Projekt seines
Vorgängers killt, nur weil es nicht von ihm selbst auf den Weg
gebracht wurde?
Ist es normal, dass Ihre Firma die Teamarbeit offiziell hochleben
lässt, aber immer nur die Ellbogentypen ins Management befördert
werden?
Ist es normal, dass in der Werbebroschüre der Kundenservice in
höchsten Tönen gepriesen, aber in Wirklichkeit die ganze Serviceabteilung
von Ihrer Firma wie stinkender Sondermüll »ausgelagert« wird?
Und ist es normal, dass auf die Aktionäre ein Dividendenregen
einprasselt, während bei den Mitarbeitern Einstellungsstopps verhängt,
Gehälter eingefroren und Sozialleistungen gekürzt werden
- angeblich mangels Geld?
Ja, all das ist unter deutschen Firmendächern gängig. Üblich.
Weit verbreitet. Aber normal, wenn Sie mich fragen, ist es nicht -
es ist irre!
§ 1 Irrenhaus-Ordnung: Ein neuer Mitarbeiter denkt, Teil des
Unternehmens zu werden. Dabei wird das Unternehmen ein Teil
von ihm.
Kleiner Irrenhaus-Steckbrief
Woran können Sie schnell erkennen, ob Ihre Firma ein Irrenhaus
ist (ein detaillierter Test erwartet Sie ab Seite 199)? Im Laufe der
Jahre sind mir vier wichtige Kennzeichen aufgefallen, von denen
mindestens eines zutreffen muss:
1. Heuchelei: Die Firma tut nicht, was sie sagt, und sagt nicht, was
sie tut. Sie verspricht Mitarbeitern (und Kunden) mehr, als sie hält.
Sie pflegt Leitsätze, die nicht gelten. Sie stellt Forderungen, die nicht
zu erfüllen sind. Nur eine Moral ist ihr heilig: die Doppelmoral.
Wahr ist, was ihr nützt. Solche Firmen sind Spezialisten für Fassadenbau
- nur ihr Außenbild ist makellos.
2. Profitsucht: Die Firma fühlt sich nur einem »höheren« Ziel verpflichtet:
der Gewinnmaximierung. Der Kunde ist für sie nur eine
Einnahmequelle, ein »Account«; die Umwelt ist für sie nur ein Rohstoff,
den es auszubeuten gilt; und der Mitarbeiter ist nur ein Mohr,
der gehen kann, wenn er seine Schuldigkeit getan hat. Der Bagger
des Personal- und Kostenabbaus schlägt ohne Skrupel zu. Vor allem
Konzerne handeln nach dieser plutokratischen Maxime.
3. Egozentrik: Die Firma ist vor allem mit sich selbst beschäftigt -
nicht mit dem Markt. Man definiert Prozesse, zelebriert Meetings,
schlägt Schaum. Mal herrscht Chaos, etwa nach einer Restrukturierung,
dann Erstarrung, etwa nach einer Budgetsperre. Die Mitarbeiter
sind auf den Chef fixiert. Der Kunde spielt die letzte Geige.
4. Dilettantismus: Die Firma stolpert über die eigenen Füße. Hier
wird kein Geschäft geführt, hier wird fröhlich dilettiert. Die Führungskräfte
verdienen ihren Namen nicht. Die Entscheidungen
werden gewürfelt. Der Horizont reicht nicht weiter als der Stadtbus.
Vor allem im Mittelstand macht sich dieser unfähige Irrenhaus-
Typus breit.
Haben Sie Ihre aktuelle Firma erkannt? Und Ex-Firmen womöglich
auch? Dann interessiert es Sie bestimmt, wie dieser Irrsinn unterm
Firmendach gewachsen ist. Davon handelt gleich »die Wachstumsstory«.
Betr.: Ich arbeite für eine Windmaschine
Unsere Firma ist eine einzige Windmaschine. Das mag typisch
für eine Werbeagentur sein, aber wir schießen den Vogel ab. Unser
Ruf in der Branche ist erstklassig. Und warum? Wir betreuen
zwei deutsche Top-Firmen. Und diese Namen posaunen wir bei
jeder Gelegenheit hinaus.
Was aber kein Mensch von außerhalb weiß (und ich auch nur
durch eine Indiskretion): Diese Aufträge, mit denen wir trommeln,
sind gar keine Aufträge. Es sind Geschenke an die Kunden.
Wir texten Slogans, fahren Kampagnen und betreuen die
Homepages. Doch unsere GL hat einen schrägen Deal vereinbart:
Wir erbringen unsere Leistung für ein besseres Trinkgeld,
einen nichtigen Betrag - im Gegenzug dürfen wir die Namen
dieser Firmen stolz auf unsere Fahnen schreiben.
Diese Kunden ziehen die meiste Arbeitskraft auf sich, spülen
aber kaum Geld in die Kasse. Und die Sogwirkung, die sie entfalten
sollen, hält sich in Grenzen: Die anderen Konzerne, die
wir dringend als zahlende Kunden bräuchten, denken offenbar:
»Mehr als zwei Großkunden schaffen die nicht!«
Wir sperren die Tür, durch die normal zahlende Großkunden
spazieren sollen, durch einen Bluff selbst zu. Völliger Irrsinn,
zumal Einnahmen fehlen. Die Gehaltszahlungen kommen
immer wieder verzögert. Unsere halbe Firma besteht schon
aus Praktikanten. Keiner von denen weiß, dass ihr »Geschäfts modell«
mit dem der Agentur identisch ist: Arbeiten ohne Vergütung,
nur für den klangvollen Namen im Lebenslauf.
Bitte behandeln Sie diese Angaben vertraulich und verändern
Sie alle Namen und wiedererkennbaren Fakten (das ist hier und
auch bei allen folgenden Fallgeschichten geschehen, M. W.).
© Weltbild
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Autoren-Porträt von Martin Wehrle
Martin Wehrle war Führungskraft in einem Konzern, ehe seine Erfolgsstory als Karrierecoach begann. Heute berät er Mitarbeiter aller DAX-Konzerne und gehört zu den meistzitierten Coaching- und Karriere-Experten in Deutschland. Seine Bücher sind Bestseller und wurden in sieben Sprachen übersetzt. An seiner Hamburger Karriereberater-Akademie leitet Martin Wehrle den ersten Ausbildungsgang zum Karrierecoach im deutschsprachigen Raum.Dirk Meissner denkt und arbeitet als freier Cartoonist überwiegend für die Wirtschaftspresse. 1995 gewann er den Karikaturenwettbewerb der Frankfurter Rundschau. Seit 2001 Teilnahme an nationalen und internationalen Cartoonausstellungen. 2002 Diploma of Excellence for the Cartoon.
Bibliographische Angaben
- Autor: Martin Wehrle
- 2011, 288 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13,6 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Illustration: Meissner, Dirk
- Verlag: ECON
- ISBN-10: 3430200970
- ISBN-13: 9783430200974
Rezension zu „Ich arbeite in einem Irrenhaus “
»Wer sich an seinem Arbeitsplatz wie in einer 'geschlossenen Abteilung' fühlt, sollte dieses Buch lesen.« EURO FINANZEN, 2011/05 »Kaum ein Comedian wäre in der Lage, haarsträubendere Episoden zu erzählen, als die, die Wehrle amüsant und anschaulich zu beschreiben weiß.« BERLINER ZEITUNG, 18.06.2011 »(die) Fallbeispiele machen das Werk zum ultimativen Trostbuch für genervte Mitarbeiter. Denn endlich wissen sie: Wir sind eine riesige Schicksalsgemeinschaft« STERN, 11.8.2011 »Ein Buch zum Tränen lachen, aber auch zum Kopfschütteln, vor allem, wenn man das, was Wehrle beschreibt, schon selbst erlebt oder zumindest von anderen gehörtt hat.« BADISCHE ZEITUNG, 19.09.11
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