Blut von deinem Blute
Roman
Was geschah wirklich damals auf der Kanalinsel Jersey? 15 Jahre nach dem ungeklärten Doppelmord an ihren Eltern muss sich Karrierefrau Laura der Vergangenheit stellen: Aus ihrer Wahlheimat Frankfurt kehrt sie in das Herrenhaus ihrer Familie...
Leider schon ausverkauft
Buch
4.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Blut von deinem Blute “
Was geschah wirklich damals auf der Kanalinsel Jersey? 15 Jahre nach dem ungeklärten Doppelmord an ihren Eltern muss sich Karrierefrau Laura der Vergangenheit stellen: Aus ihrer Wahlheimat Frankfurt kehrt sie in das Herrenhaus ihrer Familie zurück. Und dort wird sie bereits erwartet, von ihrer exzentrischen Schwester Mia.
Klappentext zu „Blut von deinem Blute “
Laura Bradley führt in ihrer Wahlheimat Frankfurt das Leben einer erfolgsverwöhnten Karrierefrau. Niemand weiß von dem düsteren Geheimnis, das ihr Leben überschattet: Vor fünfzehn Jahren wurden ihr Vater und ihre Stiefmutter im Herrenhaus der Familie auf Jersey grausam ermordet. Der Täter wurde nie gefasst, doch viele halten Lauras jüngere Schwester für die Mörderin. Laura selbst hat keinerlei Erinnerungen an die Mordnacht und wird seit der Bluttat von furchtbaren Albträumen gequält. Als sie erfährt, dass sie schwanger ist, beschließt sie, sich den Gespenstern ihrer Vergangenheit zu stellen. Sie kehrt zurück auf die Insel ihrer Kindheit. Doch das Wiedersehen mit ihrer Schwester Mia gerät alles andere als herzlich.
Lese-Probe zu „Blut von deinem Blute “
Blut von deinem Blute von Silvia RothJersey, St. Brelade, 31. August 1995. Der bekannte Hotelier Nicholas Bradley (51) wurde in der Nacht zum vergangenen Samstag Opfer eines brutalen Gewaltverbrechens. Der oder die unbekannten Täter hatten Bradley und seine Ehefrau in der Küche ihres Wohnhauses in der Avenue La Trouille (St. Brelade) mit einer Axt attackiert und dabei tödlich verletzt. Zum Zeitpunkt des Überfalls befand sich auch die jüngere der beiden Töchter Bradleys aus erster Ehe im Haus. Allerdings soll die Achtzehnjährige von der Tat selbst nichts mitbekommen haben.
Die Leichen der Eheleute wurden am frühen Samstagmorgen von einer Angestellten in dem allenthalben als »Herrenhaus« bekannten Gebäude an der Rückfront des Hotels Beau Rivage entdeckt, wobei die Schwere der Verletzungen im Gesichtsbereich eine eindeutige Identifikation zunächst nicht zuließ. Nach Angaben eines Sprechers der States of Jersey Police, die bei ihren Ermittlungen von einem Expertenteam aus Portsmouth unterstützt wird, liegen die Hintergründe der grausigen Tat derzeit noch völlig im Dunkeln. Ersten Erkenntnissen zufolge soll es sich jedoch nicht um einen Raubmord handeln. Auch Meldungen, denen zufolge das organisierte Verbrechen hinter dem mysteriösen Doppelmord stecke, wurden bislang nicht bestätigt.
Prolog
... mehr
Ich war neunzehn, als mein Vater mit eingeschlagenem Schädel auf dem Küchenboden gefunden wurde. Die Frau, die mit ihm starb, hatte ich nie Mutter genannt. Ich bin nicht sicher, ob sie diese Anrede von mir erwartet hatte, als sie ein paar Jahre zuvor in mein Leben eingedrungen war. Möglicherweise hatte sie das tatsächlich, nein, bestimmt sogar. Aber das kümmerte mich nicht weiter. Sie war nicht meine Mutter, und deshalb hatte ich sie auch nie so genannt.
Trotzdem sagte Ellie »Deine Eltern sind tot«, als sie Tante Cora und mich am Frühstückstisch überraschte.
Sie stand auf einmal neben meinem Stuhl, also wird Tante Cora sie wohl hereingelassen haben, irgendwann zu einem früheren Zeitpunkt, auf ein Klingeln hin, das sich mir nicht eingeprägt hat, und ich dachte zuerst, dass ich mich verhört haben muss, weil sie etwas derart Ungeheuerliches einfach so dahersagte.
Deine Eltern sind tot ...
Ich war nicht traurig oder gar entsetzt in diesem Augenblick, eher überrascht, dass ein vitaler und kraftvoller Mann wie mein Vater so plötzlich tot sein sollte. Aber an der Art, wie Ellie mich ansah, merkte ich, dass es sich tatsächlich so verhielt: Mein Vater war tot, er und die Frau, die ich nie Mutter genannt habe.
Erst später an diesem Morgen erfuhr ich von den näheren Umständen ihres Sterbens, von dem Beil, mit dem der Mörder auf ihre Köpfe eingeschlagen hatte, und von dem Blut, das aus ihren klaffenden Wunden gegen unsere Küchenschränke gespritzt war. Gesehen habe ich nichts von alldem, denn ich habe mein Elternhaus danach nie wieder betreten.
Deine Eltern sind tot ...
Ellie, unser Zimmermädchen, stand noch immer neben meinem Stuhl und wartete auf eine Reaktion von mir. Aber ich konnte nicht reagieren. Mir wollte einfach keine Reaktion einfallen, die auch nur im Entferntesten zu dem Satz gepasst hätte, den Ellie da eben gesagt hatte. Also saß ich einfach nur da und starrte auf die Tischkante, von der ein winziges Stück Holz abgesplittert war. Ich hatte mich mit meinem Vater gestritten, und nun war er also tot. Und das Einzige, woran ich denken konnte, war, dass es mir nicht leidtat.
Ich habe das nie einem Menschen anvertraut, aber es war so: Es tat mir nicht leid, dass mein Vater nicht mehr lebte. Dabei weiß ich, es hätte mir eigentlich leidtun müssen. Irgendetwas muss man als Tochter doch schließlich empfinden, irgendeine Traurigkeit oder doch zumindest etwas, das mit Mitleid oder Bedauern zu tut hat. Aber ich empfand gar nichts. Nur eine dumpfe, allumfassende Leere.
Mein Vater hat mir zeit seines Lebens nur wenig Aufmerksamkeit und noch weniger Zeit für Gespräche gewidmet, aber damals, kurz vor seinem Tod, fing er plötzlich an, mit mir zu reden. Da war meine Entscheidung, die Insel zu verlassen, längst gefallen. Er hätte mit mir reden sollen, als ich zu einer Geburtstagsparty eingeladen hatte und niemand gekommen war. Da war ich neun gewesen. Er hätte mit mir reden sollen, als ich damit begann, meine Mutter zu suchen, wenn sie wieder einmal für ein paar Stunden verschwunden war. Oder als die Leute anfingen, mich auf meine Schwester anzusprechen, die merkwürdige Dinge tat und laut mit sich selbst diskutierend durch die Gegend radelte. Spätestens da. Aber mein Vater interessierte sich für gar nichts, und als er endlich anfing, mit mir zu reden, war es längst zu spät.
Und so konnte ich an diesem Morgen nichts anderes tun, als auf Tante Coras angestoßene Tischkante zu starren, voller Verwunderung darüber, dass mein Vater so plötzlich tot sein sollte.
Heute wünschte ich, ich hätte mich damals anders verhalten. Wacher. Aufmerksamer. Aber meine Reaktion auf das, was in der Küche meines Elternhauses geschehen war, bestand in einer sorgsam in alle Richtungen abgedichteten Gleichgültigkeit und dem dringenden Wunsch, die Insel auf der Stelle zu verlassen.
Das alles ist jetzt fünfzehn Jahre her.
Fünfzehn Jahre, in denen ich versucht habe, alles, was damals geschehen ist, zu vergessen. Insgeheim habe ich wohl immer gehofft, dass meine Erinnerungen mit der Zeit blasser werden und irgendwann vielleicht sogar ganz verschwinden würden. Aber es gibt kein Vergessen. Nicht bei so etwas.
Überhaupt ist es seltsam, was man sich merkt, was sich einbrennt in ein Gedächtnis, und was verloren geht. Manchmal habe ich den Eindruck, es gehen vor allem die wichtigen Dinge verloren.
Ich weiß zum Beispiel noch ganz genau, was ich zum Frühstück gegessen habe an jenem Morgen, an dem Ellie in Tante Coras Haus kam. Ich weiß, dass es selbstgemachtes Apfelgelee gegeben hat und Quark mit Zucker und Brombeeren. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich den liebevoll gedeckten Frühstückstisch vor mir, die Erinnerung daran ist wie ein Foto, das ich von allen Seiten betrachten kann und auf dem jedes kleinste Detail festgehalten ist. Ich kann sagen, dass Tante Coras Messer quer über ihrem abgegessenen Teller liegt und dass mein Ei unter dem gehäkelten Eierwärmer braun ist. Ich sehe die Fliege, die in einer Falte der Gardine sitzt, und die Vase mit Efeu und Heidekraut in der Mitte des Tisches. An all das erinnere ich mich, als sei es gestern gewesen, und auch daran, dass die Sonne an diesem Morgen so orangerot aufgegangen ist, wie sie es nur im Spätsommer manchmal tut. Der ganze Tag ist voll kommen windstill gewesen, fast so, als halte die Welt angesichts dessen, was in der Nacht zuvor geschehen war, noch immer den Atem an.
Dabei hatten sie einen Sturm angesagt, damals. Auch das weiß ich noch. Dass sie einen Sturm angesagt hatten, der ausgeblieben war.
Nur an den vorausgegangenen Abend habe ich keine Erinnerungen mehr. Die Stunden vom späten Freitagnachmittag bis zu diesem Frühstückstisch sind mir irgendwie abhanden gekommen. Und genau hier liegt das Problem. Hier und in dem Satz, den ich hörte, ein paar Stunden, nachdem Ellie uns am Frühstückstisch überrascht hatte. Es waren zwei Kriminalbeamte, die ich nie zuvor gesehen hatte. Sie waren eigens aus Portsmouth herübergekommen, um den Mord an meinem Vater und meiner Stiefmutter zu untersuchen, und manchmal sehe ich noch heute ihre Gesichter im Traum. Die beiden standen im Hof unter den Fenstern der Hotelküche, wo ich darauf wartete, dass es endlich Mittag wurde. Einer von ihnen rauchte eine Zigarette, und der andere sagte: »Es kann im Grunde nur eines des Mädchen gewesen sein.«
Seltsam, dass mir die Bedeutung dieser Worte damals auf Anhieb klar gewesen ist, und ich habe diesen Satz und die Umstände, unter denen ich ihn gehört habe, nie vergessen.
Die Vergangenheit begleitet uns durch unser ganzes Leben wie ein Schatten, der sich nicht abschütteln lässt. Sie prägt unser Handeln, unsere Beziehungen, einfach alles. Man kann versuchen, sie zu verleugnen oder sie sonstwie aus seinem Leben zu verbannen, doch all diese Verdrängungsmechanismen funktionieren nur eine begrenzte Zeit. Und dann holt einen die Vergangenheit ein. Plötzlich und unerwartet, durch einen Umstand, mit dem man nicht im Traum gerechnet hätte.
So wie sie mich jetzt eingeholt hat.
Vor fünfzehn Jahren bin ich von zu Hause fortgegangen. Ich habe die Insel sofort nach dem Begräbnis verlassen und mir geschworen, sie niemals im Leben wieder zu betreten.
Aber nun kehre ich doch noch einmal zurück.
Weil ich eine Antwort finden muss.
Weil ich die Lücke in meiner Erinnerung, die mich so tief beunruhigt, schließen will. Die Lücke vor dem Frühstückstisch.
Ich muss herausfinden, ob meine Schwester eine Mörderin ist.
Oder ich.
1
Laura Bradley blickte an der Tragfläche vorbei in die sil brig glitzernde Weite des Meeres hinunter, während die Maschine langsam und gleichmäßig tiefer ging. Sie hatte eigentlich gar keinen Fensterplatz haben wollen, aber der August gehörte nun einmal zu den beliebtesten Reisemonaten und die Chartermaschine war so gut wie ausgebucht. Da konnte sie schon von Glück reden, überhaupt noch ein Ticket für einen Direktflug ergattert zu haben. Und ein Direktflug war definitiv das Einzige, was in Frage gekommen war! Laura ließ den Kopf wieder gegen den quietsch-sauberen Schonbezug sinken. Ein Zwischenstopp in Gatwick oder Bristol hätte automatisch bedeutet, dass sie noch einmal Zeit zum Nachdenken gehabt hätte. Von der Gelegenheit zur Flucht oder Umkehr ganz zu schweigen. Und sie durfte nicht umkehren. Nicht jetzt, da sie sich endlich zu diesem Schritt durchgerungen hatte ...
»Da ist sie!«, rief die korpulente Frau auf dem Sitz neben ihr, indem sie an Laura vorbei aus dem Fenster spähte. »Mein Gott, ist sie nicht wunderschön?«
Laura wandte den Kopf und sah, dass unterhalb des rechten Triebwerks die markante Ostküste Jerseys in Sicht gekommen war.
So aus der Luft betrachtet, wirkte ihre Heimatinsel wie ein riesiges grünes Kuhfell, das irgendjemand mehr oder weniger achtlos auf einen tiefblauen Teppich geworfen hatte. Einhundertsechzehn Quadratkilometer, umzingelt von kaltem, unberechenbarem Wasser. Laura merkte, wie sich eine feine Gänsehaut über ihren Körper breitete. Sie dachte an ihre Wahlheimat Frankfurt, ein Moloch nimmermüder Hektik, gut doppelt so groß wie dieser grüne Granitfelsen dort unter ihnen und Heimat von siebenmal mehr Menschen, beruhigende Anonymität.
»Du liebe Zeit, ist Ihnen kalt?« Allein die Art, wie ihre Sitznachbarin fragte, verriet, dass sie diese Möglichkeit im Grunde für ausgeschlossen hielt. Schließlich waren sie auf dem Weg ins Paradies. Da hatte man nicht zu frieren.
Trotzdem nickte Laura.
»Das liegt an diesen fürchterlichen Airconditions«, befand die Frau, froh, etwas entdeckt zu haben, das ihrem Inselenthusiasmus keinen Abbruch tat. Und mit einem aufmunternden Lächeln fügte sie hinzu: »Aber warten Sie nur, bis wir gelandet sind. Das Klima auf Jersey ist der reinste Balsam.«
Tja, dachte Laura sarkastisch, sofern man Wind und Salz und Leichen mag ...
Dann sah sie wieder aus dem Fenster, wo die Insel unaufhaltsam näher kam. Als das Flugzeug kurz nach dem Abheben die dichte Nebeldecke über dem Rheinland durchbrochen hatte und das glitzernde Lichtermeer der Großstadt hinter den Wolken zurückgeblieben war, wäre sie am liebsten aufgesprungen und hätte »Stopp! Anhalten! Ich will zurück!« geschrien. Doch da ihr Aufsehen in jeder Form schon immer zuwider gewesen war, hatte sie lediglich die Finger um die Armlehnen ihres Sitzes gekrallt und versucht, sich einzureden, dass sie den Flughafen ihrer Heimatinsel ja gar nicht erst zu verlassen brauchte, wenn es zu schlimm wurde. Dass sie einfach in diesem Niemandsland zwischen britischem Staatsgebiet und Nirgendwo ausharren konnte, bis die nächste Maschine zurück ging. Zurück oder irgendwo anders hin. Jedenfalls weg von diesem jämmerlichen Felsen mitten im Meer, den man rein theoretisch an einem einzigen Tag mit dem Fahrrad umrunden konnte.
»Seit wir vor neun Jahren zum ersten Mal in St. Helier waren, komme ich jedes Jahr wieder her.« Ihre Sitznachbarin stemmte ihre Massen weit aus dem Sitz, um besser sehen zu können. »Damals lebte mein Mann noch, wissen Sie, und wir haben uns beide auf der Stelle in dieses herrliche Fleckchen Erde verliebt.«
»Wie schön für Sie«, entgegnete Laura in der Hoffnung, ihre Gesprächspartnerin durch die unüberhörbare Ironie in ihrer Stimme von weiteren Konversationsversuchen abzuhalten.
Doch die Frau dachte überhaupt nicht daran, sich so schnell ins Bockshorn jagen zu lassen. »Und Sie?«, fragte sie begierig. »Waren Sie schon mal auf den Islands?«
Laura bejahte.
»Geschäftlich oder auf Urlaub?«
»Weder noch«, antwortete Laura und ärgerte sich gleichzeitig darüber, dass sie nicht einfach gelogen hatte. Lügen war so viel leichter.
»Ah.« Die Miene ihrer Sitznachbarin spiegelte blankes Unverständnis. »Und wissen Sie schon, wo Sie wohnen werden?«
Ich glaube kaum, dass es dich irgendwas angeht, ob ich campe oder in der Suite eines Luxushotels absteige, dachte Laura entnervt. Laut sagte sie: »St. Brelade.«
»St. Brelade, wirklich?«, rief die Frau begeistert. »Oh, aber dann müssen Sie unbedingt einen Ausflug zu dieser Lavendelfarm oben an der B25 machen. Ich sage Ihnen, ich gehe nie aus diesem Laden raus, ohne mindestens zwei Tüten voller Souvenirs gekauft zu haben. Mein Mann hat es gehasst, wenn wir auf der Rücktour immer so viel schleppen mussten. Aber es gibt einfach nichts, was so herrlich nach Sommer duftet wie frischer Lavendel, finden Sie nicht auch?«
»Nein«, versetzte Laura, der die Sache allmählich zu bunt wurde. »Von dem Geruch ist mir schon als Kind übel geworden.«
Die Frau starrte sie an, als habe sie den Verstand verloren. »Nun ja«, stammelte sie, »das ist natürlich ... Ich meine ... Aber andererseits ist es ja gut, dass die Geschmäcker verschieden sind, nicht wahr?« Sie brach ab und streckte Laura - vermutlich aus purer Verlegenheit - eine ihrer üppig beringten Hände entgegen. »Elsbeth Krüger. Ich habe eine Spielwarenhandlung in Stuttgart.«
Laura erwog ernsthaft, die vertrauliche Geste einfach zu ignorieren. Aber sie wusste aus langer, schmerzvoller Erfahrung, dass man neugierige Menschen nur umso neugieriger machte, wenn man ihren - alles in allem tatsächlich harmlosen - Fragen mit einer Totalverweigerung begegnete. »Laura Bradley«, antwortete sie schicksalsergeben, wobei sie, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, auch ihren Vornamen englisch aussprach.
»Ach, Sie sind ...« Elsbeth Krüger zögerte und entschied sich nach kurzem Überlegen für einen mehr oder weniger unverbindlichen Überbegriff: »... Britin?«
Laura nickte.
»Donnerwetter, das hört man gar nicht.«
»Danke.«
»Nein, wirklich, Ihr Deutsch ist ganz ausgezeichnet.«
Ja, dachte Laura mit einem ironischen Lächeln, du mich auch! Dann streifte sie sich demonstrativ den Kopfhörer ihres iPods über.
Ihr Vater hatte von Beginn an viel Wert darauf gelegt, dass Mia und sie Deutsch sprachen, vielleicht, weil er sich seinem eigenen Vater gegenüber dazu verpflichtet fühlte. Als uneheliches Kind einer Einheimischen und eines deutschen Besatzungssoldaten war Nicholas Bradley als Kind viel gehänselt worden, und Laura hatte immer den Verdacht gehegt, dass ihr Vater in erster Linie aus Trotz so penibel Deutsch sprach. Sie erinnerte sich gut daran, wie lästig es ihr früher gewesen war, wenn er sie wegen jeder Kleinigkeit verbessert oder ihren Akzent gerügt hatte. Doch irgendwann war auch ihr bewusst geworden, dass die Sprache ihres Großvaters eine ausgezeichnete Möglichkeit bot, sich von den verhassten »Toads« - wie die Bewohner Jerseys wegen der dort heimischen Kröten scherzhaft genannt werden - abzusetzen.
Also hatte sie Deutsch gesprochen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Sie hatte sich systematisch durch die Kiste mit deutschen Romanen und Geschichtsbüchern gearbeitet, die sie auf dem Dachboden des Herrenhauses entdeckt hatte. Sie hatte das wenige Geld, das sie sich mit kleinen Handlangerdiensten im Hotel verdient hatte, in ein deutsches Wörterbuch investiert.
1. Auflage 2011
Copyright © 2011 by
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg
www.hoca.de
Satz: atelier eilenberger, Leipzig
Gesetzt aus der Plantin und stamPete
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck Printed in Germany
ISBN 978-3-455-40310-7
Ich war neunzehn, als mein Vater mit eingeschlagenem Schädel auf dem Küchenboden gefunden wurde. Die Frau, die mit ihm starb, hatte ich nie Mutter genannt. Ich bin nicht sicher, ob sie diese Anrede von mir erwartet hatte, als sie ein paar Jahre zuvor in mein Leben eingedrungen war. Möglicherweise hatte sie das tatsächlich, nein, bestimmt sogar. Aber das kümmerte mich nicht weiter. Sie war nicht meine Mutter, und deshalb hatte ich sie auch nie so genannt.
Trotzdem sagte Ellie »Deine Eltern sind tot«, als sie Tante Cora und mich am Frühstückstisch überraschte.
Sie stand auf einmal neben meinem Stuhl, also wird Tante Cora sie wohl hereingelassen haben, irgendwann zu einem früheren Zeitpunkt, auf ein Klingeln hin, das sich mir nicht eingeprägt hat, und ich dachte zuerst, dass ich mich verhört haben muss, weil sie etwas derart Ungeheuerliches einfach so dahersagte.
Deine Eltern sind tot ...
Ich war nicht traurig oder gar entsetzt in diesem Augenblick, eher überrascht, dass ein vitaler und kraftvoller Mann wie mein Vater so plötzlich tot sein sollte. Aber an der Art, wie Ellie mich ansah, merkte ich, dass es sich tatsächlich so verhielt: Mein Vater war tot, er und die Frau, die ich nie Mutter genannt habe.
Erst später an diesem Morgen erfuhr ich von den näheren Umständen ihres Sterbens, von dem Beil, mit dem der Mörder auf ihre Köpfe eingeschlagen hatte, und von dem Blut, das aus ihren klaffenden Wunden gegen unsere Küchenschränke gespritzt war. Gesehen habe ich nichts von alldem, denn ich habe mein Elternhaus danach nie wieder betreten.
Deine Eltern sind tot ...
Ellie, unser Zimmermädchen, stand noch immer neben meinem Stuhl und wartete auf eine Reaktion von mir. Aber ich konnte nicht reagieren. Mir wollte einfach keine Reaktion einfallen, die auch nur im Entferntesten zu dem Satz gepasst hätte, den Ellie da eben gesagt hatte. Also saß ich einfach nur da und starrte auf die Tischkante, von der ein winziges Stück Holz abgesplittert war. Ich hatte mich mit meinem Vater gestritten, und nun war er also tot. Und das Einzige, woran ich denken konnte, war, dass es mir nicht leidtat.
Ich habe das nie einem Menschen anvertraut, aber es war so: Es tat mir nicht leid, dass mein Vater nicht mehr lebte. Dabei weiß ich, es hätte mir eigentlich leidtun müssen. Irgendetwas muss man als Tochter doch schließlich empfinden, irgendeine Traurigkeit oder doch zumindest etwas, das mit Mitleid oder Bedauern zu tut hat. Aber ich empfand gar nichts. Nur eine dumpfe, allumfassende Leere.
Mein Vater hat mir zeit seines Lebens nur wenig Aufmerksamkeit und noch weniger Zeit für Gespräche gewidmet, aber damals, kurz vor seinem Tod, fing er plötzlich an, mit mir zu reden. Da war meine Entscheidung, die Insel zu verlassen, längst gefallen. Er hätte mit mir reden sollen, als ich zu einer Geburtstagsparty eingeladen hatte und niemand gekommen war. Da war ich neun gewesen. Er hätte mit mir reden sollen, als ich damit begann, meine Mutter zu suchen, wenn sie wieder einmal für ein paar Stunden verschwunden war. Oder als die Leute anfingen, mich auf meine Schwester anzusprechen, die merkwürdige Dinge tat und laut mit sich selbst diskutierend durch die Gegend radelte. Spätestens da. Aber mein Vater interessierte sich für gar nichts, und als er endlich anfing, mit mir zu reden, war es längst zu spät.
Und so konnte ich an diesem Morgen nichts anderes tun, als auf Tante Coras angestoßene Tischkante zu starren, voller Verwunderung darüber, dass mein Vater so plötzlich tot sein sollte.
Heute wünschte ich, ich hätte mich damals anders verhalten. Wacher. Aufmerksamer. Aber meine Reaktion auf das, was in der Küche meines Elternhauses geschehen war, bestand in einer sorgsam in alle Richtungen abgedichteten Gleichgültigkeit und dem dringenden Wunsch, die Insel auf der Stelle zu verlassen.
Das alles ist jetzt fünfzehn Jahre her.
Fünfzehn Jahre, in denen ich versucht habe, alles, was damals geschehen ist, zu vergessen. Insgeheim habe ich wohl immer gehofft, dass meine Erinnerungen mit der Zeit blasser werden und irgendwann vielleicht sogar ganz verschwinden würden. Aber es gibt kein Vergessen. Nicht bei so etwas.
Überhaupt ist es seltsam, was man sich merkt, was sich einbrennt in ein Gedächtnis, und was verloren geht. Manchmal habe ich den Eindruck, es gehen vor allem die wichtigen Dinge verloren.
Ich weiß zum Beispiel noch ganz genau, was ich zum Frühstück gegessen habe an jenem Morgen, an dem Ellie in Tante Coras Haus kam. Ich weiß, dass es selbstgemachtes Apfelgelee gegeben hat und Quark mit Zucker und Brombeeren. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich den liebevoll gedeckten Frühstückstisch vor mir, die Erinnerung daran ist wie ein Foto, das ich von allen Seiten betrachten kann und auf dem jedes kleinste Detail festgehalten ist. Ich kann sagen, dass Tante Coras Messer quer über ihrem abgegessenen Teller liegt und dass mein Ei unter dem gehäkelten Eierwärmer braun ist. Ich sehe die Fliege, die in einer Falte der Gardine sitzt, und die Vase mit Efeu und Heidekraut in der Mitte des Tisches. An all das erinnere ich mich, als sei es gestern gewesen, und auch daran, dass die Sonne an diesem Morgen so orangerot aufgegangen ist, wie sie es nur im Spätsommer manchmal tut. Der ganze Tag ist voll kommen windstill gewesen, fast so, als halte die Welt angesichts dessen, was in der Nacht zuvor geschehen war, noch immer den Atem an.
Dabei hatten sie einen Sturm angesagt, damals. Auch das weiß ich noch. Dass sie einen Sturm angesagt hatten, der ausgeblieben war.
Nur an den vorausgegangenen Abend habe ich keine Erinnerungen mehr. Die Stunden vom späten Freitagnachmittag bis zu diesem Frühstückstisch sind mir irgendwie abhanden gekommen. Und genau hier liegt das Problem. Hier und in dem Satz, den ich hörte, ein paar Stunden, nachdem Ellie uns am Frühstückstisch überrascht hatte. Es waren zwei Kriminalbeamte, die ich nie zuvor gesehen hatte. Sie waren eigens aus Portsmouth herübergekommen, um den Mord an meinem Vater und meiner Stiefmutter zu untersuchen, und manchmal sehe ich noch heute ihre Gesichter im Traum. Die beiden standen im Hof unter den Fenstern der Hotelküche, wo ich darauf wartete, dass es endlich Mittag wurde. Einer von ihnen rauchte eine Zigarette, und der andere sagte: »Es kann im Grunde nur eines des Mädchen gewesen sein.«
Seltsam, dass mir die Bedeutung dieser Worte damals auf Anhieb klar gewesen ist, und ich habe diesen Satz und die Umstände, unter denen ich ihn gehört habe, nie vergessen.
Die Vergangenheit begleitet uns durch unser ganzes Leben wie ein Schatten, der sich nicht abschütteln lässt. Sie prägt unser Handeln, unsere Beziehungen, einfach alles. Man kann versuchen, sie zu verleugnen oder sie sonstwie aus seinem Leben zu verbannen, doch all diese Verdrängungsmechanismen funktionieren nur eine begrenzte Zeit. Und dann holt einen die Vergangenheit ein. Plötzlich und unerwartet, durch einen Umstand, mit dem man nicht im Traum gerechnet hätte.
So wie sie mich jetzt eingeholt hat.
Vor fünfzehn Jahren bin ich von zu Hause fortgegangen. Ich habe die Insel sofort nach dem Begräbnis verlassen und mir geschworen, sie niemals im Leben wieder zu betreten.
Aber nun kehre ich doch noch einmal zurück.
Weil ich eine Antwort finden muss.
Weil ich die Lücke in meiner Erinnerung, die mich so tief beunruhigt, schließen will. Die Lücke vor dem Frühstückstisch.
Ich muss herausfinden, ob meine Schwester eine Mörderin ist.
Oder ich.
1
Laura Bradley blickte an der Tragfläche vorbei in die sil brig glitzernde Weite des Meeres hinunter, während die Maschine langsam und gleichmäßig tiefer ging. Sie hatte eigentlich gar keinen Fensterplatz haben wollen, aber der August gehörte nun einmal zu den beliebtesten Reisemonaten und die Chartermaschine war so gut wie ausgebucht. Da konnte sie schon von Glück reden, überhaupt noch ein Ticket für einen Direktflug ergattert zu haben. Und ein Direktflug war definitiv das Einzige, was in Frage gekommen war! Laura ließ den Kopf wieder gegen den quietsch-sauberen Schonbezug sinken. Ein Zwischenstopp in Gatwick oder Bristol hätte automatisch bedeutet, dass sie noch einmal Zeit zum Nachdenken gehabt hätte. Von der Gelegenheit zur Flucht oder Umkehr ganz zu schweigen. Und sie durfte nicht umkehren. Nicht jetzt, da sie sich endlich zu diesem Schritt durchgerungen hatte ...
»Da ist sie!«, rief die korpulente Frau auf dem Sitz neben ihr, indem sie an Laura vorbei aus dem Fenster spähte. »Mein Gott, ist sie nicht wunderschön?«
Laura wandte den Kopf und sah, dass unterhalb des rechten Triebwerks die markante Ostküste Jerseys in Sicht gekommen war.
So aus der Luft betrachtet, wirkte ihre Heimatinsel wie ein riesiges grünes Kuhfell, das irgendjemand mehr oder weniger achtlos auf einen tiefblauen Teppich geworfen hatte. Einhundertsechzehn Quadratkilometer, umzingelt von kaltem, unberechenbarem Wasser. Laura merkte, wie sich eine feine Gänsehaut über ihren Körper breitete. Sie dachte an ihre Wahlheimat Frankfurt, ein Moloch nimmermüder Hektik, gut doppelt so groß wie dieser grüne Granitfelsen dort unter ihnen und Heimat von siebenmal mehr Menschen, beruhigende Anonymität.
»Du liebe Zeit, ist Ihnen kalt?« Allein die Art, wie ihre Sitznachbarin fragte, verriet, dass sie diese Möglichkeit im Grunde für ausgeschlossen hielt. Schließlich waren sie auf dem Weg ins Paradies. Da hatte man nicht zu frieren.
Trotzdem nickte Laura.
»Das liegt an diesen fürchterlichen Airconditions«, befand die Frau, froh, etwas entdeckt zu haben, das ihrem Inselenthusiasmus keinen Abbruch tat. Und mit einem aufmunternden Lächeln fügte sie hinzu: »Aber warten Sie nur, bis wir gelandet sind. Das Klima auf Jersey ist der reinste Balsam.«
Tja, dachte Laura sarkastisch, sofern man Wind und Salz und Leichen mag ...
Dann sah sie wieder aus dem Fenster, wo die Insel unaufhaltsam näher kam. Als das Flugzeug kurz nach dem Abheben die dichte Nebeldecke über dem Rheinland durchbrochen hatte und das glitzernde Lichtermeer der Großstadt hinter den Wolken zurückgeblieben war, wäre sie am liebsten aufgesprungen und hätte »Stopp! Anhalten! Ich will zurück!« geschrien. Doch da ihr Aufsehen in jeder Form schon immer zuwider gewesen war, hatte sie lediglich die Finger um die Armlehnen ihres Sitzes gekrallt und versucht, sich einzureden, dass sie den Flughafen ihrer Heimatinsel ja gar nicht erst zu verlassen brauchte, wenn es zu schlimm wurde. Dass sie einfach in diesem Niemandsland zwischen britischem Staatsgebiet und Nirgendwo ausharren konnte, bis die nächste Maschine zurück ging. Zurück oder irgendwo anders hin. Jedenfalls weg von diesem jämmerlichen Felsen mitten im Meer, den man rein theoretisch an einem einzigen Tag mit dem Fahrrad umrunden konnte.
»Seit wir vor neun Jahren zum ersten Mal in St. Helier waren, komme ich jedes Jahr wieder her.« Ihre Sitznachbarin stemmte ihre Massen weit aus dem Sitz, um besser sehen zu können. »Damals lebte mein Mann noch, wissen Sie, und wir haben uns beide auf der Stelle in dieses herrliche Fleckchen Erde verliebt.«
»Wie schön für Sie«, entgegnete Laura in der Hoffnung, ihre Gesprächspartnerin durch die unüberhörbare Ironie in ihrer Stimme von weiteren Konversationsversuchen abzuhalten.
Doch die Frau dachte überhaupt nicht daran, sich so schnell ins Bockshorn jagen zu lassen. »Und Sie?«, fragte sie begierig. »Waren Sie schon mal auf den Islands?«
Laura bejahte.
»Geschäftlich oder auf Urlaub?«
»Weder noch«, antwortete Laura und ärgerte sich gleichzeitig darüber, dass sie nicht einfach gelogen hatte. Lügen war so viel leichter.
»Ah.« Die Miene ihrer Sitznachbarin spiegelte blankes Unverständnis. »Und wissen Sie schon, wo Sie wohnen werden?«
Ich glaube kaum, dass es dich irgendwas angeht, ob ich campe oder in der Suite eines Luxushotels absteige, dachte Laura entnervt. Laut sagte sie: »St. Brelade.«
»St. Brelade, wirklich?«, rief die Frau begeistert. »Oh, aber dann müssen Sie unbedingt einen Ausflug zu dieser Lavendelfarm oben an der B25 machen. Ich sage Ihnen, ich gehe nie aus diesem Laden raus, ohne mindestens zwei Tüten voller Souvenirs gekauft zu haben. Mein Mann hat es gehasst, wenn wir auf der Rücktour immer so viel schleppen mussten. Aber es gibt einfach nichts, was so herrlich nach Sommer duftet wie frischer Lavendel, finden Sie nicht auch?«
»Nein«, versetzte Laura, der die Sache allmählich zu bunt wurde. »Von dem Geruch ist mir schon als Kind übel geworden.«
Die Frau starrte sie an, als habe sie den Verstand verloren. »Nun ja«, stammelte sie, »das ist natürlich ... Ich meine ... Aber andererseits ist es ja gut, dass die Geschmäcker verschieden sind, nicht wahr?« Sie brach ab und streckte Laura - vermutlich aus purer Verlegenheit - eine ihrer üppig beringten Hände entgegen. »Elsbeth Krüger. Ich habe eine Spielwarenhandlung in Stuttgart.«
Laura erwog ernsthaft, die vertrauliche Geste einfach zu ignorieren. Aber sie wusste aus langer, schmerzvoller Erfahrung, dass man neugierige Menschen nur umso neugieriger machte, wenn man ihren - alles in allem tatsächlich harmlosen - Fragen mit einer Totalverweigerung begegnete. »Laura Bradley«, antwortete sie schicksalsergeben, wobei sie, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, auch ihren Vornamen englisch aussprach.
»Ach, Sie sind ...« Elsbeth Krüger zögerte und entschied sich nach kurzem Überlegen für einen mehr oder weniger unverbindlichen Überbegriff: »... Britin?«
Laura nickte.
»Donnerwetter, das hört man gar nicht.«
»Danke.«
»Nein, wirklich, Ihr Deutsch ist ganz ausgezeichnet.«
Ja, dachte Laura mit einem ironischen Lächeln, du mich auch! Dann streifte sie sich demonstrativ den Kopfhörer ihres iPods über.
Ihr Vater hatte von Beginn an viel Wert darauf gelegt, dass Mia und sie Deutsch sprachen, vielleicht, weil er sich seinem eigenen Vater gegenüber dazu verpflichtet fühlte. Als uneheliches Kind einer Einheimischen und eines deutschen Besatzungssoldaten war Nicholas Bradley als Kind viel gehänselt worden, und Laura hatte immer den Verdacht gehegt, dass ihr Vater in erster Linie aus Trotz so penibel Deutsch sprach. Sie erinnerte sich gut daran, wie lästig es ihr früher gewesen war, wenn er sie wegen jeder Kleinigkeit verbessert oder ihren Akzent gerügt hatte. Doch irgendwann war auch ihr bewusst geworden, dass die Sprache ihres Großvaters eine ausgezeichnete Möglichkeit bot, sich von den verhassten »Toads« - wie die Bewohner Jerseys wegen der dort heimischen Kröten scherzhaft genannt werden - abzusetzen.
Also hatte sie Deutsch gesprochen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Sie hatte sich systematisch durch die Kiste mit deutschen Romanen und Geschichtsbüchern gearbeitet, die sie auf dem Dachboden des Herrenhauses entdeckt hatte. Sie hatte das wenige Geld, das sie sich mit kleinen Handlangerdiensten im Hotel verdient hatte, in ein deutsches Wörterbuch investiert.
1. Auflage 2011
Copyright © 2011 by
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg
www.hoca.de
Satz: atelier eilenberger, Leipzig
Gesetzt aus der Plantin und stamPete
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck Printed in Germany
ISBN 978-3-455-40310-7
... weniger
Autoren-Porträt von Silvia Roth
Roth, SilviaSilvia Roth studierte Literaturwissenschaft, Anglistik und Philosophie und arbeitete einige Jahre in unterschiedlichen Berufen, bevor sie mit dem Schreiben begann. Bei Hoffmann und Campe erschienen bislang drei Romane mit den Serienhelden Hendrik Verhoeven und Winnie Heller: Der Beutegänger (2007), Querschläger (2008) und zuletzt Schattenriss (2009), der für den Glauser-Preis nominiert wurde. 2011 erschien der Psychothriller Blut von deinem Blute . Silvia Roth lebt mit ihrer Familie in Deutschland und Italien.
Bibliographische Angaben
- Autor: Silvia Roth
- 2011, 1, 544 Seiten, Maße: 14,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Hoffmann und Campe
- ISBN-10: 3455403107
- ISBN-13: 9783455403107
Rezension zu „Blut von deinem Blute “
"... diese Geschichte überzeugt." denglers-buchkritik.de, 15.08.2011
Kommentar zu "Blut von deinem Blute"
0 Gebrauchte Artikel zu „Blut von deinem Blute“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Blut von deinem Blute".
Kommentar verfassen