Nora Roberts Irland-Trilogie
"Töchter des Feuers", "Töchter des Windes" und "Töchter der See"
Alle drei Bände der Irland-Triologie in einem Paket.
...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Nora Roberts Irland-Trilogie “
Alle drei Bände der Irland-Triologie in einem Paket.
- Töchter des Feuers: Die eigenwillige Maggie Concannon lebt sehr zurückgezogen als Glasdesignerin. Ihre Kunstobjekte faszinieren den Galeristen Robert Sweeny. Als er Maggie in ihrem einsamen Studio besucht, ist es sofort um ihn geschehen und er weiß, dass er sie nicht nur als Künstlerin, sondern auch als Frau für sich gewinnen möchte. Doch Maggie hat vom Leben und von der Liebe so ihre eigenen Vorstellungen.
- Töchter des Windes
- Töchter der See
"Fantastisch!"
PUBLISHERS WEEKLY
Lese-Probe zu „Nora Roberts Irland-Trilogie “
Töchter des Feuers von Nora Roberts1. Kapitel
Natürlich würde sie ihn im Pub finden. An welchem anderen
warmen Ort sollte ein geselliger Mann an einem eisigen, windigen
Nachmittag wohl sein? Auf keinen Fall zu Hause, an
seinem eigenen Kamin.
Nein, Tom Concannon war ein geselliger Mann, dachte
Maggie, und so wäre er sicher nicht daheim.
Ihr Vater wäre bei seinen Freunden im Pub, wo es immer
etwas zu lachen gab. Er lachte gern und weinte gern und hing
gerne unerfüllbaren Träumen nach. Mancher hätte ihn gewiss
einen Verrückten genannt. Aber Maggie nicht, Maggie hätte
das nie getan.
Sie lenkte ihren lärmenden Kleinlastwagen um die letzte
Kurve in Richtung des Dorfes Kilmihil, und nirgends war
auch nur eine Menschenseele auf der Straße zu sehen. Kein
Wunder, denn schließlich war die Essenszeit lange vorüber,
und wegen des Winterwindes, der wie aus einer eisigen Hölle
vom Atlantik herüberdrang, war es nicht unbedingt ein geeigneter
Tag zum Spazierengehen. Die Westküste Irlands erzitterte
vor Kälte und sehnte den Frühling herbei.
Sie sah den klapprigen Fiat ihres Vaters neben anderen ihr
bekannten Autos stehen. Bei Tim O'Malley herrschte heute
Hochbetrieb. Sie parkte so nahe wie möglich am Eingang des
Pubs, der inmitten einer Reihe kleiner Geschäfte zu kauern
schien.
Als sie die Straße hinunterging, schlug ihr der Wind in den
Rücken, und sie schmiegte sich in ihre mit Schaffell gefütterte
Jacke und zog sich die schwarze Wollmütze tiefer ins Gesicht.
Farbe wurde ihr in die Wangen gepeitscht, als ob sie errötete.
Durch die Kälte hindurch stieg ihr ein Geruch von Feuchtig-
keit in die Nase, der ihr wie eine gemeine Drohung erschien.
Noch vor dem Anbruch der Dunkelheit, dachte die Farmerstochter,
... mehr
gäbe es Eis.
Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass je ein Januar
eisiger oder fester entschlossen gewesen wäre, den County
Clare mit einem beständigen frostigen Hauch zu überziehen.
Der kleine Garten vor dem Laden, an dem sie gerade vorüberging,
hatte bereits teuer bezahlt. Was von ihm übrig war, war
von Wind und Frost geschwärzt und lag jämmerlich an den
schlammigen Boden gedrückt.
Die Pflanzen taten ihr leid, aber die Neuigkeit, die sie herführte,
war so dermaßen wunderbar, dass sie sich fragte, ob
die Blumen nicht allein ihrer Glückseligkeit wegen vielleicht
doch noch einmal die Köpfe heben würden, um in den Frühling
hineinzublühen.
Sobald sie durch die Tür von O'Malley's trat, wurde sie
von wohliger Wärme begrüßt. Sie roch den im Kamin brennenden
Torf, dessen rotglühendes Herz fröhlich vor sich hinzuglimmen
schien, und den Eintopf, der von O'Malleys Frau,
Deirdre, zum Mittagessen serviert worden war. Außerdem
war die Luft vom Geruch von Tabak, Bier und vom Dunstschleier
fritierter Kartoffeln erfüllt.
Zuerst entdeckte sie Murphy, der, die Füße ausgestreckt, an
einem der winzigen Tische saß und einem irischen Akkordeon
eine Melodie entlockte, die der Süße seiner Stimme entsprach.
Die anderen Gäste hörten ihm zu und träumten über ihrem
Bier vor sich hin. Es war eine traurige Melodie, wie sie Irland
am besten entsprach, melancholisch und lieblich wie die Tränen,
die ein unglücklich Liebender vergoss. Es war ein Lied,
das ihren Namen trug und in dem es um das Älterwerden ging.
Als Murphy sie erblickte, lächelte er sanft. Sein schwarzes
Haar fiel ihm unordentlich über die Brauen, sodass er den
Kopf, um besser zu sehen, in den Nacken warf. Tim O'Malley
stand hinter der Theke, ein Fass von einem Mann, um dessen
Leibesfülle sich kaum noch eine Schürze binden ließ. Er hatte
ein breites, runzliges Gesicht und Augen, die man, wenn er
lachte, kaum noch zwischen den dicken Fleischpolstern sah.
Er war dabei, Gläser zu polieren, und obgleich er Maggie
entdeckt hatte, unterbrach er sich nicht, da er wusste, sie
wäre zu höflich, um sich mit einer Bestellung an ihn zu wenden,
solange Murphys Lied nicht beendet war.
Sie sah David Ryan, der eine der amerikanischen Zigaretten
paffte, die er allmonatlich von seinem Bruder aus Boston
bekam, und die schmucke Mrs Logan, die, während ihr Fuß
den Rhythmus des Liedes klopfte, mit dem Stricken von etwas
Pinkfarbenem beschäftigt war. Außerdem war da noch
der alte Johnny Conroy mit seinem zahnlosen Grinsen, dessen
knorrige Hand die ebenfalls vom Alter gezeichnete Hand
seiner seit fünfzig Jahren Angetrauten hielt. Sie saßen wie
zwei Frischverheiratete auf ihrer Bank, ganz verloren in Murphys
Melodie.
Der Fernseher über der Theke lief ohne Ton, aber auf dem
Bildschirm war eine in grellen, leuchtenden Farben inszenierte
britische Seifenoper zu sehen. Menschen in prächtigen
Kleidern und mit schimmerndem Haar saßen an einem massiven
Tisch mit silbernen Kerzenständern und elegantem Kristall
und stritten miteinander herum.
Der Glamour der Geschichte war viel, viel weiter als bloß
ein Land von dem kleinen Pub mit der verkratzten Theke und
den rauchgedunkelten Wänden entfernt.
Der Zorn, den Maggie angesichts der streitenden Gestalten
in diesem von ungeheurem Reichtum zeugenden Raum empfand,
traf sie so plötzlich, als hätte ihr jemand sein Knie in die
Magengegend gerammt. Doch außer Zorn empfand sie, wenn
sie ehrlich war, wohl auch eine Spur von Neid.
Wäre sie jemals so reich, dachte sie - obwohl es ihr eigentlich
nicht allzu wichtig war - dann fände sie mit Sicherheit
eine sinnvolle Verwendung für ihr Geld.
Dann sah sie ihn, wie er ganz allein in einer Ecke saß. Nicht
isoliert, o nein. Er war ebenso sehr Teil des Raumes wie der
Stuhl, auf dem er saß. Er hatte einen Arm über die Rückenlehne
des Stuhls gelegt, und in der anderen hielt er einen Becher,
von dem sie wusste, dass er starken Tee mit einem guten
Schuss irischen Whiskeys enthielt.
Vielleicht war er unberechenbar, voller Überraschungen
und voller verrückter Ideen, aber sie kannte ihn. Von allen
Männern, denen sie je begegnet war, liebte sie keinen so wie
Tom Concannon.
Ohne ein Wort zu sagen, ging sie zu ihm hinüber, setzte sich
und ließ ihren Kopf an seiner Schulter ruhen.
Ihre Liebe zu ihm glich einem Feuer, das, ohne je niederzubrennen,
ihr tiefstes Inneres zu wärmen schien. Er nahm den
Arm von der Stuhllehne, zog sie dichter an sich heran und
hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
Als das Lied vorüber war, nahm sie seine Hand und küsste
sie. »Ich wusste, dass du hier sein würdest«, sagte sie.
»Aber woher wusstest du, dass ich gerade an dich dachte,
Maggie-Schatz?«
»Ich habe eben in genau demselben Augenblick an dich gedacht.
« Sie lehnte sich zurück und lächelte ihn an. Er war ein
kleiner Mann, aber kräftig gebaut. Wie ein Zwergochse, sagte
er oft mit seinem stöhnenden Lachen über sich. Seine Augen
waren von kleinen Fältchen umgeben, die sich vertieften und
ausweiteten, wenn er das Gesicht zu einem Grinsen verzog.
Was ihn in Maggies Augen noch attraktiver werden ließ. Sein
einst leuchtendrotes, volles Haar war mit der Zeit ein wenig
schütter geworden, doch die grauen Strähnen wirkten in dem
Feuerrot wie sanfter Rauch. Maggie fand, ihr Vater war der
schneidigste Mann der Welt.
»Dad«, sagte sie. »Ich habe Neuigkeiten für dich.«
»Aber sicher doch, das habe ich dir sofort angesehen.«
Er zwinkerte und zog ihr die Mütze vom Kopf, sodass ihr
Haar in wilden roten Locken über ihre Schultern fiel. Er hatte
ihre blitzende, knisternde Mähne schon immer gern gesehen,
und er erinnerte sich noch genau daran, als er sie zum ersten
Mal in den Armen gehalten hatte, das Gesichtchen zu einer
zornigen Grimasse verzerrt, die winzigen Fäuste geballt, mit
Haaren, die gleich einer frisch geprägten Münze schimmerten.
Statt dass er enttäuscht gewesen wäre, dass sie kein Sohn
geworden war, hatte ihn das Geschenk einer Tochter mit demütiger
Dankbarkeit erfüllt.
»Bring meinem Mädchen was zu trinken, Tim.«
»Ich nehme einen Tee«, rief sie. »Draußen ist es eisig kalt.«
Nun, da sie hier war, wollte sie das Vergnügen, ihm die Neuigkeit
zu unterbreiten, genussvoll in die Länge ziehen. »Ist das
nicht auch der Grund, weshalb du hier sitzt und singst und
trinkst, Murphy? Aber wer wärmt deine Kühe, solange du
nicht bei ihnen bist?«
»Sie wärmen einander«, rief er zurück. »Und wenn das
Wetter so bleibt, habe ich im Frühjahr bestimmt mehr Kälber,
als ich bewältigen kann, denn die Rindviecher tun das, was
auch jeder andere an einem langen Winterabend tut.«
»Oh, setzen sie sich mit einem guten Buch an den Kamin?«,
fragte Maggie, und die übrige Gästeschar brach in fröhliches
Gelächter aus. Es war kein Geheimnis und schien Murphy
auch nicht sonderlich peinlich zu sein, dass er eine regelrechte
Leseratte war.
»Ich habe versucht, sie für Literatur zu interessieren, aber
diese blöden Viecher sehen lieber fern.« Er tippte gegen sein
leeres Glas. »Und was den Grund für mein Hiersein betrifft,
so bin ich wegen der Ruhe gekommen, da mir dein verfluchter
Ofen Tag und Nacht in den Ohren dröhnt. Warum bist
du eigentlich nicht zu Hause und spielst mit deinem Glas herum?«
»Dad.« Als Murphy an die Theke ging, nahm Maggie ich-
ren Vater erneut bei der Hand. »Ich wollte es dir als Erstem
erzählen. Weißt du, dass ich heute Morgen mit ein paar von
meinen Stücken in McGuinness' Laden in Ennis war?«
»Ach ja?« Er zog seine Pfeife hervor und klopfte damit
auf den Tisch. »Das hättest du mir vorher sagen sollen. Dann
hätte ich dir Gesellschaft leisten können auf der Fahrt.«
»Ich wollte das alleine machen.«
»Meine kleine Einsiedlerin«, sagte er und stupste sanft ihre
Nase an.
»Dad, er hat sie tatsächlich gekauft.« Ihre Augen, so grün
wie die ihres Vaters, schienen Funken zu sprühen. »Vier Stücke,
mehr hatte ich nicht mit. Und er hat sie an Ort und Stelle
bezahlt.«
»Was du nicht sagst, Maggie, was du nicht sagst!« Er
sprang auf, zog sie mit sich hoch und wirbelte sie übermütig
im Kreis herum. »Ladies und Gentlemen, hören Sie sich das
an. Meine Tochter, meine Margaret Mary, mein eigen Fleisch
und Blut, hat ihr Glas in Ennis verkauft.«
Es ertönte spontaner Applaus, und dann prasselte eine
Reihe von Fragen auf sie herab.
»Bei McGuinness«, antwortete sie allen zugleich. »Vier
Stück, und er will sich die anderen Sachen auch ansehen.
Zwei Vasen, eine Schale und einen ... ich nehme an, dass man
es einen Briefbeschwerer nennen kann.« Sie lachte, als Tim
ihr und ihrem Vater einen Whiskey über den Tresen schob.
»Also gut dann.« Sie hob ihr Glas zu einem Toast. »Auf
Tom Concannon, denn er hat an mich geglaubt.«
»O nein, Maggie.« Ihr Vater schüttelte den Kopf und sah
sie mit tränenfeuchten Augen an. »Auf dich. Ganz allein auf
dich.« Er stieß mit ihr an und leerte das Glas in einem Zug.
»Setz die Quetschkommode in Gang, Murphy, damit ich mit
meiner Tochter tanzen kann.«
Murphy erfüllte ihm den Wunsch, und unter den Rufen
und dem rhythmischen Klatschen der anderen führte Tom
seine Tochter auf die Tanzfläche. Deirdre kam aus der Küche,
wischte sich die Hände an der Schürze ab und zog mit von
den Küchendämpfen gerötetem Gesicht ihren Mann hinter
der Theke hervor. Auf eine Gigue folgte ein Reel, nach dem
Reel kam ein Hornpipe, und Maggie wirbelte mit verschiedenen
Partnern herum, bis ihr schließlich die Beine weh taten.
Angezogen von der Musik oder von der Aussicht auf Gesellschaft
kamen weitere Gäste in den Pub, und die Nachricht
von Maggies erstem Verkaufserfolg breitete sich wie ein Lauffeuer
aus. Bis zum Abend, das wusste sie, wüsste im Umkreis
von zwanzig Kilometern jeder darüber Bescheid. Dies war
der von ihr erhoffte Ruhm, auch wenn sie heimlich davon
träumte, dass er sich vielleicht eines Tages noch steigern ließ.
»Oh, es reicht.« Sie sank auf ihren Stuhl und trank ihren
inzwischen kalt gewordenen Tee. »Mein Herz zerspringt.«
»Genau wie meins. Vor Stolz.« Toms Mund zeigte ein
strahlendes Lächeln, doch seine Augen waren ein wenig trüb.
»Wir sollten es deiner Mutter erzählen, Maggie. Und deiner
Schwester ebenfalls.«
»Ich erzähle es Brianna heute Abend.« Ihre Mutter erwähnte
sie nicht.
»Also gut dann.« Er beugte sich zu ihr hinab und strich ihr
sanft über das Gesicht. »Dies ist dein Tag, Maggie Mae, und
ich hoffe, dass du ihn dir durch nichts verderben lässt.«
»Nein, es ist unser Tag. Denn ich hätte niemals auch nur
ein Stück Glas geblasen ohne dich.«
»Dann teilen wir uns das Vergnügen, wenn auch nur für einen
Augenblick.« Einen Moment lang bekam er keine Luft,
fühlte sich schwindlig und erhitzt. Er meinte, ein leichtes Klicken
hinter den Augen zu spüren, doch schon war es vorbei.
Luft, dachte er. Er brauchte nur ein wenig Luft. »Mir wäre
nach einer kleinen Spazierfahrt. Ich würde gern ein bisschen
Seeluft atmen. Kommst du mit?«
»Natürlich.« Sofort erhob sie sich. »Aber draußen ist es ei-
sig kalt, und es weht ein teuflischer Wind. Bist du sicher, dass
du ausgerechnet heute auf die Klippen willst?«
»Es ist mir wirklich ein Bedürfnis.« Er griff nach seiner
Jacke, warf sich einen dicken Schal um den Hals und wandte
sich den anderen Gästen zu. Er hatte das Gefühl, als würden
sich die dunklen, rauchigen Farben des Pubs vor seinen Augen
drehen. Reumütig dachte er, dass er offenbar ein wenig
angetrunken war. Aber warum auch nicht. Schließlich hatte er
heute allen Grund dazu. »Morgen Abend feiern wir dem Erfolg
meiner Tochter zu Ehren ein Fest. Mit gutem Essen, feinen
Getränken und schöner Musik. Ich hoffe, dass jeder meiner
Freunde erscheinen wird.«
Maggie wartete, bis sie mit ihm draußen in der Kälte stand.
»Ein Fest? Dad, du weißt genau, dass sie das nicht zulassen
wird.«
»Noch bin ich ja wohl der Herr in meinem eigenen Haus.«
Genau wie seine Tochter, wenn sie trotzig war, reckte er das
Kinn. »Und ich sage, dass es bei uns ein Fest geben wird,
Maggie. Das mache ich deiner Mutter schon klar. Würdest du
jetzt bitte fahren?«
»Also gut.« Hatte Tom Concannon erst einmal einen Entschluss
gefasst, war es zwecklos, dass man noch länger über
die Sache sprach. Er besaß einen Starrsinn, für den sie geradezu
dankbar war, denn ohne ihn wäre sie niemals nach Venedig
gereist und hätte niemals die Ausbildung zur Glasbläserin
absolviert. Sie hätte das Gelernte und Erträumte niemals
in die Tat umgesetzt und niemals ihre eigene Werkstatt gebaut.
Sie wusste, ihre Mutter hatte Tom wegen der Kosten für
die Ausbildung das Leben zur Hölle gemacht, aber dennoch
hatte er nicht eine Sekunde lang geschwankt.
»Erzähl mir, woran du gerade arbeitest.«
»Tja, an einer Art Flasche. Sehr groß und sehr schlank.
Weißt du, sie soll nach oben spitz zulaufen, und dann soll sie
sich wieder öffnen. Ein bisschen wie eine Lilie vielleicht. Und
ich versuche, ihr eine ganz zarte Farbe, wie das Innere eines
Pfirsichs, zu verleihen.«
Sie sah das Kunstwerk bereits vor sich, so deutlich wie die
Hand, mit der sie die Konturen beschrieb.
Copyright der Originalausgabe © 1994 by Nora Roberts
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 1998 by Blanvalet Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Übersetzung: Uta Hege
Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass je ein Januar
eisiger oder fester entschlossen gewesen wäre, den County
Clare mit einem beständigen frostigen Hauch zu überziehen.
Der kleine Garten vor dem Laden, an dem sie gerade vorüberging,
hatte bereits teuer bezahlt. Was von ihm übrig war, war
von Wind und Frost geschwärzt und lag jämmerlich an den
schlammigen Boden gedrückt.
Die Pflanzen taten ihr leid, aber die Neuigkeit, die sie herführte,
war so dermaßen wunderbar, dass sie sich fragte, ob
die Blumen nicht allein ihrer Glückseligkeit wegen vielleicht
doch noch einmal die Köpfe heben würden, um in den Frühling
hineinzublühen.
Sobald sie durch die Tür von O'Malley's trat, wurde sie
von wohliger Wärme begrüßt. Sie roch den im Kamin brennenden
Torf, dessen rotglühendes Herz fröhlich vor sich hinzuglimmen
schien, und den Eintopf, der von O'Malleys Frau,
Deirdre, zum Mittagessen serviert worden war. Außerdem
war die Luft vom Geruch von Tabak, Bier und vom Dunstschleier
fritierter Kartoffeln erfüllt.
Zuerst entdeckte sie Murphy, der, die Füße ausgestreckt, an
einem der winzigen Tische saß und einem irischen Akkordeon
eine Melodie entlockte, die der Süße seiner Stimme entsprach.
Die anderen Gäste hörten ihm zu und träumten über ihrem
Bier vor sich hin. Es war eine traurige Melodie, wie sie Irland
am besten entsprach, melancholisch und lieblich wie die Tränen,
die ein unglücklich Liebender vergoss. Es war ein Lied,
das ihren Namen trug und in dem es um das Älterwerden ging.
Als Murphy sie erblickte, lächelte er sanft. Sein schwarzes
Haar fiel ihm unordentlich über die Brauen, sodass er den
Kopf, um besser zu sehen, in den Nacken warf. Tim O'Malley
stand hinter der Theke, ein Fass von einem Mann, um dessen
Leibesfülle sich kaum noch eine Schürze binden ließ. Er hatte
ein breites, runzliges Gesicht und Augen, die man, wenn er
lachte, kaum noch zwischen den dicken Fleischpolstern sah.
Er war dabei, Gläser zu polieren, und obgleich er Maggie
entdeckt hatte, unterbrach er sich nicht, da er wusste, sie
wäre zu höflich, um sich mit einer Bestellung an ihn zu wenden,
solange Murphys Lied nicht beendet war.
Sie sah David Ryan, der eine der amerikanischen Zigaretten
paffte, die er allmonatlich von seinem Bruder aus Boston
bekam, und die schmucke Mrs Logan, die, während ihr Fuß
den Rhythmus des Liedes klopfte, mit dem Stricken von etwas
Pinkfarbenem beschäftigt war. Außerdem war da noch
der alte Johnny Conroy mit seinem zahnlosen Grinsen, dessen
knorrige Hand die ebenfalls vom Alter gezeichnete Hand
seiner seit fünfzig Jahren Angetrauten hielt. Sie saßen wie
zwei Frischverheiratete auf ihrer Bank, ganz verloren in Murphys
Melodie.
Der Fernseher über der Theke lief ohne Ton, aber auf dem
Bildschirm war eine in grellen, leuchtenden Farben inszenierte
britische Seifenoper zu sehen. Menschen in prächtigen
Kleidern und mit schimmerndem Haar saßen an einem massiven
Tisch mit silbernen Kerzenständern und elegantem Kristall
und stritten miteinander herum.
Der Glamour der Geschichte war viel, viel weiter als bloß
ein Land von dem kleinen Pub mit der verkratzten Theke und
den rauchgedunkelten Wänden entfernt.
Der Zorn, den Maggie angesichts der streitenden Gestalten
in diesem von ungeheurem Reichtum zeugenden Raum empfand,
traf sie so plötzlich, als hätte ihr jemand sein Knie in die
Magengegend gerammt. Doch außer Zorn empfand sie, wenn
sie ehrlich war, wohl auch eine Spur von Neid.
Wäre sie jemals so reich, dachte sie - obwohl es ihr eigentlich
nicht allzu wichtig war - dann fände sie mit Sicherheit
eine sinnvolle Verwendung für ihr Geld.
Dann sah sie ihn, wie er ganz allein in einer Ecke saß. Nicht
isoliert, o nein. Er war ebenso sehr Teil des Raumes wie der
Stuhl, auf dem er saß. Er hatte einen Arm über die Rückenlehne
des Stuhls gelegt, und in der anderen hielt er einen Becher,
von dem sie wusste, dass er starken Tee mit einem guten
Schuss irischen Whiskeys enthielt.
Vielleicht war er unberechenbar, voller Überraschungen
und voller verrückter Ideen, aber sie kannte ihn. Von allen
Männern, denen sie je begegnet war, liebte sie keinen so wie
Tom Concannon.
Ohne ein Wort zu sagen, ging sie zu ihm hinüber, setzte sich
und ließ ihren Kopf an seiner Schulter ruhen.
Ihre Liebe zu ihm glich einem Feuer, das, ohne je niederzubrennen,
ihr tiefstes Inneres zu wärmen schien. Er nahm den
Arm von der Stuhllehne, zog sie dichter an sich heran und
hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
Als das Lied vorüber war, nahm sie seine Hand und küsste
sie. »Ich wusste, dass du hier sein würdest«, sagte sie.
»Aber woher wusstest du, dass ich gerade an dich dachte,
Maggie-Schatz?«
»Ich habe eben in genau demselben Augenblick an dich gedacht.
« Sie lehnte sich zurück und lächelte ihn an. Er war ein
kleiner Mann, aber kräftig gebaut. Wie ein Zwergochse, sagte
er oft mit seinem stöhnenden Lachen über sich. Seine Augen
waren von kleinen Fältchen umgeben, die sich vertieften und
ausweiteten, wenn er das Gesicht zu einem Grinsen verzog.
Was ihn in Maggies Augen noch attraktiver werden ließ. Sein
einst leuchtendrotes, volles Haar war mit der Zeit ein wenig
schütter geworden, doch die grauen Strähnen wirkten in dem
Feuerrot wie sanfter Rauch. Maggie fand, ihr Vater war der
schneidigste Mann der Welt.
»Dad«, sagte sie. »Ich habe Neuigkeiten für dich.«
»Aber sicher doch, das habe ich dir sofort angesehen.«
Er zwinkerte und zog ihr die Mütze vom Kopf, sodass ihr
Haar in wilden roten Locken über ihre Schultern fiel. Er hatte
ihre blitzende, knisternde Mähne schon immer gern gesehen,
und er erinnerte sich noch genau daran, als er sie zum ersten
Mal in den Armen gehalten hatte, das Gesichtchen zu einer
zornigen Grimasse verzerrt, die winzigen Fäuste geballt, mit
Haaren, die gleich einer frisch geprägten Münze schimmerten.
Statt dass er enttäuscht gewesen wäre, dass sie kein Sohn
geworden war, hatte ihn das Geschenk einer Tochter mit demütiger
Dankbarkeit erfüllt.
»Bring meinem Mädchen was zu trinken, Tim.«
»Ich nehme einen Tee«, rief sie. »Draußen ist es eisig kalt.«
Nun, da sie hier war, wollte sie das Vergnügen, ihm die Neuigkeit
zu unterbreiten, genussvoll in die Länge ziehen. »Ist das
nicht auch der Grund, weshalb du hier sitzt und singst und
trinkst, Murphy? Aber wer wärmt deine Kühe, solange du
nicht bei ihnen bist?«
»Sie wärmen einander«, rief er zurück. »Und wenn das
Wetter so bleibt, habe ich im Frühjahr bestimmt mehr Kälber,
als ich bewältigen kann, denn die Rindviecher tun das, was
auch jeder andere an einem langen Winterabend tut.«
»Oh, setzen sie sich mit einem guten Buch an den Kamin?«,
fragte Maggie, und die übrige Gästeschar brach in fröhliches
Gelächter aus. Es war kein Geheimnis und schien Murphy
auch nicht sonderlich peinlich zu sein, dass er eine regelrechte
Leseratte war.
»Ich habe versucht, sie für Literatur zu interessieren, aber
diese blöden Viecher sehen lieber fern.« Er tippte gegen sein
leeres Glas. »Und was den Grund für mein Hiersein betrifft,
so bin ich wegen der Ruhe gekommen, da mir dein verfluchter
Ofen Tag und Nacht in den Ohren dröhnt. Warum bist
du eigentlich nicht zu Hause und spielst mit deinem Glas herum?«
»Dad.« Als Murphy an die Theke ging, nahm Maggie ich-
ren Vater erneut bei der Hand. »Ich wollte es dir als Erstem
erzählen. Weißt du, dass ich heute Morgen mit ein paar von
meinen Stücken in McGuinness' Laden in Ennis war?«
»Ach ja?« Er zog seine Pfeife hervor und klopfte damit
auf den Tisch. »Das hättest du mir vorher sagen sollen. Dann
hätte ich dir Gesellschaft leisten können auf der Fahrt.«
»Ich wollte das alleine machen.«
»Meine kleine Einsiedlerin«, sagte er und stupste sanft ihre
Nase an.
»Dad, er hat sie tatsächlich gekauft.« Ihre Augen, so grün
wie die ihres Vaters, schienen Funken zu sprühen. »Vier Stücke,
mehr hatte ich nicht mit. Und er hat sie an Ort und Stelle
bezahlt.«
»Was du nicht sagst, Maggie, was du nicht sagst!« Er
sprang auf, zog sie mit sich hoch und wirbelte sie übermütig
im Kreis herum. »Ladies und Gentlemen, hören Sie sich das
an. Meine Tochter, meine Margaret Mary, mein eigen Fleisch
und Blut, hat ihr Glas in Ennis verkauft.«
Es ertönte spontaner Applaus, und dann prasselte eine
Reihe von Fragen auf sie herab.
»Bei McGuinness«, antwortete sie allen zugleich. »Vier
Stück, und er will sich die anderen Sachen auch ansehen.
Zwei Vasen, eine Schale und einen ... ich nehme an, dass man
es einen Briefbeschwerer nennen kann.« Sie lachte, als Tim
ihr und ihrem Vater einen Whiskey über den Tresen schob.
»Also gut dann.« Sie hob ihr Glas zu einem Toast. »Auf
Tom Concannon, denn er hat an mich geglaubt.«
»O nein, Maggie.« Ihr Vater schüttelte den Kopf und sah
sie mit tränenfeuchten Augen an. »Auf dich. Ganz allein auf
dich.« Er stieß mit ihr an und leerte das Glas in einem Zug.
»Setz die Quetschkommode in Gang, Murphy, damit ich mit
meiner Tochter tanzen kann.«
Murphy erfüllte ihm den Wunsch, und unter den Rufen
und dem rhythmischen Klatschen der anderen führte Tom
seine Tochter auf die Tanzfläche. Deirdre kam aus der Küche,
wischte sich die Hände an der Schürze ab und zog mit von
den Küchendämpfen gerötetem Gesicht ihren Mann hinter
der Theke hervor. Auf eine Gigue folgte ein Reel, nach dem
Reel kam ein Hornpipe, und Maggie wirbelte mit verschiedenen
Partnern herum, bis ihr schließlich die Beine weh taten.
Angezogen von der Musik oder von der Aussicht auf Gesellschaft
kamen weitere Gäste in den Pub, und die Nachricht
von Maggies erstem Verkaufserfolg breitete sich wie ein Lauffeuer
aus. Bis zum Abend, das wusste sie, wüsste im Umkreis
von zwanzig Kilometern jeder darüber Bescheid. Dies war
der von ihr erhoffte Ruhm, auch wenn sie heimlich davon
träumte, dass er sich vielleicht eines Tages noch steigern ließ.
»Oh, es reicht.« Sie sank auf ihren Stuhl und trank ihren
inzwischen kalt gewordenen Tee. »Mein Herz zerspringt.«
»Genau wie meins. Vor Stolz.« Toms Mund zeigte ein
strahlendes Lächeln, doch seine Augen waren ein wenig trüb.
»Wir sollten es deiner Mutter erzählen, Maggie. Und deiner
Schwester ebenfalls.«
»Ich erzähle es Brianna heute Abend.« Ihre Mutter erwähnte
sie nicht.
»Also gut dann.« Er beugte sich zu ihr hinab und strich ihr
sanft über das Gesicht. »Dies ist dein Tag, Maggie Mae, und
ich hoffe, dass du ihn dir durch nichts verderben lässt.«
»Nein, es ist unser Tag. Denn ich hätte niemals auch nur
ein Stück Glas geblasen ohne dich.«
»Dann teilen wir uns das Vergnügen, wenn auch nur für einen
Augenblick.« Einen Moment lang bekam er keine Luft,
fühlte sich schwindlig und erhitzt. Er meinte, ein leichtes Klicken
hinter den Augen zu spüren, doch schon war es vorbei.
Luft, dachte er. Er brauchte nur ein wenig Luft. »Mir wäre
nach einer kleinen Spazierfahrt. Ich würde gern ein bisschen
Seeluft atmen. Kommst du mit?«
»Natürlich.« Sofort erhob sie sich. »Aber draußen ist es ei-
sig kalt, und es weht ein teuflischer Wind. Bist du sicher, dass
du ausgerechnet heute auf die Klippen willst?«
»Es ist mir wirklich ein Bedürfnis.« Er griff nach seiner
Jacke, warf sich einen dicken Schal um den Hals und wandte
sich den anderen Gästen zu. Er hatte das Gefühl, als würden
sich die dunklen, rauchigen Farben des Pubs vor seinen Augen
drehen. Reumütig dachte er, dass er offenbar ein wenig
angetrunken war. Aber warum auch nicht. Schließlich hatte er
heute allen Grund dazu. »Morgen Abend feiern wir dem Erfolg
meiner Tochter zu Ehren ein Fest. Mit gutem Essen, feinen
Getränken und schöner Musik. Ich hoffe, dass jeder meiner
Freunde erscheinen wird.«
Maggie wartete, bis sie mit ihm draußen in der Kälte stand.
»Ein Fest? Dad, du weißt genau, dass sie das nicht zulassen
wird.«
»Noch bin ich ja wohl der Herr in meinem eigenen Haus.«
Genau wie seine Tochter, wenn sie trotzig war, reckte er das
Kinn. »Und ich sage, dass es bei uns ein Fest geben wird,
Maggie. Das mache ich deiner Mutter schon klar. Würdest du
jetzt bitte fahren?«
»Also gut.« Hatte Tom Concannon erst einmal einen Entschluss
gefasst, war es zwecklos, dass man noch länger über
die Sache sprach. Er besaß einen Starrsinn, für den sie geradezu
dankbar war, denn ohne ihn wäre sie niemals nach Venedig
gereist und hätte niemals die Ausbildung zur Glasbläserin
absolviert. Sie hätte das Gelernte und Erträumte niemals
in die Tat umgesetzt und niemals ihre eigene Werkstatt gebaut.
Sie wusste, ihre Mutter hatte Tom wegen der Kosten für
die Ausbildung das Leben zur Hölle gemacht, aber dennoch
hatte er nicht eine Sekunde lang geschwankt.
»Erzähl mir, woran du gerade arbeitest.«
»Tja, an einer Art Flasche. Sehr groß und sehr schlank.
Weißt du, sie soll nach oben spitz zulaufen, und dann soll sie
sich wieder öffnen. Ein bisschen wie eine Lilie vielleicht. Und
ich versuche, ihr eine ganz zarte Farbe, wie das Innere eines
Pfirsichs, zu verleihen.«
Sie sah das Kunstwerk bereits vor sich, so deutlich wie die
Hand, mit der sie die Konturen beschrieb.
Copyright der Originalausgabe © 1994 by Nora Roberts
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 1998 by Blanvalet Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Übersetzung: Uta Hege
... weniger
Autoren-Porträt von Nora Roberts
Als Nora Roberts 1979 in ihrem Landhaus eingeschneit wurde, griff sie zu Stift und Papier und begann zu schreiben. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Seitdem hat Nora Roberts über 100 Bücher geschrieben. Mit einer Gesamtauflage von mehr als 100 Millionen Exemplaren ist sie eine der erfolgreichsten Autorinnen weltweit.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nora Roberts
- 1305 Seiten, Maße: 13 x 19,1 cm, Gebunden
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868008950
- ISBN-13: 9783868008951
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