Brennendes Herz / Ashes Bd.1
Die siebzehnjährige Alex befindet sich auf einer Wanderung in den Bergen, als plötzlich die Natur um sie herum verrücktspielt und eine Druckwelle sie zu Boden wirft. Was war das? Alex hat keine Ahnung, aber sehr schnell wird klar, dass die Welt, die sie...
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Klappentext zu „Brennendes Herz / Ashes Bd.1 “
Die siebzehnjährige Alex befindet sich auf einer Wanderung in den Bergen, als plötzlich die Natur um sie herum verrücktspielt und eine Druckwelle sie zu Boden wirft. Was war das? Alex hat keine Ahnung, aber sehr schnell wird klar, dass die Welt, die sie kannte, nicht mehr existiert. Die meisten Städte sind zerstört und die Überlebenden werden zur lauernden Gefahr. Das Einzige, worauf Alex noch zählen kann, ist ihre Liebe zu Tom. Gemeinsam versuchen die beiden, sich durchzuschlagen. Doch dann wird Tom verwundet, und Alex muss ihn schweren Herzens zurücklassen, um sein Leben zu retten. Als sie mit Hilfe zurückkehrt, ist er verschwunden. Eine packende Suche beginnt. Eine Suche nach Antworten, sich selbst und nach der einen ganz großen Liebe. Denn Alex weiß: Tom lebt, und sie wird ihn finden....
Lese-Probe zu „Brennendes Herz / Ashes Bd.1 “
Ashes Brennendes Herz von Ilsa J. Bick »Wo bist du?«, wollte Tante Hannah wissen, kaum dass Alex auf
die Sprechtaste gedrückt hatte.»Was denkst du dir denn eigentlich
dabei?«
»Ich hab gerade die Grenze von Michigan passiert.« Alex beschloss,
lieber auf die einfachere Frage einzugehen. Als sie das
Willkommensschild von Michigan gesehen hatte - »Wunderbare
Seen! Eine wunderbare Zeit!« -, empfand sie ein Gefühl von
Weite und Offenheit, als erhaschte sie nach einer Fahrt auf einer
einsamen, von dichten schwarzen Wäldern umschlossenen Straße
durch endlose Nacht den ersten Schimmer Sonnenlicht. »Ich
musste tanken.« Was nun eigentlich gar nichts besagte.
»Michigan.Was zum Henker gibt's denn in Michigan?« Tante
Hannahs zweiter Mann Paul war britischer Herkunft,im Gegensatz
zu Tante Hannah. Sie stammte aus Wisconsin - aus Sheboygan,
was Alex für einen erfundenen Ort gehalten hatte,bis er mal
in einem Song der Everly Brothers erwähnt wurde - und meinte,
»zum Henker« sei ein besonders tolles Schimpfwort, weil all
ihre Freunde, hauptsächlich Lutheraner, das irgendwie niedlich
fanden: Ach, diese Hannah. Also sagte Tante Hannah ziemlich oft
»zum Henker«, besonders in der Kirche.
»Alles Mögliche«, erwiderte Alex. Sie stand, von der untergehenden
Sonne in lachsfarbenes Licht getaucht,vor der Toilette der
Tankstelle. Auf der anderen Straßenseite buhlten Reklametafeln
um Aufmerksamkeit: Eine pries einen Besuch in Oren im Amish
Country an, eine andere lud dazu ein, Senioren in einem Heim
namens Northern Light - »Gottes Licht in dunklen Zeiten« - unterzubringen,
eine dritte wiederum warb für ein Bergbaumuseum
im Norden der Stadt. »Ich brauchte einfach mal Zeit.«
... mehr
»Zeit. Zeit wofür?« Tante Hannahs Stimme klang gepresst.
»Hältst du das etwa für ein Spiel,zum Henker? Wir sprechen von
deinem Leben, Alexandra.«
»Ich weiß. Es ist nur ...« Sie spielte mit der silbernen Trillerpfeife,
die an einem Kettchen um ihren Hals hing.Ihr Vater hatte
sie ihr geschenkt, als sie sechs war und sie zum ersten Mal im
Freien übernachteten: Wenn du hier draußen irgendwie in Schwierigkeiten
gerätst, blas einfach da rein und ich bin im Nu bei dir. Das war
eine ihrer wenigen klaren und genauen Erinnerungen an ihn.
»Ich muss das jetzt machen, solange ich noch kann.«
»Ich verstehe. Du hast sie also dabei?«
Alex wusste, was oder vielmehr wen sie damit meinte. »Ja.«
»Mir ist aufgefallen, dass auch die Pistole deines Vaters verschwunden ist.«
»Die habe ich mit.«
»Ich verstehe«,sagte Tante Hannah wieder,obwohl ihr Tonfall
nicht danach klang. »Meinst du wirklich, dass Selbstmord eine Lösung ist?«
»Was denkst du denn von mir?« Alex hörte, wie schräg hin-
ter ihr die Toilettentür geöffnet wurde. Einen Moment später
rauschten zwei Mädchen an ihr vorbei, eine Blonde und eine
Brünette, beide in taubenblauen, mit Somerville High und einem
strahlend weißen Tennisschläger bedruckten Sweatshirts. »Dass
ich mich umbringen will?«
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bereute sie es schon.
Die Pferdeschwanzblondine warf einen Blick zu ihr zurück und
flüsterte der Pferdeschwanzbrünetten etwas zu, die sich ebenfalls
zu Alex umdrehte. Die beiden zogen das volle Programm von
Glotzen über Tuscheln bis Kichern durch, bis sie auf dem Parkplatz
bei einem kleinen, altertümlich aussehenden Schulbus ankamen,
neben dem ein gestresster älterer Mann mit Brille und
wirrer Einstein-Frisur stand.
Mit brennenden Wangen wandte sich Alex ab. »Ich habe
nichts in der Richtung vor.«
Um ehrlich zu sein, hatte sie durchaus schon einige Male ein
paar Whiskeys gekippt und die Waffe ihres Vaters hervorgeholt,
um sie lang und eingehend in Augenschein zu nehmen. Was sie
hauptsächlich abschreckte, war die Vorstellung, ihre Hand könnte
zittern und sie würde sich den Frontallappen oder so etwas
zerschießen,und das wäre ja nun einfach nur jämmerlich.In Gedanken
sah sie bereits die Klatschweiber - solche wie die Pferdeschwanzblondine
und die Pferdeschwanzbrünette -,wie sie beim
Mittagessen darüber lästern würden:Mein Gott,so was von schwach!
»Schon«, meinte Tante Hannah, »aber wenn du vorhättest zurückzukommen,
hättest du sie nicht mitgenommen.«
»Irrtum. Es bedeutet nur, dass sie nicht zurückkommen.«
»Alexandra, du musst das nicht alleine durchziehen. Deine
Mutter war meine Schwester.« Tante Hannahs Stimme klang
jetzt ein bisschen belegt. »Ich weiß, dass sie so etwas nie gutgeheißen
hätte. Das hätte sie niemals gewollt.«
»Na, dann ist es ja ganz gut, dass sie nicht mehr da sind und
mit mir herumstreiten können.«
Innerhalb einer Nanosekunde wurde Tante Hannahs eben
noch sentimentale Stimme eiskalt. »Rede nicht in diesem Ton
mit mir, Alexandra. Du bist erst siebzehn. Du bist eine schwer
kranke junge Frau und noch nicht alt genug,um selbst zu wissen,
was in dieser Situation das Beste für dich ist. Sturheit und Selbstmitleid
führen zu nichts.«
Dieses ganze Gespräch führte zu nichts. Tante Hannah sah in
ihr lediglich eine siebzehnjährige Waise mit einem tennisballgroßen
Tumor im Hirn, die letztlich der Belastung nicht mehr
standhielt. »Ich weiß, Tante Hannah. In Selbstmitleid zu schwelgen
und anderen auf die Nerven zu gehen bringt nichts.«
»Gut. Das haben wir also geklärt.« Ihre Tante schnäuzte sich
in ein Taschentuch. »Wann kommst du zurück?«
Ähm ... vielleicht nie? »In der ersten Oktoberwoche. Vielleicht ... am achten?«
Sie hörte ihre Tante leise zählen. »Zwölf Tage? Warum so lang?«
»So lange dauert es, hin- und zurückzuwandern.«
»Wandern?«
»Na ja, Straßen gibt es dort nicht.«
»Das ist nicht dein Ernst! So viel Kraft hast du nicht.«
»Doch. Der letzte Behandlungszyklus liegt drei Monate zurück.
Seitdem bin ich gelaufen und geschwommen und habe
Krafttraining gemacht und auch wieder zugenommen. Ich bin ziemlich fit.«
»Aber was ist mit der neuen Therapie? Die soll doch in drei
Tagen anfangen und ...«
»Ich mache keine Therapie mehr.«
»Dr. Barrett hat ganz klar gesagt, dass die neue Behandlung
...« Ihrer Tante verschlug es die Sprache, als Alex' Worte in
ihr Bewusstsein drangen. »Was? Was soll das heißen, du machst
keine Therapie mehr? Sei nicht albern. Natürlich machst du
weiter. Was redest du da?«
»Ich sage, mir reicht's, Tante Hannah.«
»Aber ... aber dieses neuartige Medikament«, stammelte ihre
Tante. »Die Injektionen, die Nanosensoren ...«
»Du weißt, dass sie nicht funktionieren.« Wie das neue Medikament
waren auch die Nanosensoren nur ein Versuch: winzige,
mit einer giftigen Substanz gefüllte Kapseln, umhüllt von einem
speziellenlichtempfindlichenMaterial.Nachder Injektioninden
Blutkreislauf machten sich die Sensoren auf den Weg ins Gehirn
und lagerten sich an dem Tumor an - einem zähen Monster, das
auch nach einem Dutzend Chemotherapien und Bestrahlungen
nicht sterben wollte.Aktiviert durch eine optische Sonde,sollten
die Kapseln dann ihre tödliche Ladung freisetzen.Bei Alex hatte es
trotz mittlerweile vierVersuchen nicht geklappt,obwohl dieÄrzte
ihr so viele Nanosensoren ins Hirn gejagt hatten, dass man ein
paar Dutzend Flipperautomaten damit hätte bestücken können.
»Du musst Geduld haben, Alexandra.«
Du hast leicht reden. Du hast ja Zeit! »Es ist jetzt zwei Jahre her,
dass sie das Ding gefunden haben. Nichts hat geholfen.«
»Stimmt, aber der Tumor wächst relativ langsam. Dr. Barrett
sagt,du könntest durchaus noch etliche Jahre zu leben haben,und
bis dahin gibt es neue Medikamente.«
»Oder auch nicht. Ich halte das einfach nicht mehr aus.« Sie
rechnete mit einem Proteststurm am anderen Ende der Leitung,
aber da herrschte Totenstille. Das Schweigen dauerte so lange,
dass Alexschon dachte,dieVerbindung wäreunterbrochen.»Tante Hannah?«
»Ich bin noch da.« Pause. Noch immer Pause. »Wann hast du
deine Entscheidung getroffen?«
»Nach meinem Termin bei Barrett letzte Woche.«
»Und warum jetzt?«
Weil meine linke Hand zittert, dachte Alex. Weil ich nichts mehr
riechen kann. Weil ich den Kopf voller klitzekleiner Kügelchen habe,
die nicht tun, was sie sollen, und das bedeutet noch mehr Chemo und
Bestrahlung, und ich hab's so satt, dass mir die Haare ausfallen und ich
mir wegen nichts und wieder nichts die Seele aus dem Leib kotze und
meine Hausaufgaben im Bett machen muss, und ich gehe in keine Sterbeklinik.
Denn jetzt bestimme ausnahmsweise mal ich, wo's langgeht.
Aber sie antwortete:»Ich glaube,es gibt keinen besseren Zeitpunkt.
Ich muss das hinter mich bringen,solange ich noch kann.«
Wieder Stille. »Ich nehme an, die Schulleitung wird nach dir
fragen. Und Dr. Barrett wird der Schlag treffen.«
Insgeheim,dachte sie,wird Barrett womöglich erleichtert sein.
Dann braucht er keine gute Miene zum bösen Spiel mehr zu
machen. »Was willst du ihnen sagen?«
»Mir wird schon was einfallen. Rufst du an?«
»Wenn ich es zurückgeschafft habe«, sagte sie, unsicher, ob sie
dieses Versprechen halten würde. »Zum Auto, meine ich. Wenn
ich im Waucamaw bin, hab ich kein Mobilfunknetz mehr.«
»Und was soll ich tun? Eine Kerze ins Fenster stellen? Däumchen
drehen? Mich mit Stricken beschäftigen?« Als Alex nichts
darauf erwiderte,fuhr ihre Tante fort:»Einerseits hätte ich ja gute
Lust, die Polizei zu rufen und dich zurückholen zu lassen.«
»Und andererseits?«
»Andererseits denke ich mir, dass du ein Dickschädel bist.
Wenn du dir einmal was in den Kopf gesetzt hast, lässt du es dir
nicht mehr ausreden.« Ihre Tante verstummte kurz.»Und ich bin
mir nicht sicher,ob ich dir das übel nehmen kann.Was nicht heißt,
dass ich gut finde, was du da tust. Aber ich kann es verstehen.«
»Danke.«
»Keine Ursache.« Ihre Tante seufzte. »Ach, Alex, bitte pass auf
dich auf, ja? Versuch, heil zurückzukommen.«
»Ich komm schon klar. Ist ja nicht das erste Mal, dass ich mit
dem Rucksack unterwegs bin.«
»An deinen Fähigkeiten zweifle ich nicht. Ein Feuer entfachen,
sich von dem ernähren, was die Natur hergibt, eine Hütte
aus Zweigen und Kaugummi bauen ... da bist du ganz wie dein
Vater. Wenn die blöden Zombies kommen, bist du gerüstet.«
»Danke«, brachte sie mit erstickter Stimme heraus. Sie wollte
nicht, dass es mit Tränen endete. »Ich glaube, ich muss langsam
los. Ich liebe dich, Tante Hannah.«
»Ach, du Dummchen«, sagte ihre Tante, »denkst du denn, das
weiß ich nicht, zum Henker?«
Es war ihr letztes Gespräch.
1. Auflage
© 2011 INK
verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH,
Gertrudenstraße 30-36, 50667 Köln
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Copyright der Originalausgabe © 2011 by Ilsa J. Bick
Originalverlag: EGMONT USA
Originaltitel: ASHES
Übersetzung aus dem Englischen: Robert A. Weiß, Gerlinde Schermer-Rauwolf
und Sonja Schuhmacher (Kollektiv Druck-Reif )
Umschlag: Hanna Hörl Designbüro, München
unter Verwendung eines Motivs von © Peter Karasev
Satz: Greiner & Reichel, Köln
Druck/Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86396-005-6
www.egmont-ink.de
»Zeit. Zeit wofür?« Tante Hannahs Stimme klang gepresst.
»Hältst du das etwa für ein Spiel,zum Henker? Wir sprechen von
deinem Leben, Alexandra.«
»Ich weiß. Es ist nur ...« Sie spielte mit der silbernen Trillerpfeife,
die an einem Kettchen um ihren Hals hing.Ihr Vater hatte
sie ihr geschenkt, als sie sechs war und sie zum ersten Mal im
Freien übernachteten: Wenn du hier draußen irgendwie in Schwierigkeiten
gerätst, blas einfach da rein und ich bin im Nu bei dir. Das war
eine ihrer wenigen klaren und genauen Erinnerungen an ihn.
»Ich muss das jetzt machen, solange ich noch kann.«
»Ich verstehe. Du hast sie also dabei?«
Alex wusste, was oder vielmehr wen sie damit meinte. »Ja.«
»Mir ist aufgefallen, dass auch die Pistole deines Vaters verschwunden ist.«
»Die habe ich mit.«
»Ich verstehe«,sagte Tante Hannah wieder,obwohl ihr Tonfall
nicht danach klang. »Meinst du wirklich, dass Selbstmord eine Lösung ist?«
»Was denkst du denn von mir?« Alex hörte, wie schräg hin-
ter ihr die Toilettentür geöffnet wurde. Einen Moment später
rauschten zwei Mädchen an ihr vorbei, eine Blonde und eine
Brünette, beide in taubenblauen, mit Somerville High und einem
strahlend weißen Tennisschläger bedruckten Sweatshirts. »Dass
ich mich umbringen will?«
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bereute sie es schon.
Die Pferdeschwanzblondine warf einen Blick zu ihr zurück und
flüsterte der Pferdeschwanzbrünetten etwas zu, die sich ebenfalls
zu Alex umdrehte. Die beiden zogen das volle Programm von
Glotzen über Tuscheln bis Kichern durch, bis sie auf dem Parkplatz
bei einem kleinen, altertümlich aussehenden Schulbus ankamen,
neben dem ein gestresster älterer Mann mit Brille und
wirrer Einstein-Frisur stand.
Mit brennenden Wangen wandte sich Alex ab. »Ich habe
nichts in der Richtung vor.«
Um ehrlich zu sein, hatte sie durchaus schon einige Male ein
paar Whiskeys gekippt und die Waffe ihres Vaters hervorgeholt,
um sie lang und eingehend in Augenschein zu nehmen. Was sie
hauptsächlich abschreckte, war die Vorstellung, ihre Hand könnte
zittern und sie würde sich den Frontallappen oder so etwas
zerschießen,und das wäre ja nun einfach nur jämmerlich.In Gedanken
sah sie bereits die Klatschweiber - solche wie die Pferdeschwanzblondine
und die Pferdeschwanzbrünette -,wie sie beim
Mittagessen darüber lästern würden:Mein Gott,so was von schwach!
»Schon«, meinte Tante Hannah, »aber wenn du vorhättest zurückzukommen,
hättest du sie nicht mitgenommen.«
»Irrtum. Es bedeutet nur, dass sie nicht zurückkommen.«
»Alexandra, du musst das nicht alleine durchziehen. Deine
Mutter war meine Schwester.« Tante Hannahs Stimme klang
jetzt ein bisschen belegt. »Ich weiß, dass sie so etwas nie gutgeheißen
hätte. Das hätte sie niemals gewollt.«
»Na, dann ist es ja ganz gut, dass sie nicht mehr da sind und
mit mir herumstreiten können.«
Innerhalb einer Nanosekunde wurde Tante Hannahs eben
noch sentimentale Stimme eiskalt. »Rede nicht in diesem Ton
mit mir, Alexandra. Du bist erst siebzehn. Du bist eine schwer
kranke junge Frau und noch nicht alt genug,um selbst zu wissen,
was in dieser Situation das Beste für dich ist. Sturheit und Selbstmitleid
führen zu nichts.«
Dieses ganze Gespräch führte zu nichts. Tante Hannah sah in
ihr lediglich eine siebzehnjährige Waise mit einem tennisballgroßen
Tumor im Hirn, die letztlich der Belastung nicht mehr
standhielt. »Ich weiß, Tante Hannah. In Selbstmitleid zu schwelgen
und anderen auf die Nerven zu gehen bringt nichts.«
»Gut. Das haben wir also geklärt.« Ihre Tante schnäuzte sich
in ein Taschentuch. »Wann kommst du zurück?«
Ähm ... vielleicht nie? »In der ersten Oktoberwoche. Vielleicht ... am achten?«
Sie hörte ihre Tante leise zählen. »Zwölf Tage? Warum so lang?«
»So lange dauert es, hin- und zurückzuwandern.«
»Wandern?«
»Na ja, Straßen gibt es dort nicht.«
»Das ist nicht dein Ernst! So viel Kraft hast du nicht.«
»Doch. Der letzte Behandlungszyklus liegt drei Monate zurück.
Seitdem bin ich gelaufen und geschwommen und habe
Krafttraining gemacht und auch wieder zugenommen. Ich bin ziemlich fit.«
»Aber was ist mit der neuen Therapie? Die soll doch in drei
Tagen anfangen und ...«
»Ich mache keine Therapie mehr.«
»Dr. Barrett hat ganz klar gesagt, dass die neue Behandlung
...« Ihrer Tante verschlug es die Sprache, als Alex' Worte in
ihr Bewusstsein drangen. »Was? Was soll das heißen, du machst
keine Therapie mehr? Sei nicht albern. Natürlich machst du
weiter. Was redest du da?«
»Ich sage, mir reicht's, Tante Hannah.«
»Aber ... aber dieses neuartige Medikament«, stammelte ihre
Tante. »Die Injektionen, die Nanosensoren ...«
»Du weißt, dass sie nicht funktionieren.« Wie das neue Medikament
waren auch die Nanosensoren nur ein Versuch: winzige,
mit einer giftigen Substanz gefüllte Kapseln, umhüllt von einem
speziellenlichtempfindlichenMaterial.Nachder Injektioninden
Blutkreislauf machten sich die Sensoren auf den Weg ins Gehirn
und lagerten sich an dem Tumor an - einem zähen Monster, das
auch nach einem Dutzend Chemotherapien und Bestrahlungen
nicht sterben wollte.Aktiviert durch eine optische Sonde,sollten
die Kapseln dann ihre tödliche Ladung freisetzen.Bei Alex hatte es
trotz mittlerweile vierVersuchen nicht geklappt,obwohl dieÄrzte
ihr so viele Nanosensoren ins Hirn gejagt hatten, dass man ein
paar Dutzend Flipperautomaten damit hätte bestücken können.
»Du musst Geduld haben, Alexandra.«
Du hast leicht reden. Du hast ja Zeit! »Es ist jetzt zwei Jahre her,
dass sie das Ding gefunden haben. Nichts hat geholfen.«
»Stimmt, aber der Tumor wächst relativ langsam. Dr. Barrett
sagt,du könntest durchaus noch etliche Jahre zu leben haben,und
bis dahin gibt es neue Medikamente.«
»Oder auch nicht. Ich halte das einfach nicht mehr aus.« Sie
rechnete mit einem Proteststurm am anderen Ende der Leitung,
aber da herrschte Totenstille. Das Schweigen dauerte so lange,
dass Alexschon dachte,dieVerbindung wäreunterbrochen.»Tante Hannah?«
»Ich bin noch da.« Pause. Noch immer Pause. »Wann hast du
deine Entscheidung getroffen?«
»Nach meinem Termin bei Barrett letzte Woche.«
»Und warum jetzt?«
Weil meine linke Hand zittert, dachte Alex. Weil ich nichts mehr
riechen kann. Weil ich den Kopf voller klitzekleiner Kügelchen habe,
die nicht tun, was sie sollen, und das bedeutet noch mehr Chemo und
Bestrahlung, und ich hab's so satt, dass mir die Haare ausfallen und ich
mir wegen nichts und wieder nichts die Seele aus dem Leib kotze und
meine Hausaufgaben im Bett machen muss, und ich gehe in keine Sterbeklinik.
Denn jetzt bestimme ausnahmsweise mal ich, wo's langgeht.
Aber sie antwortete:»Ich glaube,es gibt keinen besseren Zeitpunkt.
Ich muss das hinter mich bringen,solange ich noch kann.«
Wieder Stille. »Ich nehme an, die Schulleitung wird nach dir
fragen. Und Dr. Barrett wird der Schlag treffen.«
Insgeheim,dachte sie,wird Barrett womöglich erleichtert sein.
Dann braucht er keine gute Miene zum bösen Spiel mehr zu
machen. »Was willst du ihnen sagen?«
»Mir wird schon was einfallen. Rufst du an?«
»Wenn ich es zurückgeschafft habe«, sagte sie, unsicher, ob sie
dieses Versprechen halten würde. »Zum Auto, meine ich. Wenn
ich im Waucamaw bin, hab ich kein Mobilfunknetz mehr.«
»Und was soll ich tun? Eine Kerze ins Fenster stellen? Däumchen
drehen? Mich mit Stricken beschäftigen?« Als Alex nichts
darauf erwiderte,fuhr ihre Tante fort:»Einerseits hätte ich ja gute
Lust, die Polizei zu rufen und dich zurückholen zu lassen.«
»Und andererseits?«
»Andererseits denke ich mir, dass du ein Dickschädel bist.
Wenn du dir einmal was in den Kopf gesetzt hast, lässt du es dir
nicht mehr ausreden.« Ihre Tante verstummte kurz.»Und ich bin
mir nicht sicher,ob ich dir das übel nehmen kann.Was nicht heißt,
dass ich gut finde, was du da tust. Aber ich kann es verstehen.«
»Danke.«
»Keine Ursache.« Ihre Tante seufzte. »Ach, Alex, bitte pass auf
dich auf, ja? Versuch, heil zurückzukommen.«
»Ich komm schon klar. Ist ja nicht das erste Mal, dass ich mit
dem Rucksack unterwegs bin.«
»An deinen Fähigkeiten zweifle ich nicht. Ein Feuer entfachen,
sich von dem ernähren, was die Natur hergibt, eine Hütte
aus Zweigen und Kaugummi bauen ... da bist du ganz wie dein
Vater. Wenn die blöden Zombies kommen, bist du gerüstet.«
»Danke«, brachte sie mit erstickter Stimme heraus. Sie wollte
nicht, dass es mit Tränen endete. »Ich glaube, ich muss langsam
los. Ich liebe dich, Tante Hannah.«
»Ach, du Dummchen«, sagte ihre Tante, »denkst du denn, das
weiß ich nicht, zum Henker?«
Es war ihr letztes Gespräch.
1. Auflage
© 2011 INK
verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH,
Gertrudenstraße 30-36, 50667 Köln
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Copyright der Originalausgabe © 2011 by Ilsa J. Bick
Originalverlag: EGMONT USA
Originaltitel: ASHES
Übersetzung aus dem Englischen: Robert A. Weiß, Gerlinde Schermer-Rauwolf
und Sonja Schuhmacher (Kollektiv Druck-Reif )
Umschlag: Hanna Hörl Designbüro, München
unter Verwendung eines Motivs von © Peter Karasev
Satz: Greiner & Reichel, Köln
Druck/Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86396-005-6
www.egmont-ink.de
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Autoren-Porträt von Ilsa J. Bick
Ilsa J. Bick ist Kinder- und Jugendpsychiaterin, Möchtegernchirurgin und ehemalige Air Force Majorin, widmet sich mittlerweile aber ganz ihrem Autorinnendasein. Am liebsten schreibt sie Jugendbücher und Kurzgeschichten, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde.Robert A. Weiß, geboren 1960, übersetzt seit mehr als 25 Jahren zusammen mit Gerlinde Schermer-Rauwolf im Kollektiv Druck-Reif Belletristik, politische und kunsthistorische Sachbücher sowie Reiseliteratur. Er lebt in München.Gerlinde Schermer-Rauwolf, geboren 1959, übersetzt seit mehr als 25 Jahren zusammen mit Robert A. Weiß im Kollektiv Druck-Reif Belletristik, politische und kunsthistorische Sachbücher sowie Reiseliteratur. Sie lebt in München.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ilsa J. Bick
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2011, 1. Aufl., 512 Seiten, Maße: 11,5 x 18 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Weiß, Robert A.; Schermer-Rauwolf, Gerlinde; Schuhmacher, Sonja
- Übersetzer: Robert A. Weiß, Gerlinde Schermer-Rauwolf, Sonja Schuhmacher
- Verlag: Ink
- ISBN-10: 386396005X
- ISBN-13: 9783863960056
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