Todesbräute
Mord in einer US-Kleinstadt - bei den Toten findet sich ein ominöser Schlüssel.
In einer amerikanischen Kleinstadt geschieht ein kaltblütiger Mord an einer jungen Frau. Der Killer hat ihr das Gesicht zertrümmert,...
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Produktinformationen zu „Todesbräute “
Mord in einer US-Kleinstadt - bei den Toten findet sich ein ominöser Schlüssel.
In einer amerikanischen Kleinstadt geschieht ein kaltblütiger Mord an einer jungen Frau. Der Killer hat ihr das Gesicht zertrümmert, sie nackt in eine Decke eingewickelt und in einen Graben geworfen. An ihrem Zeh findet die Polizei einen mysteriösen Schlüssel. Agent Daniel Vartanian übernimmt die Ermittlungen und findet heraus, dass vor dreizehn Jahren ein Mädchen auf dieselbe bestialische Art getötet wurde. Ist der Mörder zurückgekehrt, oder handelt es sich um einen perfiden Nachahmungstäter? Bevor Vartanian weitere Spuren verfolgen kann, taucht Alexandra, die Zwillingsschwester des Opfers, auf. Unversehens gerät sie selbst ins Visier dieses brutalen Serienmörders.
"Eine gefühlvolle Heldin, ein smarter Ermittler: Karen Rose zeigt sich wieder als neue Queen des Romantik-Thrillers."
PETRA
Lese-Probe zu „Todesbräute “
Todesbräute von Karen RoseProlog
Mansfield Community Hospital, Dutton, Georgia
Dreizehn Jahre zuvor
... mehr
Ein Ping. Wieder war ein Fahrstuhl angekommen. Alex starrte zu Boden und wünschte sich, unsichtbar zu sein. Ein starker Parfumduft drang in ihre Nase.
»Violet Drummond, jetzt komm schon. Wir müssen noch zwei Patienten besuchen. Warum bleibst du denn stehen? Oh!« Die Sprecherin zog scharf die Luft ein.
Geht doch weg, dachte Alex.
»Ist das nicht ... dieses Mädchen?« Das Flüstern erklang zu Alex' Linken. »Die kleine Tremaine - die überlebt hat?« Alex hielt den Blick starr auf ihre Fäuste geheftet, die in ihrem Schoß lagen. Lasst mich in Ruhe.
»Ich glaube auch«, antwortete die erste Frau mit gedämpfter Stimme. »Meine Güte, sie sieht wie ihre Schwester aus. Ich habe das Bild in der Zeitung gesehen. Das gleiche Gesicht.«
»Na ja, es sind Zwillinge. Eineiige. Oder besser, waren. Möge sie in Frieden ruhen.«
Alicia. Alex schnürte es die Kehle zu, und plötzlich konnte sie nicht mehr atmen.
»Es ist eine Schande. Das hübsche kleine Ding splitterfasernackt in den Graben zu werfen. Gott allein weiß, was dieser Mann ihr angetan hat, bevor er sie tötete.« »Dreckskerl. Solchen Herumtreibern ist nicht zu trauen. Er sollte bei lebendigem Leib verbrannt werden. Angeblich hat er ... oh, du weißt schon.«
Schreie. Schreie. In ihrem Kopf schrien eine Million Stimmen. Halt dir die Ohren zu. Schließ sie aus. Aber Alex' Hände lagen reglos in ihrem Schoß. Tür zu. Mach die Tür zu. Die Tür in ihrem Geist schloss sich, und die Stimmen verstummten abrupt. Stille. Alex holte mühsam Luft. Ihr Herz raste.
»Na ja, und die da im Rollstuhl«, fuhr die Frauenstimme fort, »soll versucht haben, sich umzubringen, als sie ihre Mutter gefunden hat. Angeblich hat sie die Tabletten geschluckt, die Doc Fabares der Mutter für ihre Nerven verschrieben hat. Zum Glück hat ihre Tante sie noch rechtzeitig gefunden. Das Mädchen, nicht die Mutter.«
»Das ist mir schon klar. Man steht selten wieder auf, wenn man sich in den Kopf geschossen hat.«
Alex zuckte zusammen, als sei der Knall des Schusses, der in ihrem Kopf erklang, real. So laut. Ohrenbetäubend. Und das viele Blut. So viel Blut. Mama.
Ich hasse dich, ich hasse dich, ich wünschte, du wärst tot. Alex kniff die Augen zu. Versuchte, die Schreie auszuschließen, aber diesmal gelang es ihr nicht. Ich hasse dich, ich hasse dich, ich wünschte, du wärst tot.
Mach die Tür zu.
»Und die Tante? Wo kommt sie her?«
»Delia aus der Bank meint, aus Ohio. Sie ist Kathys Schwester. Oder war es jedenfalls. Als die Frau an ihren Schalter kam, ist Delia fast das Herz stehengeblieben. Sieht genauso aus wie Kathy - einfach unheimlich.«
»Wollen wir hoffen, dass diese Schwester ein bisschen mehr Anstand besitzt als Kathy Tremaine. Mit zwei halbwüchsigen Töchtern einfach zu einem Mann zu ziehen ... Das ist doch kein Vorbild für zwei junge Mädchen.«
Panik stieg in ihr auf. Mach die Tür zu.
»Drei. Er hat doch auch eine Tochter. Bailey heißt sie.« »Ja, ein wilder Haufen, die drei. So etwas musste ja irgendwann passieren.«
»Wanda, bitte. Das Mädchen ist doch nicht schuld daran, dass ein Landstreicher es vergewaltigt und ermordet hat.« Wieder musste Alex um Atem ringen. Geht doch weg. Geht zur Hölle. Beide. Alle. Lasst mich doch in Ruhe beenden, was ich angefangen habe.
Wanda schnaubte. »Hast du mal gesehen, wie sich die Mädchen heutzutage anziehen? Sie betteln ja förmlich darum, dass ein Kerl sie in die Büsche zerrt und mit ihnen wer weiß was anstellt. Ich bin nur froh, dass sie von hier verschwindet.«
»Ach so? Nimmt ihre Tante sie mit nach Ohio?«
»Das hat Delia jedenfalls gesagt. Es ist wirklich besser, dass sie nicht auf die Highschool zurückkehrt. Meine Enkelin geht auf dieselbe Schule, auch in die Zehnte, genau wie Alex Tremaine. Ein solches Mädchen in der Klasse ... das ist doch niemandem zuzumuten.«
»Da sagst du was«, stimmte Violet ihr zu. »Oh, sieh nur, wie spät es ist. Wir müssen noch zu Gracie und Estelle Johnson. Hol du den Fahrstuhl, Wanda. Mir fallen sonst die Blumen aus der Hand.« Wieder erklang die Glocke des ankommenden Aufzugs, und die zwei alten Damen waren fort.
Das Beben in Alex' Körper ließ sich nicht unterdrücken. Kim wollte sie also mit nach Ohio nehmen. Na und? Alex kümmerte es nicht. Sie hatte nicht vor, in Ohio anzukommen. Sie wollte nur beenden, was sie begonnen hatte.
»Alex?« Schritte klackerten auf den Kacheln, und sie roch ein blumiges, frisches Parfum. »Was ist los? Du zitterst ja entsetzlich. Meredith, was ist passiert? Du solltest auf sie aufpassen, nicht auf der Bank sitzen und lesen.«
Kim berührte ihre Stirn, und Alex fuhr zurück, ohne den Blick von den Händen zu nehmen. Fass mich nicht an. Sie hätte es gerne hervorgestoßen, aber die Worte hallten nur in ihrem Kopf wider.
»Ist alles in Ordnung mit ihr, Mom?« Merediths Stimme. Alex erinnerte sich vage an ihre Cousine, an ein damals großes siebenjähriges Mädchen, das mit zwei fünfjährigen Barbie gespielt hatte. Zwei kleine Mädchen. Alicia. Alex war nicht mehr die eine von zwei. Ich bin allein. Wieder stieg Panik in ihr auf. Herrgott noch mal, mach die Tür zu. Alex holte tief Luft. Konzentrierte sich auf die Finsternis in ihrem Geist. Das stille Dunkel.
»Ja, ich glaube schon.« Kim hockte sich vor den Rollstuhl und tippte an Alex' Kinn, bis sie den Kopf hob. Ihr Blick begegnete Kims und glitt sofort zur Seite. Mit einem Seufzen richtete sich Kim wieder auf, und Alex stieß den Atem aus. »Komm, bringen wir sie zum Wagen. Dad fährt ihn vor den Eingang.« Der Fahrstuhl gab erneut ein Ping von sich, und Alex wurde rückwärts hineingefahren. »Aber was hat sie denn so aufgeregt? Ich war doch nur ein paar Minuten fort.«
»Da waren zwei alte Ladys. Ich glaube, sie haben über Alex und Tante Kathy gesprochen.«
»Was? Meredith, warum hast du sie denn nicht angesprochen?«
»Ich habe nicht alles verstanden und dachte, Alex würde sie auch nicht hören. Sie haben die ganze Zeit gefl üstert.« »Ja, das kann ich mir vorstellen. Alte Klatschtanten.«
Die Fahrstuhltür glitt auf, und der Rollstuhl wurde in die Eingangshalle geschoben.
»Mom.« Merediths Stimme klang warnend. »Da ist Mr. Crighton. Bailey und Wade sind bei ihm.«
»Mist. Ich hätte gedacht, er wäre schlauer. Meredith, lauf zum Wagen und hol deinen Vater. Er soll den Sheriff anrufen - nur für den Fall, dass Mr. Crighton Ärger macht.« »Okay. Mom ... mach ihn nicht wütend, ja? Bitte.« »Keine Sorge. Lauf jetzt.«
Der Rollstuhl hielt an, und Alex starrte konzentriert auf die Hände in ihrem Schoß. Ihre eigenen Hände. Hatten sie schon immer so ausgesehen?
»Dad! Sie will sie mitnehmen! Bitte nicht! Sie darf Alex nicht mitnehmen.« Bailey. Sie klang, als weinte sie. Nicht weinen, Bailey. Es ist besser so.
»Sie wird sie nirgendwo hinbringen.« Das schlurfende Geräusch seiner Stiefel war nicht mehr zu hören.
Kim seufzte. »Craig, bitte. Mach keine Szene. Das ist weder gut für Alex noch für deine beiden Kinder. Bring Bailey und Wade nach Hause. Ich nehme Alex mit.«
»Alex ist meine Tochter. Du kannst sie mir nicht einfach wegnehmen.«
»Sie ist nicht deine Tochter, Craig. Du warst mit Kathy nicht verheiratet, und du hast sie nicht adoptiert. Sie ist meine Nichte und gehört zu mir. Es tut mir leid, Bailey«, fügte sie sanfter hinzu. »Es geht nicht anders. Aber du darfst natürlich jederzeit zu Besuch kommen.«
Abgewetzte Arbeiterstiefel blieben vor dem Rollstuhl stehen. Alex zog die Füße ein. Fixierte ihre Hände. Atme. »Nein. Das Mädchen hat fünf Jahre in meinem Haus gelebt, Kim. Sie hat mich Daddy genannt.«
Nein, das hatte Alex nie getan. Sie hatte »Sir« gesagt. Bailey weinte nun laut und schluchzend. »Bitte, Kim, nimm sie mir nicht weg.«
»Du kannst nicht einfach mit ihr verschwinden. Sie will dich ja nicht einmal ansehen.« In Craigs Stimme lag ein Hauch Hysterie, aber er sagte die Wahrheit. Alex konnte Kim nicht ansehen, nicht einmal jetzt, da sie ihr Haar verändert hatte. Es war ein gutgemeinter Versuch gewesen, und Alex wusste, sie hätte ihrer Tante dankbar sein müssen. Aber Kim konnte ihre Augen nicht verändern, und das wusste Craig auch. »Du hast dir das Haar geschnitten und gefärbt, aber du siehst noch immer aus wie Kathy. Jedes Mal, wenn sie dich ansieht, sieht sie ihre Mama. Willst du ihr das antun?«
»Und wenn sie bei dir bliebe, würde sie ihre Mutter jedes Mal, wenn sie das Wohnzimmer betritt, tot auf dem Boden liegen sehen«, fuhr Kim ihn an. »Wie konntest du sie nur allein lassen?«
»Ich musste zur Arbeit«, knurrte Craig. »Damit sorgt man im Allgemeinen dafür, dass das Essen auf den Tisch kommt.«
Ich hasse dich. Ich wünschte, du wärst tot. Die Stimmen kreischten in ihrem Kopf, laut, ausdauernd, zornig. Alex ließ den Kopf sinken, und Kims Hand strich leicht über ihren Nacken. Fass mich nicht an. Sie wollte wegrücken, aber Craig stand zu dicht bei ihr. So blieb sie reglos sitzen. »Herrgott noch mal. Deine verdammte Arbeit«, stieß Kim hervor. »Du hast Kathy am schlimmsten Tag ihres Lebens allein gelassen. Wenn du zu Hause gewesen wärst, könnte sie noch leben, und Alex wäre jetzt nicht hier.«
Die Stiefel kamen näher. Alex versuchte verzweifelt, sich noch weiter in den Stuhl zurückzuziehen.
»Willst du damit sagen, dass ich daran schuld bin? Dass ich für Kathys Tod verantwortlich bin? Und Alex dazu gebracht habe, die Pillen zu schlucken? Ist es das, was du sagen willst?«
Das Schweigen zwischen ihnen war angespannt, und Alex hielt den Atem an. Kim sagte nicht nein, und Craigs Fäuste waren genauso fest geballt wie Alex'.
Die Eingangstüren glitten auseinander und wieder zusammen, Schritte waren in der Halle zu hören.
»Kim? Gibt es ein Problem?« Steve, Kims Mann. Alex stieß den Atem wieder aus. Steve war ein großer Mann mit einem netten Gesicht. Ihn konnte sie ansehen. Aber nicht jetzt.
»Ich weiß es nicht.« Kims Stimme zitterte. »Craig, gibt es ein Problem?«
Wieder ein paar Augenblicke Schweigen, dann entspannten sich Craigs Fäuste langsam. »Nein. Können die Kinder und ich wenigstens ›auf Wiedersehen‹ sagen?«
»Ja, ich denke, das ist okay.« Der Duft von Kims Parfum wurde schwächer, als sie davonging.
Craig kam näher. Mach die Tür zu. Alex kniff die Augen zusammen und wagte nicht zu atmen, als er sich herabbeugte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Sie konzentrierte sich, zwang sich, ihn aus ihrem Verstand auszuschließen, und endlich, endlich trat er zurück.
Ihr Oberkörper war gekrümmt, als Bailey sie umarmte. »Du wirst mir so fehlen, Alex. Wessen Klamotten soll ich denn jetzt klauen?« Bailey versuchte zu lachen, aber es klang wie ein Schluchzen. »Bitte schreib mir.«
Wade kam zuletzt. Mach die Tür zu. Wieder versteifte sie sich, als er sie zum Abschied umarmte. Die Stimmen kreischten. Es tat weh. Bitte. Es soll aufhören. Sie stellte sich ihre Hände an der Tür vor, stemmte sich dagegen, drückte sie zu. Und dann war auch Wade fort, und sie konnte wieder atmen.
»Wir fahren jetzt«, sagte Kim. »Lasst uns bitte gehen.« Alex hielt die Augen geschlossen, bis sie einen weißen Wagen erreicht hatten. Steve hob sie aus dem Stuhl und setzte sie ins Auto.
Klick. Er schnallte sie an und umschloss ihr Gesicht mit seinen Händen.
»Wir passen auf dich auf, Alex, das verspreche ich dir«, sagte er sanft.
Die Autotür fi el zu, und erst jetzt erlaubte sich Alex, die Fäuste zu öffnen. Nur ein wenig. Nur um zu sehen, ob die Tüte noch in ihrer Hand war. Die Tüte mit den kleinen weißen Pillen. Wo? Und wann? Aber das spielte keine Rolle. Sie musste nur beenden, was sie begonnen hatte. Sie leckte sich über die Lippen und hob den Kopf ein wenig.
»Bitte.« Der Klang ihrer Stimme erschreckte sie. Es war, als sei sie durch mangelnden Gebrauch eingerostet. Sowohl Steve als auch Kim fuhren in ihren Vordersitzen zu ihr herum.
»Mom! Alex hat gesprochen!« Meredith grinste breit. Alex nicht.
»Was ist denn, Liebes?«, fragte Kim. »Was möchtest du?« Alex senkte den Blick. »Wasser. Bitte.«
...
Übersetzung: Kerstin Winter
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Ein Ping. Wieder war ein Fahrstuhl angekommen. Alex starrte zu Boden und wünschte sich, unsichtbar zu sein. Ein starker Parfumduft drang in ihre Nase.
»Violet Drummond, jetzt komm schon. Wir müssen noch zwei Patienten besuchen. Warum bleibst du denn stehen? Oh!« Die Sprecherin zog scharf die Luft ein.
Geht doch weg, dachte Alex.
»Ist das nicht ... dieses Mädchen?« Das Flüstern erklang zu Alex' Linken. »Die kleine Tremaine - die überlebt hat?« Alex hielt den Blick starr auf ihre Fäuste geheftet, die in ihrem Schoß lagen. Lasst mich in Ruhe.
»Ich glaube auch«, antwortete die erste Frau mit gedämpfter Stimme. »Meine Güte, sie sieht wie ihre Schwester aus. Ich habe das Bild in der Zeitung gesehen. Das gleiche Gesicht.«
»Na ja, es sind Zwillinge. Eineiige. Oder besser, waren. Möge sie in Frieden ruhen.«
Alicia. Alex schnürte es die Kehle zu, und plötzlich konnte sie nicht mehr atmen.
»Es ist eine Schande. Das hübsche kleine Ding splitterfasernackt in den Graben zu werfen. Gott allein weiß, was dieser Mann ihr angetan hat, bevor er sie tötete.« »Dreckskerl. Solchen Herumtreibern ist nicht zu trauen. Er sollte bei lebendigem Leib verbrannt werden. Angeblich hat er ... oh, du weißt schon.«
Schreie. Schreie. In ihrem Kopf schrien eine Million Stimmen. Halt dir die Ohren zu. Schließ sie aus. Aber Alex' Hände lagen reglos in ihrem Schoß. Tür zu. Mach die Tür zu. Die Tür in ihrem Geist schloss sich, und die Stimmen verstummten abrupt. Stille. Alex holte mühsam Luft. Ihr Herz raste.
»Na ja, und die da im Rollstuhl«, fuhr die Frauenstimme fort, »soll versucht haben, sich umzubringen, als sie ihre Mutter gefunden hat. Angeblich hat sie die Tabletten geschluckt, die Doc Fabares der Mutter für ihre Nerven verschrieben hat. Zum Glück hat ihre Tante sie noch rechtzeitig gefunden. Das Mädchen, nicht die Mutter.«
»Das ist mir schon klar. Man steht selten wieder auf, wenn man sich in den Kopf geschossen hat.«
Alex zuckte zusammen, als sei der Knall des Schusses, der in ihrem Kopf erklang, real. So laut. Ohrenbetäubend. Und das viele Blut. So viel Blut. Mama.
Ich hasse dich, ich hasse dich, ich wünschte, du wärst tot. Alex kniff die Augen zu. Versuchte, die Schreie auszuschließen, aber diesmal gelang es ihr nicht. Ich hasse dich, ich hasse dich, ich wünschte, du wärst tot.
Mach die Tür zu.
»Und die Tante? Wo kommt sie her?«
»Delia aus der Bank meint, aus Ohio. Sie ist Kathys Schwester. Oder war es jedenfalls. Als die Frau an ihren Schalter kam, ist Delia fast das Herz stehengeblieben. Sieht genauso aus wie Kathy - einfach unheimlich.«
»Wollen wir hoffen, dass diese Schwester ein bisschen mehr Anstand besitzt als Kathy Tremaine. Mit zwei halbwüchsigen Töchtern einfach zu einem Mann zu ziehen ... Das ist doch kein Vorbild für zwei junge Mädchen.«
Panik stieg in ihr auf. Mach die Tür zu.
»Drei. Er hat doch auch eine Tochter. Bailey heißt sie.« »Ja, ein wilder Haufen, die drei. So etwas musste ja irgendwann passieren.«
»Wanda, bitte. Das Mädchen ist doch nicht schuld daran, dass ein Landstreicher es vergewaltigt und ermordet hat.« Wieder musste Alex um Atem ringen. Geht doch weg. Geht zur Hölle. Beide. Alle. Lasst mich doch in Ruhe beenden, was ich angefangen habe.
Wanda schnaubte. »Hast du mal gesehen, wie sich die Mädchen heutzutage anziehen? Sie betteln ja förmlich darum, dass ein Kerl sie in die Büsche zerrt und mit ihnen wer weiß was anstellt. Ich bin nur froh, dass sie von hier verschwindet.«
»Ach so? Nimmt ihre Tante sie mit nach Ohio?«
»Das hat Delia jedenfalls gesagt. Es ist wirklich besser, dass sie nicht auf die Highschool zurückkehrt. Meine Enkelin geht auf dieselbe Schule, auch in die Zehnte, genau wie Alex Tremaine. Ein solches Mädchen in der Klasse ... das ist doch niemandem zuzumuten.«
»Da sagst du was«, stimmte Violet ihr zu. »Oh, sieh nur, wie spät es ist. Wir müssen noch zu Gracie und Estelle Johnson. Hol du den Fahrstuhl, Wanda. Mir fallen sonst die Blumen aus der Hand.« Wieder erklang die Glocke des ankommenden Aufzugs, und die zwei alten Damen waren fort.
Das Beben in Alex' Körper ließ sich nicht unterdrücken. Kim wollte sie also mit nach Ohio nehmen. Na und? Alex kümmerte es nicht. Sie hatte nicht vor, in Ohio anzukommen. Sie wollte nur beenden, was sie begonnen hatte.
»Alex?« Schritte klackerten auf den Kacheln, und sie roch ein blumiges, frisches Parfum. »Was ist los? Du zitterst ja entsetzlich. Meredith, was ist passiert? Du solltest auf sie aufpassen, nicht auf der Bank sitzen und lesen.«
Kim berührte ihre Stirn, und Alex fuhr zurück, ohne den Blick von den Händen zu nehmen. Fass mich nicht an. Sie hätte es gerne hervorgestoßen, aber die Worte hallten nur in ihrem Kopf wider.
»Ist alles in Ordnung mit ihr, Mom?« Merediths Stimme. Alex erinnerte sich vage an ihre Cousine, an ein damals großes siebenjähriges Mädchen, das mit zwei fünfjährigen Barbie gespielt hatte. Zwei kleine Mädchen. Alicia. Alex war nicht mehr die eine von zwei. Ich bin allein. Wieder stieg Panik in ihr auf. Herrgott noch mal, mach die Tür zu. Alex holte tief Luft. Konzentrierte sich auf die Finsternis in ihrem Geist. Das stille Dunkel.
»Ja, ich glaube schon.« Kim hockte sich vor den Rollstuhl und tippte an Alex' Kinn, bis sie den Kopf hob. Ihr Blick begegnete Kims und glitt sofort zur Seite. Mit einem Seufzen richtete sich Kim wieder auf, und Alex stieß den Atem aus. »Komm, bringen wir sie zum Wagen. Dad fährt ihn vor den Eingang.« Der Fahrstuhl gab erneut ein Ping von sich, und Alex wurde rückwärts hineingefahren. »Aber was hat sie denn so aufgeregt? Ich war doch nur ein paar Minuten fort.«
»Da waren zwei alte Ladys. Ich glaube, sie haben über Alex und Tante Kathy gesprochen.«
»Was? Meredith, warum hast du sie denn nicht angesprochen?«
»Ich habe nicht alles verstanden und dachte, Alex würde sie auch nicht hören. Sie haben die ganze Zeit gefl üstert.« »Ja, das kann ich mir vorstellen. Alte Klatschtanten.«
Die Fahrstuhltür glitt auf, und der Rollstuhl wurde in die Eingangshalle geschoben.
»Mom.« Merediths Stimme klang warnend. »Da ist Mr. Crighton. Bailey und Wade sind bei ihm.«
»Mist. Ich hätte gedacht, er wäre schlauer. Meredith, lauf zum Wagen und hol deinen Vater. Er soll den Sheriff anrufen - nur für den Fall, dass Mr. Crighton Ärger macht.« »Okay. Mom ... mach ihn nicht wütend, ja? Bitte.« »Keine Sorge. Lauf jetzt.«
Der Rollstuhl hielt an, und Alex starrte konzentriert auf die Hände in ihrem Schoß. Ihre eigenen Hände. Hatten sie schon immer so ausgesehen?
»Dad! Sie will sie mitnehmen! Bitte nicht! Sie darf Alex nicht mitnehmen.« Bailey. Sie klang, als weinte sie. Nicht weinen, Bailey. Es ist besser so.
»Sie wird sie nirgendwo hinbringen.« Das schlurfende Geräusch seiner Stiefel war nicht mehr zu hören.
Kim seufzte. »Craig, bitte. Mach keine Szene. Das ist weder gut für Alex noch für deine beiden Kinder. Bring Bailey und Wade nach Hause. Ich nehme Alex mit.«
»Alex ist meine Tochter. Du kannst sie mir nicht einfach wegnehmen.«
»Sie ist nicht deine Tochter, Craig. Du warst mit Kathy nicht verheiratet, und du hast sie nicht adoptiert. Sie ist meine Nichte und gehört zu mir. Es tut mir leid, Bailey«, fügte sie sanfter hinzu. »Es geht nicht anders. Aber du darfst natürlich jederzeit zu Besuch kommen.«
Abgewetzte Arbeiterstiefel blieben vor dem Rollstuhl stehen. Alex zog die Füße ein. Fixierte ihre Hände. Atme. »Nein. Das Mädchen hat fünf Jahre in meinem Haus gelebt, Kim. Sie hat mich Daddy genannt.«
Nein, das hatte Alex nie getan. Sie hatte »Sir« gesagt. Bailey weinte nun laut und schluchzend. »Bitte, Kim, nimm sie mir nicht weg.«
»Du kannst nicht einfach mit ihr verschwinden. Sie will dich ja nicht einmal ansehen.« In Craigs Stimme lag ein Hauch Hysterie, aber er sagte die Wahrheit. Alex konnte Kim nicht ansehen, nicht einmal jetzt, da sie ihr Haar verändert hatte. Es war ein gutgemeinter Versuch gewesen, und Alex wusste, sie hätte ihrer Tante dankbar sein müssen. Aber Kim konnte ihre Augen nicht verändern, und das wusste Craig auch. »Du hast dir das Haar geschnitten und gefärbt, aber du siehst noch immer aus wie Kathy. Jedes Mal, wenn sie dich ansieht, sieht sie ihre Mama. Willst du ihr das antun?«
»Und wenn sie bei dir bliebe, würde sie ihre Mutter jedes Mal, wenn sie das Wohnzimmer betritt, tot auf dem Boden liegen sehen«, fuhr Kim ihn an. »Wie konntest du sie nur allein lassen?«
»Ich musste zur Arbeit«, knurrte Craig. »Damit sorgt man im Allgemeinen dafür, dass das Essen auf den Tisch kommt.«
Ich hasse dich. Ich wünschte, du wärst tot. Die Stimmen kreischten in ihrem Kopf, laut, ausdauernd, zornig. Alex ließ den Kopf sinken, und Kims Hand strich leicht über ihren Nacken. Fass mich nicht an. Sie wollte wegrücken, aber Craig stand zu dicht bei ihr. So blieb sie reglos sitzen. »Herrgott noch mal. Deine verdammte Arbeit«, stieß Kim hervor. »Du hast Kathy am schlimmsten Tag ihres Lebens allein gelassen. Wenn du zu Hause gewesen wärst, könnte sie noch leben, und Alex wäre jetzt nicht hier.«
Die Stiefel kamen näher. Alex versuchte verzweifelt, sich noch weiter in den Stuhl zurückzuziehen.
»Willst du damit sagen, dass ich daran schuld bin? Dass ich für Kathys Tod verantwortlich bin? Und Alex dazu gebracht habe, die Pillen zu schlucken? Ist es das, was du sagen willst?«
Das Schweigen zwischen ihnen war angespannt, und Alex hielt den Atem an. Kim sagte nicht nein, und Craigs Fäuste waren genauso fest geballt wie Alex'.
Die Eingangstüren glitten auseinander und wieder zusammen, Schritte waren in der Halle zu hören.
»Kim? Gibt es ein Problem?« Steve, Kims Mann. Alex stieß den Atem wieder aus. Steve war ein großer Mann mit einem netten Gesicht. Ihn konnte sie ansehen. Aber nicht jetzt.
»Ich weiß es nicht.« Kims Stimme zitterte. »Craig, gibt es ein Problem?«
Wieder ein paar Augenblicke Schweigen, dann entspannten sich Craigs Fäuste langsam. »Nein. Können die Kinder und ich wenigstens ›auf Wiedersehen‹ sagen?«
»Ja, ich denke, das ist okay.« Der Duft von Kims Parfum wurde schwächer, als sie davonging.
Craig kam näher. Mach die Tür zu. Alex kniff die Augen zusammen und wagte nicht zu atmen, als er sich herabbeugte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Sie konzentrierte sich, zwang sich, ihn aus ihrem Verstand auszuschließen, und endlich, endlich trat er zurück.
Ihr Oberkörper war gekrümmt, als Bailey sie umarmte. »Du wirst mir so fehlen, Alex. Wessen Klamotten soll ich denn jetzt klauen?« Bailey versuchte zu lachen, aber es klang wie ein Schluchzen. »Bitte schreib mir.«
Wade kam zuletzt. Mach die Tür zu. Wieder versteifte sie sich, als er sie zum Abschied umarmte. Die Stimmen kreischten. Es tat weh. Bitte. Es soll aufhören. Sie stellte sich ihre Hände an der Tür vor, stemmte sich dagegen, drückte sie zu. Und dann war auch Wade fort, und sie konnte wieder atmen.
»Wir fahren jetzt«, sagte Kim. »Lasst uns bitte gehen.« Alex hielt die Augen geschlossen, bis sie einen weißen Wagen erreicht hatten. Steve hob sie aus dem Stuhl und setzte sie ins Auto.
Klick. Er schnallte sie an und umschloss ihr Gesicht mit seinen Händen.
»Wir passen auf dich auf, Alex, das verspreche ich dir«, sagte er sanft.
Die Autotür fi el zu, und erst jetzt erlaubte sich Alex, die Fäuste zu öffnen. Nur ein wenig. Nur um zu sehen, ob die Tüte noch in ihrer Hand war. Die Tüte mit den kleinen weißen Pillen. Wo? Und wann? Aber das spielte keine Rolle. Sie musste nur beenden, was sie begonnen hatte. Sie leckte sich über die Lippen und hob den Kopf ein wenig.
»Bitte.« Der Klang ihrer Stimme erschreckte sie. Es war, als sei sie durch mangelnden Gebrauch eingerostet. Sowohl Steve als auch Kim fuhren in ihren Vordersitzen zu ihr herum.
»Mom! Alex hat gesprochen!« Meredith grinste breit. Alex nicht.
»Was ist denn, Liebes?«, fragte Kim. »Was möchtest du?« Alex senkte den Blick. »Wasser. Bitte.«
...
Übersetzung: Kerstin Winter
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
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Autoren-Porträt von Karen Rose
Karen Rose studierte an der Universität von Maryland, Washington D.C. Ihre hochspannenden Thriller sind preisgekrönte, internationale Topseller, die in viele verschiedenen Sprachen übersetzt worden sind. Auch in Deutschland standen Todesschrei und Todesbräute monatelang unter den Top 20 auf der Spiegel-Bestsellerliste. Wenn Karen Rose nicht gerade Thriller schreibt oder auf Weltreise ist, lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Florida.
Bibliographische Angaben
- Autor: Karen Rose
- 2012, 1, 656 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868007423
- ISBN-13: 9783868007428
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