"Eine Weihnachtsreise" und "Der Weihnachtsgast"
Doppelband
Von wegen Zeit des Friedens und der Liebe! Auch an Weihnachten wird gemordet.
...
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Produktinformationen zu „"Eine Weihnachtsreise" und "Der Weihnachtsgast" “
Von wegen Zeit des Friedens und der Liebe! Auch an Weihnachten wird gemordet.
- Die Weihnachtsreise: Eine grausame Bemerkung Isobel Alvies soll die junge Witwe Gwendolyn Kilmuir in den Selbstmord getrieben haben. Um ihre Schuld zu sühnen, muss Isobel der Mutter der Toten persönlich den versiegelten Abschiedsbrief überbringen. Auf der Suche nach Erklärungen für die Tragödie entdeckt sie dunkle Geheimnisse.
- Der Weihnachtsgast
Lese-Probe zu „"Eine Weihnachtsreise" und "Der Weihnachtsgast" “
Eine Weihnachtsreise von Anne PerryERSTER TEIL
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Oben an der Treppe hielt Lady Vespasia CummingGould für einen Augenblick inne. Applecross in Berkshire war einer jener prachtvollen Landsitze, in deren herrschaftlichem Haus breite marmorne Stufen in weitem Schwung vom ersten Stock in die Eingangshalle hinabführten. Dort hatten sich bereits die anderen Gäste eingefunden und warteten darauf, zu Tisch gerufen zu werden.
Hier und da hob jemand den Blick zu Lady Vespasia, und nach und nach reckten immer mehr der Versammelten die Köpfe. Zu warten, bis jeder Einzelne zu ihr aufblickte, wäre vielleicht ein wenig übertrieben gewesen. Vespasia hatte sich für ein Kleid in austernfarbenem Satin entschieden. Nur wenige Damen konnten es wagen, sich in dieser Farbe zu zeigen. Doch Prinz Albert persönlich hatte Vespasia zu einer der schönsten Frauen Europas erklärt, ihr herrliches Haar und ihre fein geschnittenen Züge bewundert. Dass der Prinzgemahl ihr so offen seine Bewunderung zeigte, trug allerdings nicht unbedingt dazu bei, die Königin für sie einzunehmen. Dabei hatte Prinz Albert mit seiner Einschätzung wahrscheinlich sogar recht - was die Sache aber eher noch schlimmer machte.
Im Augenblick befand sich Lady Vespasia jedoch nicht auf einer Feier bei Hofe, sondern auf einer ganz gewöhnlichen Landpartie. Anfang Dezember zog es die bessere Gesellschaft oft für Tage oder gar Wochen in die herrschaftlichen Domizile außerhalb der Stadt. Die hektische Londoner Ballsaison mit ihren zahllosen Empfängen und Einladungen war vorüber, und wer einen Landsitz sein Eigen nannte, freute sich dort im Kreise seiner Lieben in aller Beschaulichkeit auf das Weihnachtsfest. Es gab Gerüchte über einen bevorstehenden Krieg auf der Krim. Aber abgesehen davon brachte die Mitte des Jahrhunderts Königin Viktorias weltumspannendem Imperium vor allem Fortschritt und Wohlstand.
Omegus Jones erwartete Vespasia am Fuß der Treppe. Er war nicht nur ein perfekter Gastgeber, sondern auch ihr langjähriger Freund. Dabei hatte er die fünfzig bereits überschritten, während Vespasia kaum mehr als dreißig Lenze zählte. Genau genommen verdankte sie die Bekanntschaft mit Omegus Jones ihrem um einige Jahre älteren Ehemann. Die Kinder hatte sie diesmal nicht mit nach Applecross genommen. In ihrem Haus in London waren sie gut aufgehoben und wurden bestens versorgt.
»Meine liebe Vespasia, Sie sehen einfach hinreißend aus«, sagte Omegus mit einem wie üblich leicht spöttischen Lächeln. »Aber das wissen Sie selbst sicher am besten. Also bitte, halten Sie mich nicht zum Narren, indem Sie vorgeben, überrascht zu sein, oder gar so tun, als würde ich übertreiben.« Der schlanke Omegus galt selbst als recht ansehnlich und brachte das Kunststück fertig, stets natürlich und dabei doch unaufdringlich elegant zu wirken. Aus seinen Zügen sprach ein hintersinniger Humor, und er fühlte sich hier draußen auf dem Land offenbar genauso zu Hause wie in den Londoner Salons.
»Danke«, sagte Vespasia schlicht. Eine ironische Entgegnung erschien ihr unangebracht. Abgesehen davon hatte Omegus ihr durch seine Offenheit ohnehin schon den Wind aus den Segeln genommen.
Mit ihr zusammen tummelten sich im Augenblick etwa ein Dutzend Gäste auf Applecross. Zu den hochrangigsten gehörten zweifellos Lord und Lady Salchester, dicht gefolgt von Sir John und Lady Warburton. Lady Warburtons Schwester hatte einen Herzog geehelicht, und sie ließ keine Gelegenheit aus, die anderen Gäste daran zu erinnern. Vespasia selbst war die Tochter eines Grafen, aber damit ging sie nicht hausieren. Schließlich stellte es keine besondere Leistung dar, in eine Familie von altem Adel hineingeboren worden zu sein. Diejenigen, die ihr Rang etwas anging, kannten ihn ohnehin. Seinen Titel ständig zu erwähnen, war in Vespasias Augen nicht nur geschmacklos, man erweckte dadurch auch den Verdacht, man habe sonst nichts vorzuweisen. Meist dauerte es nicht lange, bis der Respekt, den der Titel anfangs erzeugte, in Geringschätzung umschlug.
Zu den Gästen gehörten neben Fenton und Blanche Twyford auch zwei junge Männer, die so manche Mutter einer heiratsfähigen Tochter nur zu gern als Schwiegersohn gesehen hätte: Peter Hanning und Bertie Rosythe. Gwendolen Kilmuir, die seit über einem Jahr verwitwet war, und Isobel Alvie, die ihren Ehemann vor nunmehr fast drei Jahren verloren hatte, waren ebenfalls mit von der Partie.
Es war nicht üblich, vor dem Dinner Erfrischungen zu reichen. Man machte einfach so lange höfliche Konversation, bis der Butler den Gong ertönen ließ, der alle zu Tisch rief. Dann schritten die Gäste in der Reihenfolge ihres gesellschaftlichen Ranges in den Speisesaal. So verlangte es die Etikette, deren Regeln einem unumstößlichen Gesetz gleichkamen.
Lady Salchester, eine ausgezeichnete Reiterin, trug ein Kleid in tiefem Weinrot mit einem geradezu abenteuerlich ausladenden Rock. Im Augenblick sprach sie über die Rennen der vergangenen Saison im Allgemeinen und über die ereignisreichen Tage von Royal Ascot im Besonderen.
»Welch ein vollkommenes Geschöpf!«, rief sie voller Begeisterung. Ihre Stimme füllte mühelos den Raum. »Dagegen waren alle anderen völlig chancenlos.«
Lady Warburton lächelte, als sei sie derselben Meinung.
Bertie Rosythe - schlank, blond und wie immer makellos gekleidet - gab sich die größte Mühe, seine Langeweile zu verbergen. Er machte seine Sache hervorragend. Wer ihn weniger gut kannte als Vespasia, hätte glauben können, er höre nichts lieber als Berichte über Wochen zurückliegende Pferderennen.
Isobel gesellte sich zu Vespasia. Sie war keine Schönheit, aber doch auf ihre dunkle Art attraktiv, hatte sehr auffallende Augen und einen wachen Geist.
»Ja, wirklich absolut vollkommen«, flüsterte sie. »Und wenn irgendjemand keine Chance hatte, dann sicher Lady Salchester selbst.«
»Wovon redest du überhaupt?«, fragte Vespasia, die bereits ahnte, dass Isobel nicht etwa ein Pferd im Sinn hatte.
»Von Fanny Oakley«, hauchte Isobel. Dabei beugte sie sich noch näher zu Vespasia. »Hast du sie denn in Ascot nicht gesehen? Wo hattest du bloß deine Augen?«
»Auf der Rennbahn«, antwortete Vespasia trocken.
»Das ist nicht dein Ernst!« Isobel lachte. »Oder hast du etwa dein Geld verwettet? Gütiger Himmel!«
Vespasia las Besorgnis in Isobels Zügen. Es kam gar nicht so selten vor, dass wohlhabende junge Frauen, die sich langweilten, weil ihre Ehemänner selten zu Hause waren und das Personal ihnen alle Pflichten abnahm, bis über beide Ohren in Spiel- und Wettschulden versanken.
Für einen kurzen Moment war Vespasia recht unbehaglich zumute. Sie fragte sich, ob Isobel aufmerksam genug war, die schwer bestimmbare, deprimierende Leere wahrzunehmen, die sich in ihre Ehe geschlichen hatte.
Jeder wünschte sich gute Freunde. Ohne sie wäre das Leben nur eine Aneinanderreihung oberflächlicher Vegnügungen. Doch in jedem Herzen gab es versteckte Winkel, die niemanden etwas angingen. Eine bestimmte Art des Schmerzes ließ sich nur im Stillen ertragen. Isobel konnte nicht wissen, was sich in der wilden Zeit der 48er Revolution in Rom zugetragen hatte. Niemand ahnte etwas davon. Eine solche Liebe gab es nur einmal im Leben. Dann musste sie für alle Zeit im Herzen verschlossen werden und durfte sich nur manchmal im Traum hervorwagen. Lady Vespasia Cumming-Gould und Mario Corena würden sich nie wiedersehen. Vespasias Leben spielte sich in den besten Häusern von London und an Orten wie Applecross ab. Hier war ihr Platz und nicht im fernen Italien.
»Nein, mach dir keine Sorgen«, antwortete Vespasia leichthin. »Ich finde die Rennen auch ohne riskante Wetten sehr anregend.«
»Sprichst du von den Pferden?«, fragte Isobel leise. »Wovon denn sonst?«, gab Vespasia zurück.
Isobel lachte.
Lord Salchester entdeckte Vespasia und nickte ihr anerkennend zu. Lady Salchester verzog den Mund zu einem süßlichen Lächeln. Doch ihr Blick blieb eisig.
»Guten Abend, Lady Vespasia«, sagte sie mit schneidender Stimme. »Wie schön, Sie zu sehen. Offenbar haben Sie sich von den Strapazen der Saison schon ein wenig erholt.« Lady Salchesters ungnädige Anspielung bezog sich auf die fürchterliche Sommergrippe, die Vespasia während der Henley-Regatta zu schaffen gemacht hatte. »Hoffen wir, dass das nächste Jahr nicht zu anstrengend für Sie wird, meine Liebe«, fügte Lady Salchester hinzu. Sie war über zwanzig Jahre älter als Vespasia und galt als zäh und zielstrebig. Nur schön war sie nie gewesen.
Vespasia spürte Lord Salchesters Blicke, doch noch eingehender fühlte sie sich von Omegus Jones beobachtet. Ihm zuliebe hielt sie sich bei ihrer Antwort zurück. Scheinbar witzige Bemerkungen, die vor allem auf die Schwächen einer anderen Person abzielten, fand sie ohnehin nicht besonders lustig. »Das hoffe ich auch«, sagte sie schlicht. »Es ist für alle lästig, wenn jemand nicht so kann, wie er gern möchte. Ich werde mich bemühen, die Stimmung nicht noch einmal zu verderben.«
Isobel war überrascht. Lady Salchester staunte.
Vespasia lächelte lieblich und entschuldigte sich.
Gwendolen Kilmuir sprach gerade in ernstem Ton mit Bertie Rosythe. Dabei neigte sie anmutig den Kopf. Die Lichter in der Halle ließen das tiefe Braun ihrer üppigen Haarpracht mit dem kräftigen Rosa ihres Kleides um die Wette schimmern. Der Tod ihres Mannes lag inzwischen etwas über ein Jahr zurück, und sie hatte die erstbeste Gelegenheit beim Schopf gepackt, die schwarze Trauerkleidung abzulegen. Mit achtundzwanzig Jahren war sie noch längst keine alte Frau und beabsichtigte nicht, die Trauerzeit über die von der Gesellschaft als schicklich empfundene Frist hinaus auszudehnen. Herausfordernd blickte sie zu Bertie auf. Doch sie lächelte dabei, und die Wärme und Weichheit, die in diesem Augenblick in ihren Zügen lagen, sprachen Bände.
Vespasia sah sich nach Isobel um. Sie wunderte sich über den finsteren Schatten in den Augen ihrer Freundin. Als Isobel Vespasias Blick bemerkte, setzte sie schnell ein Lächeln auf.
Nun hatte Bertie sie entdeckt. Er war wie immer die Höflichkeit in Person. Gwendolen hingegen bereitete es sichtlich Mühe, sich über die Ankunft der beiden anderen Damen zu freuen. Vespasia entging nicht, wie sich die Muskeln in Gwendolens Hals und Kinn anspannten, wie sie tief durchatmete, bevor sie sich zu einem Lächeln durchrang. »Guten Abend, Lady Vespasia und Mrs Alvie. Sicher wird es eine Freude sein, gemeinsam mit Ihnen zu Abend zu essen.«
»Wie immer«, murmelte Isobel. »Ich glaube, wir hatten bereits im Sommer bei Lady Cranbourne das Vergnügen. Und beim Gartenfest der Königin.« Sie musterte Gwendolens rosafarbene Robe. »Jedenfalls erinnere ich mich an Ihr Kleid.«
Gwendolen errötete. Bertie lächelte verlegen.
Vespasia fiel es in diesem Moment wie Schuppen von den Augen. Offenbar war Isobels Interesse an Bertie weitaus weniger oberflächlich, als sie bisher angenommen hatte. Die Spitze in ihrer Bemerkung verriet sie. Normalerweise neigte Isobel nicht zu derlei Grausamkeiten.
»Du erinnerst dich an das Kleid?«, sagte Vespasia mit gespieltem Erstaunen. »Wie ungewöhnlich.« Kritisch betrachtete sie Isobels in Altgold gehaltene Robe mit dem üppigen Rock. »Kleider, die es lohnen, dass man sich an sie erinnert, gibt es heutzutage viel zu selten, findest du nicht?«
Isobel japste nach Luft. Ihr Blick flackerte gefährlich auf.
Dafür wirkte Gwendolen nun deutlich entspannter. Sie lachte erleichtert auf und wandte sich wieder ihrer Unterhaltung mit Bertie zu.
Lady Warburton gesellte sich zu den jungen Leuten und versorgte sie mit dem neuesten Tratsch. Mit »Er soll gesagt haben ... «, »Von ihr heißt es ... « und »Sollte man es denn für möglich halten ...?« bestritt sie einen Großteil des Gesprächs.
Schließlich ertönte der Gong zum Abendessen, und Omegus Jones bot Vespasia seinen Arm. Dass er sie zu Tisch führen wollte, obwohl Lady Salchester zugegen war, empfand sie als besondere Ehre. Gemessenen Schrittes zog die Prozession in den langen, ganz in Blau und Gold gehaltenen Speisesaal ein. Jeder ging zu dem Platz, der ihm an der festlich gedeckten Tafel zugedacht war.
Das Licht der Kronleuchter spiegelte sich im Tafelsilber, tanzte auf den Kristallgläsern und ließ das Meer der zu Lilienblüten gefalteten Leinenservietten seidig schimmern. Im Kamin knisterte ein wärmendes Feuer.
Große Schalen mit den Blüten weißer Chrysanthemen schmückten den Tisch. Sie verbreiteten einen Duft nach Erde und Herbstblättern und verliehen dem Saal eine Atmosphäre, die Vespasia an einen herbstlichen Garten erinnerte.
Das Dinner begann mit einer leichten Consommé. Neun Gänge würden aufgetragen werden, aber niemand erwartete, dass jeder von allen Speisen aß. Die Damen mussten auf ihre Figur achten, denn die derzeitige Mode verlangte eine unglaublich schmale Taille. Deshalb galt es, die Gaumenfreuden mit Bedacht zu wählen. In Zeiten wie diesen, in denen das nackte Überleben vergleichsweise einfach war, schuf man sich Regeln, die das gesellschaftliche Überleben umso schwieriger gestalteten. Hielt man sich nicht daran, so wurde man alsbald wie ein Aussätziger behandelt.
Des Austausches belangloser Floskeln überdrüssig, wandte sich die Gesellschaft schließlich tiefgründigeren Gesprächsthemen zu. Sir John Warburton ließ sich über die gegenwärtige politische Lage aus. Er legte seine Ansichten mit großer Ernsthaftigkeit dar. Seine gebräunten mageren Hände hoben sich von dem weißen Tischtuch ab.
»Glauben Sie wirklich, es wird Krieg geben?«, fragte Peter Hanning mit gerunzelter Stirn.
»Sie meinen mit Russland?« Sir John hob die Augenbrauen. »Das ist nicht auszuschließen.« »Papperlapapp!«, meldete sich Lord Salchester barsch zu Wort. Dabei schwenkte er sein Weinglas Aufmerksamkeit heischend durch die Luft. »Niemand wird die Waffen gegen uns erheben. Schon gar nicht wegen der Krim! Man wird sich an Waterloo erinnern und uns hübsch in Ruhe lassen.«
»Die Schlacht bei Waterloo liegt inzwischen über fünfunddreißig Jahre zurück«, gab Omegus Jones zu bedenken. »Die Männer, die damals kämpften, haben die Schwerter längst aus der Hand gelegt.«
»Mag sein. Aber die Britische Armee ist dieselbe geblieben, Sir!«, entgegnete Salchester. Vespasia hätte wetten können, dass sich dabei sein Schnurrbart sträubte.
»Ja, das fürchte ich auch«, sagte Omegus trocken. Er presste die Lippen aufeinander, und sein Blick ging in die Ferne.
»Wir verfügen zweifelsohne über die beste, siegreichste Armee der Welt.« Salchester wurde lauter.
»Wir haben Napoleon geschlagen«, korrigierte Omegus ihn. »Aber die Zeiten ändern sich. Gut und Böse wird es immer geben. Genau wie Stolz und Mitgefühl. Aber die Art der Kriegsführung entwickelt sich ständig weiter. Es gibt neue Waffen, neue Strategien.«
»Meinem Gastgeber widerspreche ich nur höchst ungern«, antwortete Salchester. »Reine Höflichkeit hält mich davon ab, Ihnen zu sagen, was ich von Ihren Ansichten halte.«
Über Omegus' Gesicht huschte ein Lächeln. Falls Salchester ihn provoziert hatte, merkte man ihm das nicht an. »Hoffen wir, dass wir nicht schon in Kürze erfahren werden, wer von uns beiden recht hat.«
Livrierte Diener und Hausmädchen mit spitzenbesetzten Schürzen räumten die Suppenteller ab und servierten den Fisch. Der Butler füllte die Weingläser. Das Licht der Kronleuchter verbreitete seinen festlichen Glanz. Nur das leise Klirren von Porzellan und Tafelsilber untermalte die Gespräche, die nun langsam wieder in Gang kamen.
Vespasia fand es weitaus interessanter, die anderen Gäste zu beobachten, als ihnen zuzuhören. Mimik und Gestik einer Person verrieten mehr über ihre Gemütsverfassung als sorgsam gewählte Worte. Sie sah, wie oft Gwendolens Augen zu Bertie Rosythe wanderten, bemerkte die glühenden Wangen der jungen Frau und stellte fest, wie leicht Bertie sie zum Lachen bringen konnte. Offenbar genoss er Gwendolens Aufmerksamkeit, doch er bemühte sich, das nicht allzu deutlich zu zeigen.
Vespasia war nicht die Einzige, der auffiel, wie sehr die beiden einander zugetan waren. Blanche Twynford betrachtete Gwendolen und Bertie mit großer Zufriedenheit, und Vespasia fiel eine beiläufige Beobachtung ein, deren Bedeutung sie nun zu verstehen glaubte. Blanche hatte etwas über die alljährliche Häufung von Hochzeiten im Frühling gesagt und Gwendolen damit zum Erröten gebracht. Vielleicht würde es ja im Laufe des Wochenendes noch eine entsprechende Ankündigung geben. Jedenfalls deutete einiges darauf hin.
...
Übersetzung: Usch Pilz
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Oben an der Treppe hielt Lady Vespasia CummingGould für einen Augenblick inne. Applecross in Berkshire war einer jener prachtvollen Landsitze, in deren herrschaftlichem Haus breite marmorne Stufen in weitem Schwung vom ersten Stock in die Eingangshalle hinabführten. Dort hatten sich bereits die anderen Gäste eingefunden und warteten darauf, zu Tisch gerufen zu werden.
Hier und da hob jemand den Blick zu Lady Vespasia, und nach und nach reckten immer mehr der Versammelten die Köpfe. Zu warten, bis jeder Einzelne zu ihr aufblickte, wäre vielleicht ein wenig übertrieben gewesen. Vespasia hatte sich für ein Kleid in austernfarbenem Satin entschieden. Nur wenige Damen konnten es wagen, sich in dieser Farbe zu zeigen. Doch Prinz Albert persönlich hatte Vespasia zu einer der schönsten Frauen Europas erklärt, ihr herrliches Haar und ihre fein geschnittenen Züge bewundert. Dass der Prinzgemahl ihr so offen seine Bewunderung zeigte, trug allerdings nicht unbedingt dazu bei, die Königin für sie einzunehmen. Dabei hatte Prinz Albert mit seiner Einschätzung wahrscheinlich sogar recht - was die Sache aber eher noch schlimmer machte.
Im Augenblick befand sich Lady Vespasia jedoch nicht auf einer Feier bei Hofe, sondern auf einer ganz gewöhnlichen Landpartie. Anfang Dezember zog es die bessere Gesellschaft oft für Tage oder gar Wochen in die herrschaftlichen Domizile außerhalb der Stadt. Die hektische Londoner Ballsaison mit ihren zahllosen Empfängen und Einladungen war vorüber, und wer einen Landsitz sein Eigen nannte, freute sich dort im Kreise seiner Lieben in aller Beschaulichkeit auf das Weihnachtsfest. Es gab Gerüchte über einen bevorstehenden Krieg auf der Krim. Aber abgesehen davon brachte die Mitte des Jahrhunderts Königin Viktorias weltumspannendem Imperium vor allem Fortschritt und Wohlstand.
Omegus Jones erwartete Vespasia am Fuß der Treppe. Er war nicht nur ein perfekter Gastgeber, sondern auch ihr langjähriger Freund. Dabei hatte er die fünfzig bereits überschritten, während Vespasia kaum mehr als dreißig Lenze zählte. Genau genommen verdankte sie die Bekanntschaft mit Omegus Jones ihrem um einige Jahre älteren Ehemann. Die Kinder hatte sie diesmal nicht mit nach Applecross genommen. In ihrem Haus in London waren sie gut aufgehoben und wurden bestens versorgt.
»Meine liebe Vespasia, Sie sehen einfach hinreißend aus«, sagte Omegus mit einem wie üblich leicht spöttischen Lächeln. »Aber das wissen Sie selbst sicher am besten. Also bitte, halten Sie mich nicht zum Narren, indem Sie vorgeben, überrascht zu sein, oder gar so tun, als würde ich übertreiben.« Der schlanke Omegus galt selbst als recht ansehnlich und brachte das Kunststück fertig, stets natürlich und dabei doch unaufdringlich elegant zu wirken. Aus seinen Zügen sprach ein hintersinniger Humor, und er fühlte sich hier draußen auf dem Land offenbar genauso zu Hause wie in den Londoner Salons.
»Danke«, sagte Vespasia schlicht. Eine ironische Entgegnung erschien ihr unangebracht. Abgesehen davon hatte Omegus ihr durch seine Offenheit ohnehin schon den Wind aus den Segeln genommen.
Mit ihr zusammen tummelten sich im Augenblick etwa ein Dutzend Gäste auf Applecross. Zu den hochrangigsten gehörten zweifellos Lord und Lady Salchester, dicht gefolgt von Sir John und Lady Warburton. Lady Warburtons Schwester hatte einen Herzog geehelicht, und sie ließ keine Gelegenheit aus, die anderen Gäste daran zu erinnern. Vespasia selbst war die Tochter eines Grafen, aber damit ging sie nicht hausieren. Schließlich stellte es keine besondere Leistung dar, in eine Familie von altem Adel hineingeboren worden zu sein. Diejenigen, die ihr Rang etwas anging, kannten ihn ohnehin. Seinen Titel ständig zu erwähnen, war in Vespasias Augen nicht nur geschmacklos, man erweckte dadurch auch den Verdacht, man habe sonst nichts vorzuweisen. Meist dauerte es nicht lange, bis der Respekt, den der Titel anfangs erzeugte, in Geringschätzung umschlug.
Zu den Gästen gehörten neben Fenton und Blanche Twyford auch zwei junge Männer, die so manche Mutter einer heiratsfähigen Tochter nur zu gern als Schwiegersohn gesehen hätte: Peter Hanning und Bertie Rosythe. Gwendolen Kilmuir, die seit über einem Jahr verwitwet war, und Isobel Alvie, die ihren Ehemann vor nunmehr fast drei Jahren verloren hatte, waren ebenfalls mit von der Partie.
Es war nicht üblich, vor dem Dinner Erfrischungen zu reichen. Man machte einfach so lange höfliche Konversation, bis der Butler den Gong ertönen ließ, der alle zu Tisch rief. Dann schritten die Gäste in der Reihenfolge ihres gesellschaftlichen Ranges in den Speisesaal. So verlangte es die Etikette, deren Regeln einem unumstößlichen Gesetz gleichkamen.
Lady Salchester, eine ausgezeichnete Reiterin, trug ein Kleid in tiefem Weinrot mit einem geradezu abenteuerlich ausladenden Rock. Im Augenblick sprach sie über die Rennen der vergangenen Saison im Allgemeinen und über die ereignisreichen Tage von Royal Ascot im Besonderen.
»Welch ein vollkommenes Geschöpf!«, rief sie voller Begeisterung. Ihre Stimme füllte mühelos den Raum. »Dagegen waren alle anderen völlig chancenlos.«
Lady Warburton lächelte, als sei sie derselben Meinung.
Bertie Rosythe - schlank, blond und wie immer makellos gekleidet - gab sich die größte Mühe, seine Langeweile zu verbergen. Er machte seine Sache hervorragend. Wer ihn weniger gut kannte als Vespasia, hätte glauben können, er höre nichts lieber als Berichte über Wochen zurückliegende Pferderennen.
Isobel gesellte sich zu Vespasia. Sie war keine Schönheit, aber doch auf ihre dunkle Art attraktiv, hatte sehr auffallende Augen und einen wachen Geist.
»Ja, wirklich absolut vollkommen«, flüsterte sie. »Und wenn irgendjemand keine Chance hatte, dann sicher Lady Salchester selbst.«
»Wovon redest du überhaupt?«, fragte Vespasia, die bereits ahnte, dass Isobel nicht etwa ein Pferd im Sinn hatte.
»Von Fanny Oakley«, hauchte Isobel. Dabei beugte sie sich noch näher zu Vespasia. »Hast du sie denn in Ascot nicht gesehen? Wo hattest du bloß deine Augen?«
»Auf der Rennbahn«, antwortete Vespasia trocken.
»Das ist nicht dein Ernst!« Isobel lachte. »Oder hast du etwa dein Geld verwettet? Gütiger Himmel!«
Vespasia las Besorgnis in Isobels Zügen. Es kam gar nicht so selten vor, dass wohlhabende junge Frauen, die sich langweilten, weil ihre Ehemänner selten zu Hause waren und das Personal ihnen alle Pflichten abnahm, bis über beide Ohren in Spiel- und Wettschulden versanken.
Für einen kurzen Moment war Vespasia recht unbehaglich zumute. Sie fragte sich, ob Isobel aufmerksam genug war, die schwer bestimmbare, deprimierende Leere wahrzunehmen, die sich in ihre Ehe geschlichen hatte.
Jeder wünschte sich gute Freunde. Ohne sie wäre das Leben nur eine Aneinanderreihung oberflächlicher Vegnügungen. Doch in jedem Herzen gab es versteckte Winkel, die niemanden etwas angingen. Eine bestimmte Art des Schmerzes ließ sich nur im Stillen ertragen. Isobel konnte nicht wissen, was sich in der wilden Zeit der 48er Revolution in Rom zugetragen hatte. Niemand ahnte etwas davon. Eine solche Liebe gab es nur einmal im Leben. Dann musste sie für alle Zeit im Herzen verschlossen werden und durfte sich nur manchmal im Traum hervorwagen. Lady Vespasia Cumming-Gould und Mario Corena würden sich nie wiedersehen. Vespasias Leben spielte sich in den besten Häusern von London und an Orten wie Applecross ab. Hier war ihr Platz und nicht im fernen Italien.
»Nein, mach dir keine Sorgen«, antwortete Vespasia leichthin. »Ich finde die Rennen auch ohne riskante Wetten sehr anregend.«
»Sprichst du von den Pferden?«, fragte Isobel leise. »Wovon denn sonst?«, gab Vespasia zurück.
Isobel lachte.
Lord Salchester entdeckte Vespasia und nickte ihr anerkennend zu. Lady Salchester verzog den Mund zu einem süßlichen Lächeln. Doch ihr Blick blieb eisig.
»Guten Abend, Lady Vespasia«, sagte sie mit schneidender Stimme. »Wie schön, Sie zu sehen. Offenbar haben Sie sich von den Strapazen der Saison schon ein wenig erholt.« Lady Salchesters ungnädige Anspielung bezog sich auf die fürchterliche Sommergrippe, die Vespasia während der Henley-Regatta zu schaffen gemacht hatte. »Hoffen wir, dass das nächste Jahr nicht zu anstrengend für Sie wird, meine Liebe«, fügte Lady Salchester hinzu. Sie war über zwanzig Jahre älter als Vespasia und galt als zäh und zielstrebig. Nur schön war sie nie gewesen.
Vespasia spürte Lord Salchesters Blicke, doch noch eingehender fühlte sie sich von Omegus Jones beobachtet. Ihm zuliebe hielt sie sich bei ihrer Antwort zurück. Scheinbar witzige Bemerkungen, die vor allem auf die Schwächen einer anderen Person abzielten, fand sie ohnehin nicht besonders lustig. »Das hoffe ich auch«, sagte sie schlicht. »Es ist für alle lästig, wenn jemand nicht so kann, wie er gern möchte. Ich werde mich bemühen, die Stimmung nicht noch einmal zu verderben.«
Isobel war überrascht. Lady Salchester staunte.
Vespasia lächelte lieblich und entschuldigte sich.
Gwendolen Kilmuir sprach gerade in ernstem Ton mit Bertie Rosythe. Dabei neigte sie anmutig den Kopf. Die Lichter in der Halle ließen das tiefe Braun ihrer üppigen Haarpracht mit dem kräftigen Rosa ihres Kleides um die Wette schimmern. Der Tod ihres Mannes lag inzwischen etwas über ein Jahr zurück, und sie hatte die erstbeste Gelegenheit beim Schopf gepackt, die schwarze Trauerkleidung abzulegen. Mit achtundzwanzig Jahren war sie noch längst keine alte Frau und beabsichtigte nicht, die Trauerzeit über die von der Gesellschaft als schicklich empfundene Frist hinaus auszudehnen. Herausfordernd blickte sie zu Bertie auf. Doch sie lächelte dabei, und die Wärme und Weichheit, die in diesem Augenblick in ihren Zügen lagen, sprachen Bände.
Vespasia sah sich nach Isobel um. Sie wunderte sich über den finsteren Schatten in den Augen ihrer Freundin. Als Isobel Vespasias Blick bemerkte, setzte sie schnell ein Lächeln auf.
Nun hatte Bertie sie entdeckt. Er war wie immer die Höflichkeit in Person. Gwendolen hingegen bereitete es sichtlich Mühe, sich über die Ankunft der beiden anderen Damen zu freuen. Vespasia entging nicht, wie sich die Muskeln in Gwendolens Hals und Kinn anspannten, wie sie tief durchatmete, bevor sie sich zu einem Lächeln durchrang. »Guten Abend, Lady Vespasia und Mrs Alvie. Sicher wird es eine Freude sein, gemeinsam mit Ihnen zu Abend zu essen.«
»Wie immer«, murmelte Isobel. »Ich glaube, wir hatten bereits im Sommer bei Lady Cranbourne das Vergnügen. Und beim Gartenfest der Königin.« Sie musterte Gwendolens rosafarbene Robe. »Jedenfalls erinnere ich mich an Ihr Kleid.«
Gwendolen errötete. Bertie lächelte verlegen.
Vespasia fiel es in diesem Moment wie Schuppen von den Augen. Offenbar war Isobels Interesse an Bertie weitaus weniger oberflächlich, als sie bisher angenommen hatte. Die Spitze in ihrer Bemerkung verriet sie. Normalerweise neigte Isobel nicht zu derlei Grausamkeiten.
»Du erinnerst dich an das Kleid?«, sagte Vespasia mit gespieltem Erstaunen. »Wie ungewöhnlich.« Kritisch betrachtete sie Isobels in Altgold gehaltene Robe mit dem üppigen Rock. »Kleider, die es lohnen, dass man sich an sie erinnert, gibt es heutzutage viel zu selten, findest du nicht?«
Isobel japste nach Luft. Ihr Blick flackerte gefährlich auf.
Dafür wirkte Gwendolen nun deutlich entspannter. Sie lachte erleichtert auf und wandte sich wieder ihrer Unterhaltung mit Bertie zu.
Lady Warburton gesellte sich zu den jungen Leuten und versorgte sie mit dem neuesten Tratsch. Mit »Er soll gesagt haben ... «, »Von ihr heißt es ... « und »Sollte man es denn für möglich halten ...?« bestritt sie einen Großteil des Gesprächs.
Schließlich ertönte der Gong zum Abendessen, und Omegus Jones bot Vespasia seinen Arm. Dass er sie zu Tisch führen wollte, obwohl Lady Salchester zugegen war, empfand sie als besondere Ehre. Gemessenen Schrittes zog die Prozession in den langen, ganz in Blau und Gold gehaltenen Speisesaal ein. Jeder ging zu dem Platz, der ihm an der festlich gedeckten Tafel zugedacht war.
Das Licht der Kronleuchter spiegelte sich im Tafelsilber, tanzte auf den Kristallgläsern und ließ das Meer der zu Lilienblüten gefalteten Leinenservietten seidig schimmern. Im Kamin knisterte ein wärmendes Feuer.
Große Schalen mit den Blüten weißer Chrysanthemen schmückten den Tisch. Sie verbreiteten einen Duft nach Erde und Herbstblättern und verliehen dem Saal eine Atmosphäre, die Vespasia an einen herbstlichen Garten erinnerte.
Das Dinner begann mit einer leichten Consommé. Neun Gänge würden aufgetragen werden, aber niemand erwartete, dass jeder von allen Speisen aß. Die Damen mussten auf ihre Figur achten, denn die derzeitige Mode verlangte eine unglaublich schmale Taille. Deshalb galt es, die Gaumenfreuden mit Bedacht zu wählen. In Zeiten wie diesen, in denen das nackte Überleben vergleichsweise einfach war, schuf man sich Regeln, die das gesellschaftliche Überleben umso schwieriger gestalteten. Hielt man sich nicht daran, so wurde man alsbald wie ein Aussätziger behandelt.
Des Austausches belangloser Floskeln überdrüssig, wandte sich die Gesellschaft schließlich tiefgründigeren Gesprächsthemen zu. Sir John Warburton ließ sich über die gegenwärtige politische Lage aus. Er legte seine Ansichten mit großer Ernsthaftigkeit dar. Seine gebräunten mageren Hände hoben sich von dem weißen Tischtuch ab.
»Glauben Sie wirklich, es wird Krieg geben?«, fragte Peter Hanning mit gerunzelter Stirn.
»Sie meinen mit Russland?« Sir John hob die Augenbrauen. »Das ist nicht auszuschließen.« »Papperlapapp!«, meldete sich Lord Salchester barsch zu Wort. Dabei schwenkte er sein Weinglas Aufmerksamkeit heischend durch die Luft. »Niemand wird die Waffen gegen uns erheben. Schon gar nicht wegen der Krim! Man wird sich an Waterloo erinnern und uns hübsch in Ruhe lassen.«
»Die Schlacht bei Waterloo liegt inzwischen über fünfunddreißig Jahre zurück«, gab Omegus Jones zu bedenken. »Die Männer, die damals kämpften, haben die Schwerter längst aus der Hand gelegt.«
»Mag sein. Aber die Britische Armee ist dieselbe geblieben, Sir!«, entgegnete Salchester. Vespasia hätte wetten können, dass sich dabei sein Schnurrbart sträubte.
»Ja, das fürchte ich auch«, sagte Omegus trocken. Er presste die Lippen aufeinander, und sein Blick ging in die Ferne.
»Wir verfügen zweifelsohne über die beste, siegreichste Armee der Welt.« Salchester wurde lauter.
»Wir haben Napoleon geschlagen«, korrigierte Omegus ihn. »Aber die Zeiten ändern sich. Gut und Böse wird es immer geben. Genau wie Stolz und Mitgefühl. Aber die Art der Kriegsführung entwickelt sich ständig weiter. Es gibt neue Waffen, neue Strategien.«
»Meinem Gastgeber widerspreche ich nur höchst ungern«, antwortete Salchester. »Reine Höflichkeit hält mich davon ab, Ihnen zu sagen, was ich von Ihren Ansichten halte.«
Über Omegus' Gesicht huschte ein Lächeln. Falls Salchester ihn provoziert hatte, merkte man ihm das nicht an. »Hoffen wir, dass wir nicht schon in Kürze erfahren werden, wer von uns beiden recht hat.«
Livrierte Diener und Hausmädchen mit spitzenbesetzten Schürzen räumten die Suppenteller ab und servierten den Fisch. Der Butler füllte die Weingläser. Das Licht der Kronleuchter verbreitete seinen festlichen Glanz. Nur das leise Klirren von Porzellan und Tafelsilber untermalte die Gespräche, die nun langsam wieder in Gang kamen.
Vespasia fand es weitaus interessanter, die anderen Gäste zu beobachten, als ihnen zuzuhören. Mimik und Gestik einer Person verrieten mehr über ihre Gemütsverfassung als sorgsam gewählte Worte. Sie sah, wie oft Gwendolens Augen zu Bertie Rosythe wanderten, bemerkte die glühenden Wangen der jungen Frau und stellte fest, wie leicht Bertie sie zum Lachen bringen konnte. Offenbar genoss er Gwendolens Aufmerksamkeit, doch er bemühte sich, das nicht allzu deutlich zu zeigen.
Vespasia war nicht die Einzige, der auffiel, wie sehr die beiden einander zugetan waren. Blanche Twynford betrachtete Gwendolen und Bertie mit großer Zufriedenheit, und Vespasia fiel eine beiläufige Beobachtung ein, deren Bedeutung sie nun zu verstehen glaubte. Blanche hatte etwas über die alljährliche Häufung von Hochzeiten im Frühling gesagt und Gwendolen damit zum Erröten gebracht. Vielleicht würde es ja im Laufe des Wochenendes noch eine entsprechende Ankündigung geben. Jedenfalls deutete einiges darauf hin.
...
Übersetzung: Usch Pilz
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
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Bibliographische Angaben
- Autor: Anne Perry
- 2011, 1, 316 Seiten, Maße: 13,4 x 19,1 cm, Flex. Einband
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 386800999X
- ISBN-13: 9783868009996
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