Geküsst von einem Duke
Roman
"Wunderbare Charaktere und eine sinnliche Liebesgeschichte."
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Produktinformationen zu „Geküsst von einem Duke “
"Wunderbare Charaktere und eine sinnliche Liebesgeschichte."
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Klappentext zu „Geküsst von einem Duke “
Ist er tatsächlich der wahre Duke of Wyndham? Jack Audley ist fassungslos! Nicht genug, dass man es wagt, einen verwegenen Schurken wie ihn einfach so nach Belgrave Castle zu entführen. Jetzt soll er plötzlich auch noch der rechtmäßige Erbe des Hauses sein eine wahrlich zweifelhafte Ehre. Denn als Duke bliebe ihm für immer versagt, was er über alles im Leben begehrt: das Herz der schönen Grace Eversleigh. Zwar ist sie nur eine einfache Gesellschafterin und keine Frau von Stand. Aber seit er ihr den ersten Kuss stahl, verzehrt er sich mit jedem Tag mehr nach ihrer betörenden Nähe.
Ist er tatsächlich der wahre Duke of Wyndham? Jack Audley ist fassungslos! Nicht genug, dass man es wagt, einen verwegenen Schurken wie ihn einfach so nach Belgrave Castle zu entführen. Jetzt soll er plötzlich auch noch der rechtmäßige Erbe des Hauses sein - eine wahrlich zweifelhafte Ehre. Denn als Duke bliebe ihm für immer versagt, was er über alles im Leben begehrt: das Herz der schönen Grace Eversleigh. Zwar ist sie nur eine einfache Gesellschafterin und keine Frau von Stand. Aber seit er ihr den ersten Kuss stahl, verzehrt er sich mit jedem Tag mehr nach ihrer betörenden Nähe ...
Lese-Probe zu „Geküsst von einem Duke “
Geküsst von einem Duke von Julia Quinn1. KAPITEL
... mehr
Seit fünf Jahren war Grace Eversleigh die Gesellschafterin der Dowager Duchess of Wyndham und hatte in dieser Zeit einiges über diese Dame gelernt. Vor allem dieses: Unter der strengen, anspruchsvollen und hochmütigen Fassade ihrer Dienstherrin schlug kein Herz aus Gold.
Was nicht heißen sollte, dass das fragliche Organ durch und durch kalt gewesen wäre. Als ganz schlecht konnte man die Herzoginwitwe von Wyndham nun wahrhaftig nicht bezeichnen. Sie war weder grausam noch gehässig, ja nicht einmal völlig niederträchtig. Aber Augusta Elizabeth Candida Debenham Cavendish war als Tochter eines Herzogs geboren, sie hatte einen Herzog geheiratet und einen weiteren zur Welt gebracht. Ihre Schwester gehörte inzwischen zur königlichen Familie eines kleinen mitteleuropäischen Landes, dessen Namen Grace nicht auszusprechen vermochte, und ihr Bruder befand sich im Besitz eines Großteils von East Anglia. Die Welt der Herzoginwitwe war streng nach Schichten gegliedert, deren Hierarchie ebenso klar wie streng war.
Ganz oben standen die Wyndhams, vor allem die Wyndhams, die als Debenhams zur Welt gekommen waren.
Und als eine solche erwartete die Herzoginwitwe ein gewisses Benehmen und Ehrerbietigkeit. Sie war selten freundlich, duldete keine Dummheit und machte niemals unaufrichtige Komplimente. Manche hätten sogar gesagt, dass sie überhaupt keine Komplimente verteilte, aber Grace konnte sich an genau zwei Gelegenheiten erinnern, wo ein knappes, aber ehrliches "gut gemacht" geäußert worden war - selbst wenn ihr das hinterher keiner hatte glauben wollen.
Doch die Herzoginwitwe hatte Grace aus einer unmöglichen Lage gerettet, und dafür würde die junge Frau ihr immer Dankbarkeit, Respekt und vor allem Loyalität entgegenbringen. Trotzdem kam man nicht darum herum, dass die Herzoginwitwe kein sehr fröhlicher Mensch war. Und so war Grace recht erleichtert, als ihre Dienstherrin auf dem Heimweg von der Tanzgesellschaft in den LincolnshireSälen einschlummerte, während ihre gut gefederte Kutsche über die mitternächtlichen Straßen rollte.
Es war ein wunderbarer Abend gewesen, und Grace wusste, dass sie nicht so streng sein sollte. Bei ihrer Ankunft hatte sich die Herzoginwitwe sofort zu ihrem Ehrenplatz bei ihren Bekannten begeben und Graces Dienste nicht weiter in Anspruch genommen. Ihre Gesellschafterin hatte getanzt, mit all ihren alten Freunden gelacht, drei Gläser Punsch getrunken und Thomas geneckt, was immer ein unterhaltsamer Zeitvertreib war - Thomas war der derzeitige Duke, dem ein wenig unbotmäßiges Verhalten sicher ganz gut tat. Vor allem aber hatte sie gelächelt. Sie hatte so viel gelächelt, dass ihr jetzt die Wangen wehtaten.
Die unerwartete Freude, die ihr dieser Abend beschert hatte, verlieh ihr jetzt ganz neue Energie. Sie war vollkommen zufrieden damit, mit einem glücklichen Lächeln im Dunkeln zu sitzen und ihre Dienstherrin leise schnarchen zu hören, während die Kutsche sie heimwärts trug.
Grace schloss die Augen, obwohl sie nicht müde war. Dennoch hatten die Bewegungen der Kutsche etwas Einschläferndes an sich. Sie saß mit dem Rücken zur Fahrtrichtung - wie immer -, und das rhythmische Hufgetrappel machte sie müde. Seltsam. Ihre Augen waren müde, obwohl sie sonst vollkommen wach war.
Aber vielleicht wäre ein Nickerchen keine schlechte Idee, denn sobald sie in Belgrave zurück waren, würde sie für die Herzoginwitwe ...
Peng!
Grace richtete sich auf und sah zu ihrer Dienstherrin, die erstaunlicherweise nicht aufgewacht war. Was war das für ein Geräusch gewesen? Hatte jemand ... Peng!
Diesmal schwankte die Kutsche und hielt so abrupt an, dass die Herzoginwitwe, die wie immer in Fahrtrichtung saß, vom Sitz rutschte.
Sofort kniete Grace sich neben ihre Dienstherrin und legte schützend die Arme um sie.
"Was, zum Teufel?", fuhr die Herzoginwitwe sie an, schwieg aber, als sie Graces Miene sah.
"Schüsse", flüsterte Grace.
Die Herzoginwitwe presste die Lippen zusammen, und dann riss sie sich das Smaragdhalsband ab und drückte es Grace in die Hand. "Verstecken Sie es", befahl sie.
"Ich?", quietschte Grace, schob das Halsband aber dennoch unter ein Kissen. Und konnte dabei nur denken, dass sie der geschätzten Augusta Wyndham am liebsten gewaltsam ein wenig Vernunft eintrichtern würde, denn wenn sie sterben musste, nur weil die Herzoginwitwe zu geizig war, ihre Juwelen herzugeben ...
Die Tür wurde aufgerissen.
"Her mit dem Zaster!"
Grace erstarrte; sie kniete immer noch neben der Herzoginwitwe auf dem Boden. Langsam hob sie den Kopf, sah jedoch nur den silbernen Lauf einer Pistole, der bedrohlich auf ihre Stirn gerichtet war.
"Meine Damen", ertönte die Stimme wieder, und diesmal klang sie anders, beinahe vornehm. Der Sprecher trat aus den Schatten und bedeutete ihnen mit einem anmutigen Schwenken des Arms, aus der Kutsche zu steigen. "Erweisen Sie mir die Ehre, wenn ich bitten darf", murmelte er.
Graces Blick huschte hin und her - was sicherlich eine völlig sinnlose Übung war, da es kein Entkommen gab. Sie wandte sich an die Herzoginwitwe, die vor Wut bestimmt toben würde. Doch stattdessen war die alte Dame kalkweiß geworden. Und bebte am ganzen Leib.
Die Herzoginwitwe zitterte.
Taten sie beide.
Der Räuber beugte sich vor, stützte sich mit einer Schulter am Türrahmen ab. Und dann lächelte er - langsam und träge, mit dem Charme eines Spitzbuben. Grace wusste zwar nicht, wie sie das alles sehen konnte, da sein Gesicht größtenteils hinter seiner Maske verborgen lag, aber drei Dinge waren ihr absolut klar:
Er war jung.
Er war stark.
Und er war tödlich gefährlich.
"Madam", sagte Grace und stupste die Herzoginwitwe an. "Ich finde, wir sollten tun, was er sagt."
"Wie ich vernünftige Frauen liebe!", sagte er und lächelte erneut. Nur kurz diesmal, nicht mehr als ein Heben der Mundwinkel, und doch war es verheerend.
Aber er hielt die Pistole weiter auf sie gerichtet, und sein Charme konnte Graces Furcht nicht beschwichtigen.
Und dann streckte er den anderen Arm aus. Er streckte den anderen Arm aus.
Als wollte er sie auf einer Gesellschaft willkommen heißen. Als wäre er ein
Landedelmann, der sich anschickte, sie nach dem Wetter zu fragen. "Gestatten Sie, dass ich Ihnen behilflich bin?", murmelte er.
Panisch schüttelte Grace den Kopf. Sie konnte ihn nicht berühren. Sie wusste zwar nicht genau, warum nicht, aber sie wusste mit jeder Faser ihres Körpers, dass es einer Katastrophe gleichkäme, wenn sie ihre Hand in die seine legte.
"Also schön", meinte er mit einem leisen Seufzen. "Die Damen heutzutage sind so überaus selbstständig. Es bricht einem schier das Herz, wirklich."
Wieder beugte er sich vor, fast als wollte er ihnen ein Geheimnis verraten. "Keiner fühlt sich gern überflüssig."
Grace starrte ihn nur an.
"Sprachlos angesichts meiner Anmut und meines Charmes", erklärte er und trat einen Schritt zurück, damit sie aussteigen konnten. "Das passiert mir andauernd. Wirklich, man sollte mich nicht in die Nähe von Damen lassen. Ich habe eine so irritierende Wirkung auf Sie alle!"
Er war übergeschnappt. Das war die einzige Erklärung. So artig seine Manieren auch waren, er musste vollkommen übergeschnappt sein. Und er hatte eine Pistole.
"Obwohl", meinte er nachdenklich, die Waffe immer noch fest in der Hand, während seine Worte durch die Luft mäanderten, "manche Männer wären sicher der Ansicht, sprachlos sei eine Frau am wenigsten irritierend."
Thomas wäre wohl dieser Ansicht, überlegte Grace. Der Duke of Wyndham - der vor Jahren darauf bestanden hatte, dass sie ihn auf Belgrave bei seinem Vornamen ansprach, nach einem endlosen Austausch von Euer Gnaden, Miss Eversleigh, Euer Gnaden - hatte nicht viel übrig für müßiges Geplauder.
"Madam", flüsterte sie drängend und zog die Herzoginwitwe am Arm.
Die alte Dame sagte kein Wort, nickte auch nicht, aber sie nahm Graces Hand und ließ sich von ihr aus der Kutsche helfen.
"Ah, schon viel besser", erklärte der Räuber und grinste breit. "Was für ein Glück ich doch habe, es mit zwei so göttlichen Damen zu tun zu haben. Ich habe schon damit gerechnet, auf irgendeinen alten Griesgram zu stoßen."
Grace trat zur Seite, wobei sie den Blick auf sein Gesicht gerichtet hielt. Er sah gar nicht aus wie ein Verbrecher, zumindest nicht so, wie sie sich einen Verbrecher vorstellte. Seine Aussprache verriet Bildung und gute Kinderstube, und auch wenn er sich schon länger nicht mehr gewaschen haben mochte, so konnte sie nichts
riechen.
"Oder irgendeinen grässlichen jungen Stutzer, der sich in eine viel zu kleine Weste gepresst hat", fuhr er fort und rieb sich nachdenklich über das Kinn. "Sie wissen, welchen Typ ich meine?", fragte er Grace. "Rotes Gesicht, trinkt zu viel, denkt zu wenig."
Und zu ihrer großen Überraschung ertappte Grace sich dabei, wie sie zustimmend nickte.
"Dachte ich mir", erwiderte er. "Von der Sorte gibt es leider viel zu viele."
Grace blinzelte, stand einfach nur da und blickte auf seinen Mund. Etwas anderes konnte sie von seinem Gesicht nicht sehen, der Rest lag hinter der Maske verborgen. Seine Lippen waren ständig in Bewegung, makellos geformt und so ausdrucksvoll, dass sie beinahe den Eindruck gewann, sie könnte ihn doch sehen. Es war merkwürdig. Und hypnotisierend. Äußerst beunruhigend.
"Ach, nun ja", sagte er mit demselben trügerisch gelangweilten Seufzen, das Thomas immer einsetzte, wenn er das Thema zu wechseln wünschte. "Bestimmt sind sich die Damen darüber im Klaren, dass dies keine gesellschaftliche Zusammenkunft ist." Sein Blick wanderte zu Grace, worauf sich sein Mund wieder zu diesem gefährlichen Lächeln formte. "Nicht direkt."
Grace öffnete die Lippen.
Seine Augen - das, was sie durch die Schlitze der Maske sehen konnten - glitzerten verführerisch.
"Ich verbinde das Angenehme so gern mit dem Nützlichen", murmelte er. "Oft bekomme ich diese Gelegenheit ja nicht, bei all den beleibten jungen Herren, die nachts unterwegs sind."
Eigentlich hätte sie erschrocken aufkeuchen oder sogar empört protestieren müssen, aber die Stimme des Straßenräubers war so weich; sie erinnerte sie an den hervorragenden Brandy, den man ihr auf Belgrave hin und wieder anbot. Außerdem lag in seinem Tonfall ein leichter Singsang, was ihr verriet, dass er weit entfernt von Lincolnshire aufgewachsen sein musste. Grace schwankte. Sie hatte das Gefühl, als würde sie gleich fallen, als könnte sie ganz leicht und weich fallen und würde irgendwo anders landen. Irgendwo weit, weit entfernt.
Blitzschnell fasste er sie am Ellbogen, um sie zu stützen. "Sie werden mir jetzt doch nicht etwa in Ohnmacht fallen, oder?", fragte er. Mit den Fingern übte er gerade so viel Druck aus, dass sie sich aufrecht hielt.
Und er ließ sie nicht los.
Grace schüttelte den Kopf. "Nein", versetzte sie leise.
"Dafür ist Ihnen mein tief empfundener Dank gewiss", erwiderte er. "Zwar wäre es schön, Sie aufzufangen, aber dazu müsste ich die Waffe senken, und das geht ja schlecht, nicht wahr?" Mit leisem Lachen wandte er sich an die Herzoginwitwe. "Und Sie lassen sich das bloß nicht einfallen. Sie würde ich ebenfalls mit Freuden auffangen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie meinen Kollegen die alleinige Gewalt über die Waffen lassen wollen."
Erst da fiel Grace auf, dass die Räuber zu viert waren. Natürlich brauchte er Unterstützung - allein hätte er sie nicht überfallen können. Aber die anderen drei waren die ganze Zeit über so still gewesen und hatten sich im Schatten gehalten.
Außerdem hatte sie den Blick nicht vom Anführer wenden können.
"Ist unser Kutscher verletzt?", fragte Grace, entsetzt, dass ihr erst jetzt einfiel, sich nach seinem Wohlergehen zu erkundigen. Weder er noch der Lakai, der sie begleitet hatte, war irgendwo in Sicht.
"Nichts, was ein wenig liebevolle Zuwendung nicht wieder beheben könnte", versicherte ihr der Straßenräuber. "Ist er verheiratet?"
Wovon redete der Mann? "Ich ... ich glaube nicht", erwiderte Grace. "Dann schicken Sie ihn ins Wirtshaus. Dort gibt es ein dralles
Schankmädchen, das sich schon um ihn ... Ah, aber wie kann ich nur? Schließlich sind Damen anwesend!" Er lachte. "Dann eben warme Suppe und kalte Kompressen. Und danach einen Tag Ausgang, damit er sich auf die Suche nach liebevoller Zuwendung machen kann. Der andere Bursche ...", er nickte zu ein paar Bäumen in der Nähe, "... ist übrigens da drüben. Ihm fehlt nichts, glauben Sie mir, obwohl er seine Fesseln vielleicht ein wenig eng finden mag."
Grace errötete und drehte sich dann zur Herzoginwitwe um, sehr erstaunt, dass die alte Dame den Räuber wegen seiner losen Reden nicht die Hölle heiß machte. Aber die Herzoginwitwe war immer noch kalkweiß; sie starrte den Mann an, als wäre er ein Geist.
"Madam?", sagte Grace und nahm ihre Hand. Sie war kalt und klamm. Und kraftlos. Vollkommen kraftlos. "Madam?"
"Wie heißen Sie?", flüsterte die Herzoginwitwe.
"Wie ich heiße?", fragte Grace entsetzt. Hatte sie einen Hirnschlag erlitten? Das Gedächtnis verloren?
"Sie meine ich", erklärte die Herzoginwitwe ein wenig energischer, und diesmal wurde deutlich, dass ihre Frage dem Straßenräuber galt.
Doch der lachte nur. "Es schmeichelt mir ungemein, dass sich eine so liebreizende Dame für mich interessiert, aber Sie glauben doch wohl nicht, dass ich Ihnen während einer Unternehmung, wegen der man für gewöhnlich am Galgen landet, meinen Namen verrate?"
"Ich brauche Ihren Namen", beharrte die alte Dame.
"Und ich brauche leider Ihre Wertsachen", versetzte er. Ehrerbietig nickte er zur Hand der Herzoginwitwe. "Den Ring da, wenn Sie so gut sein möchten."
"Bitte", wisperte die Herzoginwitwe, worauf Grace zu ihr herumfuhr. Ihre
Gnaden bedankte sich nur sehr selten für etwas, und "bitte" sagte sie überhaupt nie.
"Sie muss sich hinsetzen", sagte Grace zu dem Räuber, denn ihre Dienstherrin war sicherlich krank. Normalerweise erfreute sie sich bester Gesundheit, aber sie war über siebzig und hatte einen Schock erlitten.
"Ich brauche mich nicht hinzusetzen", erwiderte die Witwe scharf und schüttelte Grace ab. Sie wandte sich wieder dem Straßenräuber zu, zerrte den Ring vom Finger und hielt ihn ihm hin. Er nahm ihn entgegen, rollte ihn zwischen den Fingern und steckte ihn dann ein.
Grace hielt still, beobachtete die Übergabe, wartete darauf, dass er mehr verlangte. Doch zu ihrer Überraschung ergriff die Herzoginwitwe als Erste das Wort.
"In der Kutsche liegt noch ein Retikül", sagte sie langsam und mit seltsamer und vollkommen untypischer Fügsamkeit. "Gestatten Sie, dass ich es hole."
"So gern ich Ihnen diesen Wunsch erfüllen würde", sagte er glatt, "muss ich ihn Ihnen doch abschlagen. Könnte ja gut sein, dass Sie unter dem Polster zwei Pistolen versteckt haben."
Grace schluckte und dachte an die Juwelen.
"Und", fügte er beinahe neckend hinzu, "mir ist bewusst, dass Sie ein höchst aufreizendes Frauenzimmer sind." Er seufzte theatralisch. "Kompetent, das räume ich gern ein." Hintergründig lächelte er die Dowager Duchess an. "Sie sind eine hervorragende Reiterin, eine ausgezeichnete Schützin, und außerdem können Sie Ihren Shakespeare vorwärts und rückwärts deklamieren."
Bei diesen Worten wurde die Herzoginwitwe womöglich noch bleicher.
"Ach, wenn ich nur zwanzig Jahre älter wäre!", seufzte er. "Dann würde ich Sie mir nicht durch die Finger schlüpfen lassen."
"Bitte", flehte die Herzoginwitwe. "Ich habe etwas, was ich Ihnen geben muss."
"Na, das ist doch mal eine willkommene Abwechslung", bemerkte er. "Es
kommt wirklich selten vor, dass die Leute mir etwas geben wollen. Man fühlt sich
ganz unbeliebt."
Grace streckte der Herzoginwitwe die Hand entgegen. "Bitte lassen Sie sich doch von mir helfen", sagte sie. Ihrer Dienstherrin ging es nicht gut. Ihr konnte es nicht gut gehen. Sie war nie demütig, sie bettelte niemals, und ...
"Nehmen Sie doch sie!", rief die Herzoginwitwe plötzlich, packte Grace am Arm und schob sie dem Straßenräuber in die Arme. "Nehmen Sie sie als Geisel, halten Sie ihr die Pistole an die Stirn. Ich verspreche, dass ich wiederkomme, und zwar unbewaffnet."
...
Übersetzung: Petra Lingsminat
© 2010 by Julie Cotler Pottinger
Seit fünf Jahren war Grace Eversleigh die Gesellschafterin der Dowager Duchess of Wyndham und hatte in dieser Zeit einiges über diese Dame gelernt. Vor allem dieses: Unter der strengen, anspruchsvollen und hochmütigen Fassade ihrer Dienstherrin schlug kein Herz aus Gold.
Was nicht heißen sollte, dass das fragliche Organ durch und durch kalt gewesen wäre. Als ganz schlecht konnte man die Herzoginwitwe von Wyndham nun wahrhaftig nicht bezeichnen. Sie war weder grausam noch gehässig, ja nicht einmal völlig niederträchtig. Aber Augusta Elizabeth Candida Debenham Cavendish war als Tochter eines Herzogs geboren, sie hatte einen Herzog geheiratet und einen weiteren zur Welt gebracht. Ihre Schwester gehörte inzwischen zur königlichen Familie eines kleinen mitteleuropäischen Landes, dessen Namen Grace nicht auszusprechen vermochte, und ihr Bruder befand sich im Besitz eines Großteils von East Anglia. Die Welt der Herzoginwitwe war streng nach Schichten gegliedert, deren Hierarchie ebenso klar wie streng war.
Ganz oben standen die Wyndhams, vor allem die Wyndhams, die als Debenhams zur Welt gekommen waren.
Und als eine solche erwartete die Herzoginwitwe ein gewisses Benehmen und Ehrerbietigkeit. Sie war selten freundlich, duldete keine Dummheit und machte niemals unaufrichtige Komplimente. Manche hätten sogar gesagt, dass sie überhaupt keine Komplimente verteilte, aber Grace konnte sich an genau zwei Gelegenheiten erinnern, wo ein knappes, aber ehrliches "gut gemacht" geäußert worden war - selbst wenn ihr das hinterher keiner hatte glauben wollen.
Doch die Herzoginwitwe hatte Grace aus einer unmöglichen Lage gerettet, und dafür würde die junge Frau ihr immer Dankbarkeit, Respekt und vor allem Loyalität entgegenbringen. Trotzdem kam man nicht darum herum, dass die Herzoginwitwe kein sehr fröhlicher Mensch war. Und so war Grace recht erleichtert, als ihre Dienstherrin auf dem Heimweg von der Tanzgesellschaft in den LincolnshireSälen einschlummerte, während ihre gut gefederte Kutsche über die mitternächtlichen Straßen rollte.
Es war ein wunderbarer Abend gewesen, und Grace wusste, dass sie nicht so streng sein sollte. Bei ihrer Ankunft hatte sich die Herzoginwitwe sofort zu ihrem Ehrenplatz bei ihren Bekannten begeben und Graces Dienste nicht weiter in Anspruch genommen. Ihre Gesellschafterin hatte getanzt, mit all ihren alten Freunden gelacht, drei Gläser Punsch getrunken und Thomas geneckt, was immer ein unterhaltsamer Zeitvertreib war - Thomas war der derzeitige Duke, dem ein wenig unbotmäßiges Verhalten sicher ganz gut tat. Vor allem aber hatte sie gelächelt. Sie hatte so viel gelächelt, dass ihr jetzt die Wangen wehtaten.
Die unerwartete Freude, die ihr dieser Abend beschert hatte, verlieh ihr jetzt ganz neue Energie. Sie war vollkommen zufrieden damit, mit einem glücklichen Lächeln im Dunkeln zu sitzen und ihre Dienstherrin leise schnarchen zu hören, während die Kutsche sie heimwärts trug.
Grace schloss die Augen, obwohl sie nicht müde war. Dennoch hatten die Bewegungen der Kutsche etwas Einschläferndes an sich. Sie saß mit dem Rücken zur Fahrtrichtung - wie immer -, und das rhythmische Hufgetrappel machte sie müde. Seltsam. Ihre Augen waren müde, obwohl sie sonst vollkommen wach war.
Aber vielleicht wäre ein Nickerchen keine schlechte Idee, denn sobald sie in Belgrave zurück waren, würde sie für die Herzoginwitwe ...
Peng!
Grace richtete sich auf und sah zu ihrer Dienstherrin, die erstaunlicherweise nicht aufgewacht war. Was war das für ein Geräusch gewesen? Hatte jemand ... Peng!
Diesmal schwankte die Kutsche und hielt so abrupt an, dass die Herzoginwitwe, die wie immer in Fahrtrichtung saß, vom Sitz rutschte.
Sofort kniete Grace sich neben ihre Dienstherrin und legte schützend die Arme um sie.
"Was, zum Teufel?", fuhr die Herzoginwitwe sie an, schwieg aber, als sie Graces Miene sah.
"Schüsse", flüsterte Grace.
Die Herzoginwitwe presste die Lippen zusammen, und dann riss sie sich das Smaragdhalsband ab und drückte es Grace in die Hand. "Verstecken Sie es", befahl sie.
"Ich?", quietschte Grace, schob das Halsband aber dennoch unter ein Kissen. Und konnte dabei nur denken, dass sie der geschätzten Augusta Wyndham am liebsten gewaltsam ein wenig Vernunft eintrichtern würde, denn wenn sie sterben musste, nur weil die Herzoginwitwe zu geizig war, ihre Juwelen herzugeben ...
Die Tür wurde aufgerissen.
"Her mit dem Zaster!"
Grace erstarrte; sie kniete immer noch neben der Herzoginwitwe auf dem Boden. Langsam hob sie den Kopf, sah jedoch nur den silbernen Lauf einer Pistole, der bedrohlich auf ihre Stirn gerichtet war.
"Meine Damen", ertönte die Stimme wieder, und diesmal klang sie anders, beinahe vornehm. Der Sprecher trat aus den Schatten und bedeutete ihnen mit einem anmutigen Schwenken des Arms, aus der Kutsche zu steigen. "Erweisen Sie mir die Ehre, wenn ich bitten darf", murmelte er.
Graces Blick huschte hin und her - was sicherlich eine völlig sinnlose Übung war, da es kein Entkommen gab. Sie wandte sich an die Herzoginwitwe, die vor Wut bestimmt toben würde. Doch stattdessen war die alte Dame kalkweiß geworden. Und bebte am ganzen Leib.
Die Herzoginwitwe zitterte.
Taten sie beide.
Der Räuber beugte sich vor, stützte sich mit einer Schulter am Türrahmen ab. Und dann lächelte er - langsam und träge, mit dem Charme eines Spitzbuben. Grace wusste zwar nicht, wie sie das alles sehen konnte, da sein Gesicht größtenteils hinter seiner Maske verborgen lag, aber drei Dinge waren ihr absolut klar:
Er war jung.
Er war stark.
Und er war tödlich gefährlich.
"Madam", sagte Grace und stupste die Herzoginwitwe an. "Ich finde, wir sollten tun, was er sagt."
"Wie ich vernünftige Frauen liebe!", sagte er und lächelte erneut. Nur kurz diesmal, nicht mehr als ein Heben der Mundwinkel, und doch war es verheerend.
Aber er hielt die Pistole weiter auf sie gerichtet, und sein Charme konnte Graces Furcht nicht beschwichtigen.
Und dann streckte er den anderen Arm aus. Er streckte den anderen Arm aus.
Als wollte er sie auf einer Gesellschaft willkommen heißen. Als wäre er ein
Landedelmann, der sich anschickte, sie nach dem Wetter zu fragen. "Gestatten Sie, dass ich Ihnen behilflich bin?", murmelte er.
Panisch schüttelte Grace den Kopf. Sie konnte ihn nicht berühren. Sie wusste zwar nicht genau, warum nicht, aber sie wusste mit jeder Faser ihres Körpers, dass es einer Katastrophe gleichkäme, wenn sie ihre Hand in die seine legte.
"Also schön", meinte er mit einem leisen Seufzen. "Die Damen heutzutage sind so überaus selbstständig. Es bricht einem schier das Herz, wirklich."
Wieder beugte er sich vor, fast als wollte er ihnen ein Geheimnis verraten. "Keiner fühlt sich gern überflüssig."
Grace starrte ihn nur an.
"Sprachlos angesichts meiner Anmut und meines Charmes", erklärte er und trat einen Schritt zurück, damit sie aussteigen konnten. "Das passiert mir andauernd. Wirklich, man sollte mich nicht in die Nähe von Damen lassen. Ich habe eine so irritierende Wirkung auf Sie alle!"
Er war übergeschnappt. Das war die einzige Erklärung. So artig seine Manieren auch waren, er musste vollkommen übergeschnappt sein. Und er hatte eine Pistole.
"Obwohl", meinte er nachdenklich, die Waffe immer noch fest in der Hand, während seine Worte durch die Luft mäanderten, "manche Männer wären sicher der Ansicht, sprachlos sei eine Frau am wenigsten irritierend."
Thomas wäre wohl dieser Ansicht, überlegte Grace. Der Duke of Wyndham - der vor Jahren darauf bestanden hatte, dass sie ihn auf Belgrave bei seinem Vornamen ansprach, nach einem endlosen Austausch von Euer Gnaden, Miss Eversleigh, Euer Gnaden - hatte nicht viel übrig für müßiges Geplauder.
"Madam", flüsterte sie drängend und zog die Herzoginwitwe am Arm.
Die alte Dame sagte kein Wort, nickte auch nicht, aber sie nahm Graces Hand und ließ sich von ihr aus der Kutsche helfen.
"Ah, schon viel besser", erklärte der Räuber und grinste breit. "Was für ein Glück ich doch habe, es mit zwei so göttlichen Damen zu tun zu haben. Ich habe schon damit gerechnet, auf irgendeinen alten Griesgram zu stoßen."
Grace trat zur Seite, wobei sie den Blick auf sein Gesicht gerichtet hielt. Er sah gar nicht aus wie ein Verbrecher, zumindest nicht so, wie sie sich einen Verbrecher vorstellte. Seine Aussprache verriet Bildung und gute Kinderstube, und auch wenn er sich schon länger nicht mehr gewaschen haben mochte, so konnte sie nichts
riechen.
"Oder irgendeinen grässlichen jungen Stutzer, der sich in eine viel zu kleine Weste gepresst hat", fuhr er fort und rieb sich nachdenklich über das Kinn. "Sie wissen, welchen Typ ich meine?", fragte er Grace. "Rotes Gesicht, trinkt zu viel, denkt zu wenig."
Und zu ihrer großen Überraschung ertappte Grace sich dabei, wie sie zustimmend nickte.
"Dachte ich mir", erwiderte er. "Von der Sorte gibt es leider viel zu viele."
Grace blinzelte, stand einfach nur da und blickte auf seinen Mund. Etwas anderes konnte sie von seinem Gesicht nicht sehen, der Rest lag hinter der Maske verborgen. Seine Lippen waren ständig in Bewegung, makellos geformt und so ausdrucksvoll, dass sie beinahe den Eindruck gewann, sie könnte ihn doch sehen. Es war merkwürdig. Und hypnotisierend. Äußerst beunruhigend.
"Ach, nun ja", sagte er mit demselben trügerisch gelangweilten Seufzen, das Thomas immer einsetzte, wenn er das Thema zu wechseln wünschte. "Bestimmt sind sich die Damen darüber im Klaren, dass dies keine gesellschaftliche Zusammenkunft ist." Sein Blick wanderte zu Grace, worauf sich sein Mund wieder zu diesem gefährlichen Lächeln formte. "Nicht direkt."
Grace öffnete die Lippen.
Seine Augen - das, was sie durch die Schlitze der Maske sehen konnten - glitzerten verführerisch.
"Ich verbinde das Angenehme so gern mit dem Nützlichen", murmelte er. "Oft bekomme ich diese Gelegenheit ja nicht, bei all den beleibten jungen Herren, die nachts unterwegs sind."
Eigentlich hätte sie erschrocken aufkeuchen oder sogar empört protestieren müssen, aber die Stimme des Straßenräubers war so weich; sie erinnerte sie an den hervorragenden Brandy, den man ihr auf Belgrave hin und wieder anbot. Außerdem lag in seinem Tonfall ein leichter Singsang, was ihr verriet, dass er weit entfernt von Lincolnshire aufgewachsen sein musste. Grace schwankte. Sie hatte das Gefühl, als würde sie gleich fallen, als könnte sie ganz leicht und weich fallen und würde irgendwo anders landen. Irgendwo weit, weit entfernt.
Blitzschnell fasste er sie am Ellbogen, um sie zu stützen. "Sie werden mir jetzt doch nicht etwa in Ohnmacht fallen, oder?", fragte er. Mit den Fingern übte er gerade so viel Druck aus, dass sie sich aufrecht hielt.
Und er ließ sie nicht los.
Grace schüttelte den Kopf. "Nein", versetzte sie leise.
"Dafür ist Ihnen mein tief empfundener Dank gewiss", erwiderte er. "Zwar wäre es schön, Sie aufzufangen, aber dazu müsste ich die Waffe senken, und das geht ja schlecht, nicht wahr?" Mit leisem Lachen wandte er sich an die Herzoginwitwe. "Und Sie lassen sich das bloß nicht einfallen. Sie würde ich ebenfalls mit Freuden auffangen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie meinen Kollegen die alleinige Gewalt über die Waffen lassen wollen."
Erst da fiel Grace auf, dass die Räuber zu viert waren. Natürlich brauchte er Unterstützung - allein hätte er sie nicht überfallen können. Aber die anderen drei waren die ganze Zeit über so still gewesen und hatten sich im Schatten gehalten.
Außerdem hatte sie den Blick nicht vom Anführer wenden können.
"Ist unser Kutscher verletzt?", fragte Grace, entsetzt, dass ihr erst jetzt einfiel, sich nach seinem Wohlergehen zu erkundigen. Weder er noch der Lakai, der sie begleitet hatte, war irgendwo in Sicht.
"Nichts, was ein wenig liebevolle Zuwendung nicht wieder beheben könnte", versicherte ihr der Straßenräuber. "Ist er verheiratet?"
Wovon redete der Mann? "Ich ... ich glaube nicht", erwiderte Grace. "Dann schicken Sie ihn ins Wirtshaus. Dort gibt es ein dralles
Schankmädchen, das sich schon um ihn ... Ah, aber wie kann ich nur? Schließlich sind Damen anwesend!" Er lachte. "Dann eben warme Suppe und kalte Kompressen. Und danach einen Tag Ausgang, damit er sich auf die Suche nach liebevoller Zuwendung machen kann. Der andere Bursche ...", er nickte zu ein paar Bäumen in der Nähe, "... ist übrigens da drüben. Ihm fehlt nichts, glauben Sie mir, obwohl er seine Fesseln vielleicht ein wenig eng finden mag."
Grace errötete und drehte sich dann zur Herzoginwitwe um, sehr erstaunt, dass die alte Dame den Räuber wegen seiner losen Reden nicht die Hölle heiß machte. Aber die Herzoginwitwe war immer noch kalkweiß; sie starrte den Mann an, als wäre er ein Geist.
"Madam?", sagte Grace und nahm ihre Hand. Sie war kalt und klamm. Und kraftlos. Vollkommen kraftlos. "Madam?"
"Wie heißen Sie?", flüsterte die Herzoginwitwe.
"Wie ich heiße?", fragte Grace entsetzt. Hatte sie einen Hirnschlag erlitten? Das Gedächtnis verloren?
"Sie meine ich", erklärte die Herzoginwitwe ein wenig energischer, und diesmal wurde deutlich, dass ihre Frage dem Straßenräuber galt.
Doch der lachte nur. "Es schmeichelt mir ungemein, dass sich eine so liebreizende Dame für mich interessiert, aber Sie glauben doch wohl nicht, dass ich Ihnen während einer Unternehmung, wegen der man für gewöhnlich am Galgen landet, meinen Namen verrate?"
"Ich brauche Ihren Namen", beharrte die alte Dame.
"Und ich brauche leider Ihre Wertsachen", versetzte er. Ehrerbietig nickte er zur Hand der Herzoginwitwe. "Den Ring da, wenn Sie so gut sein möchten."
"Bitte", wisperte die Herzoginwitwe, worauf Grace zu ihr herumfuhr. Ihre
Gnaden bedankte sich nur sehr selten für etwas, und "bitte" sagte sie überhaupt nie.
"Sie muss sich hinsetzen", sagte Grace zu dem Räuber, denn ihre Dienstherrin war sicherlich krank. Normalerweise erfreute sie sich bester Gesundheit, aber sie war über siebzig und hatte einen Schock erlitten.
"Ich brauche mich nicht hinzusetzen", erwiderte die Witwe scharf und schüttelte Grace ab. Sie wandte sich wieder dem Straßenräuber zu, zerrte den Ring vom Finger und hielt ihn ihm hin. Er nahm ihn entgegen, rollte ihn zwischen den Fingern und steckte ihn dann ein.
Grace hielt still, beobachtete die Übergabe, wartete darauf, dass er mehr verlangte. Doch zu ihrer Überraschung ergriff die Herzoginwitwe als Erste das Wort.
"In der Kutsche liegt noch ein Retikül", sagte sie langsam und mit seltsamer und vollkommen untypischer Fügsamkeit. "Gestatten Sie, dass ich es hole."
"So gern ich Ihnen diesen Wunsch erfüllen würde", sagte er glatt, "muss ich ihn Ihnen doch abschlagen. Könnte ja gut sein, dass Sie unter dem Polster zwei Pistolen versteckt haben."
Grace schluckte und dachte an die Juwelen.
"Und", fügte er beinahe neckend hinzu, "mir ist bewusst, dass Sie ein höchst aufreizendes Frauenzimmer sind." Er seufzte theatralisch. "Kompetent, das räume ich gern ein." Hintergründig lächelte er die Dowager Duchess an. "Sie sind eine hervorragende Reiterin, eine ausgezeichnete Schützin, und außerdem können Sie Ihren Shakespeare vorwärts und rückwärts deklamieren."
Bei diesen Worten wurde die Herzoginwitwe womöglich noch bleicher.
"Ach, wenn ich nur zwanzig Jahre älter wäre!", seufzte er. "Dann würde ich Sie mir nicht durch die Finger schlüpfen lassen."
"Bitte", flehte die Herzoginwitwe. "Ich habe etwas, was ich Ihnen geben muss."
"Na, das ist doch mal eine willkommene Abwechslung", bemerkte er. "Es
kommt wirklich selten vor, dass die Leute mir etwas geben wollen. Man fühlt sich
ganz unbeliebt."
Grace streckte der Herzoginwitwe die Hand entgegen. "Bitte lassen Sie sich doch von mir helfen", sagte sie. Ihrer Dienstherrin ging es nicht gut. Ihr konnte es nicht gut gehen. Sie war nie demütig, sie bettelte niemals, und ...
"Nehmen Sie doch sie!", rief die Herzoginwitwe plötzlich, packte Grace am Arm und schob sie dem Straßenräuber in die Arme. "Nehmen Sie sie als Geisel, halten Sie ihr die Pistole an die Stirn. Ich verspreche, dass ich wiederkomme, und zwar unbewaffnet."
...
Übersetzung: Petra Lingsminat
© 2010 by Julie Cotler Pottinger
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Autoren-Porträt von Julia Quinn
Julia Quinn wird auch als zeitgenössische Jane Austen bezeichnet. Sie studierte zunächst Kunstgeschichte an der Harvard Universität, ehe sie die Liebe zum Schreiben entdeckte. Ihre überaus erfolgreichen historischen Romane präsentieren den Zauber einer vergangenen Epoche und begeistern durch ihre warmherzigen, humorvollen Schilderungen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Julia Quinn
- 2012, 364 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Petra Lingsminat
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862783057
- ISBN-13: 9783862783052
- Erscheinungsdatum: 19.03.2012
Rezension zu „Geküsst von einem Duke “
"Alles, was eine begeisterte Leserschaft an Julia Quinns Büchern so erfreut - ihr Witz, wunderbar unterhaltsame Charaktere und eine sinnliche Liebesgeschichte -, steckt auch in diesen köstlichen historischen Liebesroman."- Booklist
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