Dustlands - Die Entführung
Roman. Deutsche Erstausgabe
In einer Welt nach unserer Zeit: Saba wächst am abgeschiedenen Silverlake auf. Als eines Tages ihr Zwillingsbruder Lugh entführt wird, macht sie sich auf eine abenteuerliche Reise, um ihn zu finden. Dabei gelangt sie in das Land jenseits des...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Dustlands - Die Entführung “
In einer Welt nach unserer Zeit: Saba wächst am abgeschiedenen Silverlake auf. Als eines Tages ihr Zwillingsbruder Lugh entführt wird, macht sie sich auf eine abenteuerliche Reise, um ihn zu finden. Dabei gelangt sie in das Land jenseits des Silverlake, in dem ein brutales Regime herrscht. Saba muss viele Gefahren überstehen, um erst sich selbst und dann ihren Bruder zu befreien.
Klappentext zu „Dustlands - Die Entführung “
"Sie nennen mich den Todesengel. Weil ich noch nie einen Kampf verloren habe."Sabas Zwillingsbruder wird von Soldaten verschleppt. Sie schwört, ihn zu finden und zu befreien. Mit dem Mut der Verzweiflung macht sie sich auf einen Weg voller Gefahren, Gewalt und Verrat. Sie kann niemandem vertrauen - auch nicht dem Mann, der ihr das Leben rettet.
Der erste Band einer epischen Endzeit-Fantasy, eine Geschichte, die dein Herz schneller schlagen lässt.
Lese-Probe zu „Dustlands - Die Entführung “
Dustlands - Die Entführung von Moira YoungWenn man Lugh und mich zusammen sieht, würd man nicht drauf kommen, dass wir verwandt sind.
Man würd nie drauf kommen, dass wir zusammen im selben Mutterleib gewesen sind.
Er hat goldene Haare. Ich schwarze.
Blaue Augen. Braune Augen.
Stark. Mager.
Schön. Hässlich.
Er ist mein Licht.
Ich bin sein Schatten.
Lugh strahlt hell wie die Sonne.
Das hat es denen bestimmt leicht gemacht, ihn zu finden. Sie haben nur seinem Licht folgen müssen.
Silverlake
... mehr
Es ist ein heißer Tag. So heiß und trocken, dass ich nur Staub schmeck. Die Sorte weißglühender Tag, wenn man die Erde aufreißen hören kann.
Seit fast sechs Monaten haben wir jetzt keinen Tropfen Regen mehr gehabt. Sogar die Quelle, die den See speist, trocknet langsam aus. Man muss jetzt ein ganzes Stück laufen, um einen Eimer voll zu kriegen. Wenn das so weitergeht, verdient der See seinen Namen bald nicht mehr.
Silverlake - Silbersee.
Jeden Tag versucht Pa es mit einem anderen Zauberspruch. Und jeden Tag ziehen am Horizont dicke fette Regenwolken auf. Sie kriechen langsam in unsere Richtung, und unsere Herzen klopfen schneller, unsere Hoffnung wächst. Aber lange bevor sie bei uns sind, reißen sie auseinander, werden immer dünner, bis sie ganz verschwinden. Jedes Mal.
Pa sagt nie was dazu. Er starrt nur hoch zum Himmel, zum wolkenlosen grausamen Himmel. Dann nimmt er die Steine oder Zweige oder was er diesmal auf der Erde ausgelegt hat und verwahrt sie bis zum nächsten Tag.
Heute schiebt er den Hut aus der Stirn. Legt den Kopf in den Nacken und guckt lange hoch zum Himmel.
Ich glaub, ich versuch's mal mit einem Kreis, sagt er. Doch, ich denk, ein Kreis ist vielleicht genau das Richtige.
Lugh sagt es schon seit einer ganzen Weile. Mit Pa geht es bergab. Mit jedem Tag ohne Regen scheint wieder ein Stück von Pa zu ... ich schätze, verschwinden ist das beste Wort dafür.
Früher haben wir uns drauf verlassen können, dass wir einen Fisch aus dem See ziehen oder irgendein Tier aus unseren Fallen holen. Ansonsten haben wir ein bisschen was angebaut, ein bisschen was aufgestöbert, und alles in allem sind wir ganz gut zurecht gekommen. Aber seit einem Jahr reicht es einfach nicht mehr, egal was wir tun, egal wie sehr wir uns anstrengen. Nicht ohne Regen. Wir können zugucken, wie das Land stirbt, Stückchen für Stückchen.
Und genauso ist es auch mit Pa. Mit jedem Tag vergeht ein bisschen mehr von dem, was am besten an ihm ist. Andererseits: Es geht ihm schon lange nicht mehr gut. Nicht so richtig. Seit Ma tot ist. Aber es stimmt, was Lugh sagt: Genau wie dem Land geht es auch Pa immer schlechter. Er ist mit den Augen immer öfter am Himmel statt bei dem, was gleich hier vor seiner Nase ist.
Ich glaub nicht, dass er uns noch sieht. Nicht richtig. Emmi ist in letzter Zeit völlig verwahrlost, mit dreckigen Haaren und laufender Nase. Wenn Lugh nicht wär, würd sie sich bestimmt gar nicht mehr waschen.
Bevor Emmi geboren worden ist, als Ma noch am Leben und alles gut gewesen ist, da ist Pa anders gewesen. Ma hat ihn immer zum Lachen gebracht. Er hat Lugh und mich rumgejagt oder uns in die Luft geworfen, bis wir geschrien haben, er soll uns runterlassen. Und er hat uns vor der schlechten Welt jenseits vom Silverlake gewarnt. Damals hab ich mir nicht vorstellen können, dass irgendjemand größer oder stärker oder klüger sein könnte als Pa.
Aus dem Augenwinkel beobachte ich ihn. Lugh und ich reparieren gerade das Hüttendach. Die Hüttenwände sind ziemlich stabil, weil sie aus übereinander gestapelten Reifen bestehen. Aber der tückische Heißwind, der oft übern See gefegt kommt, kriecht in jede Ritze und deckt oft große Dachstücke auf einmal ab. Ständig müssen wir das verdammte Ding ausbessern.
Deswegen sind Lugh und ich nach dem Heißwind letzte Nacht ganz früh morgens auf Beutezug unten zur alten Müllkippe gegangen. Wir haben an einer Stelle gegraben, wo wir es noch nie versucht hatten, und haben doch wirklich astreinen Abwrackerschrott aufgestöbert. Ein schön großes Stück Blech, nicht allzu rostig, und einen Kochtopf, sogar noch mit Griff dran.
Lugh arbeitet auf dem Dach, während ich tu, was ich immer tu, nämlich die Leiter rauf- und runterklettern und ihm anreichen, was er braucht.
Nero tut auch, was er immer tut, nämlich auf meiner Schulter hocken und ganz laut krächzen, mir genau ins Ohr, um mir zu sagen, was er denkt. Er hat zu allem eine Meinung, der gute Nero, und er ist wirklich klug. Ich glaube, wenn wir bloß die Krähensprache verstehen könnten, würden wir merken, dass er uns ein, zwei Sachen darüber erzählen kann, wie man ein Dach richtig repariert.
Er hat bestimmt drüber nachgedacht, das möcht ich wetten. Er sieht uns ja seit fünf Jahren dabei zu. Seit ich ihn gefunden hab, wo er aus dem Nest gefallen ist - und von seiner Ma keine Spur. Pa ist nicht begeistert gewesen, dass ich ein Krähenküken anschlepp. Er hat gesagt, manche Leute glauben, dass Krähen den Tod bringen. Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, ihn von Hand aufzuziehen, und wenn ich mir einmal was in den Kopf setz, dann bleib ich dabei.
Und dann ist da Emmi. Sie tut auch, was sie immer tut, nämlich Lugh und mir auf die Nerven gehen. Ich lauf zwischen Leiter und Schrotthaufen hin und her, und sie klebt an meinen Fersen.
Ich will helfen, sagt sie.
Dann halt die Leiter fest, sag ich.
Nein! Ich will richtig helfen! Du lässt mich immer nur die Leiter festhalten!
Tja, sag ich, vielleicht bist du ja zu nichts anderem zu gebrauchen. Hast du da schon mal dran gedacht?
Sie verschränkt die Arme vor der mageren kleinen Brust und guckt mich böse an. Du bist gemein, sagt sie.
Hast du schon mal gesagt, sag ich.
Ich dreh mich um und will mit einem rostigen Blech in der Hand die Leiter raufklettern. Aber ich hab erst drei Stufen geschafft, da fängt sie an, an der Leiter zu rütteln. Ich muss mich festhalten, damit ich nicht runterfall. Nero kreischt und flattert hastig davon. Ich guck böse runter auf Em.
Lass das!, sag ich. Willst du, dass ich mir den Hals brech? Lughs Kopf taucht überm Dachrand auf.
Jetzt ist gut, Em, sagt er, hör auf damit. Geh Pa helfen. Sofort lässt sie los. Emmi tut immer, was Lugh sagt.
Aber ich will helfen, sagt sie und zieht ihren Schmollmund. Wir brauchen deine Hilfe nicht, sag ich. Wir kommen prima ohne dich klar.
Du bist die gemeinste Schwester, die es gibt! Ich hasse dich, Saba!
Prima! Ich hasse dich nämlich auch!
Hört auf!, sagt Lugh. Alle beide!
Emmi streckt mir die Zunge raus und stapft davon. Ich kletter die Leiter rauf aufs Dach, kriech zu Lugh und geb ihm das Blech.
Ich schwör dir, eines Tages bring ich sie um, sag ich.
Sie ist erst neun, Saba, sagt Lugh. Versuch doch zur Abwechslung mal, nett zu ihr zu sein.
Ich stöhn und hock mich neben ihn. Von hier oben auf dem Dach kann ich alles sehen. Emmi, die auf ihrem klapprigen Zweirad rumfährt, das Lugh auf der Müllkippe gefunden hat. Pa bei seinem Beschwörungskreis.
Es ist nur ein Fleckchen Erde, das er mit seinen Stiefeln glattgestampft hat. Wir dürfen nicht mal in die Nähe, außer er erlaubt es. Immerzu fuhrwerkt er da rum und fegt Zweige weg oder Sand, der draufgeweht ist. Bis jetzt hat er die Stöckchen für seinen Regenkreis noch nicht ausgelegt. Ich beobachte, wie er den Besen hinlegt. Dann macht er drei Schritte nach links und drei nach rechts. Dann noch mal. Und noch mal.
Hast du gesehen, was Pa vorhat?, frag ich Lugh.
Er guckt nicht mal hoch. Fängt an, das Blech mit dem Hammer auszubeulen.
Hab ich, sagt er. Hat er gestern schon gemacht. Und vorgestern.
Was soll das alles?, frag ich. Nach rechts gehen, dann nach links, immer wieder.
Woher soll ich das wissen?, fragt er. Er hat die Lippen fest zusammengepresst. Und er hat wieder diesen Gesichtsausdruck. Diesen leeren Gesichtsausdruck, wenn Pa was sagt oder ihn bittet, was zu tun. Den seh ich jetzt immer öfter bei ihm.
Lugh! Pa guckt hoch und schirmt die Augen ab. Ich könnt deine Hilfe gebrauchen, Sohn!
Alter Trottel, murrt Lugh und haut besonders feste mit dem Hammer aufs Blech.
Sag das nicht. Pa weiß doch immer, was er tut. Er ist ein Sterndeuter.
Lugh guckt mich an und schüttelt den Kopf. Als ob er nicht glauben könnte, was ich da gerade gesagt hab.
Hast du's denn immer noch nicht kapiert? Das ist alles nur in seinem Kopf. Das bildet er sich ein. Da steht nichts in den Sternen. Es gibt keinen großen Plan. Das Leben geht einfach so weiter. Unser Leben geht einfach immer so weiter hier an diesem gottverlassenen Ort. Mehr ist nicht. Bis wir irgendwann sterben. Ich sag dir was, Saba, ich halt das nicht mehr aus.
Ich starr ihn an.
Lugh!, brüllt Pa.
Ich hab zu tun!, brüllt Lugh zurück.
Jetzt sofort, Sohn!
Lugh flucht leise. Schmeißt den Hammer hin, drängelt sich an mir vorbei und saust die Leiter runter. Er stürmt rüber zu Pa. Reißt ihm die Stöckchen aus der Hand und schmeißt sie auf den Boden. Da liegen sie jetzt überall verstreut.
Da!, schreit Lugh. Da hast du deine Hilfe! Jetzt kommt der gottverdammte Regen bestimmt! Er tritt nach Pas frisch gefegtem Beschwörungskreis, dass der Staub nur so fliegt. Dann bohrt er Pa den Finger in die Brust. Wach auf, alter Mann! Du lebst in einem Traum! Der Regen kommt nicht! Der Höllenflecken hier stirbt, und wir sterben auch, wenn wir hierbleiben. Aber weißt du was? Ich mach das nicht mehr mit! Ich hau ab!
Ich hab gewusst, dass es so kommt, sagt Pa. Die Sterne haben mir gesagt, dass du unglücklich bist, Sohn. Er legt Lugh die Hand auf den Arm. Lugh schüttelt sie so heftig ab, dass Pa nach hinten stolpert.
Du bist ja verrückt, weißt du das? Lugh schreit es ihm mitten ins Gesicht. Die Sterne haben dir gesagt! Warum hörst du nicht einfach bloß ein Mal auf das, was ich sag?
Er rennt davon. Ich kletter hastig die Leiter runter. Pa starrt zu Boden, er lässt die Schultern hängen.
Ich versteh das nicht, sagt er. Ich seh Regen kommen ... Ich seh's in den Sternen, aber dann ... kommt er nicht. Warum nicht?
Schon gut, Pa, sagt Emmi. Ich helf dir. Ich leg sie da hin, wo du sie haben willst. Sie krabbelt auf allen vieren rum und sammelt die Stöckchen ein. Dann guckt sie zu ihm hoch und lächelt bang.
Lugh hat's nicht so gemeint, Pa, sagt sie. Das weiß ich genau.
Ich geh einfach an ihnen vorbei.
Ich weiß, wo Lugh hinwill.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2011
Es ist ein heißer Tag. So heiß und trocken, dass ich nur Staub schmeck. Die Sorte weißglühender Tag, wenn man die Erde aufreißen hören kann.
Seit fast sechs Monaten haben wir jetzt keinen Tropfen Regen mehr gehabt. Sogar die Quelle, die den See speist, trocknet langsam aus. Man muss jetzt ein ganzes Stück laufen, um einen Eimer voll zu kriegen. Wenn das so weitergeht, verdient der See seinen Namen bald nicht mehr.
Silverlake - Silbersee.
Jeden Tag versucht Pa es mit einem anderen Zauberspruch. Und jeden Tag ziehen am Horizont dicke fette Regenwolken auf. Sie kriechen langsam in unsere Richtung, und unsere Herzen klopfen schneller, unsere Hoffnung wächst. Aber lange bevor sie bei uns sind, reißen sie auseinander, werden immer dünner, bis sie ganz verschwinden. Jedes Mal.
Pa sagt nie was dazu. Er starrt nur hoch zum Himmel, zum wolkenlosen grausamen Himmel. Dann nimmt er die Steine oder Zweige oder was er diesmal auf der Erde ausgelegt hat und verwahrt sie bis zum nächsten Tag.
Heute schiebt er den Hut aus der Stirn. Legt den Kopf in den Nacken und guckt lange hoch zum Himmel.
Ich glaub, ich versuch's mal mit einem Kreis, sagt er. Doch, ich denk, ein Kreis ist vielleicht genau das Richtige.
Lugh sagt es schon seit einer ganzen Weile. Mit Pa geht es bergab. Mit jedem Tag ohne Regen scheint wieder ein Stück von Pa zu ... ich schätze, verschwinden ist das beste Wort dafür.
Früher haben wir uns drauf verlassen können, dass wir einen Fisch aus dem See ziehen oder irgendein Tier aus unseren Fallen holen. Ansonsten haben wir ein bisschen was angebaut, ein bisschen was aufgestöbert, und alles in allem sind wir ganz gut zurecht gekommen. Aber seit einem Jahr reicht es einfach nicht mehr, egal was wir tun, egal wie sehr wir uns anstrengen. Nicht ohne Regen. Wir können zugucken, wie das Land stirbt, Stückchen für Stückchen.
Und genauso ist es auch mit Pa. Mit jedem Tag vergeht ein bisschen mehr von dem, was am besten an ihm ist. Andererseits: Es geht ihm schon lange nicht mehr gut. Nicht so richtig. Seit Ma tot ist. Aber es stimmt, was Lugh sagt: Genau wie dem Land geht es auch Pa immer schlechter. Er ist mit den Augen immer öfter am Himmel statt bei dem, was gleich hier vor seiner Nase ist.
Ich glaub nicht, dass er uns noch sieht. Nicht richtig. Emmi ist in letzter Zeit völlig verwahrlost, mit dreckigen Haaren und laufender Nase. Wenn Lugh nicht wär, würd sie sich bestimmt gar nicht mehr waschen.
Bevor Emmi geboren worden ist, als Ma noch am Leben und alles gut gewesen ist, da ist Pa anders gewesen. Ma hat ihn immer zum Lachen gebracht. Er hat Lugh und mich rumgejagt oder uns in die Luft geworfen, bis wir geschrien haben, er soll uns runterlassen. Und er hat uns vor der schlechten Welt jenseits vom Silverlake gewarnt. Damals hab ich mir nicht vorstellen können, dass irgendjemand größer oder stärker oder klüger sein könnte als Pa.
Aus dem Augenwinkel beobachte ich ihn. Lugh und ich reparieren gerade das Hüttendach. Die Hüttenwände sind ziemlich stabil, weil sie aus übereinander gestapelten Reifen bestehen. Aber der tückische Heißwind, der oft übern See gefegt kommt, kriecht in jede Ritze und deckt oft große Dachstücke auf einmal ab. Ständig müssen wir das verdammte Ding ausbessern.
Deswegen sind Lugh und ich nach dem Heißwind letzte Nacht ganz früh morgens auf Beutezug unten zur alten Müllkippe gegangen. Wir haben an einer Stelle gegraben, wo wir es noch nie versucht hatten, und haben doch wirklich astreinen Abwrackerschrott aufgestöbert. Ein schön großes Stück Blech, nicht allzu rostig, und einen Kochtopf, sogar noch mit Griff dran.
Lugh arbeitet auf dem Dach, während ich tu, was ich immer tu, nämlich die Leiter rauf- und runterklettern und ihm anreichen, was er braucht.
Nero tut auch, was er immer tut, nämlich auf meiner Schulter hocken und ganz laut krächzen, mir genau ins Ohr, um mir zu sagen, was er denkt. Er hat zu allem eine Meinung, der gute Nero, und er ist wirklich klug. Ich glaube, wenn wir bloß die Krähensprache verstehen könnten, würden wir merken, dass er uns ein, zwei Sachen darüber erzählen kann, wie man ein Dach richtig repariert.
Er hat bestimmt drüber nachgedacht, das möcht ich wetten. Er sieht uns ja seit fünf Jahren dabei zu. Seit ich ihn gefunden hab, wo er aus dem Nest gefallen ist - und von seiner Ma keine Spur. Pa ist nicht begeistert gewesen, dass ich ein Krähenküken anschlepp. Er hat gesagt, manche Leute glauben, dass Krähen den Tod bringen. Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, ihn von Hand aufzuziehen, und wenn ich mir einmal was in den Kopf setz, dann bleib ich dabei.
Und dann ist da Emmi. Sie tut auch, was sie immer tut, nämlich Lugh und mir auf die Nerven gehen. Ich lauf zwischen Leiter und Schrotthaufen hin und her, und sie klebt an meinen Fersen.
Ich will helfen, sagt sie.
Dann halt die Leiter fest, sag ich.
Nein! Ich will richtig helfen! Du lässt mich immer nur die Leiter festhalten!
Tja, sag ich, vielleicht bist du ja zu nichts anderem zu gebrauchen. Hast du da schon mal dran gedacht?
Sie verschränkt die Arme vor der mageren kleinen Brust und guckt mich böse an. Du bist gemein, sagt sie.
Hast du schon mal gesagt, sag ich.
Ich dreh mich um und will mit einem rostigen Blech in der Hand die Leiter raufklettern. Aber ich hab erst drei Stufen geschafft, da fängt sie an, an der Leiter zu rütteln. Ich muss mich festhalten, damit ich nicht runterfall. Nero kreischt und flattert hastig davon. Ich guck böse runter auf Em.
Lass das!, sag ich. Willst du, dass ich mir den Hals brech? Lughs Kopf taucht überm Dachrand auf.
Jetzt ist gut, Em, sagt er, hör auf damit. Geh Pa helfen. Sofort lässt sie los. Emmi tut immer, was Lugh sagt.
Aber ich will helfen, sagt sie und zieht ihren Schmollmund. Wir brauchen deine Hilfe nicht, sag ich. Wir kommen prima ohne dich klar.
Du bist die gemeinste Schwester, die es gibt! Ich hasse dich, Saba!
Prima! Ich hasse dich nämlich auch!
Hört auf!, sagt Lugh. Alle beide!
Emmi streckt mir die Zunge raus und stapft davon. Ich kletter die Leiter rauf aufs Dach, kriech zu Lugh und geb ihm das Blech.
Ich schwör dir, eines Tages bring ich sie um, sag ich.
Sie ist erst neun, Saba, sagt Lugh. Versuch doch zur Abwechslung mal, nett zu ihr zu sein.
Ich stöhn und hock mich neben ihn. Von hier oben auf dem Dach kann ich alles sehen. Emmi, die auf ihrem klapprigen Zweirad rumfährt, das Lugh auf der Müllkippe gefunden hat. Pa bei seinem Beschwörungskreis.
Es ist nur ein Fleckchen Erde, das er mit seinen Stiefeln glattgestampft hat. Wir dürfen nicht mal in die Nähe, außer er erlaubt es. Immerzu fuhrwerkt er da rum und fegt Zweige weg oder Sand, der draufgeweht ist. Bis jetzt hat er die Stöckchen für seinen Regenkreis noch nicht ausgelegt. Ich beobachte, wie er den Besen hinlegt. Dann macht er drei Schritte nach links und drei nach rechts. Dann noch mal. Und noch mal.
Hast du gesehen, was Pa vorhat?, frag ich Lugh.
Er guckt nicht mal hoch. Fängt an, das Blech mit dem Hammer auszubeulen.
Hab ich, sagt er. Hat er gestern schon gemacht. Und vorgestern.
Was soll das alles?, frag ich. Nach rechts gehen, dann nach links, immer wieder.
Woher soll ich das wissen?, fragt er. Er hat die Lippen fest zusammengepresst. Und er hat wieder diesen Gesichtsausdruck. Diesen leeren Gesichtsausdruck, wenn Pa was sagt oder ihn bittet, was zu tun. Den seh ich jetzt immer öfter bei ihm.
Lugh! Pa guckt hoch und schirmt die Augen ab. Ich könnt deine Hilfe gebrauchen, Sohn!
Alter Trottel, murrt Lugh und haut besonders feste mit dem Hammer aufs Blech.
Sag das nicht. Pa weiß doch immer, was er tut. Er ist ein Sterndeuter.
Lugh guckt mich an und schüttelt den Kopf. Als ob er nicht glauben könnte, was ich da gerade gesagt hab.
Hast du's denn immer noch nicht kapiert? Das ist alles nur in seinem Kopf. Das bildet er sich ein. Da steht nichts in den Sternen. Es gibt keinen großen Plan. Das Leben geht einfach so weiter. Unser Leben geht einfach immer so weiter hier an diesem gottverlassenen Ort. Mehr ist nicht. Bis wir irgendwann sterben. Ich sag dir was, Saba, ich halt das nicht mehr aus.
Ich starr ihn an.
Lugh!, brüllt Pa.
Ich hab zu tun!, brüllt Lugh zurück.
Jetzt sofort, Sohn!
Lugh flucht leise. Schmeißt den Hammer hin, drängelt sich an mir vorbei und saust die Leiter runter. Er stürmt rüber zu Pa. Reißt ihm die Stöckchen aus der Hand und schmeißt sie auf den Boden. Da liegen sie jetzt überall verstreut.
Da!, schreit Lugh. Da hast du deine Hilfe! Jetzt kommt der gottverdammte Regen bestimmt! Er tritt nach Pas frisch gefegtem Beschwörungskreis, dass der Staub nur so fliegt. Dann bohrt er Pa den Finger in die Brust. Wach auf, alter Mann! Du lebst in einem Traum! Der Regen kommt nicht! Der Höllenflecken hier stirbt, und wir sterben auch, wenn wir hierbleiben. Aber weißt du was? Ich mach das nicht mehr mit! Ich hau ab!
Ich hab gewusst, dass es so kommt, sagt Pa. Die Sterne haben mir gesagt, dass du unglücklich bist, Sohn. Er legt Lugh die Hand auf den Arm. Lugh schüttelt sie so heftig ab, dass Pa nach hinten stolpert.
Du bist ja verrückt, weißt du das? Lugh schreit es ihm mitten ins Gesicht. Die Sterne haben dir gesagt! Warum hörst du nicht einfach bloß ein Mal auf das, was ich sag?
Er rennt davon. Ich kletter hastig die Leiter runter. Pa starrt zu Boden, er lässt die Schultern hängen.
Ich versteh das nicht, sagt er. Ich seh Regen kommen ... Ich seh's in den Sternen, aber dann ... kommt er nicht. Warum nicht?
Schon gut, Pa, sagt Emmi. Ich helf dir. Ich leg sie da hin, wo du sie haben willst. Sie krabbelt auf allen vieren rum und sammelt die Stöckchen ein. Dann guckt sie zu ihm hoch und lächelt bang.
Lugh hat's nicht so gemeint, Pa, sagt sie. Das weiß ich genau.
Ich geh einfach an ihnen vorbei.
Ich weiß, wo Lugh hinwill.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2011
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Autoren-Porträt von Moira Young
Moira Young, geboren und aufgewachsen in British Columbia im Westen Kanadas, trat als Schauspielerin und Opernsängerin in Kanada und Europa auf. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Bath, England.Alice Jakubeit wurde 1964 geboren. Die gelernte Buchhändlerin studierte Literaturübersetzen und überträgt seit 1999 englischsprachige Romane und Sachbücher ins Deutsche. Sie lebt in Düsseldorf.
Bibliographische Angaben
- Autor: Moira Young
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2011, 449 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Jakubeit, Alice
- Übersetzer: Alice Jakubeit
- Verlag: Fischer FJB
- ISBN-10: 3841421423
- ISBN-13: 9783841421425
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