Dewey und seine Freunde
Neue Geschichten vom berühmtesten Kater der Welt
Erinnern Sie sich an Dewey, den berühmten Bibiotheks-Kater? Mit dieser Reaktion hat Vicky Myron nicht gerechnet: Sie hat unzählige Fanbriefe mit entzückenden Katzengeschichten erhalten. Hier versammelt sie neun bezaubernde Geschichten.
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Produktinformationen zu „Dewey und seine Freunde “
Erinnern Sie sich an Dewey, den berühmten Bibiotheks-Kater? Mit dieser Reaktion hat Vicky Myron nicht gerechnet: Sie hat unzählige Fanbriefe mit entzückenden Katzengeschichten erhalten. Hier versammelt sie neun bezaubernde Geschichten.
Klappentext zu „Dewey und seine Freunde “
Mit dieser überwältigenden Reaktion auf Dewey und ich hatte Vicki Myron nicht gerechnet: Tausende Fanbriefe erreichten die Bibliothekarin, und sie alle hatten eine eigene Geschichte zu erzählen. Die Schönsten hat sie zusammengetragen, und so kommen neben dem Kater Dewey auch dessen Freunde zu Wort. Neun bezaubernde Geschichten, die davon erzählen, wie die Vierbeiner unser Leben bereichern. Von einer geschiedenen Mutter, die im kalten Alaska am Weihnachtsabend ein ertrinkendes Junges rettet, bis zu einem traumatisierten Vietnam-Veteran, dessen Herz sich durch die Liebe einer Katze öffnet.Lese-Probe zu „Dewey und seine Freunde “
Dewey und seine Freunde von Vicky Myron und Bret Witter... mehr
Ich stimme nicht mit der Frau überein, die diesen Brief geschrieben hat, denn ich glaube schon, dass Engel unter
uns sind, die uns wachsen helfen. Ich glaube an »lehrreiche Momente«, in denen wir etwas Wertvolles über das Leben lernen können, wenn unsere Augen und Herzen offen sind für die Welt um uns herum. Diese Gelegenheitsengel, wie ich sie nenne, gibt es in allen möglichen Formen. Sie erscheinen dank der wichtigen Menschen in unserem Leben, aber auch durch zufällige Begegnungen und durch Fremde. Ich glaube, dass Dewey, der berühmte Bibliothekskater von Spencer, Iowa, so ein Engel war. Er hat uns so vieles gelehrt und das Leben so vieler Menschen berührt, dass ich das nicht als Zufall abtun kann. Ich glaube nicht an Zufälle.
Aber ich weiß, was diese junge Frau sagen will. Sie will sagen, dass Dewey durch sein Verhalten ihr Leben verändert hat. Sie findet keine Worte, um diese Macht zu beschreiben, aber sie weiß, dass sie etwas Besonderes ist.
Ich habe einen Ausdruck dafür: Deweys Magie. Diesen Ausdruck gebrauchte ich immer, wenn ich sah, wie es ihm gelang, das Bild der Menschen von sich selbst zu verändern. Niemand hat diese Magie deutlicher gesehen als ich, denn von allen Menschen auf der Welt kannte ich Dewey am besten und wurde von ihm am stärksten berührt. Ich bin nur eine ganz normale Frau aus Iowa, die im Dienst ergraute Leiterin einer Kleinstadtbibliothek, kaum zwanzig Kilometer von der Farm entfernt, auf der ich geboren und aufgewachsen bin, aber neunzehn Jahre lang hatte ich das Glück, meinen Weg mit Dewey gemeinsam zu gehen. Und Dewey ... er war etwas Besonderes. Er bewirkte etwas. Er inspirierte eine ganze Stadt. Er wurde weltberühmt, er erschien auf den Titelseiten von Zeitschriften und Zeitungen und war der Held des New-York-Times-Bestsellers Dewey und ich, den ich als »Deweys Mommy« zu schreiben die Ehre hatte. Deweys Magie, das war es. Er war nur ein Kater, aber er lockte unser besseres Ich hervor. Jeder verliebte sich in ihn. Er berührte die ganze Welt. Niemand, der ihn kennenlernte, vergaß Dewey je wieder.
Seine Geschichte begann in aller Stille an einem bitterkalten Wochenende im Januar 1988. Wir hatten minus fünfundzwanzig Grad, eine Kälte, die in der Lunge brennt und einem die Gesichtshaut abzieht (zumindest fühlt es sich so an). Solch klirrende Kälte, oft von eisigem Wind begleitet, ist das Un-angenehmste am Leben in den nördlichen Plains. Man lernt, damit zurechtzukommen, aber man gewöhnt sich nie daran. Es gibt in Nord-Iowa Zeiten, da sollte man tunlichst nicht aus dem Haus gehen.
Aber trotz der arktischen Temperaturen war jemand in der Innenstadt von Spencer doch aus dem Haus gegangen, denn irgendwann an jenem Sonntag wurde ein winziges verwaistes Kätzchen in die Rückgabeklappe an der Rückwand der Städtischen Bibliothek Spencer gesteckt. Ich hoffe, es war ein Akt der Barmherzigkeit - dass jemand ein winziges, acht Wochen altes, kaum ein Pfund schweres Kätzchen frierend im Schnee sitzen sah und es retten wollte. Wenn es so war, dann hat der Betreffende ziemlich gedankenlos gehandelt. Bei der Buchrückgabe handelte es sich um einen Metallschacht, der einen Meter nach unten in einen abgeschlossenen Blechkasten führte. Im Grunde genommen war es ein Kühlschrank - keine Decken, keine Kissen, keine weichen Polster. Nur kaltes Metall. Und Bücher. Mindestens zehn, womöglich aber vierundzwanzig Stunden lang saß der kleine Dewey in eisiger Kälte und pech-schwarzer Finsternis und hatte nichts als Bücher um sich.
Ich trat am Montag frühmorgens auf den Plan, als ich den Buchrückgabekasten öffnete und das winzige Kätzchen darin vorfand. Flehentlich schaute es zu mir auf, und mir blieb das Herz stehen. Das Katerchen war so niedlich ... und so hilfsbedürftig. Ich hielt es in den Händen, bis es zu zittern aufhörte, badete es dann warm in der Spüle und trocknete es mit dem Fön, den wir für Bastelarbeiten mit Kindergruppen verwendeten. Und dann wurde Dewey aktiv: Auf halb erfrorenen Pfoten tappte er nacheinander zu allen Angestellten der Bibliothek hin und beschnupperte sie.
In diesem Moment beschloss ich, dass die Bibliothek ihn adoptieren müsse. Nicht nur deswegen, weil ich mich auf Anhieb in Dewey verliebte, als er mich zum ersten Mal mit seinen wunderbaren goldfarbenen Augen anschaute. Sein Blick und die Unbeirrbarkeit, mit der er sich bei jedem Einzelnen von uns für seine Errettung bedankte, sagten mir auch, dass er perfekt in meinen Plan passen würde, die kalte, unpersönliche Atmosphäre der Stadtbibliothek von Spencer etwas aufzuwärmen. Sein liebevolles, kontaktfreudiges Wesen, seine herzerwärmende Präsenz weckten in allen gute Gefühle.
Und genau das brauchte Spencer zu dieser Zeit. Die Stadt ächzte unter den Folgen einer Farmkrise; siebzig Prozent der Läden in der Innenstadt standen leer, und im County gingen Farmen dutzendweise bankrott. Wir brauchten eine rührende Geschichte. Wir brauchten etwas Positives, worüber wir reden konnten, und eine Lektion in Ausdauer, Hoffnung und Liebe. Wenn jemand ein winziges Kätzchen in einen eiskalten, stockfinsteren Blechkasten steckte und dieses Kätzchen sich trotzdem sein Zutrauen und sein Mitgefühl bewahren konnte, dann konnten auch wir unser Missgeschick erdulden.
Aber Dewey war kein Maskottchen. Er war ein Gefährte aus Fleisch und Blut, ein Tier, das sich stets offen und liebevoll zeigte, sobald jemand die Bibliothek betrat. Er erwärmte die Herzen, wenn er von Schoß zu Schoß wanderte, vor allem aber hatte er ein sicheres Gespür dafür, wer ihn wirklich brauchte.
Ich erinnere mich an die Rentner unter den Stammkunden, die jeden Vormittag vorbeikamen. Viele von ihnen blieben länger und unterhielten sich öfter mit den Angestellten, seit Dewey da war.
Ich erinnere mich an Crystal, eine körperlich schwer behinderte Schülerin, die immer nur auf den Boden starrte, bis Dewey sie entdeckte und dann jedes Mal sofort zu ihr auf den Rollstuhl sprang, wenn sie durch die Tür geschoben wurde. Da begann Crystal, die Welt um sich herum zu sehen. Sie begann, Geräusche von sich zu geben, wenn sie einmal in der Woche in die Bibliothek kam, und wenn Dewey auf ihren Rollstuhl sprang, brach ein strahlendes Lächeln aus ihrem Herzen hervor.
Ich erinnere mich an unsere neue Hilfsbibliothekarin für Kinderliteratur, die vor Kurzem nach Spencer gezogen war, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Sie und Dewey saßen jeden Nachmittag beisammen. Eines Tages bemerkte ich, dass sie Tränen in den Augen hatte, und da wurde mir klar, wie sehr sie gelitten hatte und dass nur Dewey für sie da gewesen war.
Ich erinnere mich an die schüchterne Frau, der es schwerfiel, Freunde zu gewinnen. Ich erinnere mich an den jungen Mann, der frustriert war, weil er keine Arbeit fand. Ich er-innere mich an den Obdachlosen, der nie mit jemandem sprach, aber immer Dewey suchte, ihn sich auf die Schulter setzte (natürlich die rechte, Dewey setzte sich immer nur auf die rechte Schulter) und eine Viertelstunde mit ihm auf und ab ging. Der Mann flüsterte, Dewey hörte ihm zu. Da bin ich mir ganz sicher. Und dadurch, dass er zuhörte, dass er da war, half er allen.
Vor allem aber erinnere ich mich an die Kinder. Dewey hatte ein besonderes Verhältnis zu den Kindern von Spencer. Er liebte Babys. Er kletterte auf ihre Babysitze und schmiegte sich an sie, im Gesicht einen Ausdruck vollkommener Zufriedenheit, selbst dann, wenn sie ihn an den Ohren zogen. Er ließ es sich gefallen, dass Kleinkinder ihn, vor Vergnügen quietschend, drückten und stupsten. Er freundete sich mit einem allergiekranken Jungen an, der untröstlich war, weil er kein eigenes Haustier haben durfte. Er verbrachte ganze Nachmittage mit den Schülern, die sich in der Bibliothek aufhielten, während ihre Eltern arbeiteten, jagte ihren Bleistiften nach und versteckte sich in ihren Jackenärmeln. Er strich in der wöchentlichen Vorlesestunde jedem Kind um die Beine, bevor er sich für einen Schoß entschied, auf dem er sich zusammenrollte - jede Woche auf einem anderen, wohlgemerkt. Ja, Dewey hatte die Gewohnheiten eines Katers. Er schlief viel. Er war zimperlich, wenn man ihm den Bauch streicheln wollte. Er fraß Gummibänder. Er attackierte Schreibmaschinentasten (damals hatten wir noch Schreibmaschinen) und Computertastaturen. Er legte sich auf den Kopierer, weil aus dem Gerät warme Luft strömte. Er kletterte auf die Hängelampen. Man konnte nirgendwo in der Bibliothek einen Karton öffnen, ohne dass plötzlich Dewey auftauchte und hineinsprang. Doch was er eigentlich tat, war nicht weniger katzenähnlich, aber es ging tiefer: Er öffnete, eins nach dem anderen, die Herzen der Menschen von Spencer für die Schönheit und Liebe in unserer wundervollen Kleinstadt mitten in den Great Plains von Iowa und füreinander.
Das war die wahre Dewey-Magie, die Fähigkeit, seine freudvolle, freundliche und entspannte Einstellung zum Leben auf jeden zu übertragen, dem er begegnete.
Dass er berühmt wurde, verdankte er jedoch ganz allein seinem Charisma. Ich wollte natürlich, dass er in Spencer bekannt wurde. Ich half ihm nach Kräften dabei, das Image der Bibliothek zu verändern, sie aus einem Lagerhaus für Bücher in einen Versammlungsort zu verwandeln. Dass das auch irgendjemand außerhalb von Nordwest-Iowa zur Kenntnis nehmen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Doch sie kamen, erst spärlich, dann in hellen Scharen, angelockt von der Story des Katers, der eine ganze Stadt inspirierte. Als Erstes kamen die Journalisten - aus Des Moines, Eng-land, Boston, Japan. Dann folgten allmählich die Besucher. Ein älteres Ehepaar aus New York auf einer Fahrt durch die Vereinigten Staaten, das Dewey von da an sein Leben lang zum Geburtstag und zu Weihnachten Geld schickte. Eine Familie aus Rhode Island, die sich anlässlich einer Hochzeit in Minneapolis (fünf Stunden von Spencer entfernt) aufhielt. Ein krankes kleines Mädchen aus Texas, das, dessen bin ich mir sicher, seine Eltern um dieses eine Geschenk gebeten hatte. Es war erstaunlich, mit anzusehen, wie Deweys Ruhm erblühte. Die Menschen lernten Dewey kennen, sie verbrachten Zeit mit ihm, und sie liebten ihn. Sie fuhren heim und erzählten anderen Leuten von ihm, und dann kamen auch diejenigen ihn besuchen, und allesamt waren sie tief beeindruckt, wenn sie wieder gingen, und dann bekamen wir plötzlich einen Anruf von einer Zeitung in Los Angeles oder einem Reporter in Australien.
Als Dewey im Alter von neunzehn Jahren friedlich einschlief, nachdem er jeden einzelnen Tag den Einwohnern von Spencer und ihrer Bibliothek mit Würde und Begeisterung gedient hatte, überraschte es mich deshalb kaum, dass sein Nachruf, der zuerst in Sioux City erschien, in über zweihundertsiebzig Zeitungen nachgedruckt wurde. Und auch nicht, dass die Bibliothek Tausende von Briefen aus aller Welt bekam. Oder dass sich Hunderte von Fans in das Kondolenzbuch eintrugen und an einer improvisierten Trauerfeier teilnahmen. Zwei Monate lang wurden wir von Reportern und Bewunderern belagert, die mit uns über Dewey sprechen wollten. Ganz allmählich ließ der Trubel dann nach. Die Kameras verschwanden, und Spencer wurde wieder die stille Kleinstadt, die es immer gewesen war. Diejenigen von uns, die Dewey geliebt hatten, blieben nun mit ihrer Trauer allein. Der Star Dewey war von uns gegangen; die Erinnerungen an unseren Freund Dewey aber bewahrten wir in unseren Herzen. Als ich schließlich an einem eiskalten Dezembermorgen Deweys Asche draußen vor dem Fenster der Kinderabteilung der Bibliothek begrub, war nur die stellvertretende Bibliotheksleiterin an meiner Seite. So hätte Dewey es sich gewünscht.
Ich wusste, dass Dewey ein Vermächtnis hinterlassen hatte, weil er mich verändert hatte. Er hatte alle Mitarbeiter der Bibliothek verändert. Er hatte Crystal, das behinderte Mädchen, verändert, den obdachlosen Mann und die Kinder, die jede Woche zur Vorlesestunde kamen und von denen viele in späteren Jahren ihre eigenen Kinder zu Dewey brachten. Ich wusste, wie wichtig er war, weil die Leute mir immer wieder ihre Dewey-Geschichten erzählten, mich also ins Vertrauen zogen. Er berührte also nicht nur die Stadt Spencer. Und verändert hat er diejenigen von uns, die ihn gekannt und geliebt und seine Geschichte gehört hatten. Sein Vermächtnis würde in uns weiterleben.
Und damit würde es dann sein Bewenden haben. Dachte ich.
Doch dann geschah etwas wahrhaft Erstaunliches. Ich schrieb ein Buch über Dewey, und Menschen aus aller Welt reagierten darauf. Das Buch war als Tribut an meinen Freund gedacht, als Dankeschön für die Dienste, die er Spencer geleistet hatte, und für die Rolle, die er in meinem Leben gespielt hatte. Ich wusste, dass er Fans hatte. Ich hatte mir gedacht, dass sie vielleicht die ganze Geschichte würden lesen wollen. Aber auf so leidenschaftliche Reaktionen war ich nicht gefasst.
Sehr viele von denen, die zu meinen Lesungen kamen, mochten Dewey nicht nur, und mein Buch gefiel ihnen nicht nur - sie liebten beide. Die Geschichte rührte sie an. Und sie hatten das Gefühl, verändert worden zu sein. Ich erinnere mich an eine Frau in Sioux City, die weinend zusammenbrach, als sie mir erzählte, dass ihre Mutter, eine Klavierlehrerin und Organistin in Spencer, jeden Samstag mit ihr Zimtschnecken essen gegangen und dann mit ihr in die Bibliothek gefahren war, um Dewey zu besuchen. Dann war ihre Mutter an Alzheimer erkrankt, hatte nach und nach ihren Mann und ihre Kinder vergessen und schließlich nicht einmal mehr gewusst, wer sie selbst war. Ihre Tochter fuhr jede Woche die zwei Stunden von Sioux City herüber, um sie zu besuchen, und brachte immer ihre eigene Katze mit. Die Katze war schwarz-weiß, sah also dem kupferroten Dewey kein bisschen ähnlich, aber ihre Mutter lächelte jedes Mal und sagte: »Ach, da ist ja Dewey. Ich danke dir, dass du Dewey mitgebracht hast.« Die Tochter schluchzte so heftig, dass sie kaum zu Ende sprechen konnte.
»Nach dieser ersten Begegnung mit Ihnen«, erzählte sie mir einige Zeit später, »ging ich auf den Parkplatz hinaus und weinte noch eine Viertelstunde. Die Tränen wollten einfach nicht versiegen. Meine Mutter war schon seit zwölf Jahren tot, aber es war das erste Mal, dass ich wirklich um sie geweint hatte. Erst als ich an Dewey dachte und mich daran erinnerte, wie sehr meine Mutter ihn geliebt hatte, war mein Trauerprozess abgeschlossen.«
Das Seltsamste daran war, dass ich weder diese Frau, Margo Chesebro, noch ihre Mutter, Grace Barlow-Chesebro (nach der Beschreibung ihrer Tochter eine kluge, starke, selbstständige Frau, die an die Magie von Tieren glaubte und die ich bestimmt gemocht hätte) gekannt hatte. Aber sie hatten Dewey gekannt und geliebt. Er war Teil ihres Lebens gewesen, ein so wichtiger Teil, dass sich Grace trotz der Schäden in ihrem Gehirn irgendwie die Erinnerung an ihn bewahrte, auch als sie die Namen ihrer Kinder längst endgültig vergessen hatte und ihren Mann für ihren vor langer Zeit gestorbenen Bruder hielt. Da wurde mir klar, dass ich nie erfahren würde, wie viele Menschen es waren, deren Leben Dewey berührt hatte.
Dann gab es da auch jene, die Dewey nie gekannt hatten, fremde Menschen, die von seiner Geschichte so gerührt waren, dass es sie drängte, mir zu schreiben. Es begann fast unmittelbar nach dem Erscheinen des Buches. »Ich habe noch nie einem Autor oder einer Autorin geschrieben, aber Deweys Geschichte hat mich so angerührt. « Oder: »Dewey war ein Engel, und Ihnen gebührt Dank dafür, dass sie ihn in der Welt bekannt gemacht haben.«
Als die Monate vergingen und das Buch es an die Spitze der landesweiten Bestsellerlisten schaffte, wurden die Briefe zahlreicher, und schließlich gingen täglich mehrere Dutzend ein. Nach einem Jahr hatte ich über dreihunderttausend Briefe, E-Mails und Päckchen bekommen, fast ausnahmslos von Leuten, die nie etwas von Dewey gehört hatten, bevor sie das Buch lasen. Ich bekam ein Kissen mit Deweys Bild vom Buchumschlag in Kreuzstickerei. Ich bekam mehrere Gemälde von ihm. Ein früherer Einwohner von Spencer, der weggezogen war, uns aber nie vergessen hatte, gab eine Skulptur von Dewey für die Bibliothek in Auftrag. (Ich wusste, dass Deweys Magie wirkte, als ich sah, wo sich das Atelier des Bildhauers befand: in Dewey, Arizona.) Ich habe nie gezählt, wie viele Zeichnungen, Ziergegenstände und Schnitzfiguren von Katzen ich von Fans bekommen habe. Für diese Dinge habe ich ein eigenes Regal in meinem Haus - und es quillt schon über.
Jemand schickte mir zwanzig Dollar, für die ich Rosen für Dewey kaufen sollte. Jemand anderer schickte fünf Dollar für Katzenminze, die ich auf sein Grab legen sollte. Eine Frau in einem Callcenter in Idaho sagte mir, jedes Mal, wenn jemand aus Iowa anrufe, frage sie ihn nach Dewey, in der Hoffnung, jemanden zu finden, der ihn gekannt hatte. Ein Mann schickte mir ein Foto von dem Glas, in dem er Kleingeld sammelt. Es war mit einem Bild von Dewey verziert. Der Mann spendete von da an das gesparte Geld der Tierrettung.
Ich las jede Karte, jeden Brief und jede E-Mail. Gern hätte ich auch alle beantwortet, aber das war angesichts der schieren Menge unmöglich, vor allem, weil ich oft unterwegs war zu Veranstaltungen mit Deweys Fans. (Aber keine Bange, liebe Briefschreiber, ich habe die Rosen und die Katzenminze für Deweys Grab gekauft.) Die in den Briefen ausgedrückten Gefühle und die Art, wie Dewey nach wie vor das Leben von Menschen veränderte, haben mich vermutlich mehr bewegt, als diese Fans es sich überhaupt vorstellen konnten.
Ein junger Mann, der nach einer hässlichen Scheidung und einem beruflichen Rückschlag zornig und verbittert war, schrieb mir, Deweys Leben habe »mir das Herz geöffnet«.
Eine Frau mit MS in fortgeschrittenem Stadium erzählte mir, dass sie sich nach der Lektüre von Dewey auf den Boden niedergelassen und den Hund, der in ihrem Heim lebte, auf den Kopf geküsst habe. Hinterher kam sie nicht ohne Hilfe wieder hoch, aber sie war froh, dass sie es getan hatte, weil der Hund eine Woche danach starb.
Ein Mann in England schrieb, er habe vor mehreren Jahren seine Frau verloren. Erst nachdem er das Buch Dewey gelesen hatte, sei ihm klar geworden, dass er nur dank der beiden Kat-zen, die sie hinterlassen hatte - zwei Tiere, die ihm nach ihrem Tod eher lästig waren -, über den Verlust hinweggekommen war. Hätte er nicht die Katzen versorgen müssen, schrieb er, wäre er in einer »schwarzen Depression« versunken, die er möglicherweise nicht ertragen hätte.
Typisch war der Brief einer jungen Frau aus Florida.
...
Übersetzung: Nike Karen Müller
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Ich stimme nicht mit der Frau überein, die diesen Brief geschrieben hat, denn ich glaube schon, dass Engel unter
uns sind, die uns wachsen helfen. Ich glaube an »lehrreiche Momente«, in denen wir etwas Wertvolles über das Leben lernen können, wenn unsere Augen und Herzen offen sind für die Welt um uns herum. Diese Gelegenheitsengel, wie ich sie nenne, gibt es in allen möglichen Formen. Sie erscheinen dank der wichtigen Menschen in unserem Leben, aber auch durch zufällige Begegnungen und durch Fremde. Ich glaube, dass Dewey, der berühmte Bibliothekskater von Spencer, Iowa, so ein Engel war. Er hat uns so vieles gelehrt und das Leben so vieler Menschen berührt, dass ich das nicht als Zufall abtun kann. Ich glaube nicht an Zufälle.
Aber ich weiß, was diese junge Frau sagen will. Sie will sagen, dass Dewey durch sein Verhalten ihr Leben verändert hat. Sie findet keine Worte, um diese Macht zu beschreiben, aber sie weiß, dass sie etwas Besonderes ist.
Ich habe einen Ausdruck dafür: Deweys Magie. Diesen Ausdruck gebrauchte ich immer, wenn ich sah, wie es ihm gelang, das Bild der Menschen von sich selbst zu verändern. Niemand hat diese Magie deutlicher gesehen als ich, denn von allen Menschen auf der Welt kannte ich Dewey am besten und wurde von ihm am stärksten berührt. Ich bin nur eine ganz normale Frau aus Iowa, die im Dienst ergraute Leiterin einer Kleinstadtbibliothek, kaum zwanzig Kilometer von der Farm entfernt, auf der ich geboren und aufgewachsen bin, aber neunzehn Jahre lang hatte ich das Glück, meinen Weg mit Dewey gemeinsam zu gehen. Und Dewey ... er war etwas Besonderes. Er bewirkte etwas. Er inspirierte eine ganze Stadt. Er wurde weltberühmt, er erschien auf den Titelseiten von Zeitschriften und Zeitungen und war der Held des New-York-Times-Bestsellers Dewey und ich, den ich als »Deweys Mommy« zu schreiben die Ehre hatte. Deweys Magie, das war es. Er war nur ein Kater, aber er lockte unser besseres Ich hervor. Jeder verliebte sich in ihn. Er berührte die ganze Welt. Niemand, der ihn kennenlernte, vergaß Dewey je wieder.
Seine Geschichte begann in aller Stille an einem bitterkalten Wochenende im Januar 1988. Wir hatten minus fünfundzwanzig Grad, eine Kälte, die in der Lunge brennt und einem die Gesichtshaut abzieht (zumindest fühlt es sich so an). Solch klirrende Kälte, oft von eisigem Wind begleitet, ist das Un-angenehmste am Leben in den nördlichen Plains. Man lernt, damit zurechtzukommen, aber man gewöhnt sich nie daran. Es gibt in Nord-Iowa Zeiten, da sollte man tunlichst nicht aus dem Haus gehen.
Aber trotz der arktischen Temperaturen war jemand in der Innenstadt von Spencer doch aus dem Haus gegangen, denn irgendwann an jenem Sonntag wurde ein winziges verwaistes Kätzchen in die Rückgabeklappe an der Rückwand der Städtischen Bibliothek Spencer gesteckt. Ich hoffe, es war ein Akt der Barmherzigkeit - dass jemand ein winziges, acht Wochen altes, kaum ein Pfund schweres Kätzchen frierend im Schnee sitzen sah und es retten wollte. Wenn es so war, dann hat der Betreffende ziemlich gedankenlos gehandelt. Bei der Buchrückgabe handelte es sich um einen Metallschacht, der einen Meter nach unten in einen abgeschlossenen Blechkasten führte. Im Grunde genommen war es ein Kühlschrank - keine Decken, keine Kissen, keine weichen Polster. Nur kaltes Metall. Und Bücher. Mindestens zehn, womöglich aber vierundzwanzig Stunden lang saß der kleine Dewey in eisiger Kälte und pech-schwarzer Finsternis und hatte nichts als Bücher um sich.
Ich trat am Montag frühmorgens auf den Plan, als ich den Buchrückgabekasten öffnete und das winzige Kätzchen darin vorfand. Flehentlich schaute es zu mir auf, und mir blieb das Herz stehen. Das Katerchen war so niedlich ... und so hilfsbedürftig. Ich hielt es in den Händen, bis es zu zittern aufhörte, badete es dann warm in der Spüle und trocknete es mit dem Fön, den wir für Bastelarbeiten mit Kindergruppen verwendeten. Und dann wurde Dewey aktiv: Auf halb erfrorenen Pfoten tappte er nacheinander zu allen Angestellten der Bibliothek hin und beschnupperte sie.
In diesem Moment beschloss ich, dass die Bibliothek ihn adoptieren müsse. Nicht nur deswegen, weil ich mich auf Anhieb in Dewey verliebte, als er mich zum ersten Mal mit seinen wunderbaren goldfarbenen Augen anschaute. Sein Blick und die Unbeirrbarkeit, mit der er sich bei jedem Einzelnen von uns für seine Errettung bedankte, sagten mir auch, dass er perfekt in meinen Plan passen würde, die kalte, unpersönliche Atmosphäre der Stadtbibliothek von Spencer etwas aufzuwärmen. Sein liebevolles, kontaktfreudiges Wesen, seine herzerwärmende Präsenz weckten in allen gute Gefühle.
Und genau das brauchte Spencer zu dieser Zeit. Die Stadt ächzte unter den Folgen einer Farmkrise; siebzig Prozent der Läden in der Innenstadt standen leer, und im County gingen Farmen dutzendweise bankrott. Wir brauchten eine rührende Geschichte. Wir brauchten etwas Positives, worüber wir reden konnten, und eine Lektion in Ausdauer, Hoffnung und Liebe. Wenn jemand ein winziges Kätzchen in einen eiskalten, stockfinsteren Blechkasten steckte und dieses Kätzchen sich trotzdem sein Zutrauen und sein Mitgefühl bewahren konnte, dann konnten auch wir unser Missgeschick erdulden.
Aber Dewey war kein Maskottchen. Er war ein Gefährte aus Fleisch und Blut, ein Tier, das sich stets offen und liebevoll zeigte, sobald jemand die Bibliothek betrat. Er erwärmte die Herzen, wenn er von Schoß zu Schoß wanderte, vor allem aber hatte er ein sicheres Gespür dafür, wer ihn wirklich brauchte.
Ich erinnere mich an die Rentner unter den Stammkunden, die jeden Vormittag vorbeikamen. Viele von ihnen blieben länger und unterhielten sich öfter mit den Angestellten, seit Dewey da war.
Ich erinnere mich an Crystal, eine körperlich schwer behinderte Schülerin, die immer nur auf den Boden starrte, bis Dewey sie entdeckte und dann jedes Mal sofort zu ihr auf den Rollstuhl sprang, wenn sie durch die Tür geschoben wurde. Da begann Crystal, die Welt um sich herum zu sehen. Sie begann, Geräusche von sich zu geben, wenn sie einmal in der Woche in die Bibliothek kam, und wenn Dewey auf ihren Rollstuhl sprang, brach ein strahlendes Lächeln aus ihrem Herzen hervor.
Ich erinnere mich an unsere neue Hilfsbibliothekarin für Kinderliteratur, die vor Kurzem nach Spencer gezogen war, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Sie und Dewey saßen jeden Nachmittag beisammen. Eines Tages bemerkte ich, dass sie Tränen in den Augen hatte, und da wurde mir klar, wie sehr sie gelitten hatte und dass nur Dewey für sie da gewesen war.
Ich erinnere mich an die schüchterne Frau, der es schwerfiel, Freunde zu gewinnen. Ich erinnere mich an den jungen Mann, der frustriert war, weil er keine Arbeit fand. Ich er-innere mich an den Obdachlosen, der nie mit jemandem sprach, aber immer Dewey suchte, ihn sich auf die Schulter setzte (natürlich die rechte, Dewey setzte sich immer nur auf die rechte Schulter) und eine Viertelstunde mit ihm auf und ab ging. Der Mann flüsterte, Dewey hörte ihm zu. Da bin ich mir ganz sicher. Und dadurch, dass er zuhörte, dass er da war, half er allen.
Vor allem aber erinnere ich mich an die Kinder. Dewey hatte ein besonderes Verhältnis zu den Kindern von Spencer. Er liebte Babys. Er kletterte auf ihre Babysitze und schmiegte sich an sie, im Gesicht einen Ausdruck vollkommener Zufriedenheit, selbst dann, wenn sie ihn an den Ohren zogen. Er ließ es sich gefallen, dass Kleinkinder ihn, vor Vergnügen quietschend, drückten und stupsten. Er freundete sich mit einem allergiekranken Jungen an, der untröstlich war, weil er kein eigenes Haustier haben durfte. Er verbrachte ganze Nachmittage mit den Schülern, die sich in der Bibliothek aufhielten, während ihre Eltern arbeiteten, jagte ihren Bleistiften nach und versteckte sich in ihren Jackenärmeln. Er strich in der wöchentlichen Vorlesestunde jedem Kind um die Beine, bevor er sich für einen Schoß entschied, auf dem er sich zusammenrollte - jede Woche auf einem anderen, wohlgemerkt. Ja, Dewey hatte die Gewohnheiten eines Katers. Er schlief viel. Er war zimperlich, wenn man ihm den Bauch streicheln wollte. Er fraß Gummibänder. Er attackierte Schreibmaschinentasten (damals hatten wir noch Schreibmaschinen) und Computertastaturen. Er legte sich auf den Kopierer, weil aus dem Gerät warme Luft strömte. Er kletterte auf die Hängelampen. Man konnte nirgendwo in der Bibliothek einen Karton öffnen, ohne dass plötzlich Dewey auftauchte und hineinsprang. Doch was er eigentlich tat, war nicht weniger katzenähnlich, aber es ging tiefer: Er öffnete, eins nach dem anderen, die Herzen der Menschen von Spencer für die Schönheit und Liebe in unserer wundervollen Kleinstadt mitten in den Great Plains von Iowa und füreinander.
Das war die wahre Dewey-Magie, die Fähigkeit, seine freudvolle, freundliche und entspannte Einstellung zum Leben auf jeden zu übertragen, dem er begegnete.
Dass er berühmt wurde, verdankte er jedoch ganz allein seinem Charisma. Ich wollte natürlich, dass er in Spencer bekannt wurde. Ich half ihm nach Kräften dabei, das Image der Bibliothek zu verändern, sie aus einem Lagerhaus für Bücher in einen Versammlungsort zu verwandeln. Dass das auch irgendjemand außerhalb von Nordwest-Iowa zur Kenntnis nehmen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Doch sie kamen, erst spärlich, dann in hellen Scharen, angelockt von der Story des Katers, der eine ganze Stadt inspirierte. Als Erstes kamen die Journalisten - aus Des Moines, Eng-land, Boston, Japan. Dann folgten allmählich die Besucher. Ein älteres Ehepaar aus New York auf einer Fahrt durch die Vereinigten Staaten, das Dewey von da an sein Leben lang zum Geburtstag und zu Weihnachten Geld schickte. Eine Familie aus Rhode Island, die sich anlässlich einer Hochzeit in Minneapolis (fünf Stunden von Spencer entfernt) aufhielt. Ein krankes kleines Mädchen aus Texas, das, dessen bin ich mir sicher, seine Eltern um dieses eine Geschenk gebeten hatte. Es war erstaunlich, mit anzusehen, wie Deweys Ruhm erblühte. Die Menschen lernten Dewey kennen, sie verbrachten Zeit mit ihm, und sie liebten ihn. Sie fuhren heim und erzählten anderen Leuten von ihm, und dann kamen auch diejenigen ihn besuchen, und allesamt waren sie tief beeindruckt, wenn sie wieder gingen, und dann bekamen wir plötzlich einen Anruf von einer Zeitung in Los Angeles oder einem Reporter in Australien.
Als Dewey im Alter von neunzehn Jahren friedlich einschlief, nachdem er jeden einzelnen Tag den Einwohnern von Spencer und ihrer Bibliothek mit Würde und Begeisterung gedient hatte, überraschte es mich deshalb kaum, dass sein Nachruf, der zuerst in Sioux City erschien, in über zweihundertsiebzig Zeitungen nachgedruckt wurde. Und auch nicht, dass die Bibliothek Tausende von Briefen aus aller Welt bekam. Oder dass sich Hunderte von Fans in das Kondolenzbuch eintrugen und an einer improvisierten Trauerfeier teilnahmen. Zwei Monate lang wurden wir von Reportern und Bewunderern belagert, die mit uns über Dewey sprechen wollten. Ganz allmählich ließ der Trubel dann nach. Die Kameras verschwanden, und Spencer wurde wieder die stille Kleinstadt, die es immer gewesen war. Diejenigen von uns, die Dewey geliebt hatten, blieben nun mit ihrer Trauer allein. Der Star Dewey war von uns gegangen; die Erinnerungen an unseren Freund Dewey aber bewahrten wir in unseren Herzen. Als ich schließlich an einem eiskalten Dezembermorgen Deweys Asche draußen vor dem Fenster der Kinderabteilung der Bibliothek begrub, war nur die stellvertretende Bibliotheksleiterin an meiner Seite. So hätte Dewey es sich gewünscht.
Ich wusste, dass Dewey ein Vermächtnis hinterlassen hatte, weil er mich verändert hatte. Er hatte alle Mitarbeiter der Bibliothek verändert. Er hatte Crystal, das behinderte Mädchen, verändert, den obdachlosen Mann und die Kinder, die jede Woche zur Vorlesestunde kamen und von denen viele in späteren Jahren ihre eigenen Kinder zu Dewey brachten. Ich wusste, wie wichtig er war, weil die Leute mir immer wieder ihre Dewey-Geschichten erzählten, mich also ins Vertrauen zogen. Er berührte also nicht nur die Stadt Spencer. Und verändert hat er diejenigen von uns, die ihn gekannt und geliebt und seine Geschichte gehört hatten. Sein Vermächtnis würde in uns weiterleben.
Und damit würde es dann sein Bewenden haben. Dachte ich.
Doch dann geschah etwas wahrhaft Erstaunliches. Ich schrieb ein Buch über Dewey, und Menschen aus aller Welt reagierten darauf. Das Buch war als Tribut an meinen Freund gedacht, als Dankeschön für die Dienste, die er Spencer geleistet hatte, und für die Rolle, die er in meinem Leben gespielt hatte. Ich wusste, dass er Fans hatte. Ich hatte mir gedacht, dass sie vielleicht die ganze Geschichte würden lesen wollen. Aber auf so leidenschaftliche Reaktionen war ich nicht gefasst.
Sehr viele von denen, die zu meinen Lesungen kamen, mochten Dewey nicht nur, und mein Buch gefiel ihnen nicht nur - sie liebten beide. Die Geschichte rührte sie an. Und sie hatten das Gefühl, verändert worden zu sein. Ich erinnere mich an eine Frau in Sioux City, die weinend zusammenbrach, als sie mir erzählte, dass ihre Mutter, eine Klavierlehrerin und Organistin in Spencer, jeden Samstag mit ihr Zimtschnecken essen gegangen und dann mit ihr in die Bibliothek gefahren war, um Dewey zu besuchen. Dann war ihre Mutter an Alzheimer erkrankt, hatte nach und nach ihren Mann und ihre Kinder vergessen und schließlich nicht einmal mehr gewusst, wer sie selbst war. Ihre Tochter fuhr jede Woche die zwei Stunden von Sioux City herüber, um sie zu besuchen, und brachte immer ihre eigene Katze mit. Die Katze war schwarz-weiß, sah also dem kupferroten Dewey kein bisschen ähnlich, aber ihre Mutter lächelte jedes Mal und sagte: »Ach, da ist ja Dewey. Ich danke dir, dass du Dewey mitgebracht hast.« Die Tochter schluchzte so heftig, dass sie kaum zu Ende sprechen konnte.
»Nach dieser ersten Begegnung mit Ihnen«, erzählte sie mir einige Zeit später, »ging ich auf den Parkplatz hinaus und weinte noch eine Viertelstunde. Die Tränen wollten einfach nicht versiegen. Meine Mutter war schon seit zwölf Jahren tot, aber es war das erste Mal, dass ich wirklich um sie geweint hatte. Erst als ich an Dewey dachte und mich daran erinnerte, wie sehr meine Mutter ihn geliebt hatte, war mein Trauerprozess abgeschlossen.«
Das Seltsamste daran war, dass ich weder diese Frau, Margo Chesebro, noch ihre Mutter, Grace Barlow-Chesebro (nach der Beschreibung ihrer Tochter eine kluge, starke, selbstständige Frau, die an die Magie von Tieren glaubte und die ich bestimmt gemocht hätte) gekannt hatte. Aber sie hatten Dewey gekannt und geliebt. Er war Teil ihres Lebens gewesen, ein so wichtiger Teil, dass sich Grace trotz der Schäden in ihrem Gehirn irgendwie die Erinnerung an ihn bewahrte, auch als sie die Namen ihrer Kinder längst endgültig vergessen hatte und ihren Mann für ihren vor langer Zeit gestorbenen Bruder hielt. Da wurde mir klar, dass ich nie erfahren würde, wie viele Menschen es waren, deren Leben Dewey berührt hatte.
Dann gab es da auch jene, die Dewey nie gekannt hatten, fremde Menschen, die von seiner Geschichte so gerührt waren, dass es sie drängte, mir zu schreiben. Es begann fast unmittelbar nach dem Erscheinen des Buches. »Ich habe noch nie einem Autor oder einer Autorin geschrieben, aber Deweys Geschichte hat mich so angerührt. « Oder: »Dewey war ein Engel, und Ihnen gebührt Dank dafür, dass sie ihn in der Welt bekannt gemacht haben.«
Als die Monate vergingen und das Buch es an die Spitze der landesweiten Bestsellerlisten schaffte, wurden die Briefe zahlreicher, und schließlich gingen täglich mehrere Dutzend ein. Nach einem Jahr hatte ich über dreihunderttausend Briefe, E-Mails und Päckchen bekommen, fast ausnahmslos von Leuten, die nie etwas von Dewey gehört hatten, bevor sie das Buch lasen. Ich bekam ein Kissen mit Deweys Bild vom Buchumschlag in Kreuzstickerei. Ich bekam mehrere Gemälde von ihm. Ein früherer Einwohner von Spencer, der weggezogen war, uns aber nie vergessen hatte, gab eine Skulptur von Dewey für die Bibliothek in Auftrag. (Ich wusste, dass Deweys Magie wirkte, als ich sah, wo sich das Atelier des Bildhauers befand: in Dewey, Arizona.) Ich habe nie gezählt, wie viele Zeichnungen, Ziergegenstände und Schnitzfiguren von Katzen ich von Fans bekommen habe. Für diese Dinge habe ich ein eigenes Regal in meinem Haus - und es quillt schon über.
Jemand schickte mir zwanzig Dollar, für die ich Rosen für Dewey kaufen sollte. Jemand anderer schickte fünf Dollar für Katzenminze, die ich auf sein Grab legen sollte. Eine Frau in einem Callcenter in Idaho sagte mir, jedes Mal, wenn jemand aus Iowa anrufe, frage sie ihn nach Dewey, in der Hoffnung, jemanden zu finden, der ihn gekannt hatte. Ein Mann schickte mir ein Foto von dem Glas, in dem er Kleingeld sammelt. Es war mit einem Bild von Dewey verziert. Der Mann spendete von da an das gesparte Geld der Tierrettung.
Ich las jede Karte, jeden Brief und jede E-Mail. Gern hätte ich auch alle beantwortet, aber das war angesichts der schieren Menge unmöglich, vor allem, weil ich oft unterwegs war zu Veranstaltungen mit Deweys Fans. (Aber keine Bange, liebe Briefschreiber, ich habe die Rosen und die Katzenminze für Deweys Grab gekauft.) Die in den Briefen ausgedrückten Gefühle und die Art, wie Dewey nach wie vor das Leben von Menschen veränderte, haben mich vermutlich mehr bewegt, als diese Fans es sich überhaupt vorstellen konnten.
Ein junger Mann, der nach einer hässlichen Scheidung und einem beruflichen Rückschlag zornig und verbittert war, schrieb mir, Deweys Leben habe »mir das Herz geöffnet«.
Eine Frau mit MS in fortgeschrittenem Stadium erzählte mir, dass sie sich nach der Lektüre von Dewey auf den Boden niedergelassen und den Hund, der in ihrem Heim lebte, auf den Kopf geküsst habe. Hinterher kam sie nicht ohne Hilfe wieder hoch, aber sie war froh, dass sie es getan hatte, weil der Hund eine Woche danach starb.
Ein Mann in England schrieb, er habe vor mehreren Jahren seine Frau verloren. Erst nachdem er das Buch Dewey gelesen hatte, sei ihm klar geworden, dass er nur dank der beiden Kat-zen, die sie hinterlassen hatte - zwei Tiere, die ihm nach ihrem Tod eher lästig waren -, über den Verlust hinweggekommen war. Hätte er nicht die Katzen versorgen müssen, schrieb er, wäre er in einer »schwarzen Depression« versunken, die er möglicherweise nicht ertragen hätte.
Typisch war der Brief einer jungen Frau aus Florida.
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Übersetzung: Nike Karen Müller
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Vicki Myron, Bret Witter
Vicki Myron wurde auf einer Farm in der Nähe von Spencer, Iowa, geboren. Sie arbeitete 25 Jahre als Bibliothekarin in Spencer, davon 20 als Direktorin. Vicki Myron lebt nach wie vor in ihrem Heimatort.Bret Witter arbeitet als Lektor und Sachbuchautor. Er wuchs in Nord Alabama auf und lebt mit seiner Frau, seinen beiden Kindern in Louisville, Kentucky.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Vicki Myron , Bret Witter
- 2012, 1. Aufl., 377 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Müller, Nike Karen
- Übersetzer: Nike Karen Müller
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442474787
- ISBN-13: 9783442474783
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