Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe / Tiger Saga Bd.2
Eine unsterbliche Liebe. Roman
Kelsey hat einst in den Wäldern Indiens den verwunschenen Tigerprinzen Ren befreit. Nun trifft sie auf Rens Bruder Kishan. Er ist das genaue Gegenteil seines Bruders. Nur in einer Sache gleicht er ihm völlig: Kelsey hat es ihm angetan. Und nun setzt er alles daran, ihr Herz zu erobern.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe / Tiger Saga Bd.2 “
Kelsey hat einst in den Wäldern Indiens den verwunschenen Tigerprinzen Ren befreit. Nun trifft sie auf Rens Bruder Kishan. Er ist das genaue Gegenteil seines Bruders. Nur in einer Sache gleicht er ihm völlig: Kelsey hat es ihm angetan. Und nun setzt er alles daran, ihr Herz zu erobern.
Klappentext zu „Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe / Tiger Saga Bd.2 “
Eine Geschichte voller Romantik, Intrigen und Gefahren vor der atemberaubenden Kulisse IndiensDie Liebe führte die junge Kelsey einst nach Indien, wo sie den verwunschenen Tigerprinzen Ren von seinem Fluch befreite. Nun kehrt sie zurück in das Land der Mythen und undurchdringlichen Wälder und trifft dort Rens Bruder wieder. Kishan, vor langer Zeit ebenfalls von einem bösen Magier verzaubert, ist in allem das dunkle Gegenstück zu seinem Bruder. Nur in einem Punkt gleicht er ihm völlig: Kelsey hat es ihm angetan, und er setzt alles daran, ihr Herz zu erobern ... Nach Kuss des Tigers die atemberaubende Fortsetzung der Bestsellerserie.
In dem indischen Tigerprinzen Ren hat Kelsey ihre große Liebe gefunden. Doch dann verlässt sie ihn und versucht in den USA, an ihr altes Leben anzuknüpfen. Dies gelingt ihr auch fast - bis Ren in Menschengestalt vor ihrer Tür steht. Die Sehnsucht hat ihn zu Kelsey getrieben. Außerdem hofft er auf ihre Hilfe, denn auch sein Bruder Kishan wurde dereinst von dem dunklen Magier Lokesh verflucht. Seither streift er als schwarze Raubkatze durch den undurchdringlichen Dschungel Indiens. Ob als Mann oder Tiger: Kishan ist in allem das Gegenteil von Ren, sein Charisma und seine Attraktivität sind so unwiderstehlich wie gefährlich. Vor langer Zeit brach er Rens Herz, als sie um die Gunst derselben Frau warben. Und nun ist es Kelsey, die, ohne es zu wollen, in seinen Bann gerät. Währenddessen schwebt Ren in höchster Gefahr. Nur Kelseys Liebe kann ihn retten - doch für wen wird sie sich entscheiden?
Lese-Probe zu „Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe / Tiger Saga Bd.2 “
Pfad des Tigers von Colleen Houck Aus dem Amerikanischen von Beate Brammertz
Prolog
Nach Hause
Ich klammerte mich am Ledersitz fest und spürte, wie mein Herz in die Tiefe sank und elend zurückblieb, als das Privatflugzeug in den Himmel stieg und über Indien hinwegschoss. Ich konnte das Loch in meiner Brust spüren. Alles, was von mir übrig war, war eine ausgehöhlte Schale, dumpf und leer. Das Schlimmste war ... Ich hatte mir das selbst angetan. Wie war es möglich, dass ich mich verliebt hatte? Und in jemanden, der so ... kompliziert war? Die vergangenen Monate waren wie im Fluge vergangen. Irgendwie hatte es sich ergeben, dass ich von meinem Ferienjob in einem Zirkus auf einmal mit einem verwunschenen indischen Prinzen in seine Heimat gereist war, in dem Bemühen, ihn zu erlösen, gegen unsterbliche Geschöpfe gekämpft und versucht hatte, eine uralte Prophezeiung zu entschlüsseln. Nun war mein Abenteuer vorüber, und ich war wieder allein. Ich konnte kaum glauben, dass ich mich erst vor wenigen Minuten von Mr. Kadam verabschiedet hatte. Er hatte nicht viel gesagt. Er hatte mir nur sanft den Rücken getätschelt, als ich ihn fest an mich drückte und ihn nicht mehr loslassen wollte. Schließlich hatte sich Mr. Kadam aus meinem eiserenen Griff gelöst, mir tröstende Worte zugeflüstert und mich dann der Obhut seiner Ur-ur-ur-urenkelin Nilima überlassen.
Glücklicherweise ließ mich Nilima im Flugzeug in Ruhe. Ich wollte keine Gesellschaft. Sie brachte mir Mittagessen, aber ich bekam keinen Bissen herunter. Das Essen war bestimmt köstlich, aber mir war, als befände ich mich am Rand einer Treibsandgrube. Jeden Augenblick könnte ich in den Schlund der Verzweiflung hinabgesogen werden. Das Letzte, was ich wollte, war Essen. Ich fühlte mich ausgelaugt und leblos.
... mehr
Nilima räumte den Teller ab und versuchte, mich mit meinem Lieblingsgetränk - eiskaltes Zitronenwasser - aufzumuntern, aber ich rührte es nicht an. Ich starrte das Glas eine gefühlte Ewigkeit an, beobachtete, wie sich an seiner Außenseite Wassertropfen bildeten und herabperlten.
Ich versuchte zu schlafen, um alles zumindest für ein paar Stunden vergessen zu können - aber die dunkle, friedvolle Besinnungslosigkeit wollte sich nicht einstellen. Erinnerungen an meinen weißen Tiger und den jahrhundertealten Fluch, der ihn gefangen hielt, gingen mir durch den Kopf, während ich ins Nichts starrte. Ich sah zu dem leeren Sitz mir gegenüber, blickte aus dem Fenster oder betrachtete ein blinkendes Licht an der Wand. Gelegentlich fiel mein Blick auf meine Hand, und ich fuhr mit dem Finger über die Stelle, an der sich Phets unsichtbare Hennazeichnung befand.
Nilima hielt mir einen MP3-Player mit indischer und amerikanischer Musik hin. Ich scrollte mich durch die Liste der Songs, um die traurigsten Liebeslieder zu finden. Nachdem ich mir die Kopfhörer ins Ohr gesteckt hatte, drückte ich auf PLAY.
Ich öffnete den Reißverschluss meines Rucksacks, um die Steppdecke meiner Großmutter herauszuholen, da erinnerte ich mich, dass ich Fanindra darin eingewickelt hatte. Als ich den Rand der Steppdecke zurückschob, erspähte ich die goldene Schlange, ein Geschenk der Göttin Durga, und stellte sie neben mich auf die Armlehne. Das verzauberte Schmuckstück lag eingerollt da und ruhte. Zumindest nahm ich das an. Ich strich Fanindra über den glatten goldenen Kopf und flüsterte: »Du bist jetzt alles, was mir geblieben ist.«
Nachdem ich die Steppdecke über meinen Beinen ausgebreitet hatte, klappte ich meinen Sitz zurück, starrte zur Flugzeugdecke und lauschte einem Lied mit dem Titel »One Last Cry«. Ich legte mir Fanindra in den Schoß und streichelte ihr über den eingerollten, glitzernden Körper. Das grüne Schimmern der juwelenbesetzten Schlangenaugen tauchte das Flugzeug in ein sanftes Licht und spendete mir Trost, während die leise Musik die Leere in meiner Seele füllte.
1
Western Oregon University
Viele zermürbende Stunden später landete das Flugzeug auf dem Flughafen in Portland, Oregon. Als meine Füße die Rollbahn berührten, glitt mein Blick vom Terminal zu dem grau bedeckten Himmel. Ich schloss die Augen und genoss die kühle Brise auf meiner Haut. Sie trug den köstlichen Geruch von Wald zu mir heran. Ein paar letzte Regentropfen von dem Schauer, der gerade eben aufgehört haben musste, trafen meine nackten Oberarme. Es fühlte sich gut an, wieder zu Hause zu sein. Nach einem tiefen Atemzug spürte ich die beruhigende Wirkung, die Oregon auf mich ausübte. Ich war ein Teil dieses Ortes, und er war ein Teil von mir. Ich gehörte hierher. Meine Wurzeln waren hier, meine Eltern und Großmutter lagen hier begraben. Hier war ich aufgewachsen. Oregon hieß mich wie eine liebende Mutter willkommen, schloss mich in die kühlen Arme, beruhigte meine verstörten Gedanken und versprach durch das Geflüster der Kiefern Frieden. Nilima war mir die Stufen hinab gefolgt und wartete schweigend, während ich die vertraute Umgebung in mich aufsog. Da hörte ich das Dröhnen eines starken Motors, und ein kobaltblaues Cabrio bog um die Ecke. Der schnittige Sportwagen hatte genau die Farbe seiner Augen.
Mr. Kadam muss das Auto bestellt haben. Angesichts seines teuren Geschmacks verdrehte ich die Augen. Mr. Kadam dachte an jedes noch so kleine Detail - und immer alles mit Stil. Zumindest ist es ein Mietwagen, schoss es mir durch den Kopf.
Ich verstaute mein Gepäck im Kofferraum und las darauf: Porsche Boxster RS 60 Spyder. Ich schüttelte den Kopf und murmelte: »Ach du heiliger Bimbam, Mr. Kadam, ich hätte genauso gut den Shuttlebus nach Salem nehmen können. «
»Wie bitte?«, fragte Nilima höflich.
»Nichts. Ich bin einfach nur froh, zu Hause zu sein.«
Ich schloss den Kofferraum und sank in den zweifarbigen blau-grauen Ledersitz. Wir fuhren schweigend. Nilima schien die Gegend genau zu kennen, und ich musste ihr kein einziges Mal den Weg weisen. Ich lehnte den Kopf zurück und betrachtete den Himmel und die grüne Landschaft, die an uns vorbeiflog.
Ganze Wagenladungen Jungs überholten uns pfeifend, entweder bewunderten sie Nilimas exotische Schönheit und ihre langen dunklen Haare, die im Wind wehten, oder den hübschen Wagen. Eins aber wusste ich mit hundertprozentiger Sicherheit: Die Begeisterung der Jungs galt auf keinen Fall mir. Ich trug ein altes T-Shirt, Turnschuhe und eine abgewetzte Jeans. Goldbraune Haarsträhnen hatten sich aus meinem Zopf gelöst und umflatterten meine braunen, vom Weinen rot unterlaufenen Augen und mein Gesicht, dessen Haut von den getrockneten Tränen spannte. Auch ältere Männer fuhren gemächlich an uns vorbei. Zwar pfiffen sie nicht, aber sie genossen eindeutig die Aussicht. Nilima ignorierte sie einfach, und ich folgte ihrem Beispiel. Gleichzeitig kam mir in den Sinn: Ich muss so schrecklich aussehen, wie ich mich fühle.
Als wir die Innenstadt von Salem erreichten, kamen wir zur Marion Street Bridge, die uns über den Willamette River und zum Highway 22 führte, hinaus ins Grüne vor Monmouth und Dallas. Ich versuchte Nilima zu erklären, dass sie zu früh abgebogen war, aber sie zuckte lediglich mit den Schultern und sagte, es wäre eine Abkürzung.
»Na klar«, sagte ich sarkastisch, »was sind schon ein paar Minuten bei einer Reise, die Tage gedauert hat?«
Nilima schüttelte ihr wunderschönes Haar zurück, lächelte mich an und fuhr weiter. Geschickt fädelte sie sich in den Verkehr Richtung South Salem ein. In dieser Gegend war ich noch nie gewesen. Es war auf jeden Fall ein Umweg, wenn man nach Dallas wollte.
Nilima steuerte auf eine bewaldete Hügelkette zu. Mehrere Meilen schlängelten wir uns langsam eine wunderhübsche, von Bäumen gesäumte Straße hinauf, von der kleinere Schotterstraßen ins Gehölz führten. Gelegentlich waren Häuser als farbige Tupfen im Wald zu sehen, aber das Gebiet schien größtenteils unberührt zu sein. Ich war überrascht, dass die Stadt es sich noch nicht einverleibt und bebaut hatte. Es war herrlich.
Nilima drosselte das Tempo, bog in eine Privatstraße ein und folgte ihr den Hügel hinauf. Obwohl wir an ein paar gewundenen Auffahrten vorbeikamen, sah ich keine Häuser. Am Ende der Straße jedoch hielten wir vor einem Zweifamilienhaus, das behaglich in den Kiefernwald eingebettet lag.
Die beiden Haushälften waren Spiegelbilder der jeweils anderen. Jedes besaß zwei Stockwerke mit einer Garage, einem kleinen, gemeinsamen Vorplatz und einem großen Erkerfenster mit Blick auf die Bäume. Die hölzerne Außenverkleidung war zedernbraun und mitternachtsgrün gestrichen, und das Dach war mit graugrünen Schindeln gedeckt. Irgendwie erinnerte es mich an eine Skihütte.
Nilima glitt geschmeidig in die Garage und brachte den Wagen zum Stehen. »Wir sind zu Hause«, verkündete sie.
»Zu Hause? Was meinen Sie damit? Fahren wir nicht zum Haus meiner Pflegeeltern?«, fragte ich.
Nilima lächelte verständnisvoll und sagte mit sanfter Stimme: »Nein. Das ist Ihr Haus.«
»Mein Haus? Wovon reden Sie da bloß? Ich wohne in Dallas. Wer wohnt hier?«
»Sie. Kommen Sie rein, und ich erkläre Ihnen alles.«
Wir gingen durch einen Vorbau in die Küche, die zwar klein war, aber entzückende zitronengelbe Vorhänge hatte, nagelneue Haushaltsgeräte aus Edelstahl und Tapeten mit Zitronenmuster. Nilima schnappte sich zwei Flaschen Cola light aus dem Kühlschrank.
Ich ließ meinen Rucksack auf den Boden plumpsen und sagte: »Okay, Nilima, raus mit der Sprache. Was ist hier los?«
Sie ging nicht auf meine Frage ein. Stattdessen hielt sie mir eine Cola hin, die ich dankend ablehnte, und bat mich dann, ihr zu folgen.
Seufzend schlüpfte ich aus meinen Turnschuhen, um auf keinen Fall die edlen Teppiche schmutzig zu machen, und folgte ihr in das kleine, behagliche Wohnzimmer. Wir setzten uns auf ein wunderschönes kastanienbraunes Ledersofa. Ein hoher Bücherschrank voller gebundener Klassiker, die wahrscheinlich ein kleines Vermögen gekostet hatten, stellte in der Ecke eine unwiderstehliche Verlockung dar, während ein sonniges Fenster und ein großer Flachbildschirm auf einem glänzenden Fernsehschränkchen ebenfalls nach meiner Aufmerksamkeit heischten.
Nilima wühlte in Papieren, die auf dem Couchtisch lagen.
»Kelsey«, begann sie. »Das Haus gehört Ihnen. Es ist Teil der Bezahlung für Ihre Arbeit diesen Sommer in Indien.«
»Ich habe doch gar nicht richtig gearbeitet, Nilima.«
»Was Sie getan haben, war von entscheidender Bedeutung. Sie haben viel mehr erreicht, als wir uns je erhofft hätten. Wir alle stehen tief in Ihrer Schuld, und das ist unsere bescheidene Art, Sie für Ihre Mühe zu entlohnen. Sie haben schier unüberwindliche Hindernisse bewältigt und mehr als einmal Ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Wir alle sind Ihnen sehr dankbar.«
Verlegen scherzte ich: »Sie haben gesagt, das Haus wäre Teil meiner Bezahlung? Da gibt es noch mehr?«
Mit einem Nicken sagte Nilima: »Ja.«
»Nein. Ich kann dieses Geschenk wirklich nicht annehmen. Ein ganzes Haus ist viel zu viel - ganz zu schweigen von noch etwas. Es ist viel mehr, als wir vereinbart hatten. Ich sollte nur etwas Geld bekommen, um die Bücher fürs College bezahlen zu können. Das wäre nicht nötig gewesen.«
»Kelsey, er hat darauf bestanden.«
»Nun, ich bestehe auch darauf. Das ist zu viel, Nilima. Wirklich.« Ich begegnete ihrem Blick mit eiserner Entschlossenheit.
Sie seufzte. »Er will wirklich, dass Sie es bekommen, Kelsey. Es wird ihn glücklich machen.«
»Aber es ist so unpraktisch! Ich will mich doch am College einschreiben, und diese Gegend ist nicht gerade sonderlich gut ans Busnetz angeschlossen.«
Nilima sah mich befremdet an. »Was meinen Sie mit Bus- netz? Wenn Sie wirklich den Bus nehmen wollen, könnten Sie doch zur Bushaltestelle fahren.«
»Zur Bushaltestelle fahren? Das ergibt alles keinen Sinn.«
»Um ehrlich zu sein, verstehe ich Sie nicht. Warum fahren Sie nicht einfach mit dem Auto zum College?«
»Mit dem Auto? Welchem Auto?«
»Das in der Garage natürlich.«
»Das in der ... O nein. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«
»Doch. Es ist mein voller Ernst. Der Porsche gehört Ihnen. «
»Aber nein, nein! Wissen Sie, wie viel dieser Wagen kostet? Vergessen Sie's!«
Ich zog mein Handy heraus und suchte nach Mr. Kadams Telefonnummer. Kurz bevor ich auf die Wahltaste drückte, schoss mir ein Gedanke in den Sinn, der mich erstarren ließ. »Gibt es da noch etwas, das ich wissen sollte?«
Nilima zuckte zusammen. »Nun ... Er hat sich die Freiheit genommen, Sie an der Western Oregon University einzuschreiben. Ihre Kurse und Bücher sind bereits bezahlt. Die Bücher liegen auf der Arbeitsplatte in der Küche neben der Liste mit Ihren Kursen, einem Western Wolf Sweatshirt und einem Lageplan vom Campus.«
»Er hat mich an der WOU eingeschrieben?«, fragte ich fassungslos. »Ich hatte vor, das Community College zu besuchen und zu arbeiten - nicht auf die WOU zu gehen.«
»Er muss angenommen haben, dass eine Universität mehr nach Ihrem Geschmack wäre. Ihre Kurse beginnen nächste Woche. Was das Arbeiten anbelangt, so können Sie das natürlich tun, aber es ist nicht nötig. Er hat ein Bankkonto für Sie eröffnet. Ihre neue Kreditkarte liegt ebenfalls auf der Arbeitsplatte. Vergessen Sie nicht, sie auf der Rückseite zu unterschreiben.«
Ich schluckte. »Und ... äh ... wie viel Geld ist auf dem Bankkonto?«
Nilima zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht, aber ich bin sicher, es reicht, um Ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Natürlich wird keine Ihrer Rechnungen hierhergeschickt. Alles wird automatisch an einen Buchhalter weitergeleitet. Das Haus und das Auto sind bezahlt, ebenso wie die Studiengebühren.«
Sie schob einen mächtigen Stapel Unterlagen in meine Richtung, dann lehnte sie sich zurück und nippte an ihrer Cola light.
Benommen saß ich eine Weile reglos da. Schließlich fiel mir wieder mein Entschluss ein, Mr. Kadam anzurufen. Ich klappte mein Handy auf und scrollte nach seiner Nummer.
Nilima unterbrach mich. »Sind Sie sicher, dass Sie alles zurückgeben wollen, Miss Kelsey? Ich weiß, dass ihm das hier sehr am Herzen liegt. Er will, dass Sie diese Dinge erhalten. «
»Nun, Mr. Kadam sollte wissen, dass ich seine Almosen nicht will. Ich werde ihm erklären, dass das Community College völlig ausreicht, und es mir überhaupt nichts ausmacht, im Wohnheim zu wohnen und den Bus zu nehmen.«
Nilima beugte sich vor. »Aber Kelsey, es ist nicht Mr. Kadam, der das alles hier arrangiert hat.«
»Was? Wenn es nicht Mr. Kadam ist, wer dann? ... Oh!« Ich klappte mein Handy zu. Unter gar keinen Umständen würde ich ihn anrufen. »Also liegt es ihm sehr am Herzen.«
Nilima zog verwirrt die wohlgeformten Augenbrauen zusammen. »Ja, das kann man so sagen.«
Es hat mir fast das Herz zerrissen, als ich ihn verlassen habe. Er ist 7 196,25 Meilen weit entfernt in Indien, und dennoch gelingt es ihm immer noch, sich in mein Leben zu schleichen.
»Also schön«, sagte ich im Flüsterton. »Er kriegt ja sowieso immer, was er will. Es ist sinnlos, es ihm auszureden. Er würde einfach ein anderes, völlig übertriebenes Geschenk aus dem Hut zaubern, das unsere Beziehung noch komplizierter machen würde.«
Ein Auto hupte draußen in der Einfahrt.
»Tja, das ist meine Rückfahrgelegenheit zum Flughafen«, sagte Nilima im Aufstehen. »Oh! Das hätte ich fast vergessen. Dies hier ist ebenfalls für Sie.« Sie drückte mir ein nagelneues Handy in die Hand, tauschte es geschickt gegen mein altes Telefon aus und umarmte mich kurz, bevor sie zur Haustür rauschte.
»Einen Augenblick! Nilima!«
»Keine Sorge, Miss Kelsey. Alles wird gut. Die Unterlagen, die Sie für die Uni benötigen, liegen in der Küche. Essen ist im Kühlschrank, und all Ihre Habseligkeiten sind oben. Sie können das Auto nehmen und später Ihre Pflegefamilie besuchen, falls Sie das wünschen. Sie erwarten Ihren Anruf.«
Anmutig drehte sie sich um, ging aus der Tür und stieg in das Auto. Sie winkte fröhlich vom Beifahrersitz. Ich winkte mürrisch zurück und sah ihr nach, bis der funkelnde schwarze Wagen außer Sicht war. Mit einem Mal war ich ganz allein in einem fremden Haus, mitten im Wald.
Sobald Nilima fort war, begann ich, den Ort zu erkunden, den ich von nun an mein Zuhause nennen würde. Als ich den Kühlschrank öffnete, bemerkte ich, dass er tatsächlich zum Brechen voll war. Ich schraubte den Deckel einer Cola auf, nippte daran und spähte in die Küchen schränke, in denen sich Gläser und Teller, Kochutensilien, Besteck, Töpfe und Pfannen stapelten. Meinem Bauchgefühl folgend, öffnete ich das oberste Schubfach im Kühlschrank - es war bis zum Rand mit Zitronen gefüllt. Eindeutig Mr. Kadams Werk. Der aufmerksame Mann wusste, dass mir Zitronenwasser Trost spenden würde.
Mr. Kadams Einfluss auf die Inneneinrichtung endete jedoch nicht in der Küche. Das Gäste-WC war in Salbeigrün und Zitronengelb gehalten. Selbst die Seife im Spender roch nach Zitrone.
Ich stellte meine Schuhe in einen Weidenkorb, der auf dem gefliesten Boden der Waschküche neben einer neuen Waschmaschine mit Trockner platziert war, und ging weiter in das kleine Arbeitszimmer.
Mein alter Computer stand in der Mitte des Schreibtischs, aber gleich daneben thronte ein brandneuer Laptop. Ein Lederstuhl, ein Aktenschrank und ein Regal mit Druckerpapier und anderem Büromaterial vervollständigten die Einrichtung.
Ich schnappte mir meinen Rucksack und hastete nach oben, um mein neues Schlafzimmer zu begutachten. Am Fußende eines wunderhübschen französischen Betts mit einer flauschigen elfenbeinfarbenen Daunendecke und pfirsichfarbenen Kissen als Farbkleks stand eine alte Holztruhe. Gemütliche pfirsichfarbene Lesesessel waren in der Ecke vor dem Fenster gruppiert, mit Blick auf den Wald.
Auf dem Bett lag ein Zettel, der meine Stimmung schlagartig hob:
Hi Kelsey, Willkommen zu Hause. Ruf uns sofort an - wir wollen alles über Deine Reise erfahren. Deine Sachen sind im Schrank. Wir finden Dein neues Zuhause toll! Alles Liebe, Mike und Sarah Die Nachricht von Mike und Sarah sowie der Umstand, zurück in Oregon zu sein, erdeten mich. Ihr Leben war normal. Mein Leben mit ihnen war normal, und es wäre schön, wieder bei einer normalen Familie zu sein und sich zur Abwechslung einmal wie ein ganz normaler Mensch zu fühlen. Im Dschungel zu schlafen, mit indischen Göttinnen zu reden, sich in einen ... Tiger ... zu verlieben - nichts davon war normal. Unnormaler ging es gar nicht.
Ich öffnete meinen Schrank und bemerkte, dass man tatsächlich meine Sammlung an Haarbändern und meine gesamte Kleidung von Mikes und Sarahs Haus hierhergebracht hatte. Ich betastete einige der Dinge, die ich seit mehreren Monaten nicht gesehen hatte. Beim Öffnen der anderen Schranktür fand ich all die Kleidungsstücke vor, die mir in Indien gekauft worden waren, sowie ein paar neue Sachen, die sogar noch eingepackt waren.
Wie um alles in der Welt hat Mr. Kadam diese Sachen so schnell herbringen können? Ich habe alles in Indien zurückgelassen. Ich stieß die Tür mit der neuen Kleidung und meinen Erinnerungen fest zu, wild entschlossen, diese Seite des Schranks nie wieder zu öffnen.
Dann trat ich zu der Kommode und zog die oberste Schublade auf. Sarah hatte meine Strümpfe genau so eingeräumt, wie ich es mochte. Jedes Paar schwarzer, weißer und farbiger Socken war zu einem ordentlichen Ball zusammengerollt, sorgfältig aneinandergereiht lagen sie da. Beim Öffnen der nächsten Schublade war mein Lächeln wie weggewischt. Dort lagen die Seidenpyjamas, die ich absichtlich in Indien vergessen hatte.
Meine Brust brannte, während ich mit der Hand über den weichen Stoff strich und dann die Schublade beherzt schloss. Als ich mich umdrehte, um das helle, lichtdurchflutete Zimmer zu verlassen, durchzuckte mich auf einmal ein Gedanke, der mir die Röte ins Gesicht schießen ließ. Mein Schlafzimmer war in Pfirsich und Creme gehalten.
Er muss diese Farben ausgewählt haben. Er hatte einmal gesagt, ich würde nach Pfirsichen und Sahne riechen. Er hat also einen Weg gefunden, sich mir selbst über Kontinente hinweg in Erinnerung zu rufen. Als könnte ich ihn vergessen ...
Ich warf meinen Rucksack aufs Bett und bedauerte es im selben Moment, da mir schlagartig bewusst wurde, dass Fanindra immer noch dort drinnen war. Nachdem ich sie behutsam herausgenommen und mich entschuldigt hatte, streichelte ich ihr den goldenen Kopf und legte sie dann auf ein Kissen. Ich holte mein neues Handy aus der Jeanstasche. Wie alles andere war auch das Telefon viel zu teuer und entschieden zu luxuriös. Es war von Prada. Ich schaltete es ein und erwartete, dass seine Nummer gleich als erste aufblitzen würde, aber ich täuschte mich. Ich hatte auch keine SMS bekommen. Genau genommen waren die einzigen Nummern, die eingespeichert waren, die von Mr. Kadam und meinen Pflegeeltern.
Zuerst war ich erleichtert. Dann verwirrt. Dann enttäuscht. Ein klitzekleiner Teil von mir dachte: Es wäre nett von ihm gewesen, mich anzurufen. Nur um sich zu vergewissern, dass ich gut gelandet bin.
Wütend auf mich selbst rief ich Mike und Sarah an, erklärte ihnen jedoch, dass ich müde vom Flug wäre und erst am nächsten Abend zum Essen kommen würde. Als ich auflegte, verzog ich bei dem Gedanken an die Tofu-Überraschung, die dort auf mich warten würde, das Gesicht. Doch egal, welche gesunde Vollwertkost sie für mich zubereiten würden, ich würde sie glücklich verspeisen.
Ich schlenderte nach unten, schaltete die Stereoanlage an, machte mir einen kleinen Snack aus Apfelscheiben und Erdnussbutter und begann, in den Collegeunterlagen auf der Arbeitsfläche zu blättern. Mr. Kadam hatte Internationale Beziehungen als mein Hauptfach und Kunstgeschichte als Nebenfach ausgesucht.
Ich warf einen Blick auf meinen Stundenplan. Mr. Kadam war es irgendwie gelungen, mich als Erstsemester in Kurse zu bekommen, die für Studenten des zweiten und dritten Semesters bestimmt waren. Aber nicht nur das, er hatte mich bereits für Kurse des Herbst-und Wintersemesters eingeschrieben - obwohl man sich fürs Wintersemester noch gar nicht einschreiben konnte.
Die WOU hat wahrscheinlich einen richtig fetten Scheck aus Indien erhalten, dachte ich mit einem Grinsen. Ich wäre nicht überrascht, falls dieses Jahr ein neues Gebäude auf dem Campus errichtet werden sollte.
Copyright © 2012 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Nilima räumte den Teller ab und versuchte, mich mit meinem Lieblingsgetränk - eiskaltes Zitronenwasser - aufzumuntern, aber ich rührte es nicht an. Ich starrte das Glas eine gefühlte Ewigkeit an, beobachtete, wie sich an seiner Außenseite Wassertropfen bildeten und herabperlten.
Ich versuchte zu schlafen, um alles zumindest für ein paar Stunden vergessen zu können - aber die dunkle, friedvolle Besinnungslosigkeit wollte sich nicht einstellen. Erinnerungen an meinen weißen Tiger und den jahrhundertealten Fluch, der ihn gefangen hielt, gingen mir durch den Kopf, während ich ins Nichts starrte. Ich sah zu dem leeren Sitz mir gegenüber, blickte aus dem Fenster oder betrachtete ein blinkendes Licht an der Wand. Gelegentlich fiel mein Blick auf meine Hand, und ich fuhr mit dem Finger über die Stelle, an der sich Phets unsichtbare Hennazeichnung befand.
Nilima hielt mir einen MP3-Player mit indischer und amerikanischer Musik hin. Ich scrollte mich durch die Liste der Songs, um die traurigsten Liebeslieder zu finden. Nachdem ich mir die Kopfhörer ins Ohr gesteckt hatte, drückte ich auf PLAY.
Ich öffnete den Reißverschluss meines Rucksacks, um die Steppdecke meiner Großmutter herauszuholen, da erinnerte ich mich, dass ich Fanindra darin eingewickelt hatte. Als ich den Rand der Steppdecke zurückschob, erspähte ich die goldene Schlange, ein Geschenk der Göttin Durga, und stellte sie neben mich auf die Armlehne. Das verzauberte Schmuckstück lag eingerollt da und ruhte. Zumindest nahm ich das an. Ich strich Fanindra über den glatten goldenen Kopf und flüsterte: »Du bist jetzt alles, was mir geblieben ist.«
Nachdem ich die Steppdecke über meinen Beinen ausgebreitet hatte, klappte ich meinen Sitz zurück, starrte zur Flugzeugdecke und lauschte einem Lied mit dem Titel »One Last Cry«. Ich legte mir Fanindra in den Schoß und streichelte ihr über den eingerollten, glitzernden Körper. Das grüne Schimmern der juwelenbesetzten Schlangenaugen tauchte das Flugzeug in ein sanftes Licht und spendete mir Trost, während die leise Musik die Leere in meiner Seele füllte.
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Western Oregon University
Viele zermürbende Stunden später landete das Flugzeug auf dem Flughafen in Portland, Oregon. Als meine Füße die Rollbahn berührten, glitt mein Blick vom Terminal zu dem grau bedeckten Himmel. Ich schloss die Augen und genoss die kühle Brise auf meiner Haut. Sie trug den köstlichen Geruch von Wald zu mir heran. Ein paar letzte Regentropfen von dem Schauer, der gerade eben aufgehört haben musste, trafen meine nackten Oberarme. Es fühlte sich gut an, wieder zu Hause zu sein. Nach einem tiefen Atemzug spürte ich die beruhigende Wirkung, die Oregon auf mich ausübte. Ich war ein Teil dieses Ortes, und er war ein Teil von mir. Ich gehörte hierher. Meine Wurzeln waren hier, meine Eltern und Großmutter lagen hier begraben. Hier war ich aufgewachsen. Oregon hieß mich wie eine liebende Mutter willkommen, schloss mich in die kühlen Arme, beruhigte meine verstörten Gedanken und versprach durch das Geflüster der Kiefern Frieden. Nilima war mir die Stufen hinab gefolgt und wartete schweigend, während ich die vertraute Umgebung in mich aufsog. Da hörte ich das Dröhnen eines starken Motors, und ein kobaltblaues Cabrio bog um die Ecke. Der schnittige Sportwagen hatte genau die Farbe seiner Augen.
Mr. Kadam muss das Auto bestellt haben. Angesichts seines teuren Geschmacks verdrehte ich die Augen. Mr. Kadam dachte an jedes noch so kleine Detail - und immer alles mit Stil. Zumindest ist es ein Mietwagen, schoss es mir durch den Kopf.
Ich verstaute mein Gepäck im Kofferraum und las darauf: Porsche Boxster RS 60 Spyder. Ich schüttelte den Kopf und murmelte: »Ach du heiliger Bimbam, Mr. Kadam, ich hätte genauso gut den Shuttlebus nach Salem nehmen können. «
»Wie bitte?«, fragte Nilima höflich.
»Nichts. Ich bin einfach nur froh, zu Hause zu sein.«
Ich schloss den Kofferraum und sank in den zweifarbigen blau-grauen Ledersitz. Wir fuhren schweigend. Nilima schien die Gegend genau zu kennen, und ich musste ihr kein einziges Mal den Weg weisen. Ich lehnte den Kopf zurück und betrachtete den Himmel und die grüne Landschaft, die an uns vorbeiflog.
Ganze Wagenladungen Jungs überholten uns pfeifend, entweder bewunderten sie Nilimas exotische Schönheit und ihre langen dunklen Haare, die im Wind wehten, oder den hübschen Wagen. Eins aber wusste ich mit hundertprozentiger Sicherheit: Die Begeisterung der Jungs galt auf keinen Fall mir. Ich trug ein altes T-Shirt, Turnschuhe und eine abgewetzte Jeans. Goldbraune Haarsträhnen hatten sich aus meinem Zopf gelöst und umflatterten meine braunen, vom Weinen rot unterlaufenen Augen und mein Gesicht, dessen Haut von den getrockneten Tränen spannte. Auch ältere Männer fuhren gemächlich an uns vorbei. Zwar pfiffen sie nicht, aber sie genossen eindeutig die Aussicht. Nilima ignorierte sie einfach, und ich folgte ihrem Beispiel. Gleichzeitig kam mir in den Sinn: Ich muss so schrecklich aussehen, wie ich mich fühle.
Als wir die Innenstadt von Salem erreichten, kamen wir zur Marion Street Bridge, die uns über den Willamette River und zum Highway 22 führte, hinaus ins Grüne vor Monmouth und Dallas. Ich versuchte Nilima zu erklären, dass sie zu früh abgebogen war, aber sie zuckte lediglich mit den Schultern und sagte, es wäre eine Abkürzung.
»Na klar«, sagte ich sarkastisch, »was sind schon ein paar Minuten bei einer Reise, die Tage gedauert hat?«
Nilima schüttelte ihr wunderschönes Haar zurück, lächelte mich an und fuhr weiter. Geschickt fädelte sie sich in den Verkehr Richtung South Salem ein. In dieser Gegend war ich noch nie gewesen. Es war auf jeden Fall ein Umweg, wenn man nach Dallas wollte.
Nilima steuerte auf eine bewaldete Hügelkette zu. Mehrere Meilen schlängelten wir uns langsam eine wunderhübsche, von Bäumen gesäumte Straße hinauf, von der kleinere Schotterstraßen ins Gehölz führten. Gelegentlich waren Häuser als farbige Tupfen im Wald zu sehen, aber das Gebiet schien größtenteils unberührt zu sein. Ich war überrascht, dass die Stadt es sich noch nicht einverleibt und bebaut hatte. Es war herrlich.
Nilima drosselte das Tempo, bog in eine Privatstraße ein und folgte ihr den Hügel hinauf. Obwohl wir an ein paar gewundenen Auffahrten vorbeikamen, sah ich keine Häuser. Am Ende der Straße jedoch hielten wir vor einem Zweifamilienhaus, das behaglich in den Kiefernwald eingebettet lag.
Die beiden Haushälften waren Spiegelbilder der jeweils anderen. Jedes besaß zwei Stockwerke mit einer Garage, einem kleinen, gemeinsamen Vorplatz und einem großen Erkerfenster mit Blick auf die Bäume. Die hölzerne Außenverkleidung war zedernbraun und mitternachtsgrün gestrichen, und das Dach war mit graugrünen Schindeln gedeckt. Irgendwie erinnerte es mich an eine Skihütte.
Nilima glitt geschmeidig in die Garage und brachte den Wagen zum Stehen. »Wir sind zu Hause«, verkündete sie.
»Zu Hause? Was meinen Sie damit? Fahren wir nicht zum Haus meiner Pflegeeltern?«, fragte ich.
Nilima lächelte verständnisvoll und sagte mit sanfter Stimme: »Nein. Das ist Ihr Haus.«
»Mein Haus? Wovon reden Sie da bloß? Ich wohne in Dallas. Wer wohnt hier?«
»Sie. Kommen Sie rein, und ich erkläre Ihnen alles.«
Wir gingen durch einen Vorbau in die Küche, die zwar klein war, aber entzückende zitronengelbe Vorhänge hatte, nagelneue Haushaltsgeräte aus Edelstahl und Tapeten mit Zitronenmuster. Nilima schnappte sich zwei Flaschen Cola light aus dem Kühlschrank.
Ich ließ meinen Rucksack auf den Boden plumpsen und sagte: »Okay, Nilima, raus mit der Sprache. Was ist hier los?«
Sie ging nicht auf meine Frage ein. Stattdessen hielt sie mir eine Cola hin, die ich dankend ablehnte, und bat mich dann, ihr zu folgen.
Seufzend schlüpfte ich aus meinen Turnschuhen, um auf keinen Fall die edlen Teppiche schmutzig zu machen, und folgte ihr in das kleine, behagliche Wohnzimmer. Wir setzten uns auf ein wunderschönes kastanienbraunes Ledersofa. Ein hoher Bücherschrank voller gebundener Klassiker, die wahrscheinlich ein kleines Vermögen gekostet hatten, stellte in der Ecke eine unwiderstehliche Verlockung dar, während ein sonniges Fenster und ein großer Flachbildschirm auf einem glänzenden Fernsehschränkchen ebenfalls nach meiner Aufmerksamkeit heischten.
Nilima wühlte in Papieren, die auf dem Couchtisch lagen.
»Kelsey«, begann sie. »Das Haus gehört Ihnen. Es ist Teil der Bezahlung für Ihre Arbeit diesen Sommer in Indien.«
»Ich habe doch gar nicht richtig gearbeitet, Nilima.«
»Was Sie getan haben, war von entscheidender Bedeutung. Sie haben viel mehr erreicht, als wir uns je erhofft hätten. Wir alle stehen tief in Ihrer Schuld, und das ist unsere bescheidene Art, Sie für Ihre Mühe zu entlohnen. Sie haben schier unüberwindliche Hindernisse bewältigt und mehr als einmal Ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Wir alle sind Ihnen sehr dankbar.«
Verlegen scherzte ich: »Sie haben gesagt, das Haus wäre Teil meiner Bezahlung? Da gibt es noch mehr?«
Mit einem Nicken sagte Nilima: »Ja.«
»Nein. Ich kann dieses Geschenk wirklich nicht annehmen. Ein ganzes Haus ist viel zu viel - ganz zu schweigen von noch etwas. Es ist viel mehr, als wir vereinbart hatten. Ich sollte nur etwas Geld bekommen, um die Bücher fürs College bezahlen zu können. Das wäre nicht nötig gewesen.«
»Kelsey, er hat darauf bestanden.«
»Nun, ich bestehe auch darauf. Das ist zu viel, Nilima. Wirklich.« Ich begegnete ihrem Blick mit eiserner Entschlossenheit.
Sie seufzte. »Er will wirklich, dass Sie es bekommen, Kelsey. Es wird ihn glücklich machen.«
»Aber es ist so unpraktisch! Ich will mich doch am College einschreiben, und diese Gegend ist nicht gerade sonderlich gut ans Busnetz angeschlossen.«
Nilima sah mich befremdet an. »Was meinen Sie mit Bus- netz? Wenn Sie wirklich den Bus nehmen wollen, könnten Sie doch zur Bushaltestelle fahren.«
»Zur Bushaltestelle fahren? Das ergibt alles keinen Sinn.«
»Um ehrlich zu sein, verstehe ich Sie nicht. Warum fahren Sie nicht einfach mit dem Auto zum College?«
»Mit dem Auto? Welchem Auto?«
»Das in der Garage natürlich.«
»Das in der ... O nein. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«
»Doch. Es ist mein voller Ernst. Der Porsche gehört Ihnen. «
»Aber nein, nein! Wissen Sie, wie viel dieser Wagen kostet? Vergessen Sie's!«
Ich zog mein Handy heraus und suchte nach Mr. Kadams Telefonnummer. Kurz bevor ich auf die Wahltaste drückte, schoss mir ein Gedanke in den Sinn, der mich erstarren ließ. »Gibt es da noch etwas, das ich wissen sollte?«
Nilima zuckte zusammen. »Nun ... Er hat sich die Freiheit genommen, Sie an der Western Oregon University einzuschreiben. Ihre Kurse und Bücher sind bereits bezahlt. Die Bücher liegen auf der Arbeitsplatte in der Küche neben der Liste mit Ihren Kursen, einem Western Wolf Sweatshirt und einem Lageplan vom Campus.«
»Er hat mich an der WOU eingeschrieben?«, fragte ich fassungslos. »Ich hatte vor, das Community College zu besuchen und zu arbeiten - nicht auf die WOU zu gehen.«
»Er muss angenommen haben, dass eine Universität mehr nach Ihrem Geschmack wäre. Ihre Kurse beginnen nächste Woche. Was das Arbeiten anbelangt, so können Sie das natürlich tun, aber es ist nicht nötig. Er hat ein Bankkonto für Sie eröffnet. Ihre neue Kreditkarte liegt ebenfalls auf der Arbeitsplatte. Vergessen Sie nicht, sie auf der Rückseite zu unterschreiben.«
Ich schluckte. »Und ... äh ... wie viel Geld ist auf dem Bankkonto?«
Nilima zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht, aber ich bin sicher, es reicht, um Ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Natürlich wird keine Ihrer Rechnungen hierhergeschickt. Alles wird automatisch an einen Buchhalter weitergeleitet. Das Haus und das Auto sind bezahlt, ebenso wie die Studiengebühren.«
Sie schob einen mächtigen Stapel Unterlagen in meine Richtung, dann lehnte sie sich zurück und nippte an ihrer Cola light.
Benommen saß ich eine Weile reglos da. Schließlich fiel mir wieder mein Entschluss ein, Mr. Kadam anzurufen. Ich klappte mein Handy auf und scrollte nach seiner Nummer.
Nilima unterbrach mich. »Sind Sie sicher, dass Sie alles zurückgeben wollen, Miss Kelsey? Ich weiß, dass ihm das hier sehr am Herzen liegt. Er will, dass Sie diese Dinge erhalten. «
»Nun, Mr. Kadam sollte wissen, dass ich seine Almosen nicht will. Ich werde ihm erklären, dass das Community College völlig ausreicht, und es mir überhaupt nichts ausmacht, im Wohnheim zu wohnen und den Bus zu nehmen.«
Nilima beugte sich vor. »Aber Kelsey, es ist nicht Mr. Kadam, der das alles hier arrangiert hat.«
»Was? Wenn es nicht Mr. Kadam ist, wer dann? ... Oh!« Ich klappte mein Handy zu. Unter gar keinen Umständen würde ich ihn anrufen. »Also liegt es ihm sehr am Herzen.«
Nilima zog verwirrt die wohlgeformten Augenbrauen zusammen. »Ja, das kann man so sagen.«
Es hat mir fast das Herz zerrissen, als ich ihn verlassen habe. Er ist 7 196,25 Meilen weit entfernt in Indien, und dennoch gelingt es ihm immer noch, sich in mein Leben zu schleichen.
»Also schön«, sagte ich im Flüsterton. »Er kriegt ja sowieso immer, was er will. Es ist sinnlos, es ihm auszureden. Er würde einfach ein anderes, völlig übertriebenes Geschenk aus dem Hut zaubern, das unsere Beziehung noch komplizierter machen würde.«
Ein Auto hupte draußen in der Einfahrt.
»Tja, das ist meine Rückfahrgelegenheit zum Flughafen«, sagte Nilima im Aufstehen. »Oh! Das hätte ich fast vergessen. Dies hier ist ebenfalls für Sie.« Sie drückte mir ein nagelneues Handy in die Hand, tauschte es geschickt gegen mein altes Telefon aus und umarmte mich kurz, bevor sie zur Haustür rauschte.
»Einen Augenblick! Nilima!«
»Keine Sorge, Miss Kelsey. Alles wird gut. Die Unterlagen, die Sie für die Uni benötigen, liegen in der Küche. Essen ist im Kühlschrank, und all Ihre Habseligkeiten sind oben. Sie können das Auto nehmen und später Ihre Pflegefamilie besuchen, falls Sie das wünschen. Sie erwarten Ihren Anruf.«
Anmutig drehte sie sich um, ging aus der Tür und stieg in das Auto. Sie winkte fröhlich vom Beifahrersitz. Ich winkte mürrisch zurück und sah ihr nach, bis der funkelnde schwarze Wagen außer Sicht war. Mit einem Mal war ich ganz allein in einem fremden Haus, mitten im Wald.
Sobald Nilima fort war, begann ich, den Ort zu erkunden, den ich von nun an mein Zuhause nennen würde. Als ich den Kühlschrank öffnete, bemerkte ich, dass er tatsächlich zum Brechen voll war. Ich schraubte den Deckel einer Cola auf, nippte daran und spähte in die Küchen schränke, in denen sich Gläser und Teller, Kochutensilien, Besteck, Töpfe und Pfannen stapelten. Meinem Bauchgefühl folgend, öffnete ich das oberste Schubfach im Kühlschrank - es war bis zum Rand mit Zitronen gefüllt. Eindeutig Mr. Kadams Werk. Der aufmerksame Mann wusste, dass mir Zitronenwasser Trost spenden würde.
Mr. Kadams Einfluss auf die Inneneinrichtung endete jedoch nicht in der Küche. Das Gäste-WC war in Salbeigrün und Zitronengelb gehalten. Selbst die Seife im Spender roch nach Zitrone.
Ich stellte meine Schuhe in einen Weidenkorb, der auf dem gefliesten Boden der Waschküche neben einer neuen Waschmaschine mit Trockner platziert war, und ging weiter in das kleine Arbeitszimmer.
Mein alter Computer stand in der Mitte des Schreibtischs, aber gleich daneben thronte ein brandneuer Laptop. Ein Lederstuhl, ein Aktenschrank und ein Regal mit Druckerpapier und anderem Büromaterial vervollständigten die Einrichtung.
Ich schnappte mir meinen Rucksack und hastete nach oben, um mein neues Schlafzimmer zu begutachten. Am Fußende eines wunderhübschen französischen Betts mit einer flauschigen elfenbeinfarbenen Daunendecke und pfirsichfarbenen Kissen als Farbkleks stand eine alte Holztruhe. Gemütliche pfirsichfarbene Lesesessel waren in der Ecke vor dem Fenster gruppiert, mit Blick auf den Wald.
Auf dem Bett lag ein Zettel, der meine Stimmung schlagartig hob:
Hi Kelsey, Willkommen zu Hause. Ruf uns sofort an - wir wollen alles über Deine Reise erfahren. Deine Sachen sind im Schrank. Wir finden Dein neues Zuhause toll! Alles Liebe, Mike und Sarah Die Nachricht von Mike und Sarah sowie der Umstand, zurück in Oregon zu sein, erdeten mich. Ihr Leben war normal. Mein Leben mit ihnen war normal, und es wäre schön, wieder bei einer normalen Familie zu sein und sich zur Abwechslung einmal wie ein ganz normaler Mensch zu fühlen. Im Dschungel zu schlafen, mit indischen Göttinnen zu reden, sich in einen ... Tiger ... zu verlieben - nichts davon war normal. Unnormaler ging es gar nicht.
Ich öffnete meinen Schrank und bemerkte, dass man tatsächlich meine Sammlung an Haarbändern und meine gesamte Kleidung von Mikes und Sarahs Haus hierhergebracht hatte. Ich betastete einige der Dinge, die ich seit mehreren Monaten nicht gesehen hatte. Beim Öffnen der anderen Schranktür fand ich all die Kleidungsstücke vor, die mir in Indien gekauft worden waren, sowie ein paar neue Sachen, die sogar noch eingepackt waren.
Wie um alles in der Welt hat Mr. Kadam diese Sachen so schnell herbringen können? Ich habe alles in Indien zurückgelassen. Ich stieß die Tür mit der neuen Kleidung und meinen Erinnerungen fest zu, wild entschlossen, diese Seite des Schranks nie wieder zu öffnen.
Dann trat ich zu der Kommode und zog die oberste Schublade auf. Sarah hatte meine Strümpfe genau so eingeräumt, wie ich es mochte. Jedes Paar schwarzer, weißer und farbiger Socken war zu einem ordentlichen Ball zusammengerollt, sorgfältig aneinandergereiht lagen sie da. Beim Öffnen der nächsten Schublade war mein Lächeln wie weggewischt. Dort lagen die Seidenpyjamas, die ich absichtlich in Indien vergessen hatte.
Meine Brust brannte, während ich mit der Hand über den weichen Stoff strich und dann die Schublade beherzt schloss. Als ich mich umdrehte, um das helle, lichtdurchflutete Zimmer zu verlassen, durchzuckte mich auf einmal ein Gedanke, der mir die Röte ins Gesicht schießen ließ. Mein Schlafzimmer war in Pfirsich und Creme gehalten.
Er muss diese Farben ausgewählt haben. Er hatte einmal gesagt, ich würde nach Pfirsichen und Sahne riechen. Er hat also einen Weg gefunden, sich mir selbst über Kontinente hinweg in Erinnerung zu rufen. Als könnte ich ihn vergessen ...
Ich warf meinen Rucksack aufs Bett und bedauerte es im selben Moment, da mir schlagartig bewusst wurde, dass Fanindra immer noch dort drinnen war. Nachdem ich sie behutsam herausgenommen und mich entschuldigt hatte, streichelte ich ihr den goldenen Kopf und legte sie dann auf ein Kissen. Ich holte mein neues Handy aus der Jeanstasche. Wie alles andere war auch das Telefon viel zu teuer und entschieden zu luxuriös. Es war von Prada. Ich schaltete es ein und erwartete, dass seine Nummer gleich als erste aufblitzen würde, aber ich täuschte mich. Ich hatte auch keine SMS bekommen. Genau genommen waren die einzigen Nummern, die eingespeichert waren, die von Mr. Kadam und meinen Pflegeeltern.
Zuerst war ich erleichtert. Dann verwirrt. Dann enttäuscht. Ein klitzekleiner Teil von mir dachte: Es wäre nett von ihm gewesen, mich anzurufen. Nur um sich zu vergewissern, dass ich gut gelandet bin.
Wütend auf mich selbst rief ich Mike und Sarah an, erklärte ihnen jedoch, dass ich müde vom Flug wäre und erst am nächsten Abend zum Essen kommen würde. Als ich auflegte, verzog ich bei dem Gedanken an die Tofu-Überraschung, die dort auf mich warten würde, das Gesicht. Doch egal, welche gesunde Vollwertkost sie für mich zubereiten würden, ich würde sie glücklich verspeisen.
Ich schlenderte nach unten, schaltete die Stereoanlage an, machte mir einen kleinen Snack aus Apfelscheiben und Erdnussbutter und begann, in den Collegeunterlagen auf der Arbeitsfläche zu blättern. Mr. Kadam hatte Internationale Beziehungen als mein Hauptfach und Kunstgeschichte als Nebenfach ausgesucht.
Ich warf einen Blick auf meinen Stundenplan. Mr. Kadam war es irgendwie gelungen, mich als Erstsemester in Kurse zu bekommen, die für Studenten des zweiten und dritten Semesters bestimmt waren. Aber nicht nur das, er hatte mich bereits für Kurse des Herbst-und Wintersemesters eingeschrieben - obwohl man sich fürs Wintersemester noch gar nicht einschreiben konnte.
Die WOU hat wahrscheinlich einen richtig fetten Scheck aus Indien erhalten, dachte ich mit einem Grinsen. Ich wäre nicht überrascht, falls dieses Jahr ein neues Gebäude auf dem Campus errichtet werden sollte.
Copyright © 2012 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Colleen Houck
Colleen Houck studierte an der University of Arizona und arbeitete siebzehn Jahre lang als Dolmetscherin für Gebärdensprache, bevor sie beschloss, sich dem Schreiben zu widmen. Ihr erster Roman erschien zunächst als E-Book im Eigenverlag, eroberte die Herzen der Leserinnen und Leser im Sturm und belegte wochenlang Platz 1 der Kindle-Bestsellerliste. Die Autorin lebt gemeinsam mit ihrem Mann in Salem, Oregon.
Bibliographische Angaben
- Autor: Colleen Houck
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2012, 600 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Brammertz, Beate
- Übersetzer: Beate Brammertz
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453267745
- ISBN-13: 9783453267749
Rezension zu „Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe / Tiger Saga Bd.2 “
"Romantisch!"
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