Die Mädchenwiese
Thriller
Niemand beachtet die alte Frau und keiner hört auf den kleinen Jungen. Die Alte findet die toten Mädchen. Sie kennt ihren Mörder, doch sie wird schweigen. Ex-Kommissar Alex Lindner weiß sofort: der Mann, den er damals vergeblich...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Mädchenwiese “
Niemand beachtet die alte Frau und keiner hört auf den kleinen Jungen. Die Alte findet die toten Mädchen. Sie kennt ihren Mörder, doch sie wird schweigen. Ex-Kommissar Alex Lindner weiß sofort: der Mann, den er damals vergeblich jagte, ist zurück. Und der Blutzoll wird steigen.
Klappentext zu „Die Mädchenwiese “
Die alte Frau sieht alles kommen. Sie findet die toten Mädchen. Sie kennt ihren Mörder. Aber sie wird schweigen. Der kleine Junge bangt um seine verschwundene Schwester, denn er hat etwas gesehen. Er will reden, doch niemand hört ihm zu. Seit Alex Lindner vor Jahren seinen Dienst als Kommissar quittiert hat, lebt er zurückgezogen in der Provinz. auch hier ein Mädchen verschwindet, weiß er: Der Mann, den er damals vergeblich jagte, ist zurück. Diesmal muss er ihn fangen, denn der Blutzoll wird steigen.
Lese-Probe zu „Die Mädchenwiese “
Die Mädchenwiese von Martin KristProlog
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Als hätte er nur auf sie gewartet.
Als Berta die düstere Waldlichtung betrat, zerriss der Wind die Wolkendecke, und der Mond blitzte hervor. Wie ein Scheinwerfer traf sein Licht auf das Moos und auf die junge Frau.
Während Berta neben dem nackten Körper zu Boden sank, höhnte eine Stimme in ihrem Kopf: Erzähl mir nicht, du bist überrascht, denn du hast gewusst, dass es wieder passieren wird.
»Ja«, sagte sie, »ja, ja ...« Zugleich schüttelte sie den Kopf. Sie wollte aufstehen, weglaufen, so schnell, wie es ihre alten Knochen zuließen. Doch ihr Körper versagte ihr den Dienst, und sie kauerte wie ein Häufchen Elend auf der Lichtung, als wäre sie mit dem Moos verwachsen, während ihr Blick an der Leiche klebte.
Du kannst mir nicht entkommen, du nicht, das weißt du, so wie du auch begriffen hast, warum es geschehen ist.
Berta spürte, wie sich Galle ihren Hals hinaufdrängte, als ihr Blick auf die entstellten Brüste und den Unterleib der jungen Frau fiel; als hätte ein Tier seine Krallen an dem Fleisch gewetzt. Die Bauchhöhle der Frau klaffte wie ein Krater auf, gab den Blick frei auf ein Loch ohne Eingeweide.
Tränen strömten Bertas Wangen herab, während ihre Augen das Gesicht der Toten suchten. Doch der Leiche fehlte der Kopf. Ohne hinzuschauen, wusste Berta, dass der Frau auch die Hände abgetrennt worden waren.
Angst drohte Berta zu überwältigen. Sie kämpfte dagegen an.
Es war nicht ihre Schuld. War es nie gewesen.
»Nein«, presste sie hervor, »nein, nie, niemals.«
Und dennoch geschah es.
Weil du böse bist, weil ihr alle böse seid, ist das denn so schwer zu begreifen?
»Nein«, heulte Berta. »Nein, ich kann nicht, ich will nicht ...«
Doch sie wusste, was sie zu tun hatte. Selbstverständlich weißt du das, es ist ja nicht das erste Mal, dass es geschehen ist, und ...
Widerstrebend rappelte Berta sich hoch, nahm die Arme der Toten und faltete sie ihr auf der Brust. Damit sie nicht wieder verrutschten, stützte Berta sie mit zwei dicken Ästen ab. Mit einem Stöhnen schaufelte sie Erde zusammen und füllte damit die Bauchhöhle. Mühsam schaffte sie Moos herbei, das sie über dem verstümmelten Leib ausbreitete. Anschließend sammelte sie Tannenzweige und bedeckte damit den Leichnam wie mit einer Decke.
... und es wird nicht das letzte Mal sein, dass es passiert! Das ist dir doch klar, oder?
Erschöpft fiel sie neben der Toten auf die Knie. Leise sprach sie ein Gebet. Erst dann schleppte sie sich zurück nach Finkenwerda. Ihr Haus lag am Ende des kleinen Ortes. Berta hatte gerade den Dorfplatz erreicht, da rief jemand ihren Namen.
»Lisa?«, hörte sie plötzlich eine Stimme hinter sich.
Lisa wirbelte herum. »Scheiße, Sam, hast du sie noch alle?«
Ihr kleiner Bruder tat einen Schritt zurück.
»Und was hast du hier überhaupt zu suchen?«
Verängstigt zog er den Kopf zwischen die Schultern.
»Also?«
»Ich, äh ...« Er knetete seine Finger. »Ich bin dir gefolgt.«
»Ach, ehrlich?«
Er vermied es, sie anzusehen.
Lisa klemmte den Hörer zurück auf die Gabel, hob ihren Rucksack vom Boden auf und trat aus der Telefonzelle. Es war eines dieser gelben Häuschen, die eigentlich nur noch in alten Fernsehfilmen zu sehen waren. Oder in Finkenwerda. In dem kleinen Dorf tickten die Uhren anders, zumindest kam es Lisa mit ihren sechzehn Jahren so vor.
»Und?«, fragte Sam. »Du kommst doch zurück, oder?«
»Was soll die blöde Frage?«
Er blickte zu Boden.
»Sam, was?«
Seine Lippen bewegten sich lautlos.
»Erde an Sam: Red mit mir!«
Er holte Luft, schaute zu ihr auf, dennoch war seine zitternde Stimme kaum zu verstehen. »Du hast gerade am Telefon gesagt, du möchtest am liebsten abhauen ...«
»Hast du mich etwa belauscht?«
»... und du wirst das Wochenende in ...«
»Gar nichts werde ich!«, unterbrach sie ihn schroff. »Und halt
jetzt bloß deine Klappe.«
Sofort ließ Sam den Kopf wieder hängen. Dunkle Punkte sprenkelten sein rotes T-Shirt. Er weinte.
Am liebsten hätte Lisa ihn gepackt, kräftig durchgerüttelt und ihm dabei in sein verheultes Gesicht geschrien: Musst du immer wie eine beschissene Schwuchtel herumflennen? Aber wahrscheinlich würde er sich dabei nur das Bein verstauchen, den Knöchel umknicken - oder wieder den großen Zeh brechen, wie er es in seiner unfassbaren Tollpatschigkeit vor zwei Monaten schon einmal getan hatte, noch dazu an der Badezimmertür.
Sie drehte sich um und marschierte zur Bushaltestelle, wie sie es von Anfang an vorgehabt hatte. Als sie die Dorfstraße überquerte, stolperte sie über einen Pflasterstein.
Das Straßenpflaster in Finkenwerda war sicherlich doppelt so alt wie die Telefonzelle. Darauf mit hochhackigen Schuhen zu gehen, wie Lisa sie an diesem Abend trug, glich fast einem Abenteuer, so groß war die Gefahr, im nächsten Moment umzuknicken. Das war aber auch das einzige Abenteuer, das Finkenwerda zu bieten hatte. Bis vor einigen Monaten war der alte Jugendclub am Dorfplatz noch akzeptabel gewesen, aber mittlerweile war er irgendwie nur noch etwas für Kinder. Für Kinder wie Sam.
»Aber«, hörte sie ihn hinter sich flüstern, »Mama wird sauer sein.«
»Hey, nur zur Erinnerung!« Lisa blieb stehen und betonte jedes einzelne Wort: »Das ist sie schon - scheißsauer!«
Sie lachte, aber es klang wie ein verärgertes Schnauben. Allerdings war ihr nicht klar, auf wen sie wütender war: auf sich selbst, weil sie vorhin die Zimmertür offengelassen hatte, während sie sich zunächst ihre Finger- und Fußnägel schwarz lackiert hatte und anschließend in ihr Lieblingskleid und in ihre Lieblingsabsatzsandaletten geschlüpft war, oder auf ihre Mutter, die ohne anzuklopfen hereingeschneit war und Lisas drei Tage altes Bauchnabelpiercing entdeckt hatte? Ihr Gezeter klang Lisa immer noch in den Ohren.
Andererseits - hätte Lisas Mutter nichts von dem Piercing erfahren, hätte das vermutlich auch nichts an ihrer schlechten Laune geändert. In letzter Zeit war sie immer gestresst und sauer. Nimm nicht solche Wörter in den Mund, motzte sie dann. Warum trägst du so knappe Sachen? Oder: Räum endlich dein Zimmer auf! Eigentlich konnte man ihr gar nichts recht machen. Als wäre Lisa schuld an der ganzen Misere.
»Aber«, stammelte Sam, »wenn Mama rauskriegt ...«
»Wenn du dich nicht verplapperst, dann ...« Lisa hielt inne, als sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Bewegung wahrnahm. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. »Guck mal, Sam.«
Die Augen ihres kleinen Bruders weiteten sich, als auch er die verwahrloste Gestalt entdeckte, die wirres Zeug vor sich hin murmelte.
»Soll ich sie mal rufen?«, fragte Lisa.
Ihr Bruder schüttelte entsetzt den Kopf.
Lisa grinste und rief: »Berta, hey, warte doch mal!«
Hast du nicht gehört, du sollst warten, blaffte die Stimme in Bertas Kopf, also bleib verdammt noch mal stehen!
»Nein«, flüsterte Berta verschreckt und beschleunigte ihre Schritte. »Ich bleib' nicht stehen, auf keinen Fall, das mach' ich nicht.«
Ihr alter Körper sträubte sich gegen die Bewegung, aber Berta kümmerte sich nicht um den Schmerz. Viel schlimmer war die Angst, die tief in ihrem Innern lauerte; die wie eine Bestie nur auf den richtigen Augenblick wartete, um wieder über sie herzufallen.
Berta zwang sich, schneller zu gehen. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen.
Das wird dir eine Lehre sein, dich meinen Entscheidungen zu widersetzen. Glaubst du denn, du kannst tatsächlich vor mir weglaufen?
»Nein«, flüsterte Berta, »nein, natürlich nicht, das habe ich nie geglaubt, nie, niemals.«
Ihr Blick fiel auf das Mädchen, das von der gegenüberliegenden Straßenseite ihren Namen schrie, und sie blieb stehen.
»Hey, Berta«, rief die junge Frau lachend, »ich glaube, mein kleiner Bruder möchte mit dir reden.«
Berta konnte sich nicht an den Namen des Mädchens erinnern. Es gab so vieles, das sie sich nicht mehr merken konnte. Ihr Gedächtnis hatte Lücken bekommen.
Aber mich hast du nicht vergessen, und du wirst mich auch niemals vergessen. Dafür habe ich gesorgt.
»Ja«, sagte Berta keuchend, »ja, ich habe dich nicht vergessen, niemals ...«
Und das lag auch an dem Mädchen, das noch immer lachte, mit einer glockenhellen Stimme, die wie geschaffen war für einen Abend wie diesen. Entsetzt über ihren letzten Gedanken, schüttelte Berta ihren schmerzenden Kopf, doch die Wahrheit stand ihr jetzt klar vor Augen. Das Mädchen auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatte lange, schwarze Haare, sie trug ein adrettes Kleid, dazu Schminke und schwarzen Nagellack. Sie hatte sich hübsch gemacht. Sie sah fast aus wie -
Ja, sieh sie dir an, schau genau hin, in ihr süßes Gesicht, und du weißt, an wen sie dich erinnert!
»Nein«, wisperte Berta. »Nein, das ist nicht wahr, das ist nicht richtig, nein, nein ...«
Panik trieb sie vorwärts, sie stolperte über das Straßenpflaster, ihrem Hof entgegen. In einem der Häuser kläffte ein Hund.
»Sam, weißt du, was sie ist?«, rief das Mädchen und lachte laut auf.
Der kleine Junge japste.
»Sie ist eine Hexe. Eine böse Hexe.« Das Mädchen kicherte.
»Und wenn du Mama was verrätst, dann ...«
Die restlichen Worte wurden vom Laub erstickt, das knirschte und knisterte, als Berta den verwilderten Vorgarten ihres Hauses betrat. Als hätte er dort auf sie gewartet, fiel ihr plötzlich der Name des Mädchens ein.
Sie heißt Lisa. Süße, böse Lisa, und jetzt kannst du nicht länger leugnen, an wen sie dich erinnert. Bertas Kehle entrang sich ein hemmungsloses Schluchzen, das der Wind wie das Heulen eines Wolfes durch den Ort trieb.
»Hey, hast du mich verstanden?«
Obwohl seine Schwester neben ihm stand, drangen die Worte wie aus weiter Entfernung an Sams Ohr. Mit der Hand wedelte sie ungeduldig vor seinem Gesicht herum.
»Träumst du oder was?«
Sam holte Luft. Noch einmal schaute er der alten Kirchberger nach, die auf ihrem verwilderten Hof verschwand. Tagsüber wagte sich die bucklige Gestalt fast nie vor die Tür. Nur spätabends geisterte sie durchs Dorf und jagte den Leuten einen Heidenschrecken ein, wenn sie vor ihnen wie ein Gespenst auf der Straße erschien. Dass sie dabei ständig wirres Zeug vor sich hin murmelte, nährte nur die Gerüchte, die die anderen Kinder sich im Dorf über sie erzählten.
Bei dem Gedanken an diese Geschichten, mehr aber noch an den düsteren Blick, den sie Lisa und ihm zugeworfen hatte, bekam es Sam gleich wieder mit der Angst zu tun.
»Sie ist eine Hexe. Eine böse Hexe«, sagte Lisa grinsend und zeigte auf die greise Frau. »Und wenn du Mama was verrätst, dann passiert etwas Schlimmes. Hast du verstanden?«
Sam wurde wütend, allerdings hauptsächlich auf sich selbst. Er wusste, dass es nur dumme Schauermärchen waren, die die anderen Kinder erzählten. Es gibt keine Hexen! Seine Schwester hatte sich nur einen Scherz mit ihm erlaubt. Ständig piesackte sie ihn, so wie ihn die anderen Jungen in der Schule immer ärgerten. Weichbemme, nannten sie ihn, Gartenzwerg oder auch Schwuchtel.
Sam hatte zwar keine Ahnung, was das bedeutete, aber er war sich sicher, dass es nichts Schönes war. Deswegen ging er den Jugendlichen lieber aus dem Weg Und auch der alten Kirchberger.
»Also was jetzt?«, blaffte Lisa.
Weil Sam nicht genau wusste, was sie meinte, nickte er nur.
»Scheiße, was soll das heißen?«
Er nickte noch einmal.
Lisa stöhnte. »Also hältst du die Klappe?«
Erneutes Kopfnicken.
»Schön«, sagte Lisa lächelnd.
Ich möchte nicht, dass du über mich lachst wie die anderen Kinder im Dorf, hätte Sam ihr gerne gesagt, aber er wollte nicht, dass sie sich wieder aufregte. Also hielt er lieber den Mund.
Zufrieden schulterte seine Schwester ihren Rucksack. Aus einer der Seitentaschen brachte sie einen funkelnden Armreif zum Vorschein, den Sam noch nie an ihr gesehen hatte. Sie schob ihn über ihr Handgelenk, dann setzte sie sich in Bewegung. Ihr schwarzes Kleid flatterte im Wind, und das helle Klackern ihrer Absatzschuhe vermischte sich mit dem Rascheln von Laub.
»Lisa«, rief Sam.
Obwohl seine Schwester ihm den Rücken zuwandte, wusste er ganz genau, dass sie die Augen verdrehte. »Was denn?«
Verlegen blickte er zu Boden.
»Kommt da noch was?«
Er knibbelte nervös an seinen Fingernägeln.
»Sam, ehrlich«, seufzte sie, »manchmal bist du ...«
»Du kommst doch zurück, oder?«, platzte es aus ihm heraus.
Lisa stieß einen Seufzer aus. »So ein Blödsinn, ehrlich!«
Sams Augen füllten sich mit Tränen. Er konnte nichts dagegen tun.
»Natürlich komme ich zurück«, sagte seine Schwester lächelnd. »Am Montag.«
Diesmal fand Sam es nicht schlimm, dass sie lachte.
»Aber denk dran ...« Mit den Fingern machte Lisa vor dem Mund eine Bewegung, als würde sie einen Reißverschluss zuziehen. Wenn du Mama was verrätst, passiert etwas Schlimmes. Dann drehte sie sich um und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle. I want you to make me feel, begann sie dabei eines ihrer Lieblingslieder zu summen, like I'm the only girl in the world.
Ihr fröhliches Summen wurde leiser, ebenso wie das Klackern ihrer Absätze. Wenig später wurde beides vom Rattern eines vorbeifahrenden Pkw verschluckt. Das helle Scheinwerferlicht glitt
über Sam hinweg, bevor der Wagen wieder in der Dunkelheit verschwand. Stille kehrte ein.
Langsam trottete Sam heim. Sein großer Zeh schmerzte wieder. Obwohl er seit kurzem keinen Gips mehr tragen musste, spürte er gelegentlich noch ein Ziehen.
Ein jähes Heulen ließ Sam erstarren. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken. Nur ein Fuchs, beruhigte er sich. Oder ein Wildschwein.
Trotzdem beeilte er sich, nach Hause zu kommen.
© Ullstein TB Verlag
Als hätte er nur auf sie gewartet.
Als Berta die düstere Waldlichtung betrat, zerriss der Wind die Wolkendecke, und der Mond blitzte hervor. Wie ein Scheinwerfer traf sein Licht auf das Moos und auf die junge Frau.
Während Berta neben dem nackten Körper zu Boden sank, höhnte eine Stimme in ihrem Kopf: Erzähl mir nicht, du bist überrascht, denn du hast gewusst, dass es wieder passieren wird.
»Ja«, sagte sie, »ja, ja ...« Zugleich schüttelte sie den Kopf. Sie wollte aufstehen, weglaufen, so schnell, wie es ihre alten Knochen zuließen. Doch ihr Körper versagte ihr den Dienst, und sie kauerte wie ein Häufchen Elend auf der Lichtung, als wäre sie mit dem Moos verwachsen, während ihr Blick an der Leiche klebte.
Du kannst mir nicht entkommen, du nicht, das weißt du, so wie du auch begriffen hast, warum es geschehen ist.
Berta spürte, wie sich Galle ihren Hals hinaufdrängte, als ihr Blick auf die entstellten Brüste und den Unterleib der jungen Frau fiel; als hätte ein Tier seine Krallen an dem Fleisch gewetzt. Die Bauchhöhle der Frau klaffte wie ein Krater auf, gab den Blick frei auf ein Loch ohne Eingeweide.
Tränen strömten Bertas Wangen herab, während ihre Augen das Gesicht der Toten suchten. Doch der Leiche fehlte der Kopf. Ohne hinzuschauen, wusste Berta, dass der Frau auch die Hände abgetrennt worden waren.
Angst drohte Berta zu überwältigen. Sie kämpfte dagegen an.
Es war nicht ihre Schuld. War es nie gewesen.
»Nein«, presste sie hervor, »nein, nie, niemals.«
Und dennoch geschah es.
Weil du böse bist, weil ihr alle böse seid, ist das denn so schwer zu begreifen?
»Nein«, heulte Berta. »Nein, ich kann nicht, ich will nicht ...«
Doch sie wusste, was sie zu tun hatte. Selbstverständlich weißt du das, es ist ja nicht das erste Mal, dass es geschehen ist, und ...
Widerstrebend rappelte Berta sich hoch, nahm die Arme der Toten und faltete sie ihr auf der Brust. Damit sie nicht wieder verrutschten, stützte Berta sie mit zwei dicken Ästen ab. Mit einem Stöhnen schaufelte sie Erde zusammen und füllte damit die Bauchhöhle. Mühsam schaffte sie Moos herbei, das sie über dem verstümmelten Leib ausbreitete. Anschließend sammelte sie Tannenzweige und bedeckte damit den Leichnam wie mit einer Decke.
... und es wird nicht das letzte Mal sein, dass es passiert! Das ist dir doch klar, oder?
Erschöpft fiel sie neben der Toten auf die Knie. Leise sprach sie ein Gebet. Erst dann schleppte sie sich zurück nach Finkenwerda. Ihr Haus lag am Ende des kleinen Ortes. Berta hatte gerade den Dorfplatz erreicht, da rief jemand ihren Namen.
»Lisa?«, hörte sie plötzlich eine Stimme hinter sich.
Lisa wirbelte herum. »Scheiße, Sam, hast du sie noch alle?«
Ihr kleiner Bruder tat einen Schritt zurück.
»Und was hast du hier überhaupt zu suchen?«
Verängstigt zog er den Kopf zwischen die Schultern.
»Also?«
»Ich, äh ...« Er knetete seine Finger. »Ich bin dir gefolgt.«
»Ach, ehrlich?«
Er vermied es, sie anzusehen.
Lisa klemmte den Hörer zurück auf die Gabel, hob ihren Rucksack vom Boden auf und trat aus der Telefonzelle. Es war eines dieser gelben Häuschen, die eigentlich nur noch in alten Fernsehfilmen zu sehen waren. Oder in Finkenwerda. In dem kleinen Dorf tickten die Uhren anders, zumindest kam es Lisa mit ihren sechzehn Jahren so vor.
»Und?«, fragte Sam. »Du kommst doch zurück, oder?«
»Was soll die blöde Frage?«
Er blickte zu Boden.
»Sam, was?«
Seine Lippen bewegten sich lautlos.
»Erde an Sam: Red mit mir!«
Er holte Luft, schaute zu ihr auf, dennoch war seine zitternde Stimme kaum zu verstehen. »Du hast gerade am Telefon gesagt, du möchtest am liebsten abhauen ...«
»Hast du mich etwa belauscht?«
»... und du wirst das Wochenende in ...«
»Gar nichts werde ich!«, unterbrach sie ihn schroff. »Und halt
jetzt bloß deine Klappe.«
Sofort ließ Sam den Kopf wieder hängen. Dunkle Punkte sprenkelten sein rotes T-Shirt. Er weinte.
Am liebsten hätte Lisa ihn gepackt, kräftig durchgerüttelt und ihm dabei in sein verheultes Gesicht geschrien: Musst du immer wie eine beschissene Schwuchtel herumflennen? Aber wahrscheinlich würde er sich dabei nur das Bein verstauchen, den Knöchel umknicken - oder wieder den großen Zeh brechen, wie er es in seiner unfassbaren Tollpatschigkeit vor zwei Monaten schon einmal getan hatte, noch dazu an der Badezimmertür.
Sie drehte sich um und marschierte zur Bushaltestelle, wie sie es von Anfang an vorgehabt hatte. Als sie die Dorfstraße überquerte, stolperte sie über einen Pflasterstein.
Das Straßenpflaster in Finkenwerda war sicherlich doppelt so alt wie die Telefonzelle. Darauf mit hochhackigen Schuhen zu gehen, wie Lisa sie an diesem Abend trug, glich fast einem Abenteuer, so groß war die Gefahr, im nächsten Moment umzuknicken. Das war aber auch das einzige Abenteuer, das Finkenwerda zu bieten hatte. Bis vor einigen Monaten war der alte Jugendclub am Dorfplatz noch akzeptabel gewesen, aber mittlerweile war er irgendwie nur noch etwas für Kinder. Für Kinder wie Sam.
»Aber«, hörte sie ihn hinter sich flüstern, »Mama wird sauer sein.«
»Hey, nur zur Erinnerung!« Lisa blieb stehen und betonte jedes einzelne Wort: »Das ist sie schon - scheißsauer!«
Sie lachte, aber es klang wie ein verärgertes Schnauben. Allerdings war ihr nicht klar, auf wen sie wütender war: auf sich selbst, weil sie vorhin die Zimmertür offengelassen hatte, während sie sich zunächst ihre Finger- und Fußnägel schwarz lackiert hatte und anschließend in ihr Lieblingskleid und in ihre Lieblingsabsatzsandaletten geschlüpft war, oder auf ihre Mutter, die ohne anzuklopfen hereingeschneit war und Lisas drei Tage altes Bauchnabelpiercing entdeckt hatte? Ihr Gezeter klang Lisa immer noch in den Ohren.
Andererseits - hätte Lisas Mutter nichts von dem Piercing erfahren, hätte das vermutlich auch nichts an ihrer schlechten Laune geändert. In letzter Zeit war sie immer gestresst und sauer. Nimm nicht solche Wörter in den Mund, motzte sie dann. Warum trägst du so knappe Sachen? Oder: Räum endlich dein Zimmer auf! Eigentlich konnte man ihr gar nichts recht machen. Als wäre Lisa schuld an der ganzen Misere.
»Aber«, stammelte Sam, »wenn Mama rauskriegt ...«
»Wenn du dich nicht verplapperst, dann ...« Lisa hielt inne, als sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Bewegung wahrnahm. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. »Guck mal, Sam.«
Die Augen ihres kleinen Bruders weiteten sich, als auch er die verwahrloste Gestalt entdeckte, die wirres Zeug vor sich hin murmelte.
»Soll ich sie mal rufen?«, fragte Lisa.
Ihr Bruder schüttelte entsetzt den Kopf.
Lisa grinste und rief: »Berta, hey, warte doch mal!«
Hast du nicht gehört, du sollst warten, blaffte die Stimme in Bertas Kopf, also bleib verdammt noch mal stehen!
»Nein«, flüsterte Berta verschreckt und beschleunigte ihre Schritte. »Ich bleib' nicht stehen, auf keinen Fall, das mach' ich nicht.«
Ihr alter Körper sträubte sich gegen die Bewegung, aber Berta kümmerte sich nicht um den Schmerz. Viel schlimmer war die Angst, die tief in ihrem Innern lauerte; die wie eine Bestie nur auf den richtigen Augenblick wartete, um wieder über sie herzufallen.
Berta zwang sich, schneller zu gehen. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen.
Das wird dir eine Lehre sein, dich meinen Entscheidungen zu widersetzen. Glaubst du denn, du kannst tatsächlich vor mir weglaufen?
»Nein«, flüsterte Berta, »nein, natürlich nicht, das habe ich nie geglaubt, nie, niemals.«
Ihr Blick fiel auf das Mädchen, das von der gegenüberliegenden Straßenseite ihren Namen schrie, und sie blieb stehen.
»Hey, Berta«, rief die junge Frau lachend, »ich glaube, mein kleiner Bruder möchte mit dir reden.«
Berta konnte sich nicht an den Namen des Mädchens erinnern. Es gab so vieles, das sie sich nicht mehr merken konnte. Ihr Gedächtnis hatte Lücken bekommen.
Aber mich hast du nicht vergessen, und du wirst mich auch niemals vergessen. Dafür habe ich gesorgt.
»Ja«, sagte Berta keuchend, »ja, ich habe dich nicht vergessen, niemals ...«
Und das lag auch an dem Mädchen, das noch immer lachte, mit einer glockenhellen Stimme, die wie geschaffen war für einen Abend wie diesen. Entsetzt über ihren letzten Gedanken, schüttelte Berta ihren schmerzenden Kopf, doch die Wahrheit stand ihr jetzt klar vor Augen. Das Mädchen auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatte lange, schwarze Haare, sie trug ein adrettes Kleid, dazu Schminke und schwarzen Nagellack. Sie hatte sich hübsch gemacht. Sie sah fast aus wie -
Ja, sieh sie dir an, schau genau hin, in ihr süßes Gesicht, und du weißt, an wen sie dich erinnert!
»Nein«, wisperte Berta. »Nein, das ist nicht wahr, das ist nicht richtig, nein, nein ...«
Panik trieb sie vorwärts, sie stolperte über das Straßenpflaster, ihrem Hof entgegen. In einem der Häuser kläffte ein Hund.
»Sam, weißt du, was sie ist?«, rief das Mädchen und lachte laut auf.
Der kleine Junge japste.
»Sie ist eine Hexe. Eine böse Hexe.« Das Mädchen kicherte.
»Und wenn du Mama was verrätst, dann ...«
Die restlichen Worte wurden vom Laub erstickt, das knirschte und knisterte, als Berta den verwilderten Vorgarten ihres Hauses betrat. Als hätte er dort auf sie gewartet, fiel ihr plötzlich der Name des Mädchens ein.
Sie heißt Lisa. Süße, böse Lisa, und jetzt kannst du nicht länger leugnen, an wen sie dich erinnert. Bertas Kehle entrang sich ein hemmungsloses Schluchzen, das der Wind wie das Heulen eines Wolfes durch den Ort trieb.
»Hey, hast du mich verstanden?«
Obwohl seine Schwester neben ihm stand, drangen die Worte wie aus weiter Entfernung an Sams Ohr. Mit der Hand wedelte sie ungeduldig vor seinem Gesicht herum.
»Träumst du oder was?«
Sam holte Luft. Noch einmal schaute er der alten Kirchberger nach, die auf ihrem verwilderten Hof verschwand. Tagsüber wagte sich die bucklige Gestalt fast nie vor die Tür. Nur spätabends geisterte sie durchs Dorf und jagte den Leuten einen Heidenschrecken ein, wenn sie vor ihnen wie ein Gespenst auf der Straße erschien. Dass sie dabei ständig wirres Zeug vor sich hin murmelte, nährte nur die Gerüchte, die die anderen Kinder sich im Dorf über sie erzählten.
Bei dem Gedanken an diese Geschichten, mehr aber noch an den düsteren Blick, den sie Lisa und ihm zugeworfen hatte, bekam es Sam gleich wieder mit der Angst zu tun.
»Sie ist eine Hexe. Eine böse Hexe«, sagte Lisa grinsend und zeigte auf die greise Frau. »Und wenn du Mama was verrätst, dann passiert etwas Schlimmes. Hast du verstanden?«
Sam wurde wütend, allerdings hauptsächlich auf sich selbst. Er wusste, dass es nur dumme Schauermärchen waren, die die anderen Kinder erzählten. Es gibt keine Hexen! Seine Schwester hatte sich nur einen Scherz mit ihm erlaubt. Ständig piesackte sie ihn, so wie ihn die anderen Jungen in der Schule immer ärgerten. Weichbemme, nannten sie ihn, Gartenzwerg oder auch Schwuchtel.
Sam hatte zwar keine Ahnung, was das bedeutete, aber er war sich sicher, dass es nichts Schönes war. Deswegen ging er den Jugendlichen lieber aus dem Weg Und auch der alten Kirchberger.
»Also was jetzt?«, blaffte Lisa.
Weil Sam nicht genau wusste, was sie meinte, nickte er nur.
»Scheiße, was soll das heißen?«
Er nickte noch einmal.
Lisa stöhnte. »Also hältst du die Klappe?«
Erneutes Kopfnicken.
»Schön«, sagte Lisa lächelnd.
Ich möchte nicht, dass du über mich lachst wie die anderen Kinder im Dorf, hätte Sam ihr gerne gesagt, aber er wollte nicht, dass sie sich wieder aufregte. Also hielt er lieber den Mund.
Zufrieden schulterte seine Schwester ihren Rucksack. Aus einer der Seitentaschen brachte sie einen funkelnden Armreif zum Vorschein, den Sam noch nie an ihr gesehen hatte. Sie schob ihn über ihr Handgelenk, dann setzte sie sich in Bewegung. Ihr schwarzes Kleid flatterte im Wind, und das helle Klackern ihrer Absatzschuhe vermischte sich mit dem Rascheln von Laub.
»Lisa«, rief Sam.
Obwohl seine Schwester ihm den Rücken zuwandte, wusste er ganz genau, dass sie die Augen verdrehte. »Was denn?«
Verlegen blickte er zu Boden.
»Kommt da noch was?«
Er knibbelte nervös an seinen Fingernägeln.
»Sam, ehrlich«, seufzte sie, »manchmal bist du ...«
»Du kommst doch zurück, oder?«, platzte es aus ihm heraus.
Lisa stieß einen Seufzer aus. »So ein Blödsinn, ehrlich!«
Sams Augen füllten sich mit Tränen. Er konnte nichts dagegen tun.
»Natürlich komme ich zurück«, sagte seine Schwester lächelnd. »Am Montag.«
Diesmal fand Sam es nicht schlimm, dass sie lachte.
»Aber denk dran ...« Mit den Fingern machte Lisa vor dem Mund eine Bewegung, als würde sie einen Reißverschluss zuziehen. Wenn du Mama was verrätst, passiert etwas Schlimmes. Dann drehte sie sich um und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle. I want you to make me feel, begann sie dabei eines ihrer Lieblingslieder zu summen, like I'm the only girl in the world.
Ihr fröhliches Summen wurde leiser, ebenso wie das Klackern ihrer Absätze. Wenig später wurde beides vom Rattern eines vorbeifahrenden Pkw verschluckt. Das helle Scheinwerferlicht glitt
über Sam hinweg, bevor der Wagen wieder in der Dunkelheit verschwand. Stille kehrte ein.
Langsam trottete Sam heim. Sein großer Zeh schmerzte wieder. Obwohl er seit kurzem keinen Gips mehr tragen musste, spürte er gelegentlich noch ein Ziehen.
Ein jähes Heulen ließ Sam erstarren. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken. Nur ein Fuchs, beruhigte er sich. Oder ein Wildschwein.
Trotzdem beeilte er sich, nach Hause zu kommen.
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Autoren-Porträt von Martin Krist
Krist, MartinMartin Krist ist das Pseudonym des erfolgreichen Autors Marcel Feige. Geboren 1971, arbeitete er als leitender Redakteur bei verschiedenen Zeitschriften und lebt seit 1998 als Schriftsteller in Berlin.
Autoren-Interview mit Martin Krist
Martin Krist, geboren 1971, lebt als Schriftsteller in Berlin. Nach mehr als 30 Sachbüchern und Biografien, unter anderem über Tattoo-Theo, den Tätowierten vom Kiez, die Punk-Diva Nina Hagen, den Rap-Rüpel Sido und die Grunge-Ikone Kurt Cobain schreibt er seit 2005 Krimis und Thriller.Lieber Herr Krist, Hand aufs Herz, warum schreiben Sie über Mord und Totschlag?
Martin Krist: Ganz einfach: Weil gute Mordgeschichten eine der menschlichsten Kernängste ansprechen, nämlich die Furcht vor dem Tod.
Aber warum so grausam?
Martin Krist: Weil wir uns nach der Lektüre zurücklehnen möchten in der wohligen Gewissheit, das wirklich Schreckliche widerfährt immer nur den anderen.
Viele Schriftsteller verarbeiten in ihren Romanen eigene Erlebnisse, Gefühle und Erinnerungen. Sie auch?
Martin Krist: Sie wollen also wissen, ob meine Romane eine Psychotherapie gegen meine dunklen Phantasien darstellen? Nein, ich bin Schriftsteller, und als solcher habe ich nur sehr viel Spaß an spannenden Geschichten.
Wollten Sie schon immer schreiben?
Martin Krist: Zunächst wollte ich nur lesen. Erst Karl May. Dann Agatha Christie. Später Stephen King. Und irgendwann hatte ich schließlich den Wunsch, ebenfalls so spannende Geschichten wie sie schreiben zu können.
Ihre ersten Bücher waren allerdings Sachbücher und Biografien. Wie kam es dazu?
... mehr
Martin Krist: Als Jugendlicher erschien es mir unmöglich, tatsächlich vom Schreiben leben zu können. Doch einem glücklichen Umstand habe ich zu verdanken, dass ich im Journalismus Fuß fassen konnte. Und siehe da: Ich konnte Geld mit dem Schreiben verdienen. Ich absolvierte ein Volontariat, arbeitete als Redakteur für Wochen- und Tageszeitungen, später als Chefredakteur für Stadt-, Lifestyle- und Musikmagazine. Auf diese Weise ergab es sich fast wie von selbst, dass ich zu jenen Themen, über die ich für Reportagen recherchierte, auch Bücher schrieb.
Dabei habe ich aber nie mein eigentliches Ziel aus den Augen verloren: spannende Krimis und Thriller zu schreiben.
Wer sind heute Ihre Vorbilder?
Martin Krist: Vorbilder habe ich nicht mehr wirklich. Aber gute Autoren, deren Bücher ich sehr gerne lese: Lee Child, Don Winslow, Deon Meyer, Michael Connelly, Elisabeth Herrmann, Stephen King, Tana French, Roger Smith. Es gibt immer wieder neue Autoren, die mich überraschen.
Woher nehmen Sie Ihre Ideen?
Martin Krist: Die Ideen kommen einfach zu mir. Meist morgens nach dem Aufstehen, wenn ich mit meinem Hund im Wald spazieren gehe. Und beim Bummel durch die Stadt. Durch Berlin.
Sie leben in Berlin, wo zum Teil auch »Die Mädchenwiese« spielt. Das Bild, das Sie von der Hauptstadt zeichnen, erscheint ein wenig ambivalent. Eine Art Hassliebe - stimmt das?
Martin Krist: Nein ganz im Gegenteil, Berlin ist eine faszinierende Stadt, so in etwa die einzige Großstadt, die wir in Deutschland haben. Na gut, neben Hamburg vielleicht ...
Was fasziniert Sie an Berlin?
Martin Krist: In Berlin gibt es alles und noch viel mehr. Viele Subkulturen, die woanders längst »ausgestorben« sind. In Berlin trifft sich außerdem die Filmbranche, die Musikbranche. Berlin ist politische Hauptstadt und besitzt unzählige Programmkinos, einen Haufen In-Viertel mit schnuckeligen Bars und Kneipen (mit unglaublich leckeren Cocktails) und direkt daneben riesige Grünanlagen mit Parks und Wäldern (mitten in der Stadt!), in denen ich stundenlang mit meinem Hund Gassi gehen kann.
Kurzum: Berlin ist die beste Location für einen Thriller.
Wie schreiben Sie einen Thriller?
Martin Krist: Alles beginnt mit einer Idee. Nur ein Gedankensplitter. Eine kurze Szene. Aus der sich Stück für Stück, meist über Wochen, die eigentliche Geschichte entwickelt.
Erst dann mache ich mir Gedanken über die Protagonisten. Wer ist die Hauptperson? Wie viele Nebenfiguren wird es geben? Wie viele Handlungsebenen? Schon stecke ich tief in der Geschichte drin. Ich entwickele für jede Figur stichwortartig einen Handlungsstrang, bereits unterteilt in einzelne Kapitel, die möglichst mit einem Cliffhanger enden. Kapitel für Kapitel hefte ich dann in einem Ordner ab, zusammen mit unzähligen Notizen, Ergänzungen und ersten Formulierungen.
Anschließend beginne ich mit dem Schreiben.
Entwickeln Ihre Figuren dabei ein Eigenleben?
Martin Krist: Es gibt ja Autoren, die behaupten, ihre Hauptpersonen würden machen, was sie wollen. Mir passiert das selten. Bei mir ist der Thriller bis ins Detail geplant, und meinen Figuren bleibt nur wenig Raum für Eigenständigkeit.
Doch das Wichtigste ist ja, dass der Leser das Gefühl hat, die Figuren würden eigenständig handeln.
In Ihrem neuen Thriller, den Sie aktuell schreiben und der im Herbst 2013 erscheint, wird es eine ganz besondere Figur geben, nämlich einen Ihrer Leser. Diese dürfen sich jetzt für eine Rolle in dem Roman bewerben. Wie kam es dazu?
Martin Krist: Hand aufs Herz: Wollten Sie nicht auch schon mal in einem spannenden Thriller den Helden abgeben? Oder sogar den hemmlungslos grausamen Bösewicht? Sozusagen als kleines Dankeschön für ihre Begeisterung an meinen Büchern möchte ich meinen Lesern genau diese Chance bieten. Auf der eigens eingerichteten Website diemaedchenwiese.de können sie sich für die Rolle des Helden oder Schurken bewerben - oder für die des Opfers, das verfolgt, bedroht, entführt, gefoltert, erschossen, gevierteilt und dann zum Beispiel im See versenkt wird.
Martin Krist: Als Jugendlicher erschien es mir unmöglich, tatsächlich vom Schreiben leben zu können. Doch einem glücklichen Umstand habe ich zu verdanken, dass ich im Journalismus Fuß fassen konnte. Und siehe da: Ich konnte Geld mit dem Schreiben verdienen. Ich absolvierte ein Volontariat, arbeitete als Redakteur für Wochen- und Tageszeitungen, später als Chefredakteur für Stadt-, Lifestyle- und Musikmagazine. Auf diese Weise ergab es sich fast wie von selbst, dass ich zu jenen Themen, über die ich für Reportagen recherchierte, auch Bücher schrieb.
Dabei habe ich aber nie mein eigentliches Ziel aus den Augen verloren: spannende Krimis und Thriller zu schreiben.
Wer sind heute Ihre Vorbilder?
Martin Krist: Vorbilder habe ich nicht mehr wirklich. Aber gute Autoren, deren Bücher ich sehr gerne lese: Lee Child, Don Winslow, Deon Meyer, Michael Connelly, Elisabeth Herrmann, Stephen King, Tana French, Roger Smith. Es gibt immer wieder neue Autoren, die mich überraschen.
Woher nehmen Sie Ihre Ideen?
Martin Krist: Die Ideen kommen einfach zu mir. Meist morgens nach dem Aufstehen, wenn ich mit meinem Hund im Wald spazieren gehe. Und beim Bummel durch die Stadt. Durch Berlin.
Sie leben in Berlin, wo zum Teil auch »Die Mädchenwiese« spielt. Das Bild, das Sie von der Hauptstadt zeichnen, erscheint ein wenig ambivalent. Eine Art Hassliebe - stimmt das?
Martin Krist: Nein ganz im Gegenteil, Berlin ist eine faszinierende Stadt, so in etwa die einzige Großstadt, die wir in Deutschland haben. Na gut, neben Hamburg vielleicht ...
Was fasziniert Sie an Berlin?
Martin Krist: In Berlin gibt es alles und noch viel mehr. Viele Subkulturen, die woanders längst »ausgestorben« sind. In Berlin trifft sich außerdem die Filmbranche, die Musikbranche. Berlin ist politische Hauptstadt und besitzt unzählige Programmkinos, einen Haufen In-Viertel mit schnuckeligen Bars und Kneipen (mit unglaublich leckeren Cocktails) und direkt daneben riesige Grünanlagen mit Parks und Wäldern (mitten in der Stadt!), in denen ich stundenlang mit meinem Hund Gassi gehen kann.
Kurzum: Berlin ist die beste Location für einen Thriller.
Wie schreiben Sie einen Thriller?
Martin Krist: Alles beginnt mit einer Idee. Nur ein Gedankensplitter. Eine kurze Szene. Aus der sich Stück für Stück, meist über Wochen, die eigentliche Geschichte entwickelt.
Erst dann mache ich mir Gedanken über die Protagonisten. Wer ist die Hauptperson? Wie viele Nebenfiguren wird es geben? Wie viele Handlungsebenen? Schon stecke ich tief in der Geschichte drin. Ich entwickele für jede Figur stichwortartig einen Handlungsstrang, bereits unterteilt in einzelne Kapitel, die möglichst mit einem Cliffhanger enden. Kapitel für Kapitel hefte ich dann in einem Ordner ab, zusammen mit unzähligen Notizen, Ergänzungen und ersten Formulierungen.
Anschließend beginne ich mit dem Schreiben.
Entwickeln Ihre Figuren dabei ein Eigenleben?
Martin Krist: Es gibt ja Autoren, die behaupten, ihre Hauptpersonen würden machen, was sie wollen. Mir passiert das selten. Bei mir ist der Thriller bis ins Detail geplant, und meinen Figuren bleibt nur wenig Raum für Eigenständigkeit.
Doch das Wichtigste ist ja, dass der Leser das Gefühl hat, die Figuren würden eigenständig handeln.
In Ihrem neuen Thriller, den Sie aktuell schreiben und der im Herbst 2013 erscheint, wird es eine ganz besondere Figur geben, nämlich einen Ihrer Leser. Diese dürfen sich jetzt für eine Rolle in dem Roman bewerben. Wie kam es dazu?
Martin Krist: Hand aufs Herz: Wollten Sie nicht auch schon mal in einem spannenden Thriller den Helden abgeben? Oder sogar den hemmlungslos grausamen Bösewicht? Sozusagen als kleines Dankeschön für ihre Begeisterung an meinen Büchern möchte ich meinen Lesern genau diese Chance bieten. Auf der eigens eingerichteten Website diemaedchenwiese.de können sie sich für die Rolle des Helden oder Schurken bewerben - oder für die des Opfers, das verfolgt, bedroht, entführt, gefoltert, erschossen, gevierteilt und dann zum Beispiel im See versenkt wird.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Martin Krist
- 2012, 2. Aufl., 416 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548283535
- ISBN-13: 9783548283531
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