Dein Vater, mein Feind
Die herzzerreißende und mutige Geschichte einer Mutter, die ihr Leben riskierte, um ihre vom eigenen Vater entführte Tochter, aus dem kriegsgeschüttelten Syrien zu befreien
"Im September 2011 brach meine Welt zusammen,...
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Produktinformationen zu „Dein Vater, mein Feind “
Die herzzerreißende und mutige Geschichte einer Mutter, die ihr Leben riskierte, um ihre vom eigenen Vater entführte Tochter, aus dem kriegsgeschüttelten Syrien zu befreien
"Im September 2011 brach meine Welt zusammen, als Mostafa Assad, mein Ex-Mann und der Vater meiner sechsjährigen Tochter May, während eines Routinebesuchs sein eigenes Kind auf brutale Art und Weise entführte. (…) Dieses Buch erzählt die entsetzlichen Details dieses schicksalhaften Tages als Mostafa meine und die Welt seines Kindes entzweiriss und enthüllt die unglaubliche Reise, die May und ich unternehmen mussten, um endlich wieder sicheren Boden unter den Füßen zu erlangen.""Liest sich wie ein Thriller… eine außergewöhnliche Geschichte!"
Irish Sunday Independent
Klappentext zu „Dein Vater, mein Feind “
Inmitten eines der schlimmsten Konflikte in der Geschichte Syriens, über-quert die irische Mutter Louise Monaghan einen streng bewachten Grenzposten, um ihre sechsjährige Tochter May aus den Fängen des Vaters zu befreien, der sie von zu Hause entführt hat. Ohne zu wissen, welches Martyrium noch vor ihr liegt, täuscht Louise ihrem Ex-Mann vor, ihn nach wie vor zu lieben und wieder als Familie zusammenleben zu wollen, nur um ihr entführtes Kind wiedersehen zu können. Doch in Mostafas Heimatland Syrien angekommen, wird auch sie zu einer Gefangenen: Tag und Nacht eingeschlossen in einem herunter-gekommenen Haus mit kaum Nahrung und keinerlei Hoffnung auf eine Fluchtmöglichkeit. Louise wird von Mostafa verprügelt und vor den Augen ihres Kindes schwer verletzt und ohnmächtig auf dem Boden liegenge-lassen. Doch schon bald darauf wagen sie und ihre kleine Tochter May einen mutigen Fluchtversuch.
Die lebensgefährliche Odyssee, die sie - unterstützt von illegalen Menschen-Schmugglern - mitten in der Nacht durch Bombenhagel und Scharfschützen-Angriffe, über eine bewachte Bergkette hinweg in die Freiheit führt, grenzt an ein Wunder an sich, denn Mutter und Tochter überleben und leben heute wieder in Irland.
Lese-Probe zu „Dein Vater, mein Feind “
Dein Vater, mein Feind von Louise Monaghan... mehr
Vorwort
Meine Welt geriet im September 2011 aus den Fugen, als mein Exmann Mostafa Assad, der Vater meiner sechsjährigen Tochter May, bei einem seiner regelmäßigen Besuche sein eigenes Kind brutal entführte.
So unwahrscheinlich es auch war, er schaffte es, sie von Zypern, wo wir lebten, in die Türkei und von der Türkei in sein Heimatland Syrien zu bringen. Und das, obwohl er keinen gültigen Reisepass für unser Kind hatte und die Kleine auf einer »Stoppliste« stand. Der Eintrag auf der Stoppliste sollte verhindern, dass einer von uns beiden sie ohne Erlaubnis des anderen außer Landes brachte.
Ein Jahr vor diesem schrecklichen Tag hatte ich Mays Reisepass für ungültig erklären lassen. Ich hatte nämlich herausgefunden, dass mein Exmann den Pass aus meinem Haus gestohlen hatte, obwohl das Sorgerecht für May bei mir lag. Eine Lehrerin in Mays Vorschule hatte mich angesprochen. Sie hatte das Gefühl, Mostafa könne eine Entführung planen. Nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich gedacht, dass er das schaffen würde. Und die Behörden auf Zypern taten meine Bedenken als die Fantasien einer überfürsorglichen Mutter ab.
Auf die Entführung meiner Tochter reagierte ich verständlicherweise mit Angst und Hysterie, erst recht als mir dämmerte, dass sie sich jetzt in einem Kriegsgebiet im Nahen Osten befand. So traf ich die schwere Entscheidung, mich den Forderungen meines kontrollwütigen Exmannes zu beugen und mich auf ein Spiel einzulassen. Ein Spiel, in dessen Verlauf ich so tat, als wolle ich es tatsächlich noch einmal mit ihm versuchen, trotz der Scheidung. Gleichzeitig ein Spiel, das ich spielen musste, wenn ich meine geliebte Tochter wiedersehen wollte.
Mit Sehnsucht im Herzen und dem brennenden Wunsch, so schnell wie möglich mit meinem Kind vereint zu sein, reiste ich allein nach Syrien. Ich geriet mitten in Gewehrsalven und Bombenexplosionen hinein und lebte schließlich eingesperrt in einem Haus unter tyrannischer Herrschaft.
Gefangen, bei spärlichem Essen und ohne Kontakt zur Außenwelt, versteckt vor Mostafas Verwandten und Nachbarn, betete ich, dass die von meiner Familie bezahlten türkischen Menschenschmuggler uns finden und befreien würden.
Doch sie kamen nicht.
Wir hatten keine andere Wahl, wir mussten fliehen, und als sich uns wie durch ein Wunder eine winzige Chance bot, liefen May und ich davon. Nach endlosen Stunden unterwegs, vorbei an etlichen Kontrollpunkten mit schwerbewaffneten Soldaten, die uns einzuschüchtern versuchten, schafften wir es irgendwie, wie durch ein Wunder, bis zu einem »sicheren Haus«.
Anfangs war die Erleichterung groß, doch bald mussten wir uns eingestehen, dass wir noch nicht ganz in Sicherheit waren. Stunden dehnten sich zu Tagen und Tage zu Wochen, und alle Hoffnung schien vergebens. Ich glaubte, es sei ein Haftbefehl gegen mich ausgestellt und ich könnte womöglich nach dem Gesetz der Scharia wegen Entführung zu Tode gesteinigt oder lebenslang ins Gefängnis geworfen werden. Doch schließlich gelang uns die Flucht.
Und nach vielen Wendungen und Schicksalsschlägen auf unserem Weg schafften wir es endlich zurück nach Irland und in die Arme unserer Familie.
Dieses Buch erzählt die beklemmenden Einzelheiten jenes schicksalhaften Tages, als Mostafa Assad mein Leben und das meines Kindes auf den Kopf stellte. Und es beschreibt die furchtbare Reise, die wir zurücklegen mussten, um sicheren Boden zu erreichen.
Heute geht es uns gut, doch unser Leben wird nie wieder so sein wie früher. Wir leben unter einem anderen Namen und waren gezwungen, die Familie zu verlassen, die unter solchen Mühen für unsere Rettung gekämpft hatte. Alles nur, weil ein Mann es sich in den Kopf gesetzt hat, unser Leben zu zerstören. Ein Mann, der jederzeit wieder zuschlagen kann. Und tut er es nicht selbst, weiß ich nur zu gut, dass er andere hat, die bereitstehen, wenn er beschließt, die Zeit sei reif für einen neuen Versuch. Ich weiß, dass er sogar im Gefängnis noch Pläne schmieden kann. Und beim nächsten Mal haben wir vielleicht nicht so viel Glück.
Ich habe beschlossen, dieses Buch zu schreiben, weil ich anderen helfen möchte, die sich eines Tages womöglich in einer ähnlichen Situation befinden.
Auf meinem Weg habe ich unendlich viel über Kindesentführung durch ein Elternteil gelernt. Ich wünschte, ich hätte diesen Weg nie beschreiten müssen. Und wenn ich nur einen einzigen Menschen, Mann oder Frau, vor einem ähnlichen Martyrium bewahren kann, ist es jede schmerzliche Minute wert gewesen. Allein in den USA kam es im Jahr 2009 zu über 200.000 Entführungen durch ein Elternteil. Dies geht hervor aus dem 2010 veröffentlichten Bericht über Einhaltung des »Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung«. Diesen Bericht hatte das Amt für Kinderschutzfragen des US-Außenministeriums in Auftrag gegeben. Angesichts der immensen Zahl von Entführungen ist hier und jetzt sicherlich die beste Gelegenheit, Ratschläge zu veröffentlichen, die solche Kindesentführungen in Zukunft verhindern helfen.
Die Ursache für Mays Entführung lag in den kulturellen Unterschieden zwischen mir und ihrem Vater. Daher halte ich es für wichtig, auf einige der Probleme im Zusammenhang mit interkulturellen Ehen hinzuweisen. Ich hoffe sehr, es möge anderen gelingen, eine Situation wie die meine zu vermeiden. Nicht im Traum würde es mir einfallen, Menschen von einer solchen Ehe abzuraten. Vermutlich scheitern solche Ehen nicht häufiger als andere. Aber ich rate allen, mit dem potenziellen Partner über ihre Zukunftspläne zu reden. Beide Partner sollten sich austauschen über ihre Vorstellungen von Kindererziehung, über die ihrer Meinung nach besten Wege der Familiengründung, damit sie im freundschaftlichen Gespräch Lösungen finden, die beiden Eltern gerecht werden.
Meine kleine Tochter wurde entführt, weil sie nur einen Tag später ihren ersten Schultag an einer europäischen und nicht an einer islamischen Schule erleben sollte. So einfach war das. Und dass mein Exmann sich weigerte, mit mir über seine Ansichten auch nur zu reden, führte zu einer Situation, unter der ich bis an mein Lebensende leiden werde. Eine Situation, die wohl auch unser Kind dauerhaft belastet.
Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, und so bleibt mir nur der Versuch, den Schaden wiedergutzumachen, der für mein geliebtes Kind entstanden ist. Und ich möchte gern anderen helfen, die sich womöglich in einer ähnlichen Lage befinden.
Ich hoffe sehr, dass mir das gelingt.
Louise Monaghan
1
Der schlimmste Tag meines Lebens
Den 7. September 2011, einen Mittwoch, werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen. Dieser Tag wird mich fürs Leben zeichnen, er hat unwiderruflich das idyllische Leben erschüttert, das ich seit beinahe sechs Jahren in dem beliebten Urlaubsort Limassol auf Zypern führte.
Der Tag begann wie jeder andere; die Sonne schien, und am Himmel zeigte sich keine einzige Wolke. Doch meine kleine Tochter May war an diesem Morgen besonders aufgeregt, denn sie wusste, der nächste Tag würde ihr erster Tag an der, wie wir es nannten, »ernsthaften, richtigen« Schule sein. Wir hatten alles vorbereitet, und ihr kleines weißes Polohemd, ihr marineblauer Rock und ihre neuen Schuhe lagen schon auf dem Kinderbett in ihrem Prinzessinnenzimmer. Ihre kleine Schultasche in Babyrosa mit dem aufgedruckten Hundebaby auf der Vorderseite, die sie sich selbst ausgesucht hatte, war gefüllt mit ihren neuen Schulbüchern und Heften, die nur darauf warteten, benutzt zu werden.
Ihr erster Schultag war ein Tag, dem ich, wie alle Mütter, mit gemischten Gefühlen entgegensah, denn dieser Tag würde sichtbarstes Zeichen dafür sein, dass meine Kleine allmählich groß wurde und bald ihre Zukunft gestalten und auf eigenen Beinen stehen würde.
Doch ich wusste, dass sich May auf dieses neue Abenteuer freute, und so freute ich mich für sie mit. Im Jahr zuvor war sie auf der Vorschule gewesen und hatte es toll gefunden. Für die »ernsthafte, richtige« Schule hatte ich sie nun in Mesa Yitonia angemeldet. Ich hatte nie Mühe gehabt, sie morgens aus dem Bett zu bekommen. Voller Begeisterung machte sie sich jeden Morgen fertig, um ihre Freundinnen in der Vorschule zu treffen. Ich wusste also, der Übergang zur richtigen Schule würde keine Probleme bereiten. Sie hatte viele Freunde, die am selben Tag in dieselbe Klasse eingeschult würden. Es fügte sich alles aufs Beste.
Ich weiß, dass alle Mütter ihr Kind für etwas ganz Besonderes halten, aber um ehrlich zu sein, May war von Anfang an ganz wunderbar, jammerte nie und wollte ihre Mami immer glücklich machen.
Am Dienstagabend rief Mostafa an, Mays Vater, von dem ich seit November 2010 geschieden war. Er erklärte, er wolle mit May am nächsten Vormittag an den Strand. Seit unserer Trennung hatte er per Gerichtsentscheid Besuchsrecht bei unserer gemeinsamen Tochter, und zwar jeweils für einige Stunden am Montag, Mittwoch und Samstag.
Ich fühlte mich nie wohl dabei, wenn er May abholte, denn im Lauf der Jahre war unsere Beziehung äußerst angespannt geworden. Für unser Kind hatte er wenig Zeit und - meiner Meinung nach - auch wenig echte Zuneigung übrig. Ich bin sicher, er wollte sie nur sehen, weil er wusste, es würde mir schwer zu schaffen machen, wenn ich sie ihm überlassen musste. Doch während der vergangenen Monate war mir aufgefallen, dass er sich mehr um sie zu bemühen schien. Auf jeden Fall war er geduldiger mit ihr.
Ich glaube, er bestand nicht nur wegen seiner Kontrollsucht da rauf, May zu besuchen, sondern auch weil er Moslem war. Wenn er sein Kind nicht sehen durfte, schmälerte das seine väterlichen Rechte, und es war eine Beleidigung seiner Religion.
Ich hatte in der Angelegenheit ohnehin keine Wahl. Als wir über das elterliche Sorgerecht verhandelten, waren die Gerichte auf Zypern nicht gewillt, meinen Bedenken Gehör zu schenken. Bei diversen Gelegenheiten drohte man mir Gefängnishaft an, sollte ich dem Gerichtsbeschluss nicht entsprechen. Mir blieb also nichts anderes übrig, ich musste mich mit den getroffenen Vorkehrungen einverstanden erklären und da rauf vertrauen, dass Mostafa unserer Kleinen nicht wehtat und auch nicht versuchte, sie mir wegzunehmen.
Einmal mussten May und Mostafa zu einem Familientherapeuten, weil May einfach nicht bei ihrem Vater bleiben wollte. Sie vertraute ihm nicht. Doch all meine Bedenken stießen auf taube Ohren. Ich machte mir Sorgen, er könne tatsächlich psychische Probleme haben, die sich in seiner Neigung zu verbaler und körperlicher Gewalt äußerten. Trotzdem wurde sein Besuchsrecht sogar noch erweitert.
Bei der gerichtlichen Anhörung im Juli 2010 wurde ihm auch noch ein Besuchsrecht für jedes zweite Weihnachts- und Osterfest zugesprochen. Über Nacht durfte er sie allerdings nicht bei sich behalten, was eine große Erleichterung für mich war. Die Behörde meinte, seine Wohnverhältnisse seien für Übernachtungsbesuche nicht geeignet, da er zusammen mit einigen anderen Syrern zur Miete wohnte.
Mostafa lebte etwa fünf Meilen entfernt von uns in einer Stadt namens Zakaki, einem alten Dorf im Einzugsbereich von Limassol. Der Ort war gerade einmal drei Kilometer vom Strand Lady's Mile entfernt, an den May und ich immer gingen. In den letzten Jahren wurde Zakaki völlig umgestaltet und beherbergt jetzt My Mall, das größte Einkaufszentrum auf Zypern. Hierher kommen Leute von der ganzen Insel, kaufen Kleidung oder treffen Freunde auf einen Kaffee, um sich mit ihnen zu unterhalten. Es gibt einen großen Supermarkt mit Lebensmitteln, und das Zentrum ist auch sehr beliebt bei Touristen.
Am Mittwochvormittag, als Mostafa May abholen kam, lag ich auf dem Boden und machte meine täglichen Übungen. Ich habe eine Krankheit, die besonders meinen Rücken und meine Hüften in Mitleidenschaft zieht, sodass ich immer wieder fürchterliche Schmerzen habe und oft sehr steif bin. Als er kam, stand ich auf und ging in die Küche, um für May ein kleines Lunchpaket zu packen.
An diesem Morgen war er ruhiger als gewöhnlich. Er folgte mir sogar durch die ganze Wohnung, als ich Mays Sachen für den Strand zusammensuchte. Ich spürte, wie er jeden meiner Schritte überwachte. Normalerweise stand er einfach nur da und wartete, denn er wusste, er war nicht willkommen. Aber an diesem Tag hatte er etwas Großspuriges an sich. Ich hätte ahnen müssen, dass etwas im Busch war, doch irgendwie verdrängte ich das Gefühl.
Ich weiß noch, dass ich Mays geliebte Nintendo-Spielkonsole in die Tasche steckte und ihren kleinen Bikini einpackte, dazu die Sonnencreme. Dabei ging ich im Laufschritt durch die Wohnung, denn ich wollte ihn nicht aufhalten. Mostafa hatte nie Geld, ständig lebte er von einem Tag zum anderen. Als er ging, fragte ich ihn deshalb, ob er Bargeld brauchte. Auf einmal wirkte er äußerst verärgert und ignorierte die Frage einfach. Dabei hatte ich gar nicht an ihn gedacht. Ich wollte einfach nur sichergehen, dass er genug Geld bei sich hatte, um May ein Eis zu kaufen. Es war nämlich ein heißer Tag, und sie wären ein paar Stunden da draußen in der Hitze. Also beachtete ich ihn nicht weiter. Als sie die Wohnung verlassen wollten, ging ich mein Portemonnaie holen und gab May über die Veranda weg einen Zwanzig-Euro-Schein.
Im Fortgehen drehte sie sich um und lächelte nervös, wie sie das immer tat, wenn sie mit ihm gehen musste. Mir fiel auf, dass ich ihr die Haare nicht gebürstet hatte, also rief ich ihr zu, sie solle noch einmal zurückkommen. Aber davon wollte Mostafa nichts wissen. Er packte May an der Hand, zog sie Richtung Auto und meinte, er habe eine Haarbürste im Wagen und wolle ihr selber die Haare bürsten.
Wir kamen wirklich nicht mehr miteinander aus, Mostafa und ich, aber ich weiß noch, wie ich an dem Morgen dachte, dass er besonders kühl mir gegenüber war. Doch schließlich gab es immer wieder Tage, an denen er sich so verhielt. Also verdrängte ich meine Bedenken - was ich noch bitter bereuen sollte.
Als die beiden weggingen, schaute ich May von der Terrasse aus nach und dachte, wie hübsch sie an diesem Morgen war. Sie war überhaupt ein schönes Kind, innerlich wie äußerlich, doch an diesem Tag strahlte sie regelrecht in ihrem T-Shirt und dem zauberhaften cremefarbenen Kleid mit rosafarbenem und violettem Blumenmuster, das ich ihr in der Woche zuvor in einem Debenham-Laden gekauft hatte. Dazu trug sie ein Paar mädchenhafter Flip-Flops. In den Haaren hatte sie ein niedliches Haarband, und sie stand am Tor und sagte: »Ich hab dich so lieb, Mami.«
Ich antwortete: »Ich hab dich auch lieb, mein Engel«, und dann ging sie.
Als sie ins Auto stieg, hatte ich auf einmal ein ganz seltsames Gefühl von Übelkeit in der Magengrube. Irgendwie dachte ich, dass etwas nicht stimmte. Sofort rief ich ihn an und fragte: »Ist alles in Ordnung, Mostafa?«
»Ja, wieso?«, fauchte er mich an.
Ich sagte: »Du hast dich heute Vormittag irgendwie seltsam benommen.«
Er fuhr mich an: »Oje, Louise, geht das schon wieder los? Ich habe das Besuchsrecht, ich darf meine Tochter sehen, schließlich ist sie meine Tochter.« Das sagte er beinahe trotzig und meinte, es sei jetzt seine Zeit mit May. Er beharrte da rauf, er wolle ja nur die ihm zustehende Zeit mit seinem Kind, und damit beruhigte er mich ein wenig. Über die Freisprechfunktion an seinem Telefon sprach ich mit May, die mir erklärte, sie wollten zum Strand fahren. Sie klang ganz normal, und ich war ein bisschen erleichtert.
Ich machte mich für die Arbeit fertig, und gegen elf Uhr vormittags verließ ich das Haus. Damals arbeitete ich in einer Firma namens Olympic Holidays, einem englischen Reiseveranstalter mit Sitz auf Zypern. Ich war Verkaufsberaterin im dortigen Call Center und konnte mir meine Arbeitszeit mehr oder weniger frei einteilen. Nachdem der große Sommeransturm vo rüber war, lief nun alles ruhiger, sodass ich mehr Zeit mit May verbringen konnte, was mir sehr entgegenkam. Seit fünf Jahren arbeitete ich bei Olympic und war mehr als zufrieden mit meinem Job. Ich war eine der besten Mitarbeiterinnen im Verkauf, obwohl ich nur halbtags arbeitete, um mich um meine Tochter kümmern zu können. Wir waren wie eine große glückliche Familie bei Olympic, was heutzutage bei Firmen eine große Seltenheit ist. Ich hatte ein gutes monatliches Grundgehalt und erhielt hohe Provisionen. Damit konnten May und ich auf Zypern wunderbar leben. Normalerweise verbrachten wir die Wochenenden in einem der besseren Hotels der Insel, vergnügten uns im Swimmingpool und ließen uns verwöhnen. Durch meine Arbeit bekam ich in allen Hotels Rabatte, und das genossen wir, wann immer es möglich war. Das Leben war wunderbar. Wir standen uns so nah, und ich war so glücklich mit dem Leben in unserer kleinen Familie!
Allerdings vermisste ich meinen Vater und meine Schwester, die in Dublin lebten. Aber in dieser Woche freute ich mich sehr da rauf, dass mein Vater mit einem Freund zu Besuch kommen wollte; am folgenden Sonntag sollten sie in Larnaca landen. May war schon ganz aufgeregt. Sie freute sich auf ihren Großvater, mit dem sie sich sehr gut verstand. Und da sie sein einziges Enkelkind war, verwöhnte er sie nach Strich und Faden, wann immer er uns besuchte.
Meine Mutter hatten wir im Jahr 2001 bei einem furchtbaren Autounfall verloren, und seitdem kümmerten wir uns alle intensiv um meinen Vater, der vollkommen verloren war ohne die Frau, die ihn geliebt und ihm jeden Tag leicht gemacht hatte. Sie waren einander sehr verbunden gewesen. Außer mir hatten die beiden noch ein weiteres Kind, meine jüngere Schwester Mandy, die bei meinem Vater in Dublin lebt. Wir alle stehen uns sehr nah. Seine Besuche waren mir immer sehr wichtig, und ich freute mich riesig, wenn er anrief und sein Kommen ankündigte. Ich wusste, wir würden eine hektische Woche haben wegen Mays erstem Schultag und Dads Ankunft, aber wir freuten uns beide sehr da rauf und hatten alles für seinen Besuch vorbereitet.
Aber als ich an diesem Tag gegen Mittag im Büro saß, beschlich mich wieder einmal ein großes Unbehagen. Ich kann es nicht erklären, weshalb ich so empfand, denn Mostafa sollte May schließlich erst gegen 13 Uhr wieder zurückbringen - so sahen es die Vereinbarungen seiner Besuchsregelung vor. Doch ohne dass ich wusste, wieso, krampfte sich mir der Magen zusammen, und wieder griff ich zum Telefon und wählte seine Nummer.
Als ich sah, dass sein Handy ausgeschaltet war, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Vielleicht ein mütterlicher Instinkt, aber ich wusste es eben einfach. Sofort schaltete ich meinen Computer aus und sagte zu meiner Freundin und Kollegin Nicola: »Ich muss weg, Nic. Ich erreiche Mostafa nicht. Da stimmt etwas nicht.«
Ihre Antwort wartete ich nicht einmal ab. Ich griff mir nur meine Handtasche, verließ so schnell ich konnte das Büro und sprang ins Auto. Mein Herz raste, mein Mund war ganz trocken.
Ich fuhr zu dem öffentlichen Strand, an dem May und ich oft waren, denn Mostafa hatte gesagt, er wolle mit ihr genau an diesen Strand. Es gab Schaukeln und eine Rutsche dort, was May liebte, aber an diesem Tag war der Strand praktisch menschenleer. Es war windig, und der Sand wurde hin und her geweht, es sah aus wie kleine Tornados. Und als ich mich suchend umschaute und sah, dass die beiden nicht am Strand waren, wusste ich im selben Moment, dass er sie mir weggenommen, sie entführt hatte.
Mir war richtig übel; als Allererstes zog ich mein Handy aus der Tasche und rief meine Schwester Mandy in Dublin an. Voller Panik rief ich: »Er hat sie mir weggenommen, Mandy, sie ist weg.«
Mandy fragte, was ich meinte. Ich antwortete, ich wüsste tief im Innern, dass May verschwunden sei. Wörtlich sagte ich zu ihr: »Mandy, ich weiß, er ist nach Syrien mit ihr.« Für diese Annahme hatte ich keinen konkreten Grund, von derartigen Plänen hatte er nie etwas erwähnt, aber mein Bauchgefühl sagte mir, er hatte unser kleines Mädchen entführt, er war verschwunden, sie waren verschwunden. Und etwas sagte mir deutlich, ich würde meine Kleine womöglich nie wiedersehen.
Die arme Mandy war ganz aufgelöst. Ich bin mir sicher, sie muss sich in dem Moment noch hilfloser gefühlt haben als ich, denn schließlich war sie gut 3600 Kilometer weit entfernt. Mir war klar, sie würde bei uns zu Hause die Polizei verständigen, aber ich wusste auch, die Einzigen, die mir jetzt helfen konnten, waren die Beamten hier auf Zypern, die Kriminalpolizei - und ich selbst. Ich sagte Mandy, ich würde weiter nach May und Mostafa suchen und mich bei ihr melden, sobald ich etwas wüsste.
Mir war ganz zittrig und schwindlig. Schon vorher war es mir nicht sonderlich gut gegangen, denn ich hatte eine schwere Krankheit, die sich auf meine Knochen auswirkte. Doch irgendwie schob ich die ganzen Schmerzen im Rücken und in den Hüften in die hinterste Ecke meines Bewusstseins, und ohne dass ich es überhaupt merkte, funktionierte ich auf einmal ganz automatisch, wie auf Autopilot.
Den Strand konnte ich abhaken, also sprang ich wieder ins Auto und fuhr sofort zu dem Haus, in dem Mostafa wohnte. Ich betete, es wäre alles nur ein schrecklicher Irrtum gewesen und ich würde sein Auto vor dem Haus sehen. Ich hoffte, irgendeine Kleinigkeit wäre dazwischengekommen und hätte ihn aufgehalten und alles wäre in Ordnung. Aber das Auto war weg. Er hatte meinen Zweitwagen genommen, wie immer, wenn er mit May unterwegs war.
Als ich das Auto nirgends entdeckte, verließ mich der Mut. Ganz aufgelöst rief ich einige Freunde an. Ich weiß nicht einmal mehr genau, was ich sagte, denn vor lauter Panik sprudelten mir die Worte einfach aus dem Mund. Aber sie alle reagierten großartig und erklärten, sie würden in meine Wohnung kommen.
Als ich zu Hause ankam, versuchte ich mir noch einmal einzureden, Mostafa wäre inzwischen vielleicht auch da und wartete einfach auf meine Rückkehr. Mein Herz raste. Ich betete und betete, dass ich mich irrte, dass er sie gar nicht entführt hatte, aber vergeblich. Kein Auto weit und breit, und von ihm und May keine Spur. Jetzt konnte es keinen Zweifel mehr da ran geben, dass die beiden verschwunden waren. Ich hatte keine Hoffnung mehr.
Ich war völlig am Boden zerstört, konnte gar nicht mehr klar denken. Ich weinte, ich hatte Panikattacken, ich betete, und ich fühlte mich vollkommen hilflos. Immer wieder versuchte ich, Mostafa auf seinem Handy zu erreichen. Nichts. Als meine Freundinnen hörten, was los war, dass er zum verabredeten Zeitpunkt nicht wieder aufgetaucht war und sein Handy ausgeschaltet hatte, bot eine von ihnen an, mich aufs örtliche Polizeirevier zu bringen. Als wir vor dem Revier vorfuhren, sprang ich aus dem Wagen, lief ins Gebäude und schrie: »Mein Kind ist entführt worden. Bitte helfen Sie mir.« Bei aller Panik über die Entführung meines Kindes spürte ich doch, dass die zypriotische Polizei wieder einmal nicht angemessen reagierte. Leider hatte ich das Polizeirevier St. John's schon viele Male zuvor aufgesucht, um Übergriffe von Seiten Mostafas anzuzeigen. Also wusste ich nur zu gut, welche Reaktion ich zu erwarten hatte, aber wegen des Ernstes der Lage war ich wirklich überzeugt gewesen, es würde diesmal anders sein.
Sie forderten mich auf, mich zu setzen und zu beruhigen, und meinten, sie würden ein derartiges Benehmen auf dem Revier nicht dulden. Immer wieder sagte ich ihnen, ich wüsste, dass mein Exmann meine Tochter entführt hätte, dass er sie nach Syrien gebracht hätte. Schließlich wiesen sie mir den Weg ins Büro der Kriminalpolizei. Hastig stieg ich die Treppe zu dem Büro hoch, gefolgt von meiner Freundin. Ein Beamter nahm uns in Empfang, bot uns einen Platz an und ließ einen weiteren Polizeibeamten kommen. Ich versuchte ruhig zu bleiben, denn ich wusste, nur so würden sie mich überhaupt anhören. Ich erklärte, weshalb ich davon überzeugt sei, dass Mostafa May nach Syrien geschafft hätte.
Ich erklärte die vom Gericht verfügten Bestimmungen: dass er sie um 13 Uhr spätestens zu mir zurückbringen müsse. Ich berichtete, ich hätte immer wieder versucht, ihn auf seinem Handy zu erreichen, er sei aber nicht ans Telefon gegangen. Und ich erklärte außerdem, dass er sein Handy normalerweise nie abschaltete. In all den Jahren, die ich ihn kannte, war sein Handy nie abgestellt gewesen. Sehr oft hatte er meine Anrufe einfach ignoriert, war einfach nicht ans Telefon gegangen, aber abgeschaltet hatte er es nie. Das alles erzählte ich den Beamten. Ich wollte sie überzeugen, dass ich als Mutter genau spürte, in welcher Gefahr meine Tochter schwebte. Ich wusste, sie war entführt worden. Wahrscheinlich klang ich wie eine Verrückte.
Die ganze Zeit, während ich mit ihnen redete, wählte ich hektisch Mostafas Nummer, aber jedes Mal kam dieselbe Nachricht: Der von Ihnen gewünschte Teilnehmer hat das Telefon abgeschaltet; wieder und immer wieder auf Griechisch. Mir war klar, ich musste wie eine Irre wirken, denn es war kaum eine Stunde her, dass May hätte zurück sein müssen. Aber wie durch ein Wunder nahmen sie mich ernst und nahmen ein Protokoll auf. Ich erzählte ihnen alles. Ich erklärte, Mostafa habe sich an dem Morgen seltsam verhalten, erklärte, dass ich, kaum dass er zur Haustür hinausgegangen war, das deutliche Gefühl gehabt hätte, etwas würde passieren.
Zum Glück gaben sie eine detaillierte Suchmeldung an alle Polizeidienststellen he raus, unter anderem eine Beschreibung des silberfarbenen BMW einschließlich Kennzeichen, den er gefahren hatte. Gleichzeitig verständigten sie über Funk alle Polizeiwagen auf den Straßen rund um Limassol, gaben die Einzelheiten durch und wiesen die Beamten an, nach dem Auto Ausschau zu halten.
Sie baten mich um ein aktuelles Foto von May. Zu dem Zeitpunkt hatte ich in der Handtasche keines bei mir, also schickte ich meine Freundin zu mir nach Hause mit der Bitte, ein paar Fotos zu holen. In dem Moment fielen mir all die Fotos vermisster Kinder auf diesem Polizeirevier auf, und plötzlich dämmerte es mir, dass May nun auch an der Wand hängen würde, zusammen mit all den anderen, die mir bis zu diesem Tag so leid getan hatten. Ich hatte immer gedacht, man würde sie wahrscheinlich nie finden. Auf einmal war meine Tochter eines von diesen Kindern. Und ich gehörte nun zu den verzweifelten Eltern, die ein Kind verloren hatten.
Als ich dem Polizeibeamten alles detailliert erzählte, kam ich mir vor wie in einem Film. Es fühlte sich alles ganz irreal an, wie in einem Traum, einem schlimmen Albtraum, dem schlimmsten Albtraum. Ich mochte kaum glauben, dass die Ängste und Sorgen, die ich seit Jahren hatte, die Ängste, die ich den zypriotischen Behörden gegenüber so oft geäußert hatte, wenn Mostafa mit mir wegen der Besuchsrechte stritt, dass all diese Ängste auf einmal wahr geworden waren. Während ich dasaß, überlegte ich blitzschnell. Ich wusste, er wollte May außer Landes bringen, und ich wusste, er würde versuchen, sie durch die besetzten Gebiete im Norden Zyperns zu schaffen, wo die Türkei das Sagen hatte. Ich gab der Polizei meine Telefonnummer, und meine Freundin Deirdre und ich erklärten, wir wollten in Deirdres Wagen an die Grenze fahren, weil wir hofften, wir könnten ihn erwischen, ehe er türkisches Hoheitsgebiet erreichte.
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er es schaffen sollte, May über eine Grenze, ganz gleich welche Grenze, in irgendein anderes Land zu bringen, da sie ja keine gültigen Reisedokumente hatte. Nicht ohne Grund hatte ich im September 2010 ihren Pass für ungültig erklären lassen. Ich wusste, dass man bei Mostafa mit allem rechnen musste. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und ich hatte keine Zeit zu verlieren.
Als wir den Wagen anließen und losfahren wollten, versuchte ich es noch einmal auf Mostafas Handy. Es war fast ein Schock für mich, als ich tatsächlich einen Klingelton hörte, aber dann wurde mir ganz übel, als ich begriff, dass es ein internationaler Klingelton war. Meine schlimmsten Befürchtungen waren bestätigt. Er befand sich bereits außerhalb von Zypern.
Tatsächlich ging er jetzt ans Telefon. Mir drehte sich der Magen um. Ich versuchte, so ruhig wie möglich zu bleiben, aber mein Herz raste. Ich sagte: »O mein Gott, Mostafa, den ganzen Tag versuche ich schon, dich zu erreichen. Wo bist du denn?«
In aller Ruhe antwortete er: »Ich bin in Syrien.« Ich weiß nicht, was über mich kam, aber ich versuchte, so eiskalt wie möglich zu bleiben, sogar in einem Moment wie diesem. Ich fragte ihn, weshalb er in Syrien sei. Er erwiderte: »Ich bin in Syrien, weil ich May nach Syrien mitnehme.« Ich fragte ihn, ob er bereits da sei, und er erklärte, er werde in einer Stunde ankommen. Ich bat ihn, mit May sprechen zu dürfen, und sofort ließ er sie ans Telefon. Ich wollte May nicht ängstigen, also blieb ich ruhig und fragte sie, ob es ihr gut gehe. Sie meinte, alles sei in Ordnung, aber ich verstand sie kaum, weil ihre Stimme so aufgeregt klang. Sie sagte, sie sei in einem großen Einkaufszentrum. Ich wollte wissen, ob sie mit einem Flugzeug unterwegs gewesen sei, und fast verließ mich der Mut, als sie erwiderte: »Ja, Mami, mit dem Flugzeug.«
May und ich sprachen immer Englisch miteinander, aber sie sprach auch fließend Griechisch und sogar etwas Arabisch. Ich sagte zu May, dass ich sie sehr lieb hätte, und ich versprach ihr, dass wir uns bald sehen würden. Mir war klar, sie würde mich vermissen, weil wir sonst Tag und Nacht zusammen waren und sie nie mehr als einige Stunden von mir getrennt war. Dann war sie entweder in der Vorschule oder unterwegs mit ihrem Vater bei einem seiner Besuche. Ich wusste, sie hatte nur wenig Vertrauen zu ihrem Vater und sie würde das Schlimmste befürchten.
Deirdre und mir war klar, dass es jetzt keinen Zweck mehr hatte, weiterzufahren, denn Mostafa hatte Zypern längst verlassen. Doch noch im selben Augenblick rief ich die Kriminalpolizei an und erzählte, ich hätte mit ihm gesprochen und er sei auf dem Weg nach Syrien. Ich flehte sie an, unverzüglich Interpol einzuschalten, da ich hoffte, diese Behörde hätte auf internationaler Ebene mehr Befugnisse. Doch die Beamten meinten, ich solle mich beruhigen, sie würden schon alles klären. Sie versuchten sogar, mich davon zu überzeugen, dass sie May innerhalb weniger Stunden sicher zu mir zurückbringen würden. Da unterschätzten sie meinen Exmann gewaltig. Ich wusste das, aber sie wollten nicht auf mich hören.
Frustriert und ohne zu wissen, was ich als Nächstes tun, an wen ich mich jetzt wenden sollte, fuhr ich mit zu meiner Freundin nach Hause. Inzwischen hatten alle meine Freunde gehört, was passiert war, und alle waren sie da und warteten auf Neuigkeiten. Ich wandte mich an einen Freund, der etliche Leute in der Türkei kannte. Er meinte, er wolle herauszufinden versuchen, wo genau Mostafa jetzt sein könnte, wenn er tatsächlich, wie er behauptete, in einer Stunde in Syrien sein würde.
Nachdem ich so lange versucht hatte, stark zu sein, weil die Polizei mich ja ernst nehmen sollte, brach ich jetzt zusammen. Es war, als explodierten alle meine Gefühle gleichzeitig, und Kummer und Schmerz drückten mich nieder. Ich wurde ganz weinerlich, und ich spürte, wie mein Körper unter mir nachgab. Und dann kam eine Panikattacke. So etwas kannte ich normalerweise nicht, aber mir war klar, dass der schiere Stress die Ursache dafür war. Ich muss sofort ohnmächtig geworden sein, denn das Nächste, wo ran ich mich erinnere, ist, dass ich in einem Krankenwagen aufwachte und mich immer wieder übergab. Ich bildete mir ein, Deirdre sagen zu hören, man habe Mostafa an der türkischen Grenze festgenommen. Aber das war wirklich nur Einbildung, Ergebnis meiner entsetzlichen Verwirrung.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2013 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Übersetzung: Isabell Lorenz
Vorwort
Meine Welt geriet im September 2011 aus den Fugen, als mein Exmann Mostafa Assad, der Vater meiner sechsjährigen Tochter May, bei einem seiner regelmäßigen Besuche sein eigenes Kind brutal entführte.
So unwahrscheinlich es auch war, er schaffte es, sie von Zypern, wo wir lebten, in die Türkei und von der Türkei in sein Heimatland Syrien zu bringen. Und das, obwohl er keinen gültigen Reisepass für unser Kind hatte und die Kleine auf einer »Stoppliste« stand. Der Eintrag auf der Stoppliste sollte verhindern, dass einer von uns beiden sie ohne Erlaubnis des anderen außer Landes brachte.
Ein Jahr vor diesem schrecklichen Tag hatte ich Mays Reisepass für ungültig erklären lassen. Ich hatte nämlich herausgefunden, dass mein Exmann den Pass aus meinem Haus gestohlen hatte, obwohl das Sorgerecht für May bei mir lag. Eine Lehrerin in Mays Vorschule hatte mich angesprochen. Sie hatte das Gefühl, Mostafa könne eine Entführung planen. Nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich gedacht, dass er das schaffen würde. Und die Behörden auf Zypern taten meine Bedenken als die Fantasien einer überfürsorglichen Mutter ab.
Auf die Entführung meiner Tochter reagierte ich verständlicherweise mit Angst und Hysterie, erst recht als mir dämmerte, dass sie sich jetzt in einem Kriegsgebiet im Nahen Osten befand. So traf ich die schwere Entscheidung, mich den Forderungen meines kontrollwütigen Exmannes zu beugen und mich auf ein Spiel einzulassen. Ein Spiel, in dessen Verlauf ich so tat, als wolle ich es tatsächlich noch einmal mit ihm versuchen, trotz der Scheidung. Gleichzeitig ein Spiel, das ich spielen musste, wenn ich meine geliebte Tochter wiedersehen wollte.
Mit Sehnsucht im Herzen und dem brennenden Wunsch, so schnell wie möglich mit meinem Kind vereint zu sein, reiste ich allein nach Syrien. Ich geriet mitten in Gewehrsalven und Bombenexplosionen hinein und lebte schließlich eingesperrt in einem Haus unter tyrannischer Herrschaft.
Gefangen, bei spärlichem Essen und ohne Kontakt zur Außenwelt, versteckt vor Mostafas Verwandten und Nachbarn, betete ich, dass die von meiner Familie bezahlten türkischen Menschenschmuggler uns finden und befreien würden.
Doch sie kamen nicht.
Wir hatten keine andere Wahl, wir mussten fliehen, und als sich uns wie durch ein Wunder eine winzige Chance bot, liefen May und ich davon. Nach endlosen Stunden unterwegs, vorbei an etlichen Kontrollpunkten mit schwerbewaffneten Soldaten, die uns einzuschüchtern versuchten, schafften wir es irgendwie, wie durch ein Wunder, bis zu einem »sicheren Haus«.
Anfangs war die Erleichterung groß, doch bald mussten wir uns eingestehen, dass wir noch nicht ganz in Sicherheit waren. Stunden dehnten sich zu Tagen und Tage zu Wochen, und alle Hoffnung schien vergebens. Ich glaubte, es sei ein Haftbefehl gegen mich ausgestellt und ich könnte womöglich nach dem Gesetz der Scharia wegen Entführung zu Tode gesteinigt oder lebenslang ins Gefängnis geworfen werden. Doch schließlich gelang uns die Flucht.
Und nach vielen Wendungen und Schicksalsschlägen auf unserem Weg schafften wir es endlich zurück nach Irland und in die Arme unserer Familie.
Dieses Buch erzählt die beklemmenden Einzelheiten jenes schicksalhaften Tages, als Mostafa Assad mein Leben und das meines Kindes auf den Kopf stellte. Und es beschreibt die furchtbare Reise, die wir zurücklegen mussten, um sicheren Boden zu erreichen.
Heute geht es uns gut, doch unser Leben wird nie wieder so sein wie früher. Wir leben unter einem anderen Namen und waren gezwungen, die Familie zu verlassen, die unter solchen Mühen für unsere Rettung gekämpft hatte. Alles nur, weil ein Mann es sich in den Kopf gesetzt hat, unser Leben zu zerstören. Ein Mann, der jederzeit wieder zuschlagen kann. Und tut er es nicht selbst, weiß ich nur zu gut, dass er andere hat, die bereitstehen, wenn er beschließt, die Zeit sei reif für einen neuen Versuch. Ich weiß, dass er sogar im Gefängnis noch Pläne schmieden kann. Und beim nächsten Mal haben wir vielleicht nicht so viel Glück.
Ich habe beschlossen, dieses Buch zu schreiben, weil ich anderen helfen möchte, die sich eines Tages womöglich in einer ähnlichen Situation befinden.
Auf meinem Weg habe ich unendlich viel über Kindesentführung durch ein Elternteil gelernt. Ich wünschte, ich hätte diesen Weg nie beschreiten müssen. Und wenn ich nur einen einzigen Menschen, Mann oder Frau, vor einem ähnlichen Martyrium bewahren kann, ist es jede schmerzliche Minute wert gewesen. Allein in den USA kam es im Jahr 2009 zu über 200.000 Entführungen durch ein Elternteil. Dies geht hervor aus dem 2010 veröffentlichten Bericht über Einhaltung des »Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung«. Diesen Bericht hatte das Amt für Kinderschutzfragen des US-Außenministeriums in Auftrag gegeben. Angesichts der immensen Zahl von Entführungen ist hier und jetzt sicherlich die beste Gelegenheit, Ratschläge zu veröffentlichen, die solche Kindesentführungen in Zukunft verhindern helfen.
Die Ursache für Mays Entführung lag in den kulturellen Unterschieden zwischen mir und ihrem Vater. Daher halte ich es für wichtig, auf einige der Probleme im Zusammenhang mit interkulturellen Ehen hinzuweisen. Ich hoffe sehr, es möge anderen gelingen, eine Situation wie die meine zu vermeiden. Nicht im Traum würde es mir einfallen, Menschen von einer solchen Ehe abzuraten. Vermutlich scheitern solche Ehen nicht häufiger als andere. Aber ich rate allen, mit dem potenziellen Partner über ihre Zukunftspläne zu reden. Beide Partner sollten sich austauschen über ihre Vorstellungen von Kindererziehung, über die ihrer Meinung nach besten Wege der Familiengründung, damit sie im freundschaftlichen Gespräch Lösungen finden, die beiden Eltern gerecht werden.
Meine kleine Tochter wurde entführt, weil sie nur einen Tag später ihren ersten Schultag an einer europäischen und nicht an einer islamischen Schule erleben sollte. So einfach war das. Und dass mein Exmann sich weigerte, mit mir über seine Ansichten auch nur zu reden, führte zu einer Situation, unter der ich bis an mein Lebensende leiden werde. Eine Situation, die wohl auch unser Kind dauerhaft belastet.
Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, und so bleibt mir nur der Versuch, den Schaden wiedergutzumachen, der für mein geliebtes Kind entstanden ist. Und ich möchte gern anderen helfen, die sich womöglich in einer ähnlichen Lage befinden.
Ich hoffe sehr, dass mir das gelingt.
Louise Monaghan
1
Der schlimmste Tag meines Lebens
Den 7. September 2011, einen Mittwoch, werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen. Dieser Tag wird mich fürs Leben zeichnen, er hat unwiderruflich das idyllische Leben erschüttert, das ich seit beinahe sechs Jahren in dem beliebten Urlaubsort Limassol auf Zypern führte.
Der Tag begann wie jeder andere; die Sonne schien, und am Himmel zeigte sich keine einzige Wolke. Doch meine kleine Tochter May war an diesem Morgen besonders aufgeregt, denn sie wusste, der nächste Tag würde ihr erster Tag an der, wie wir es nannten, »ernsthaften, richtigen« Schule sein. Wir hatten alles vorbereitet, und ihr kleines weißes Polohemd, ihr marineblauer Rock und ihre neuen Schuhe lagen schon auf dem Kinderbett in ihrem Prinzessinnenzimmer. Ihre kleine Schultasche in Babyrosa mit dem aufgedruckten Hundebaby auf der Vorderseite, die sie sich selbst ausgesucht hatte, war gefüllt mit ihren neuen Schulbüchern und Heften, die nur darauf warteten, benutzt zu werden.
Ihr erster Schultag war ein Tag, dem ich, wie alle Mütter, mit gemischten Gefühlen entgegensah, denn dieser Tag würde sichtbarstes Zeichen dafür sein, dass meine Kleine allmählich groß wurde und bald ihre Zukunft gestalten und auf eigenen Beinen stehen würde.
Doch ich wusste, dass sich May auf dieses neue Abenteuer freute, und so freute ich mich für sie mit. Im Jahr zuvor war sie auf der Vorschule gewesen und hatte es toll gefunden. Für die »ernsthafte, richtige« Schule hatte ich sie nun in Mesa Yitonia angemeldet. Ich hatte nie Mühe gehabt, sie morgens aus dem Bett zu bekommen. Voller Begeisterung machte sie sich jeden Morgen fertig, um ihre Freundinnen in der Vorschule zu treffen. Ich wusste also, der Übergang zur richtigen Schule würde keine Probleme bereiten. Sie hatte viele Freunde, die am selben Tag in dieselbe Klasse eingeschult würden. Es fügte sich alles aufs Beste.
Ich weiß, dass alle Mütter ihr Kind für etwas ganz Besonderes halten, aber um ehrlich zu sein, May war von Anfang an ganz wunderbar, jammerte nie und wollte ihre Mami immer glücklich machen.
Am Dienstagabend rief Mostafa an, Mays Vater, von dem ich seit November 2010 geschieden war. Er erklärte, er wolle mit May am nächsten Vormittag an den Strand. Seit unserer Trennung hatte er per Gerichtsentscheid Besuchsrecht bei unserer gemeinsamen Tochter, und zwar jeweils für einige Stunden am Montag, Mittwoch und Samstag.
Ich fühlte mich nie wohl dabei, wenn er May abholte, denn im Lauf der Jahre war unsere Beziehung äußerst angespannt geworden. Für unser Kind hatte er wenig Zeit und - meiner Meinung nach - auch wenig echte Zuneigung übrig. Ich bin sicher, er wollte sie nur sehen, weil er wusste, es würde mir schwer zu schaffen machen, wenn ich sie ihm überlassen musste. Doch während der vergangenen Monate war mir aufgefallen, dass er sich mehr um sie zu bemühen schien. Auf jeden Fall war er geduldiger mit ihr.
Ich glaube, er bestand nicht nur wegen seiner Kontrollsucht da rauf, May zu besuchen, sondern auch weil er Moslem war. Wenn er sein Kind nicht sehen durfte, schmälerte das seine väterlichen Rechte, und es war eine Beleidigung seiner Religion.
Ich hatte in der Angelegenheit ohnehin keine Wahl. Als wir über das elterliche Sorgerecht verhandelten, waren die Gerichte auf Zypern nicht gewillt, meinen Bedenken Gehör zu schenken. Bei diversen Gelegenheiten drohte man mir Gefängnishaft an, sollte ich dem Gerichtsbeschluss nicht entsprechen. Mir blieb also nichts anderes übrig, ich musste mich mit den getroffenen Vorkehrungen einverstanden erklären und da rauf vertrauen, dass Mostafa unserer Kleinen nicht wehtat und auch nicht versuchte, sie mir wegzunehmen.
Einmal mussten May und Mostafa zu einem Familientherapeuten, weil May einfach nicht bei ihrem Vater bleiben wollte. Sie vertraute ihm nicht. Doch all meine Bedenken stießen auf taube Ohren. Ich machte mir Sorgen, er könne tatsächlich psychische Probleme haben, die sich in seiner Neigung zu verbaler und körperlicher Gewalt äußerten. Trotzdem wurde sein Besuchsrecht sogar noch erweitert.
Bei der gerichtlichen Anhörung im Juli 2010 wurde ihm auch noch ein Besuchsrecht für jedes zweite Weihnachts- und Osterfest zugesprochen. Über Nacht durfte er sie allerdings nicht bei sich behalten, was eine große Erleichterung für mich war. Die Behörde meinte, seine Wohnverhältnisse seien für Übernachtungsbesuche nicht geeignet, da er zusammen mit einigen anderen Syrern zur Miete wohnte.
Mostafa lebte etwa fünf Meilen entfernt von uns in einer Stadt namens Zakaki, einem alten Dorf im Einzugsbereich von Limassol. Der Ort war gerade einmal drei Kilometer vom Strand Lady's Mile entfernt, an den May und ich immer gingen. In den letzten Jahren wurde Zakaki völlig umgestaltet und beherbergt jetzt My Mall, das größte Einkaufszentrum auf Zypern. Hierher kommen Leute von der ganzen Insel, kaufen Kleidung oder treffen Freunde auf einen Kaffee, um sich mit ihnen zu unterhalten. Es gibt einen großen Supermarkt mit Lebensmitteln, und das Zentrum ist auch sehr beliebt bei Touristen.
Am Mittwochvormittag, als Mostafa May abholen kam, lag ich auf dem Boden und machte meine täglichen Übungen. Ich habe eine Krankheit, die besonders meinen Rücken und meine Hüften in Mitleidenschaft zieht, sodass ich immer wieder fürchterliche Schmerzen habe und oft sehr steif bin. Als er kam, stand ich auf und ging in die Küche, um für May ein kleines Lunchpaket zu packen.
An diesem Morgen war er ruhiger als gewöhnlich. Er folgte mir sogar durch die ganze Wohnung, als ich Mays Sachen für den Strand zusammensuchte. Ich spürte, wie er jeden meiner Schritte überwachte. Normalerweise stand er einfach nur da und wartete, denn er wusste, er war nicht willkommen. Aber an diesem Tag hatte er etwas Großspuriges an sich. Ich hätte ahnen müssen, dass etwas im Busch war, doch irgendwie verdrängte ich das Gefühl.
Ich weiß noch, dass ich Mays geliebte Nintendo-Spielkonsole in die Tasche steckte und ihren kleinen Bikini einpackte, dazu die Sonnencreme. Dabei ging ich im Laufschritt durch die Wohnung, denn ich wollte ihn nicht aufhalten. Mostafa hatte nie Geld, ständig lebte er von einem Tag zum anderen. Als er ging, fragte ich ihn deshalb, ob er Bargeld brauchte. Auf einmal wirkte er äußerst verärgert und ignorierte die Frage einfach. Dabei hatte ich gar nicht an ihn gedacht. Ich wollte einfach nur sichergehen, dass er genug Geld bei sich hatte, um May ein Eis zu kaufen. Es war nämlich ein heißer Tag, und sie wären ein paar Stunden da draußen in der Hitze. Also beachtete ich ihn nicht weiter. Als sie die Wohnung verlassen wollten, ging ich mein Portemonnaie holen und gab May über die Veranda weg einen Zwanzig-Euro-Schein.
Im Fortgehen drehte sie sich um und lächelte nervös, wie sie das immer tat, wenn sie mit ihm gehen musste. Mir fiel auf, dass ich ihr die Haare nicht gebürstet hatte, also rief ich ihr zu, sie solle noch einmal zurückkommen. Aber davon wollte Mostafa nichts wissen. Er packte May an der Hand, zog sie Richtung Auto und meinte, er habe eine Haarbürste im Wagen und wolle ihr selber die Haare bürsten.
Wir kamen wirklich nicht mehr miteinander aus, Mostafa und ich, aber ich weiß noch, wie ich an dem Morgen dachte, dass er besonders kühl mir gegenüber war. Doch schließlich gab es immer wieder Tage, an denen er sich so verhielt. Also verdrängte ich meine Bedenken - was ich noch bitter bereuen sollte.
Als die beiden weggingen, schaute ich May von der Terrasse aus nach und dachte, wie hübsch sie an diesem Morgen war. Sie war überhaupt ein schönes Kind, innerlich wie äußerlich, doch an diesem Tag strahlte sie regelrecht in ihrem T-Shirt und dem zauberhaften cremefarbenen Kleid mit rosafarbenem und violettem Blumenmuster, das ich ihr in der Woche zuvor in einem Debenham-Laden gekauft hatte. Dazu trug sie ein Paar mädchenhafter Flip-Flops. In den Haaren hatte sie ein niedliches Haarband, und sie stand am Tor und sagte: »Ich hab dich so lieb, Mami.«
Ich antwortete: »Ich hab dich auch lieb, mein Engel«, und dann ging sie.
Als sie ins Auto stieg, hatte ich auf einmal ein ganz seltsames Gefühl von Übelkeit in der Magengrube. Irgendwie dachte ich, dass etwas nicht stimmte. Sofort rief ich ihn an und fragte: »Ist alles in Ordnung, Mostafa?«
»Ja, wieso?«, fauchte er mich an.
Ich sagte: »Du hast dich heute Vormittag irgendwie seltsam benommen.«
Er fuhr mich an: »Oje, Louise, geht das schon wieder los? Ich habe das Besuchsrecht, ich darf meine Tochter sehen, schließlich ist sie meine Tochter.« Das sagte er beinahe trotzig und meinte, es sei jetzt seine Zeit mit May. Er beharrte da rauf, er wolle ja nur die ihm zustehende Zeit mit seinem Kind, und damit beruhigte er mich ein wenig. Über die Freisprechfunktion an seinem Telefon sprach ich mit May, die mir erklärte, sie wollten zum Strand fahren. Sie klang ganz normal, und ich war ein bisschen erleichtert.
Ich machte mich für die Arbeit fertig, und gegen elf Uhr vormittags verließ ich das Haus. Damals arbeitete ich in einer Firma namens Olympic Holidays, einem englischen Reiseveranstalter mit Sitz auf Zypern. Ich war Verkaufsberaterin im dortigen Call Center und konnte mir meine Arbeitszeit mehr oder weniger frei einteilen. Nachdem der große Sommeransturm vo rüber war, lief nun alles ruhiger, sodass ich mehr Zeit mit May verbringen konnte, was mir sehr entgegenkam. Seit fünf Jahren arbeitete ich bei Olympic und war mehr als zufrieden mit meinem Job. Ich war eine der besten Mitarbeiterinnen im Verkauf, obwohl ich nur halbtags arbeitete, um mich um meine Tochter kümmern zu können. Wir waren wie eine große glückliche Familie bei Olympic, was heutzutage bei Firmen eine große Seltenheit ist. Ich hatte ein gutes monatliches Grundgehalt und erhielt hohe Provisionen. Damit konnten May und ich auf Zypern wunderbar leben. Normalerweise verbrachten wir die Wochenenden in einem der besseren Hotels der Insel, vergnügten uns im Swimmingpool und ließen uns verwöhnen. Durch meine Arbeit bekam ich in allen Hotels Rabatte, und das genossen wir, wann immer es möglich war. Das Leben war wunderbar. Wir standen uns so nah, und ich war so glücklich mit dem Leben in unserer kleinen Familie!
Allerdings vermisste ich meinen Vater und meine Schwester, die in Dublin lebten. Aber in dieser Woche freute ich mich sehr da rauf, dass mein Vater mit einem Freund zu Besuch kommen wollte; am folgenden Sonntag sollten sie in Larnaca landen. May war schon ganz aufgeregt. Sie freute sich auf ihren Großvater, mit dem sie sich sehr gut verstand. Und da sie sein einziges Enkelkind war, verwöhnte er sie nach Strich und Faden, wann immer er uns besuchte.
Meine Mutter hatten wir im Jahr 2001 bei einem furchtbaren Autounfall verloren, und seitdem kümmerten wir uns alle intensiv um meinen Vater, der vollkommen verloren war ohne die Frau, die ihn geliebt und ihm jeden Tag leicht gemacht hatte. Sie waren einander sehr verbunden gewesen. Außer mir hatten die beiden noch ein weiteres Kind, meine jüngere Schwester Mandy, die bei meinem Vater in Dublin lebt. Wir alle stehen uns sehr nah. Seine Besuche waren mir immer sehr wichtig, und ich freute mich riesig, wenn er anrief und sein Kommen ankündigte. Ich wusste, wir würden eine hektische Woche haben wegen Mays erstem Schultag und Dads Ankunft, aber wir freuten uns beide sehr da rauf und hatten alles für seinen Besuch vorbereitet.
Aber als ich an diesem Tag gegen Mittag im Büro saß, beschlich mich wieder einmal ein großes Unbehagen. Ich kann es nicht erklären, weshalb ich so empfand, denn Mostafa sollte May schließlich erst gegen 13 Uhr wieder zurückbringen - so sahen es die Vereinbarungen seiner Besuchsregelung vor. Doch ohne dass ich wusste, wieso, krampfte sich mir der Magen zusammen, und wieder griff ich zum Telefon und wählte seine Nummer.
Als ich sah, dass sein Handy ausgeschaltet war, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Vielleicht ein mütterlicher Instinkt, aber ich wusste es eben einfach. Sofort schaltete ich meinen Computer aus und sagte zu meiner Freundin und Kollegin Nicola: »Ich muss weg, Nic. Ich erreiche Mostafa nicht. Da stimmt etwas nicht.«
Ihre Antwort wartete ich nicht einmal ab. Ich griff mir nur meine Handtasche, verließ so schnell ich konnte das Büro und sprang ins Auto. Mein Herz raste, mein Mund war ganz trocken.
Ich fuhr zu dem öffentlichen Strand, an dem May und ich oft waren, denn Mostafa hatte gesagt, er wolle mit ihr genau an diesen Strand. Es gab Schaukeln und eine Rutsche dort, was May liebte, aber an diesem Tag war der Strand praktisch menschenleer. Es war windig, und der Sand wurde hin und her geweht, es sah aus wie kleine Tornados. Und als ich mich suchend umschaute und sah, dass die beiden nicht am Strand waren, wusste ich im selben Moment, dass er sie mir weggenommen, sie entführt hatte.
Mir war richtig übel; als Allererstes zog ich mein Handy aus der Tasche und rief meine Schwester Mandy in Dublin an. Voller Panik rief ich: »Er hat sie mir weggenommen, Mandy, sie ist weg.«
Mandy fragte, was ich meinte. Ich antwortete, ich wüsste tief im Innern, dass May verschwunden sei. Wörtlich sagte ich zu ihr: »Mandy, ich weiß, er ist nach Syrien mit ihr.« Für diese Annahme hatte ich keinen konkreten Grund, von derartigen Plänen hatte er nie etwas erwähnt, aber mein Bauchgefühl sagte mir, er hatte unser kleines Mädchen entführt, er war verschwunden, sie waren verschwunden. Und etwas sagte mir deutlich, ich würde meine Kleine womöglich nie wiedersehen.
Die arme Mandy war ganz aufgelöst. Ich bin mir sicher, sie muss sich in dem Moment noch hilfloser gefühlt haben als ich, denn schließlich war sie gut 3600 Kilometer weit entfernt. Mir war klar, sie würde bei uns zu Hause die Polizei verständigen, aber ich wusste auch, die Einzigen, die mir jetzt helfen konnten, waren die Beamten hier auf Zypern, die Kriminalpolizei - und ich selbst. Ich sagte Mandy, ich würde weiter nach May und Mostafa suchen und mich bei ihr melden, sobald ich etwas wüsste.
Mir war ganz zittrig und schwindlig. Schon vorher war es mir nicht sonderlich gut gegangen, denn ich hatte eine schwere Krankheit, die sich auf meine Knochen auswirkte. Doch irgendwie schob ich die ganzen Schmerzen im Rücken und in den Hüften in die hinterste Ecke meines Bewusstseins, und ohne dass ich es überhaupt merkte, funktionierte ich auf einmal ganz automatisch, wie auf Autopilot.
Den Strand konnte ich abhaken, also sprang ich wieder ins Auto und fuhr sofort zu dem Haus, in dem Mostafa wohnte. Ich betete, es wäre alles nur ein schrecklicher Irrtum gewesen und ich würde sein Auto vor dem Haus sehen. Ich hoffte, irgendeine Kleinigkeit wäre dazwischengekommen und hätte ihn aufgehalten und alles wäre in Ordnung. Aber das Auto war weg. Er hatte meinen Zweitwagen genommen, wie immer, wenn er mit May unterwegs war.
Als ich das Auto nirgends entdeckte, verließ mich der Mut. Ganz aufgelöst rief ich einige Freunde an. Ich weiß nicht einmal mehr genau, was ich sagte, denn vor lauter Panik sprudelten mir die Worte einfach aus dem Mund. Aber sie alle reagierten großartig und erklärten, sie würden in meine Wohnung kommen.
Als ich zu Hause ankam, versuchte ich mir noch einmal einzureden, Mostafa wäre inzwischen vielleicht auch da und wartete einfach auf meine Rückkehr. Mein Herz raste. Ich betete und betete, dass ich mich irrte, dass er sie gar nicht entführt hatte, aber vergeblich. Kein Auto weit und breit, und von ihm und May keine Spur. Jetzt konnte es keinen Zweifel mehr da ran geben, dass die beiden verschwunden waren. Ich hatte keine Hoffnung mehr.
Ich war völlig am Boden zerstört, konnte gar nicht mehr klar denken. Ich weinte, ich hatte Panikattacken, ich betete, und ich fühlte mich vollkommen hilflos. Immer wieder versuchte ich, Mostafa auf seinem Handy zu erreichen. Nichts. Als meine Freundinnen hörten, was los war, dass er zum verabredeten Zeitpunkt nicht wieder aufgetaucht war und sein Handy ausgeschaltet hatte, bot eine von ihnen an, mich aufs örtliche Polizeirevier zu bringen. Als wir vor dem Revier vorfuhren, sprang ich aus dem Wagen, lief ins Gebäude und schrie: »Mein Kind ist entführt worden. Bitte helfen Sie mir.« Bei aller Panik über die Entführung meines Kindes spürte ich doch, dass die zypriotische Polizei wieder einmal nicht angemessen reagierte. Leider hatte ich das Polizeirevier St. John's schon viele Male zuvor aufgesucht, um Übergriffe von Seiten Mostafas anzuzeigen. Also wusste ich nur zu gut, welche Reaktion ich zu erwarten hatte, aber wegen des Ernstes der Lage war ich wirklich überzeugt gewesen, es würde diesmal anders sein.
Sie forderten mich auf, mich zu setzen und zu beruhigen, und meinten, sie würden ein derartiges Benehmen auf dem Revier nicht dulden. Immer wieder sagte ich ihnen, ich wüsste, dass mein Exmann meine Tochter entführt hätte, dass er sie nach Syrien gebracht hätte. Schließlich wiesen sie mir den Weg ins Büro der Kriminalpolizei. Hastig stieg ich die Treppe zu dem Büro hoch, gefolgt von meiner Freundin. Ein Beamter nahm uns in Empfang, bot uns einen Platz an und ließ einen weiteren Polizeibeamten kommen. Ich versuchte ruhig zu bleiben, denn ich wusste, nur so würden sie mich überhaupt anhören. Ich erklärte, weshalb ich davon überzeugt sei, dass Mostafa May nach Syrien geschafft hätte.
Ich erklärte die vom Gericht verfügten Bestimmungen: dass er sie um 13 Uhr spätestens zu mir zurückbringen müsse. Ich berichtete, ich hätte immer wieder versucht, ihn auf seinem Handy zu erreichen, er sei aber nicht ans Telefon gegangen. Und ich erklärte außerdem, dass er sein Handy normalerweise nie abschaltete. In all den Jahren, die ich ihn kannte, war sein Handy nie abgestellt gewesen. Sehr oft hatte er meine Anrufe einfach ignoriert, war einfach nicht ans Telefon gegangen, aber abgeschaltet hatte er es nie. Das alles erzählte ich den Beamten. Ich wollte sie überzeugen, dass ich als Mutter genau spürte, in welcher Gefahr meine Tochter schwebte. Ich wusste, sie war entführt worden. Wahrscheinlich klang ich wie eine Verrückte.
Die ganze Zeit, während ich mit ihnen redete, wählte ich hektisch Mostafas Nummer, aber jedes Mal kam dieselbe Nachricht: Der von Ihnen gewünschte Teilnehmer hat das Telefon abgeschaltet; wieder und immer wieder auf Griechisch. Mir war klar, ich musste wie eine Irre wirken, denn es war kaum eine Stunde her, dass May hätte zurück sein müssen. Aber wie durch ein Wunder nahmen sie mich ernst und nahmen ein Protokoll auf. Ich erzählte ihnen alles. Ich erklärte, Mostafa habe sich an dem Morgen seltsam verhalten, erklärte, dass ich, kaum dass er zur Haustür hinausgegangen war, das deutliche Gefühl gehabt hätte, etwas würde passieren.
Zum Glück gaben sie eine detaillierte Suchmeldung an alle Polizeidienststellen he raus, unter anderem eine Beschreibung des silberfarbenen BMW einschließlich Kennzeichen, den er gefahren hatte. Gleichzeitig verständigten sie über Funk alle Polizeiwagen auf den Straßen rund um Limassol, gaben die Einzelheiten durch und wiesen die Beamten an, nach dem Auto Ausschau zu halten.
Sie baten mich um ein aktuelles Foto von May. Zu dem Zeitpunkt hatte ich in der Handtasche keines bei mir, also schickte ich meine Freundin zu mir nach Hause mit der Bitte, ein paar Fotos zu holen. In dem Moment fielen mir all die Fotos vermisster Kinder auf diesem Polizeirevier auf, und plötzlich dämmerte es mir, dass May nun auch an der Wand hängen würde, zusammen mit all den anderen, die mir bis zu diesem Tag so leid getan hatten. Ich hatte immer gedacht, man würde sie wahrscheinlich nie finden. Auf einmal war meine Tochter eines von diesen Kindern. Und ich gehörte nun zu den verzweifelten Eltern, die ein Kind verloren hatten.
Als ich dem Polizeibeamten alles detailliert erzählte, kam ich mir vor wie in einem Film. Es fühlte sich alles ganz irreal an, wie in einem Traum, einem schlimmen Albtraum, dem schlimmsten Albtraum. Ich mochte kaum glauben, dass die Ängste und Sorgen, die ich seit Jahren hatte, die Ängste, die ich den zypriotischen Behörden gegenüber so oft geäußert hatte, wenn Mostafa mit mir wegen der Besuchsrechte stritt, dass all diese Ängste auf einmal wahr geworden waren. Während ich dasaß, überlegte ich blitzschnell. Ich wusste, er wollte May außer Landes bringen, und ich wusste, er würde versuchen, sie durch die besetzten Gebiete im Norden Zyperns zu schaffen, wo die Türkei das Sagen hatte. Ich gab der Polizei meine Telefonnummer, und meine Freundin Deirdre und ich erklärten, wir wollten in Deirdres Wagen an die Grenze fahren, weil wir hofften, wir könnten ihn erwischen, ehe er türkisches Hoheitsgebiet erreichte.
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er es schaffen sollte, May über eine Grenze, ganz gleich welche Grenze, in irgendein anderes Land zu bringen, da sie ja keine gültigen Reisedokumente hatte. Nicht ohne Grund hatte ich im September 2010 ihren Pass für ungültig erklären lassen. Ich wusste, dass man bei Mostafa mit allem rechnen musste. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und ich hatte keine Zeit zu verlieren.
Als wir den Wagen anließen und losfahren wollten, versuchte ich es noch einmal auf Mostafas Handy. Es war fast ein Schock für mich, als ich tatsächlich einen Klingelton hörte, aber dann wurde mir ganz übel, als ich begriff, dass es ein internationaler Klingelton war. Meine schlimmsten Befürchtungen waren bestätigt. Er befand sich bereits außerhalb von Zypern.
Tatsächlich ging er jetzt ans Telefon. Mir drehte sich der Magen um. Ich versuchte, so ruhig wie möglich zu bleiben, aber mein Herz raste. Ich sagte: »O mein Gott, Mostafa, den ganzen Tag versuche ich schon, dich zu erreichen. Wo bist du denn?«
In aller Ruhe antwortete er: »Ich bin in Syrien.« Ich weiß nicht, was über mich kam, aber ich versuchte, so eiskalt wie möglich zu bleiben, sogar in einem Moment wie diesem. Ich fragte ihn, weshalb er in Syrien sei. Er erwiderte: »Ich bin in Syrien, weil ich May nach Syrien mitnehme.« Ich fragte ihn, ob er bereits da sei, und er erklärte, er werde in einer Stunde ankommen. Ich bat ihn, mit May sprechen zu dürfen, und sofort ließ er sie ans Telefon. Ich wollte May nicht ängstigen, also blieb ich ruhig und fragte sie, ob es ihr gut gehe. Sie meinte, alles sei in Ordnung, aber ich verstand sie kaum, weil ihre Stimme so aufgeregt klang. Sie sagte, sie sei in einem großen Einkaufszentrum. Ich wollte wissen, ob sie mit einem Flugzeug unterwegs gewesen sei, und fast verließ mich der Mut, als sie erwiderte: »Ja, Mami, mit dem Flugzeug.«
May und ich sprachen immer Englisch miteinander, aber sie sprach auch fließend Griechisch und sogar etwas Arabisch. Ich sagte zu May, dass ich sie sehr lieb hätte, und ich versprach ihr, dass wir uns bald sehen würden. Mir war klar, sie würde mich vermissen, weil wir sonst Tag und Nacht zusammen waren und sie nie mehr als einige Stunden von mir getrennt war. Dann war sie entweder in der Vorschule oder unterwegs mit ihrem Vater bei einem seiner Besuche. Ich wusste, sie hatte nur wenig Vertrauen zu ihrem Vater und sie würde das Schlimmste befürchten.
Deirdre und mir war klar, dass es jetzt keinen Zweck mehr hatte, weiterzufahren, denn Mostafa hatte Zypern längst verlassen. Doch noch im selben Augenblick rief ich die Kriminalpolizei an und erzählte, ich hätte mit ihm gesprochen und er sei auf dem Weg nach Syrien. Ich flehte sie an, unverzüglich Interpol einzuschalten, da ich hoffte, diese Behörde hätte auf internationaler Ebene mehr Befugnisse. Doch die Beamten meinten, ich solle mich beruhigen, sie würden schon alles klären. Sie versuchten sogar, mich davon zu überzeugen, dass sie May innerhalb weniger Stunden sicher zu mir zurückbringen würden. Da unterschätzten sie meinen Exmann gewaltig. Ich wusste das, aber sie wollten nicht auf mich hören.
Frustriert und ohne zu wissen, was ich als Nächstes tun, an wen ich mich jetzt wenden sollte, fuhr ich mit zu meiner Freundin nach Hause. Inzwischen hatten alle meine Freunde gehört, was passiert war, und alle waren sie da und warteten auf Neuigkeiten. Ich wandte mich an einen Freund, der etliche Leute in der Türkei kannte. Er meinte, er wolle herauszufinden versuchen, wo genau Mostafa jetzt sein könnte, wenn er tatsächlich, wie er behauptete, in einer Stunde in Syrien sein würde.
Nachdem ich so lange versucht hatte, stark zu sein, weil die Polizei mich ja ernst nehmen sollte, brach ich jetzt zusammen. Es war, als explodierten alle meine Gefühle gleichzeitig, und Kummer und Schmerz drückten mich nieder. Ich wurde ganz weinerlich, und ich spürte, wie mein Körper unter mir nachgab. Und dann kam eine Panikattacke. So etwas kannte ich normalerweise nicht, aber mir war klar, dass der schiere Stress die Ursache dafür war. Ich muss sofort ohnmächtig geworden sein, denn das Nächste, wo ran ich mich erinnere, ist, dass ich in einem Krankenwagen aufwachte und mich immer wieder übergab. Ich bildete mir ein, Deirdre sagen zu hören, man habe Mostafa an der türkischen Grenze festgenommen. Aber das war wirklich nur Einbildung, Ergebnis meiner entsetzlichen Verwirrung.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2013 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Übersetzung: Isabell Lorenz
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Autoren-Porträt von Louise Monaghan, YVONNE KINSELLA
Louise Monaghan wuchs in Irland auf. Ihr Beruf als Tourismus-Managerin führte sie nach Zypern, wo sie einen Syrer heiratete und mit ihm die gemeinsame Tochter May bekam. Aufgrund der Gewalttätigkeit ihres Ex-Mannes wurde die Ehe bald geschieden. Louise erhielt das alleinige Sorgerecht für May. 2011 bis 2012 fand die Entführung und Flucht aus Syrien statt; heute lebt Louise mit ihrer Tochter wieder in Irland.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Louise Monaghan , YVONNE KINSELLA
- 368 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863655540
- ISBN-13: 9783863655549
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