Gegen alle Feinde
Ex-Navy-SEAL-Mann Max Moore stößt bei einem Einsatz im Mittleren Osten auf eine Verschwörung. Internationale Intrigen und explosive Action: der atemberaubende Thriller von Tom Clancy jetzt als preisgünstige...
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Produktinformationen zu „Gegen alle Feinde “
Ex-Navy-SEAL-Mann Max Moore stößt bei einem Einsatz im Mittleren Osten auf eine Verschwörung. Internationale Intrigen und explosive Action: der atemberaubende Thriller von Tom Clancy jetzt als preisgünstige Weltbild-Ausgabe.
Seit Jahren tobt der Konflikt im Mittleren Osten. Nun verlagert sich der Kriegsschauplatz. Die Taliban nutzen die Machenschaften eines mexikanischen Drogenkartells: Sie tragen den Kampf ins Heimatland des Erzfeindes - in die Vereinigten Staaten von Amerika.
Tom Clancy stellt seinen neuen Helden vor: Ex-Navy-SEAL Max Moore. Und der steht allein - gegen alle Feinde.
Klappentext zu „Gegen alle Feinde “
Ein Bombenanschlag in Pakistan löscht das gesamte CIA-Team von Max Moore aus. Der Ex-Navy-SEAL taucht daraufhin bei der Suche nach der Terrorzelle tief in die gefährlichen Stammesstrukturen des Landes ein und stößt dabei auf eine Verschwörung, die unerwartet an einem weit entfernten Ort des Globus stattfindet: an der mexikanisch-amerikanischen Grenze. Dort tobt ein Drogenkrieg zwischen zwei verfeindeten Kartellen, der schon viele Opfer gefordert hat - sowohl Drogendealer als auch Unschuldigen. Und jetzt will hier ein noch weitaus gefährlicherer Feind mitmischen. Max Moore stellte eine Spezialeinheit zusammen, die in dieser explosiven Situation inoffiziell operiert. Und er deckt den perfiden Plan zu einem Anschlag auf, der Amerika in seinem Innersten erschüttern soll.
Lese-Probe zu „Gegen alle Feinde “
GEGEN ALLE FEINDE von Tom ClancyProlog
Rendezvous Foxtrott
02.15 Uhr, Arabisches Meer
8 km südlich der Indus-Mündung
Pakistanische Küste
... mehr
Ein verdunkeltes Schiff muss immer und jederzeit ausweichen sowie allen anderen die Vorfahrt gewähren und sollte deshalb mit größter Vorsicht manövrieren, dachte Moore, als er vor dem Steuerhaus des OSA-1-Schnellboots Quwwat stand. Dieses war zwar in Pakistan selbst in der Werft von Karatschi gebaut worden, beruhte jedoch mit seinen vier HY-2-Boden-Boden-Raketen und seinen beiden 25-mm-Zwillings-Flak auf einem alten sowjetischen Bauplan. Drei Dieselmotoren und drei Schrauben trieben das 40 Meter lange Patrouillenboot mit 30 Knoten durch die Wellen, die unter einer dicht über dem Horizont stehenden Mondsichel silbern schimmerten. »Verdunkelt« bedeutete, dass weder die Topplaternen noch die Steuerbordlichter brannten. Die »Internationalen Kollisionsverhütungsregeln« (COLREGs) von 1972 schrieben vor, dass die Quwwat in diesem Zustand bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Schiff unabhängig von den jeweiligen Umständen auf jeden Fall schuld sein würde.
Am frühen Abend war Moore bei einbrechender Dämmerung in Begleitung des Leutnants Syed Mallaah eine Pier in Karatschi hinuntergegangen. Ihnen folgten vier Soldaten, die zur Pakistan Special Service Group Navy (SSGN) gehörten, einer Spezialeinheit der pakistanischen Marine, die den SEALs der US-Navy ähnelte, ohne jedoch über deren, ähm, Fähigkeiten und Kampf- kraft zu verfügen. An Bord der Quwwat hatte Moore auf einem Schnellrundgang bestanden, an dessen Ende er kurz dem Kapitän, Leutnant Maqsud Kayani, vorgestellt wurde, der jedoch gerade mit den Auslaufbefehlen beschäftigt war. Der Schnellboot-Kommandant konnte nicht viel älter als Moore sein, er schätzte ihn auf fünfunddreißig Jahre, womit aber die Ähnlichkeiten zwischen den beiden schon erschöpft waren. Moores breite Schultern standen in starkem Gegensatz zu Kayanis schmaler Radler-Statur, die seine Uniform kaum auszufüllen vermochte. Der Leutnant hatte eine Hakennase, und wenn er sich in der letzten Woche rasiert haben sollte, so war das zumindest nicht mehr zu erkennen. Trotz seines etwas rauen Aussehens genoss er die höchste Aufmerksamkeit und den Respekt seiner 28-köpfigen Mannschaft. Wenn er etwas anordnete, wurde es sofort ausgeführt. Schließlich drückte Kayani Moore kräftig die Hand und sagte: »Willkommen an Bord, Mr. Fredrickson.«
»Vielen Dank, Leutnant. Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen. «
»Keine Ursache.«
Sie unterhielten sich auf Urdu, der pakistanischen Nationalsprache, die Moore leichter erlernt hatte als Dari, Paschtu oder Arabisch. Diesen pakistanischen Marinesoldaten hatte man ihn als den Amerikaner »Greg Fredrickson« angekündigt, obwohl es ihm sein leicht dunkler Teint, sein dichter Bart und sein im Moment zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenes langes, schwarzes Haar erlaubten, sich als Afghane, Pakistani oder Araber auszugeben, wenn er dies wünschte.
Leutnant Kayani fuhr fort: »Keine Angst, Sir. Ich plane, unseren Bestimmungsort pünktlich, wenn nicht sogar etwas früher zu erreichen. Der Name dieses Boots bedeutet Schlagkraft oder Leistungsfähigkeit, und das trifft es ganz genau.«
»Hervorragend.«
Point Foxtrot, der vorgesehene Treffpunkt, lag 5 Kilometer vor der pakistanischen Küste und gerade außerhalb des Indus-Deltas. Dort würden sie vom indischen Patrouillenboot Agray einen Gefangenen übernehmen. Die indische Regierung hatte sich bereit erklärt, einen erst kürzlich verhafteten Taliban-Kommandeur namens Akhter Adam auszuliefern. Nach indischen Angaben war dieser Mann ein »hochrangiges Ziel« mit genauen Kenntnissen über die Operationen der Taliban-Truppen im Südabschnitt der afghanisch-pakistanischen Grenze. Die Inder glaubten, Adam habe vor seiner Festnahme seine eigenen Leute nicht mehr alarmieren können. Für diese war er einfach seit 24 Stunden verschwunden. Trotzdem drängte die Zeit. Beide Regierungen wollten sicherstellen, dass die Taliban niemals erfuhren, in wessen Hände Adam gefallen war. Aus diesem Grund waren an dieser Übergabe auf See keine amerikanischen Soldaten oder militärischen Einheiten der US-Navy beteiligt - außer einem gewissen CIA-Agenten für paramilitärische Operationen namens Maxwell Steven Moore.
Freilich hatte Moore gewisse Bedenken, diesen Einsatz mit einem Sicherheitsteam der SSGN durchführen zu müssen, das von einem jungen, unerfahrenen Leutnant geführt wurde. Bei der Vorbesprechung hatte man ihm jedoch versichert, dass Mallaah, ein Einheimischer aus der ganz in der Nähe liegenden Stadt Thatta in der Sindh-Provinz, absolut loyal, hoch angesehen und für seine Zuverlässigkeit bekannt sei. Für Moore mussten Loyalität, Vertrauen und Respekt zwar erst einmal verdient werden, aber es würde sich bald herausstellen, ob der Leutnant der Aufgabe gewachsen war. Immerhin war Mallaahs Job ziemlich wichtig: Er musste die Übergabe überwachen und für den Schutz Moores und des Gefangenen sorgen.
Wenn Akhter Adam sicher an Bord war, wollte Moore bereits auf der Rückfahrt in den Hafen von Karatschi mit seinem Verhör beginnen. In dieser Zeit wollte er klären, ob der Kommandeur tatsächlich ein »hochrangiges Ziel« war, das die Aufmerksamkeit der CIA verdiente, oder jemand, den man den Pakistani zu einer kleinen Kurzweil überlassen konnte.
Auf der Backbordseite durchdrangen drei schnelle weiße Lichtblitze die Dunkelheit, die vom TurshianMouth- Leuchtturm stammten, der den Eingang zum Indus bewachte. Die Sequenz wiederholte sich alle zwanzig Sekunden. Etwas weiter östlich bemerkte Moore auf der Steuerbordseite den einzelnen weißen Lichtblitz des Kajhar-Creek-Leuchtfeuers, der alle zwölf Sekunden aufleuchtete. Das Drehlinsenfeuer des vielumkämpften Kajhar-Creek-(oder Sir-Creek-)Leuchtturms kam exakt von der indisch-pakistanischen Grenze. Moore hatte sich bei der Einsatzbesprechung die Navigationskarten gründlich angesehen und sich vor allem Namen und Lage der Leuchttürme und ihre spezifischen Leuchtsequenzen genau eingeprägt. Solche alten SEAL-Gewohnheiten saßen eben sehr tief.
Da der Mond um 2.20 Uhr unterging und der Himmel zur Hälfte bewölkt war, erwartete Moore, dass es während des Treffens um 3.00 Uhr stockdunkel sein würde. Auch die Inder würden ihr Schiff völlig abdunkeln. Notfalls würden ihnen die Leuchtfeuer von Kajhar Creek und Turshian Mouth eine genaue Positionsbestimmung ermöglichen.
Leutnant Kayani hielt tatsächlich Wort. Als sie genau um 2.50 Uhr Point Foxtrot erreichten, ging Moore zur anderen Seite des Steuerhauses hinüber, wo an Backbord das einzige vorhandene Nachtsichtgerät angebracht war. Kayani war bereits dort und versuchte, etwas in der stockfinsteren Nacht auszumachen. In der Zwischenzeit hatten sich Mallaah und sein Team mittschiffs auf dem Hauptdeck aufgestellt, um den Gefangenen an Bord zu holen, sobald das indische Schiff längsseits gehen würde.
Als er Moore kommen hörte, überließ Kayani ihm das Nachtsichtgerät. Trotz der aufziehenden Wolken lieferte das Sternenlicht immer noch genug Photonen, um das indische Patrouillenboot der Pauk-Klasse in ein unheimliches grünes Zwielicht zu tauchen. Sogar die Zahl 36 am Rumpf war zu erkennen. Die von Steuerbord heranrauschende Agray war mit ihren 500 Tonnen doppelt so schwer wie die Quwwat. Sie war mit acht GRAIL-Boden- Luft-Raketen und zwei RBU-1200-ASW-Raketenwerfern auf der Steuerbordseite ausgerüstet. Jedes aus fünf Werferrohren bestehende System konnte Täuschkörper sowie ASW-Raketen auf Bodenziele oder zur U-Boot-Bekämpfung abfeuern. Die Quwwat wirkte neben ihr geradezu winzig.
Die Agray driftete jetzt langsam an Steuerbord entlang und bereitete sich auf die endgültige Annäherung vor. Moore entdeckte ihren Namen, der mit schwarzen Buchstaben quer über das Heck gemalt war, das aus dem Gischtnebel auftauchte. Als er dann einen Blick durch die Steuerhaus-Tür auf die Backbordseite warf, bemerkte er einen »kurz-lang, kurz-lang«-Lichtblitz. Er versuchte sich daran zu erinnern, welcher Leuchtturm diese Lichtfolge verwendete. Inzwischen hatte die Agray ihr Anlegemanöver fast beendet, und Kayani lehnte sich über die Steuerbord-Reling, um das Ausbringen der Fender zu überwachen, die eventuelle Schäden am Schiffsrumpf möglichst klein halten oder ganz verhindern sollten, die beim Kontakt der beiden Schiffe durch den Seegang entstehen konnten.
Da, wieder diese Lichtblitze: kurz-lang, kurz-lang.
Von wegen Leuchtturm ..., dachte Moore. ALPHA-ALPHA bedeutete im internationalen Morsecode so etwa: »Wer zum Teufel sind Sie?«
Moore überlief es eiskalt. »Leutnant, wir bekommen ein ALPHA-ALPHA auf der Backbordseite. Sie fordern uns auf beizudrehen!«
Kayani stürzte zur Backbord-Reling hinüber. Moore stellte sich direkt hinter ihn. Wie oft hatte man sie wohl schon aufgefordert, sich zu identifizieren? Sie befanden sich zwar immer noch in pakistanischen Küstengewässern, aber wie genau sahen die pakistanischen Marine- Einsatzregeln aus?
Plötzlich explodierte über ihren Köpfen eine Leuchtrakete. Deren Licht ließ tiefe Schatten über die Decks der beiden Patrouillenboote huschen. Moore spähte angestrengt auf die See hinaus. Was er dann erblickte, erschien ihm wie ein Albtraum. Etwa 1000 Meter von ihnen entfernt durchbrach ein U-Boot mit einem riesigen schwarzen Turm die Fluten. Seine schwarzen Decks wurden immer wieder überspült, während es seinen Bug genau auf sie richtete. Der Kommandant hatte sich zum Auftauchen entschlossen, um die vermeintlichen Eindringlinge aufzubringen. Da sie nicht geantwortet hatten, hatte er ein Leuchtgeschoss abgefeuert, um sein Ziel visuell genau ausmachen zu können.
Kayani führte den Feldstecher, der ihm um den Hals hing, an die Augen und stellte ihn scharf. »Es ist die Shushhuk! Sie ist eines unserer Boote! Sie sollte jedoch daheim an der Pier liegen.«
Moores Brust zog sich zusammen. Was zum Teufel hatte ein U-Boot der pakistanischen Marine an ihrem Treffpunkt zu suchen?
Er drehte sich zur Agray um. Inzwischen stand der Taliban-Gefangene bestimmt schon zur Übergabe bereit auf ihrem Deck. Laut Plan sollte der an den Händen gefesselte Adam einen schwarzen Overall und einen Turban tragen und von zwei schwer bewaffneten MARCOS, Elitesoldaten des indischen Marinekommandos, bewacht werden. Moore wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem U-Boot zu ...
Und da sah er es: eine phosphoreszierende Linie bewegte sich durch das Wasser an ihrem eigenen Heck vorbei auf die Agray zu.
Er deutete mit dem Finger darauf und rief: »TORPEDO! «
Im nächsten Augenblick packte Moore Kayani von hinten und stieß ihn über die Reling ins Wasser. Als er selbst hineinsprang, traf der Torpedo die Agray. Das Donnern und Blitzen der folgenden Explosion war so surreal wie schockierend nahe. Mehrere Wellen von Metalltrümmern schwirrten durch die Luft, prallten vom Rumpf der Quwwat ab und peitschten wie eiserne Regengüsse in das umliegende Wasser.
Moores Augen weiteten sich, als die dampfende, zischende See auf sie zukam, die jetzt von den glühend heißen Metallsplittern aus dem Rumpf, den Decks und dem Torpedo erhitzt wurde, die bei jeder weiteren Explosion von der Agray aufstiegen. Als er ins Wasser eintauchte, wobei er fast auf einem scharf gezackten Stück Stahl gelandet wäre, explodierten die GRAIL-BodenLuft- Gefechtsköpfe der Agray und sämtliche ASW-Raketen auf ihrem Vorderdeck in einem riesigen Feuerball.
Moore wurde unter das Wasser gedrückt, wobei seine Schuhe mit etwas unter ihm kollidierten. Er schwamm zur Oberfläche zurück und schaute sich um, ob er den Leutnant entdecken konnte. Da war er, gar nicht weit entfernt.
Plötzlich schlugen drei ASW-Raketen der Agray in die Gehäuse der Silkworm-Raketen an Bord der Quwwat ein. Die nachfolgenden Detonationen waren so laut und hell, dass Moore untertauchte, um sich zu schützen. Dann schwamm er zum Leutnant hinüber, der in Rückenlage auf dem Wasser trieb und anscheinend bewusstlos war. Auf der linken Seite seines Kopfes war ein tiefer Schnitt zu erkennen, der immer noch heftig blutete. Er hatte sich wohl an einem scharfen Trümmerstück verletzt, als er auf dem Wasser aufkam. Moore tauchte an der Schulter des Mannes wieder auf und spritzte Salzwasser auf die Wunde, während ihn Kayani mit leerem Blick anstarrte. »Leutnant! Aufwachen! Schnell!«
30 Meter von ihnen entfernt trieb brennender Dieseltreibstoff auf der Meeresoberfläche. Der Gestank war so entsetzlich, dass Moore das Gesicht verzog. Gleichzeitig spürte er zum ersten Mal fast körperlich das tiefe Brummen der Dieselmotoren - das U-Boot. Er hatte keine Eile und würde sich den Wracks auf keinen Fall nähern, bevor die Flammen erloschen waren.
Offensichtlich trieben auch noch andere Männer im Wasser. Obwohl sie kaum zu erkennen waren, hörte man zwischen den einzelnen Explosionen ihre Rufe. Ganz in der Nähe erklang jetzt ein erstickter Schrei. Moore suchte mit den Augen die Umgebung nach dem Taliban-Gefangenen ab, aber der doppelte Donnerschlag einer weiteren Detonation brachte ihn erneut zum Abtauchen. Als er sich, zurück an der Oberfläche, umdrehte, wies die Quwwat bereits eine bedenkliche Schlagseite nach Backbord auf und drohte jeden Augenblick zu sinken. Der Bug der Agray war sogar schon völlig überspült. Überall wüteten Feuer, und schwarzer Rauch stieg auf. Immer noch ging mit scharfem Knall und dumpfem Wummern Munition hoch. Die Luft war von einem beißenden Dunst erfüllt, der nach brennendem Gummi und Kunststoff roch.
Obwohl er die Feuerhitze bereits deutlich im Gesicht spürte, zwang sich Moore, ruhig zu bleiben. Er zog die Schuhe aus, knotete die Schnürsenkel zusammen und hängte sie sich um den Hals. Bis zum Ufer sind es fünf Kilometer ... allerdings hatte er keine Ahnung, in welcher Richtung dieses Ufer lag. Wohin auch immer er blickte, mit Ausnahme der lodernden Flammen war es stockdunkel. Jedes Mal, wenn er auf die Feuersbrunst schaute, war danach seine Nachtsicht für einige Zeit gleich null.
Lichtblitz - Lichtblitz - Lichtblitz. Einen Augenblick. Er versuchte, sich zu erinnern. Er begann zu zählen ... eins eintausend, zwei eintausend ... bei neunzehn wurde er durch drei weitere kurze Lichtblitze belohnt. Jetzt wusste er, wo der Turshian-Mouth-Leuchtturm lag.
Moore zog Kayani an sich heran, um ihn zu stabilisieren. Der Leutnant, der immer wieder das Bewusstsein verlor, schaute Moore jetzt groß an. Als er jedoch das Feuer vor ihnen bemerkte, geriet er in Panik. Er streckte die Hand aus und packte Moore mit aller Kraft am Kopf. Offensichtlich wusste er gar nicht genau, was er da tat, wie es bei Menschen unter Schock ja oft der Fall ist. Moore musste allerdings sofort darauf reagieren, sonst hätte ihn der rasende Leutnant leicht ertränkt.
Moore presste also seine Handflächen mit ausgestreckten Fingern an Kayanis Hüften, wobei er diesem die Daumen fest in die Seite presste. Danach drückte er Kayani in eine horizontale Lage zurück. Durch den Hebeleffekt gelang es ihm, den Griff des Mannes zu lösen. Als Moore seinen Kopf wieder frei bewegen konnte, schrie er: »Ganz ruhig! Ich lasse Sie nicht im Stich! Tief durchatmen!« Dann packte er ihn am Kragen. »Ab jetzt ziehe ich Sie. Lassen Sie sich einfach auf dem Rücken treiben.«
Moore wählte den Seitenschwimmstil, wie ihn die Kampfschwimmer benutzten, wenn sie im Einsatz Lasten hinter sich herziehen mussten. Mit dem Leutnant im Schlepptau schwamm er um die brennenden Trümmer herum. Dabei kamen sie manchmal den hell lodernden Diesellachen bedrohlich nahe. Moores Ohren begannen infolge der ständigen Donnerschläge und der wie ein ständiges lautes Fauchen klingenden Geräusche der Brände allmählich zu schmerzen.
Kayani blieb ruhig, bis sie auf die Leichen einiger seiner Männer stießen, die reglos im Wasser trieben. Er rief laut ihre Namen, und Moore verdoppelte seine Anstrengungen, um möglichst schnell von ihnen wegzukommen. Trotzdem wurde das Meer immer grausiger. Immer wieder schwammen einzelne Gliedmaßen, hier ein Arm, dort ein Bein, an ihnen vorbei. Vor ihnen tauchte etwas Dunkles auf. Auf dem Wasser trieb ein Turban. Der Turban des Gefangenen. Moore hielt an und schaute nach rechts und nach links, bis er eine leblose Gestalt ausmachte, die auf den Wellen dümpelte. Er schwamm hinüber und drehte den Körper auf die Seite, bis er das bärtige Gesicht, den schwarzen Overall und den schrecklichen Schnitt quer über die Kehle erkennen konnte, der dessen Halsschlagader durchtrennt hatte. Es war ihr Mann. Moore biss die Zähne zusammen und packte Kayani wieder fest am Kragen. Bevor er weiterschwamm, schaute er in Richtung des Unterseeboots. Es war bereits verschwunden.
In seiner Zeit bei den SEALs konnte Moore auf offener See ohne Flossen eine Strecke von 3,2 Kilometer in weniger als 70 Minuten schwimmen. Mit einem anderen Mann im Schlepptau war das natürlich nicht möglich, aber er war entschlossen, auch diese Aufgabe zu meistern.
Er konzentrierte sich auf den Leuchtturm, atmete ruhig und stieß sich methodisch und regelmäßig mit den Beinen vorwärts. Seine Bewegungen waren bedachtsam und flüssig, er vergeudete keine Energie. Jeder Arm- und Beinschwung lenkte die Kraft dorthin, wo sie gebraucht wurde. Immer wieder hob er kurz den Kopf über Wasser, machte einen tiefen Atemzug, um danach seinen Weg mit der Präzision einer Maschine fortzusetzen.
Plötzlich hörte er hinter sich jemand rufen. Als er anhielt und sich umdrehte, entdeckte er eine kleine Gruppe von vielleicht 10 bis 15 Männern, die ihn mit aller Macht zu erreichen versuchten.
»Folgt mir einfach!«, rief er ihnen zu. »Folgt mir.«
Jetzt versuchte er nicht nur, Kayani zu retten. Er musste die übrigen Überlebenden motivieren, mit ihm zusammen das Ufer zu erreichen. Dies waren zwar Marinesoldaten, die ein hartes Schwimmtraining absolviert hatten. Trotzdem waren 5 Kilometer auf offener See eine entsetzlich lange Strecke, vor allem wenn man sie mit Verletzungen zurücklegen musste. Deshalb durften sie ihn auf keinen Fall aus den Augen verlieren.
In seinem Schwimmarm und seinen Beinen sammelte sich immer mehr Milchsäure an. Der Muskelkater wurde von Meter zu Meter schlimmer. Er schraubte seine Geschwindigkeit etwas zurück und schüttelte die Beine und den überbeanspruchten Arm, atmete noch einmal tief durch und befahl sich selbst: Ich werde nicht aufgeben. Niemals.
Von nun an konzentrierte er sich auf diesen Gedanken. Er würde seine Gruppe anführen und alle diese Männer heil an Land bringen - selbst wenn ihn dies das Leben kosten sollte. Er geleitete sie durch die steigenden und fallenden Wogen, ein Schwimmstoß und ein Beinschwung nach dem anderen, auch wenn ihm diese zunehmend schwerer fielen. Er lauschte den Stimmen aus seiner Vergangenheit, den Stimmen seiner Ausbilder und ersten Vorgesetzten, die ihr Leben der Aufgabe gewidmet hatten, bei ihm und vielen anderen den Kampfgeist zu wecken, der tief in ihrem Herzen geschlummert hatte.
Fast 90 Minuten später hörte er zum ersten Mal die Uferbrandung. Jedes Mal, wenn ihn die Wellen emportrugen, sah er, dass sich zahlreiche Taschenlampen am Strand entlangbewegten. Wo es Taschenlampen gab, musste es auch Menschen geben. Sie waren ans Ufer geeilt, um die Brände und Explosionen draußen auf dem Meer zu beobachten. Jetzt würden sie wohl bald auch ihn bemerken. Moores Geheimoperation würde bald kein Geheimnis mehr sein. Er fluchte und warf einen Blick nach hinten. Die Gruppe der Überlebenden war mindestens 50 Meter zurückgefallen. Sie hatten mit Moores strammem Tempo nicht mithalten können. Jetzt konnte er sie kaum noch sehen.
Als seine nackten Füße den sandigen Boden berührten, war Moore völlig fertig und ließ alles, was er noch bei sich hatte, in der Arabischen See zurück. Kayani kam immer noch nur kurz zu Bewusstsein, als ihn Moore durch die Brandung schleppte und auf den Strand zog, wo sich sogleich fünf oder sechs Dorfbewohner um die beiden scharten. »Ruft Hilfe herbei!«, brachte er gerade noch heraus.
In der Entfernung schlugen immer noch Flammen hoch. Es wirkte wie ein Hitzegewitter, das ein Negativbild der Wolken hervorrief. Die Silhouetten der beiden Schiffe waren jedoch verschwunden, nur der Rest des auf dem Wasser schwimmenden Treibstoffs brannte weiterhin ab.
Moore zog sein Handy heraus, aber es hatte den Geist aufgegeben. Wenn er das nächste Mal Gefahr lief, von einem U-Boot angegriffen zu werden, wollte er sich zuvor eine wasserdichte Version zulegen. Er bat einen der Dörfler, einen milchbärtigen Jungen im Oberschulalter, ihm sein Mobiltelefon zu leihen.
»Ich habe gesehen, wie die Schiffe explodiert sind«, stieß der Junge atemlos hervor.
»Ich auch«, blaffte ihn Moore an, um dann jedoch freundlicher hinzuzufügen: »Danke für das Handy.«
»Geben Sie es mir«, rief Kayani vom Strand herüber. Seine Stimme klang zwar noch recht brüchig, aber er schien jetzt doch wieder klar im Kopf zu sein. »Mein Onkel ist Oberst in der Armee. Er schickt uns innerhalb einer Stunde einen Hubschrauber. Das ist der schnellste Weg, um hier wegzukommen.«
»Hier, nehmen Sie es«, sagte Moore. Er hatte die Karten genau gelesen und wusste deshalb, dass es mit dem Auto bis zum nächsten Krankenhaus Stunden dauern würde. Als Treffpunkt der beiden Schiffe hatte man ja ganz bewusst einen Punkt vor einer dünn besiedelten ländlichen Küste ausgewählt.
Kayani erreichte seinen Onkel. Dieser versprach ihm, sofort einen Helikopter loszuschicken. Danach rief Kayani seinen Kommandeur an und bat ihn, eine Rettungsoperation der Küstenwache anzufordern, die nach weiteren Schiffbrüchigen suchen sollte. Allerdings verfügte die pakistanische Küstenwacht nicht über Rettungshubschrauber, und ihre in China gebauten Korvetten und Patrouillenboote würden erst am Spätvormittag eintreffen. Moore fing erneut an, die Brandung zu beobachten. Jede anrollende Welle suchte er mit den Augen nach eventuellen Überlebenden ab.
Fünf Minuten. Zehn. Nichts. Keine einzige Seele. Er musste an das Blut und die abgerissenen Körperteile denken, auf die sie im Wasser immer wieder gestoßen waren. Die hatten inzwischen bestimmt alle Haie der näheren und weiteren Umgebung angelockt. Die wohl überwiegend verwundeten Schwimmer hatten deren Angriffen wahrscheinlich nicht viel entgegenzusetzen.
Nach einer halben Stunde entdeckte Moore den ersten leblosen Körper, der wie ein Stück Treibholz auf den Wellen dümpelte und schließlich an Land gespült wurde. Viele andere würden folgen.
Erst nach über einer Stunde näherte sich von Nordwesten ein Mi-17-Helikopter. Das Dröhnen seiner beiden Turbinen und das laute Sirren der Rotoren wurden von den Hügeln der Umgebung wie ein Echo zurückgeworfen. Der Hubschrauber war von den Sowjets speziell für ihren Krieg in Afghanistan entwickelt worden und schließlich sogar zu einem Symbol dieses Konflikts geworden, als diese Goliathe der Lüfte von den afghanischen Davids immer häufiger vom Himmel geholt wurden. Die pakistanische Armee verfügte über fast hundert dieser Mi-17. Moore hatte sich dieses eigentlich recht triviale Detail deshalb gemerkt, weil er schon öfter als Passagier in einem Mi-17 mitgeflogen war. Einmal hatte sich dabei der Pilot laut über diesen »Schrotthaufen« beklagt, der bei jedem zweiten Einsatz den Geist aufgeben würde. Auch die anderen fast hundert Exemplare der pakistanischen Armee seien in keinem besseren Zustand.
Leicht beunruhigt bestieg Moore den Hubschrauber, der ihn und Kayani jedoch schnell und sicher in das Sindh-Government-Krankenhaus in Liaquatabad Town, einem Vorort von Karatschi, beförderte. Unterwegs verabreichten die Sanitäter dem pakistanischen Leutnant so starke Schmerzmittel, dass sich dessen verzerrte Gesichtszüge zusehends entspannten. Als sie landeten, ging gerade die Sonne auf.
Etwa eine Stunde später fuhr Moore mit dem Aufzug in den ersten Stock des Krankenhauses hinauf, um Kayani in seinem Krankenzimmer zu besuchen. Den Leutnant würde ab jetzt eine hübsche Kampfnarbe zieren, was es ihm bestimmt leichter machen würde, schöne junge Frauen ins Bett zu bekommen ... Beide Männer waren stark dehydriert, weswegen der Pakistani jetzt auch am Tropf hing.
»Wie geht es Ihnen?«
Kayani hob mit Mühe den Arm und griff an seinen Kopfverband. »Ich habe immer noch Kopfschmerzen.«
»Das geht vorbei.«
»Allein hätte ich es nicht zurückgeschafft.«
Moore nickte. »Es hatte Sie ganz schön erwischt, und Sie haben ziemlich viel Blut verloren.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ein schlichtes Dankeschön genügt wohl nicht.«
Moore nahm einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche, die ihm eine Krankenschwester gereicht hatte. »Hey, geschenkt, das war doch selbstverständlich.« Eine Bewegung auf dem Gang erregte Moores Aufmerksamkeit. Es war Douglas Stone, ein CIA-Kollege, der jetzt über seinen grau melierten Bart strich und ihn über den Rand seiner Brille hinweg fixierte. »Ich muss gehen«, sagte Moore.
»Mr. Fredrickson, warten Sie einen Moment.«
Moore runzelte die Stirn.
»Kann ich Sie irgendwie erreichen?«
»Sicher, warum?«
Kayani blickte Stone an und spitzte den Mund.
»Oh, er ist okay. Ein guter Freund.«
Der Leutnant zögerte noch ein paar Sekunden und sagte dann: »Ich möchte Ihnen danken ... irgendwie.«
Moore riss von einem kleinen Block auf dem Nachttischchen ein Blatt Papier ab, kritzelte darauf eine E-Mail-Adresse und reichte den Zettel dem Leutnant.
Dieser umklammerte den Zettel mit der Faust. »Ich melde mich.«
Moore zog die Schultern hoch. »Okay.«
Auf dem Gang warf er Stone einen scharfen Blick zu und zischte ihn an: »Also, Doug, erzähl mal ... was zum Teufel ist da draußen passiert?«
»Ich weiß, ich weiß.« Stone wählte seinen üblichen beruhigenden Ton. Dieses Mal kam er jedoch bei Moore damit nicht durch.
»Wir haben den Indern ausdrücklich versichert, dass es bei der Übergabe keinerlei Probleme geben würde. Sie mussten ja in pakistanisches Hoheitsgewässer einfahren. Deshalb waren sie äußerst besorgt.«
»Uns hat man gesagt, dass die Pakistani alles arrangieren würden.«
»Und wer hat dann Scheiße gebaut?«
»Angeblich hat der U-Boot-Kommandant nie den Befehl erhalten, in diesem Zeitraum im Hafen zu bleiben. Jemand hat das wohl vergessen. Er war dann auf seiner üblichen Patrouillenfahrt und dachte, er habe eine indische Geheimoperation entdeckt. Er gibt an, dass er die Schiffe mehrmals vergeblich aufgefordert habe, sich zu identifizieren.«
Moore kicherte. »Na ja, nach ihm Ausschau gehalten haben wir tatsächlich nicht - und als wir ihn dann sahen, war es bereits zu spät.«
»Der Kommandant hat auch noch berichtet, er habe an Bord der Inder Gefangene gesehen, die er für Pakistani gehalten habe.«
»Er war also bereit, auf seine eigenen Leute zu schießen?«
»Schon möglich.«
Moore blieb abrupt stehen, wirbelte herum und starrte seinen Kollegen an. »Der einzige Gefangene, den sie hatten, war unser Taliban-Typ.«
»Schon gut, Max, ich weiß, was du gerade hinter dir hast.«
»Schwimm fünf Kilometer mit mir durchs offene Meer, dann weißt du es wirklich.«
Stone nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen. »Sieh mal, es könnte schlimmer sein. Wir könnten jetzt auch unsere Botschafter in Delhi sein und uns überlegen müssen, wie wir uns so bei den Indern entschuldigen, dass sie keine Atombombe auf Islamabad werfen.«
»Das wäre nett - denn dort muss ich als Nächstes hin.«
Entscheidungen
Marriott-Hotel Islamabad, Pakistan Drei Wochen später
Leutnant Maqsud Kayani wollte sich bei Moore für seine Rettung bedanken, indem er ihn mit seinem Onkel, dem pakistanischen Armeeoberst Saadat Khodai, bekannt machte. Nach seiner Ankunft in Islamabad fand Moore eine E-Mail mit diesem Vorschlag in seiner Mailbox. Kayani teilte ihm vor dem ersten Treffen sogar mit, dass sein Onkel, der ihre Rettung mit dem Hubschrauber organisiert hatte, wegen eines ethischen Dilemmas in letzter Zeit unter Depressionen leide. Die E-Mail enthüllte zwar nicht die genaue Natur dieser seelischen Krise, aber Kayani betonte, dass eine solche Begegnung sowohl für seinen Onkel wie auch für Moore ausgesprochen nützlich sein könnte.
Dem ersten Treffen folgten dann viele weitere und lange Gespräche. Moore dämmerte es allmählich, dass Khodai die Namen einiger hoher Armeeoffiziere kannte, die heimlich die Taliban aktiv unterstützten. Daraufhin trank er viele Liter Tee mit dem Oberst und versuchte ihn dazu zu bringen, ihm alles zu erzählen, was er über die Infiltration der Taliban und deren Aktivitäten in den Stammesgebieten im Nordwesten des Landes wusste. Dabei interessierte er sich vor allem für die Region, die als Waziristan bekannt ist. Der Oberst zögerte jedoch lange, mit diesen Informationen herauszurücken. Für ihn war das wohl ein schwerer Tabubruch. Moore wurde immer frustrierter, wenngleich er Khodai auch gut verstehen konnte.
Der Oberst machte sich nicht nur Sorgen um mögliche Gefahren für seine Familie. Er musste auch gegen seine tiefsitzende persönliche Überzeugung ankämpfen, niemals etwas Negatives über seine Offizierskameraden zu sagen oder diese auf irgendeine andere Art und Weise zu verraten, selbst wenn sie ihren Treueid gegenüber Pakistan und seiner geliebten Armee gebrochen hatten. Seine Gespräche mit Moore brachten ihn jedoch allmählich dazu, an seiner Haltung zu zweifeln. Wenn nicht diesem Mann, wem sollte er dann erzählen, was er wusste?
Eines Abends rief er Moore an und teilte ihm mit, dass er jetzt zu einer Aussage bereit sei. Moore holte ihn in seinem Haus ab und fuhr ihn in das Hotel, wo bereits zwei weitere CIA-Agenten auf die beiden warteten. Auf dem Gästeparkplatz des Marriott stellte er das Auto ab.
Khodai war gerade fünfzig geworden, und sein dichtes, kurz geschnittenes Haar war bereits voller grauer Strähnen. Seine Augen wirkten müde und klein. Sein vorstehendes Kinn zierte ein schneeweißer Dreitagebart. Er trug Zivilkleidung, eine schlichte Hose und ein Oberhemd ohne Krawatte. Nur die Militärstiefel verrieten seinen Beruf. Sein BlackBerry steckte fest in einem Lederetui, das er jetzt nervös zwischen seinem Daumen und Mittelfinger drehte.
Als Moore gerade die Autotür öffnen wollte, hob Khodai die Hand. »Warten Sie. Ich habe zwar gesagt, dass ich bereit bin, aber vielleicht brauche ich doch noch etwas Zeit.«
Der Oberst hatte sein Englisch in der Highschool gelernt und danach die Universität des Punjab in Lahore besucht, wo er ein Ingenieurexamen abgelegt hatte. Trotz seines schweren Akzents verfügte er über einen eindrucksvollen englischen Wortschatz. Sein Tonfall war absolut souverän und beherrschend. Moore konnte gut nachvollziehen, warum er so schnell aufgestiegen war und Karriere gemacht hatte. Wenn er sprach, zog er automatisch die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. Moore entspannte sich, ließ den Türgriff los und sagte: »Sie sind dazu bereit. Und Sie werden sich zuletzt auch selbst vergeben.«
»Glauben Sie das wirklich?«
Moore wischte sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Auge, seufzte und antwortete: »Ich wünsche es mir wenigstens.«
Sein Gegenüber grinste schwach. »Sie haben eine mindestens so schwere Last und Verantwortung zu tragen wie ich.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ich erkenne einen Ex-Militär, wenn ich einen sehe. Und in Ihrem jetzigen Beruf haben Sie bestimmt eine Menge erlebt!«
»Kann sein. Aber Sie müssen sich die Frage stellen, welche Last schwerer wiegt? Etwas zu unternehmen oder nichts zu tun?«
»Sie sind noch ein sehr junger Mann, aber offensichtlich ziemlich weise für Ihr Alter.«
»Ich kann Ihre Bedenken gut verstehen.«
Khodai hob die Augenbrauen. »Habe ich Ihr Versprechen, dass man meine Angehörigen schützen und ihnen nichts passieren wird?«
»Darauf können Sie sich verlassen. Was Sie tun werden, wird viele Leben retten. Aber das wissen Sie ja selbst.«
»Natürlich. Aber ich bringe ja nicht nur mich und meine Karriere in Gefahr. Sowohl die Taliban als auch meine Offizierskollegen kennen keine Gnade. Sie sind absolut skrupellos. Ich habe immer noch die Sorge, dass selbst Ihre Freunde uns nicht helfen können - trotz all Ihrer Versicherungen.«
»Dann werde ich nicht weiter in Sie dringen. Es ist ganz allein Ihre Entscheidung. Wir wissen beide, was passieren wird, wenn Sie jetzt nicht dort hinaufgehen. Immerhin das können wir voraussagen.«
»Sie haben recht. Ich kann nicht länger still dasitzen und zusehen. Sie werden uns unser Handeln nicht mehr vorschreiben. Sie werden uns nicht unserer Ehre berauben. Niemals.«
»Nun, ich kann nur mein Angebot wiederholen, dass wir Ihre Familie in die Vereinigten Staaten bringen. Dort könnten wir sie viel besser beschützen.«
Der Oberst schüttelte den Kopf und rieb sich die Schläfen. »Ich kann ihr Leben nicht einfach so aus dem Lot bringen. Meine Söhne gehen beide noch auf die Oberschule. Meine Frau wurde gerade erst befördert. Sie arbeitet in dem Technikzentrum ganz hier in der Nähe. Pakistan ist unsere Heimat. Die werden wir auch niemals verlassen.«
»Dann helfen Sie uns, Ihre Heimat besser und sicherer zu machen.«
Khodai schaute Moore mit großen Augen an. »Was würden Sie an meiner Stelle tun?«
»Ich würde den Terroristen nicht den Sieg überlassen, indem ich nichts tue. Zweifellos ist das die schwerste Entscheidung Ihres Lebens. Ich weiß das. Ich nehme das auch nicht auf die leichte Schulter. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich Sie für das respektiere, was Sie jetzt tun werden. Das erfordert viel Mut. Sie sind ein Mann, der für Gerechtigkeit steht. Also, ja, wenn ich Sie wäre, würde ich diese Autotür öffnen und mit mir zu meinen Freunden hinaufgehen. Damit werden wir auch die Ehre der pakistanischen Armee retten.«
Khodai schloss die Augen und sein Atem wurde flach. »Sie klingen wie ein Politiker, Mr. Moore.«
»Mag sein, aber im Unterschied zu jenen glaube ich an das, was ich sage.«
Khodai musste ganz leicht grinsen. »Ich hätte eigentlich gedacht, dass Sie vor Ihrer Militärzeit ein privilegiertes Leben geführt haben.«
»Ganz und gar nicht.« Moore dachte einen Moment nach. »Sind Sie bereit, Oberst?«
Der pakistanische Offizier schloss die Augen. »Ja, bin ich.«
Sie stiegen aus und gingen quer über den Parkplatz zu dem von einer Markise gekrönten Haupteingang des Hotels hinüber. Moore ließ die Augen über die Straße und den Parkplatz wandern. Er schaute sogar zu den Dächern der umliegenden Gebäude empor, ohne jedoch etwas Verdächtiges zu bemerken. Sie gingen an den Taxifahrern vorbei, die sich an die Motorhaube ihrer Fahrzeuge lehnten und rauchten. Sie nickten den jungen Hotelpagen zu, die vor einem kleinen Pult und einem Wandkasten standen, in dem Dutzende von Schlüsseln hingen. Die Eingangswand war offensichtlich vor kurzer Zeit wegen befürchteter Bombenanschläge verstärkt worden. In einer Sicherheitsschleuse wurden sie auf Sprengstoff und Waffen geröntgt. Sie betraten die mit elfenbeinfarbenen, hell glänzenden Marmorplatten ausgelegte Lobby. Hinter dem kunstvoll verzierten Checkin- Schalter beschäftigte sich das dunkel gekleidete Empfangspersonal mit den Gästen. Ein bärtiger Mann in einem weißen Baumwollanzug spielte auf einem links von ihnen stehenden Stutzflügel eine sanfte Melodie. Am Schalter warteten einige Männer, die Moore für Geschäftsleute hielt. Sonst wirkte das Hotel ruhig und einladend. Er nickte Khodai kurz zu, und sie gingen zu den Aufzügen.
»Haben Sie Kinder?«, fragte Khodai, während sie auf den Lift warteten.
»Nein.«
»Hätten Sie gern welche?«
»Dazu müsste ich ein anderes Leben führen. Ich bin zu viel unterwegs. Das wäre Kindern gegenüber nicht fair. Warum fragen Sie?«
»Weil alles, was wir tun, eine bessere Welt für unsere Kinder schaffen soll.«
»Sie haben recht. Na ja, vielleicht später einmal.«
Khodai legte eine Hand auf Moores Schulter. »Opfern Sie sich nicht für Ihren Dienstherrn auf. Das werden Sie später bereuen. Werden Sie Vater, und die Welt sieht auf einmal ganz anders aus.«
Moore nickte. Er hätte Khodai gerne von den vielen Frauen erzählt, mit denen er über die Jahre zusammen gewesen war, und über all die Beziehungen, die seiner Karriere in der Navy und der CIA zum Opfer gefallen waren. Einige Leute behaupteten, die Scheidungsrate der SEALs betrage fast 90 Prozent. Wie viele Frauen wollten auch einen Mann, den sie kaum je zu Gesicht bekommen würden? Die Ehe wurde dann fast so etwas wie eine Affäre. Eine von Moores Ex-Freundinnen wäre das sogar ganz recht gewesen. Sie wollte einen anderen Mann heiraten, dabei jedoch die Beziehung zu ihm aufrechterhalten. Sie schätzte seinen Humor und die körperlichen Freuden, die er ihr bereitete und die ihr der andere Mann nicht bieten konnte. Dieser sollte sie dagegen finanziell unterhalten und als Gefühlskissen dienen. Mit einem Ehemann für das Alltagsleben und einem Navy-SEAL für die schönen Stunden hätte sie das Beste aus beiden Welten gehabt. Allerdings wollte Moore dieses Spiel dann doch nicht mitmachen. Zu seinem Unglück hatte er auch mit zu vielen Callgirls, Stripperinnen und verrückten betrunkenen Frauen das Lager geteilt, als dass er sie überhaupt noch zählen konnte. Allerdings war er in den letzten Jahren ruhiger geworden. In seinen Hotelbetten brauchte er normalerweise nur noch ein einziges Kissen. Seine Mutter lag ihm ständig in den Ohren, er solle sich endlich ein nettes Mädchen suchen und ein ruhigeres Leben führen. Er lachte dann nur und erklärte ihr, dass ein solches Leben für ihn unmöglich sei, weswegen er auch kein solches »nettes Mädchen « finden werde. Dann fragte sie ihn gewöhnlich: »Glaubst du nicht, dass du etwas zu selbstsüchtig bist?« Er akzeptierte diese Aussage. Er könne gut verstehen, dass sie Enkel wolle, aber sein Job verlange ihm viel zu viel ab. Er fürchte, dass ein ewig abwesender Vater viel schlimmer sei als überhaupt kein Vater.
Sie meinte darauf, er solle diesen Job eben an den Nagel hängen. Er entgegnete ihr, dass er nach all dem Kummer, den er ihr gemacht habe, endlich für sich einen Platz in dieser Welt gefunden habe. Den könne er nicht einfach so aufgeben. Niemals.
All das hätte er jetzt gerne Khodai mitgeteilt, denn sie schienen verwandte Seelen zu sein. Aber gerade jetzt erklang die Aufzugsglocke, und die Tür des Lifts öffnete sich. Sie gingen hinein. Als sich die Türen schlossen, schien der Oberst plötzlich noch blasser zu werden.
Schweigend fuhren sie in den vierten Stock hinauf. Als die Türen aufgingen, bemerkte Moore die Umrisse eines Mannes, der am anderen Ende des Ganges im Türrahmen des Treppenhauses stand. Es war ein Agent des pakistanischen Militärgeheimdiensts ISI. Dessen Gehörschutz erinnerte Moore an etwas. Er wollte sein Smartphone aus der Tasche holen, um den anderen CIA-Agenten mitzuteilen, dass sie sich jetzt ihrer Zimmertür näherten. Er musste jedoch feststellen, dass er es im Auto vergessen hatte. Er fluchte leise vor sich hin.
Er klopfte und rief: »Ich bin's, Leute.«
Die Tür öffnete sich und Agentin Regina Harris bat ihn und Khodai herein. Drinnen wartete bereits ihr Kollege Douglas Stone.
»Ich habe mein Handy im Auto gelassen«, sagte Moore. »Ich bin gleich wieder zurück.«
Als Moore den Gang zurückging, bemerkte er neben den Aufzügen einen zweiten Agenten. Eine kluge Maßnahme. Auf diese Weise konnte der ISI die gesamten Zugänge zum vierten Stock überwachen. Der zweite Mann war ein kleiner Kerl mit großen braunen Augen, der nervös in sein Handy hineinsprach. Er trug ein blaues Anzughemd, braune Hosen und schwarze Sportschuhe. Seine Gesichtszüge erinnerten an eine Maus.
Als der Mann Moore erblickte, ließ er sein Telefon
Übersetzung: Michael Bayer
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2012 by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Ein verdunkeltes Schiff muss immer und jederzeit ausweichen sowie allen anderen die Vorfahrt gewähren und sollte deshalb mit größter Vorsicht manövrieren, dachte Moore, als er vor dem Steuerhaus des OSA-1-Schnellboots Quwwat stand. Dieses war zwar in Pakistan selbst in der Werft von Karatschi gebaut worden, beruhte jedoch mit seinen vier HY-2-Boden-Boden-Raketen und seinen beiden 25-mm-Zwillings-Flak auf einem alten sowjetischen Bauplan. Drei Dieselmotoren und drei Schrauben trieben das 40 Meter lange Patrouillenboot mit 30 Knoten durch die Wellen, die unter einer dicht über dem Horizont stehenden Mondsichel silbern schimmerten. »Verdunkelt« bedeutete, dass weder die Topplaternen noch die Steuerbordlichter brannten. Die »Internationalen Kollisionsverhütungsregeln« (COLREGs) von 1972 schrieben vor, dass die Quwwat in diesem Zustand bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Schiff unabhängig von den jeweiligen Umständen auf jeden Fall schuld sein würde.
Am frühen Abend war Moore bei einbrechender Dämmerung in Begleitung des Leutnants Syed Mallaah eine Pier in Karatschi hinuntergegangen. Ihnen folgten vier Soldaten, die zur Pakistan Special Service Group Navy (SSGN) gehörten, einer Spezialeinheit der pakistanischen Marine, die den SEALs der US-Navy ähnelte, ohne jedoch über deren, ähm, Fähigkeiten und Kampf- kraft zu verfügen. An Bord der Quwwat hatte Moore auf einem Schnellrundgang bestanden, an dessen Ende er kurz dem Kapitän, Leutnant Maqsud Kayani, vorgestellt wurde, der jedoch gerade mit den Auslaufbefehlen beschäftigt war. Der Schnellboot-Kommandant konnte nicht viel älter als Moore sein, er schätzte ihn auf fünfunddreißig Jahre, womit aber die Ähnlichkeiten zwischen den beiden schon erschöpft waren. Moores breite Schultern standen in starkem Gegensatz zu Kayanis schmaler Radler-Statur, die seine Uniform kaum auszufüllen vermochte. Der Leutnant hatte eine Hakennase, und wenn er sich in der letzten Woche rasiert haben sollte, so war das zumindest nicht mehr zu erkennen. Trotz seines etwas rauen Aussehens genoss er die höchste Aufmerksamkeit und den Respekt seiner 28-köpfigen Mannschaft. Wenn er etwas anordnete, wurde es sofort ausgeführt. Schließlich drückte Kayani Moore kräftig die Hand und sagte: »Willkommen an Bord, Mr. Fredrickson.«
»Vielen Dank, Leutnant. Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen. «
»Keine Ursache.«
Sie unterhielten sich auf Urdu, der pakistanischen Nationalsprache, die Moore leichter erlernt hatte als Dari, Paschtu oder Arabisch. Diesen pakistanischen Marinesoldaten hatte man ihn als den Amerikaner »Greg Fredrickson« angekündigt, obwohl es ihm sein leicht dunkler Teint, sein dichter Bart und sein im Moment zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenes langes, schwarzes Haar erlaubten, sich als Afghane, Pakistani oder Araber auszugeben, wenn er dies wünschte.
Leutnant Kayani fuhr fort: »Keine Angst, Sir. Ich plane, unseren Bestimmungsort pünktlich, wenn nicht sogar etwas früher zu erreichen. Der Name dieses Boots bedeutet Schlagkraft oder Leistungsfähigkeit, und das trifft es ganz genau.«
»Hervorragend.«
Point Foxtrot, der vorgesehene Treffpunkt, lag 5 Kilometer vor der pakistanischen Küste und gerade außerhalb des Indus-Deltas. Dort würden sie vom indischen Patrouillenboot Agray einen Gefangenen übernehmen. Die indische Regierung hatte sich bereit erklärt, einen erst kürzlich verhafteten Taliban-Kommandeur namens Akhter Adam auszuliefern. Nach indischen Angaben war dieser Mann ein »hochrangiges Ziel« mit genauen Kenntnissen über die Operationen der Taliban-Truppen im Südabschnitt der afghanisch-pakistanischen Grenze. Die Inder glaubten, Adam habe vor seiner Festnahme seine eigenen Leute nicht mehr alarmieren können. Für diese war er einfach seit 24 Stunden verschwunden. Trotzdem drängte die Zeit. Beide Regierungen wollten sicherstellen, dass die Taliban niemals erfuhren, in wessen Hände Adam gefallen war. Aus diesem Grund waren an dieser Übergabe auf See keine amerikanischen Soldaten oder militärischen Einheiten der US-Navy beteiligt - außer einem gewissen CIA-Agenten für paramilitärische Operationen namens Maxwell Steven Moore.
Freilich hatte Moore gewisse Bedenken, diesen Einsatz mit einem Sicherheitsteam der SSGN durchführen zu müssen, das von einem jungen, unerfahrenen Leutnant geführt wurde. Bei der Vorbesprechung hatte man ihm jedoch versichert, dass Mallaah, ein Einheimischer aus der ganz in der Nähe liegenden Stadt Thatta in der Sindh-Provinz, absolut loyal, hoch angesehen und für seine Zuverlässigkeit bekannt sei. Für Moore mussten Loyalität, Vertrauen und Respekt zwar erst einmal verdient werden, aber es würde sich bald herausstellen, ob der Leutnant der Aufgabe gewachsen war. Immerhin war Mallaahs Job ziemlich wichtig: Er musste die Übergabe überwachen und für den Schutz Moores und des Gefangenen sorgen.
Wenn Akhter Adam sicher an Bord war, wollte Moore bereits auf der Rückfahrt in den Hafen von Karatschi mit seinem Verhör beginnen. In dieser Zeit wollte er klären, ob der Kommandeur tatsächlich ein »hochrangiges Ziel« war, das die Aufmerksamkeit der CIA verdiente, oder jemand, den man den Pakistani zu einer kleinen Kurzweil überlassen konnte.
Auf der Backbordseite durchdrangen drei schnelle weiße Lichtblitze die Dunkelheit, die vom TurshianMouth- Leuchtturm stammten, der den Eingang zum Indus bewachte. Die Sequenz wiederholte sich alle zwanzig Sekunden. Etwas weiter östlich bemerkte Moore auf der Steuerbordseite den einzelnen weißen Lichtblitz des Kajhar-Creek-Leuchtfeuers, der alle zwölf Sekunden aufleuchtete. Das Drehlinsenfeuer des vielumkämpften Kajhar-Creek-(oder Sir-Creek-)Leuchtturms kam exakt von der indisch-pakistanischen Grenze. Moore hatte sich bei der Einsatzbesprechung die Navigationskarten gründlich angesehen und sich vor allem Namen und Lage der Leuchttürme und ihre spezifischen Leuchtsequenzen genau eingeprägt. Solche alten SEAL-Gewohnheiten saßen eben sehr tief.
Da der Mond um 2.20 Uhr unterging und der Himmel zur Hälfte bewölkt war, erwartete Moore, dass es während des Treffens um 3.00 Uhr stockdunkel sein würde. Auch die Inder würden ihr Schiff völlig abdunkeln. Notfalls würden ihnen die Leuchtfeuer von Kajhar Creek und Turshian Mouth eine genaue Positionsbestimmung ermöglichen.
Leutnant Kayani hielt tatsächlich Wort. Als sie genau um 2.50 Uhr Point Foxtrot erreichten, ging Moore zur anderen Seite des Steuerhauses hinüber, wo an Backbord das einzige vorhandene Nachtsichtgerät angebracht war. Kayani war bereits dort und versuchte, etwas in der stockfinsteren Nacht auszumachen. In der Zwischenzeit hatten sich Mallaah und sein Team mittschiffs auf dem Hauptdeck aufgestellt, um den Gefangenen an Bord zu holen, sobald das indische Schiff längsseits gehen würde.
Als er Moore kommen hörte, überließ Kayani ihm das Nachtsichtgerät. Trotz der aufziehenden Wolken lieferte das Sternenlicht immer noch genug Photonen, um das indische Patrouillenboot der Pauk-Klasse in ein unheimliches grünes Zwielicht zu tauchen. Sogar die Zahl 36 am Rumpf war zu erkennen. Die von Steuerbord heranrauschende Agray war mit ihren 500 Tonnen doppelt so schwer wie die Quwwat. Sie war mit acht GRAIL-Boden- Luft-Raketen und zwei RBU-1200-ASW-Raketenwerfern auf der Steuerbordseite ausgerüstet. Jedes aus fünf Werferrohren bestehende System konnte Täuschkörper sowie ASW-Raketen auf Bodenziele oder zur U-Boot-Bekämpfung abfeuern. Die Quwwat wirkte neben ihr geradezu winzig.
Die Agray driftete jetzt langsam an Steuerbord entlang und bereitete sich auf die endgültige Annäherung vor. Moore entdeckte ihren Namen, der mit schwarzen Buchstaben quer über das Heck gemalt war, das aus dem Gischtnebel auftauchte. Als er dann einen Blick durch die Steuerhaus-Tür auf die Backbordseite warf, bemerkte er einen »kurz-lang, kurz-lang«-Lichtblitz. Er versuchte sich daran zu erinnern, welcher Leuchtturm diese Lichtfolge verwendete. Inzwischen hatte die Agray ihr Anlegemanöver fast beendet, und Kayani lehnte sich über die Steuerbord-Reling, um das Ausbringen der Fender zu überwachen, die eventuelle Schäden am Schiffsrumpf möglichst klein halten oder ganz verhindern sollten, die beim Kontakt der beiden Schiffe durch den Seegang entstehen konnten.
Da, wieder diese Lichtblitze: kurz-lang, kurz-lang.
Von wegen Leuchtturm ..., dachte Moore. ALPHA-ALPHA bedeutete im internationalen Morsecode so etwa: »Wer zum Teufel sind Sie?«
Moore überlief es eiskalt. »Leutnant, wir bekommen ein ALPHA-ALPHA auf der Backbordseite. Sie fordern uns auf beizudrehen!«
Kayani stürzte zur Backbord-Reling hinüber. Moore stellte sich direkt hinter ihn. Wie oft hatte man sie wohl schon aufgefordert, sich zu identifizieren? Sie befanden sich zwar immer noch in pakistanischen Küstengewässern, aber wie genau sahen die pakistanischen Marine- Einsatzregeln aus?
Plötzlich explodierte über ihren Köpfen eine Leuchtrakete. Deren Licht ließ tiefe Schatten über die Decks der beiden Patrouillenboote huschen. Moore spähte angestrengt auf die See hinaus. Was er dann erblickte, erschien ihm wie ein Albtraum. Etwa 1000 Meter von ihnen entfernt durchbrach ein U-Boot mit einem riesigen schwarzen Turm die Fluten. Seine schwarzen Decks wurden immer wieder überspült, während es seinen Bug genau auf sie richtete. Der Kommandant hatte sich zum Auftauchen entschlossen, um die vermeintlichen Eindringlinge aufzubringen. Da sie nicht geantwortet hatten, hatte er ein Leuchtgeschoss abgefeuert, um sein Ziel visuell genau ausmachen zu können.
Kayani führte den Feldstecher, der ihm um den Hals hing, an die Augen und stellte ihn scharf. »Es ist die Shushhuk! Sie ist eines unserer Boote! Sie sollte jedoch daheim an der Pier liegen.«
Moores Brust zog sich zusammen. Was zum Teufel hatte ein U-Boot der pakistanischen Marine an ihrem Treffpunkt zu suchen?
Er drehte sich zur Agray um. Inzwischen stand der Taliban-Gefangene bestimmt schon zur Übergabe bereit auf ihrem Deck. Laut Plan sollte der an den Händen gefesselte Adam einen schwarzen Overall und einen Turban tragen und von zwei schwer bewaffneten MARCOS, Elitesoldaten des indischen Marinekommandos, bewacht werden. Moore wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem U-Boot zu ...
Und da sah er es: eine phosphoreszierende Linie bewegte sich durch das Wasser an ihrem eigenen Heck vorbei auf die Agray zu.
Er deutete mit dem Finger darauf und rief: »TORPEDO! «
Im nächsten Augenblick packte Moore Kayani von hinten und stieß ihn über die Reling ins Wasser. Als er selbst hineinsprang, traf der Torpedo die Agray. Das Donnern und Blitzen der folgenden Explosion war so surreal wie schockierend nahe. Mehrere Wellen von Metalltrümmern schwirrten durch die Luft, prallten vom Rumpf der Quwwat ab und peitschten wie eiserne Regengüsse in das umliegende Wasser.
Moores Augen weiteten sich, als die dampfende, zischende See auf sie zukam, die jetzt von den glühend heißen Metallsplittern aus dem Rumpf, den Decks und dem Torpedo erhitzt wurde, die bei jeder weiteren Explosion von der Agray aufstiegen. Als er ins Wasser eintauchte, wobei er fast auf einem scharf gezackten Stück Stahl gelandet wäre, explodierten die GRAIL-BodenLuft- Gefechtsköpfe der Agray und sämtliche ASW-Raketen auf ihrem Vorderdeck in einem riesigen Feuerball.
Moore wurde unter das Wasser gedrückt, wobei seine Schuhe mit etwas unter ihm kollidierten. Er schwamm zur Oberfläche zurück und schaute sich um, ob er den Leutnant entdecken konnte. Da war er, gar nicht weit entfernt.
Plötzlich schlugen drei ASW-Raketen der Agray in die Gehäuse der Silkworm-Raketen an Bord der Quwwat ein. Die nachfolgenden Detonationen waren so laut und hell, dass Moore untertauchte, um sich zu schützen. Dann schwamm er zum Leutnant hinüber, der in Rückenlage auf dem Wasser trieb und anscheinend bewusstlos war. Auf der linken Seite seines Kopfes war ein tiefer Schnitt zu erkennen, der immer noch heftig blutete. Er hatte sich wohl an einem scharfen Trümmerstück verletzt, als er auf dem Wasser aufkam. Moore tauchte an der Schulter des Mannes wieder auf und spritzte Salzwasser auf die Wunde, während ihn Kayani mit leerem Blick anstarrte. »Leutnant! Aufwachen! Schnell!«
30 Meter von ihnen entfernt trieb brennender Dieseltreibstoff auf der Meeresoberfläche. Der Gestank war so entsetzlich, dass Moore das Gesicht verzog. Gleichzeitig spürte er zum ersten Mal fast körperlich das tiefe Brummen der Dieselmotoren - das U-Boot. Er hatte keine Eile und würde sich den Wracks auf keinen Fall nähern, bevor die Flammen erloschen waren.
Offensichtlich trieben auch noch andere Männer im Wasser. Obwohl sie kaum zu erkennen waren, hörte man zwischen den einzelnen Explosionen ihre Rufe. Ganz in der Nähe erklang jetzt ein erstickter Schrei. Moore suchte mit den Augen die Umgebung nach dem Taliban-Gefangenen ab, aber der doppelte Donnerschlag einer weiteren Detonation brachte ihn erneut zum Abtauchen. Als er sich, zurück an der Oberfläche, umdrehte, wies die Quwwat bereits eine bedenkliche Schlagseite nach Backbord auf und drohte jeden Augenblick zu sinken. Der Bug der Agray war sogar schon völlig überspült. Überall wüteten Feuer, und schwarzer Rauch stieg auf. Immer noch ging mit scharfem Knall und dumpfem Wummern Munition hoch. Die Luft war von einem beißenden Dunst erfüllt, der nach brennendem Gummi und Kunststoff roch.
Obwohl er die Feuerhitze bereits deutlich im Gesicht spürte, zwang sich Moore, ruhig zu bleiben. Er zog die Schuhe aus, knotete die Schnürsenkel zusammen und hängte sie sich um den Hals. Bis zum Ufer sind es fünf Kilometer ... allerdings hatte er keine Ahnung, in welcher Richtung dieses Ufer lag. Wohin auch immer er blickte, mit Ausnahme der lodernden Flammen war es stockdunkel. Jedes Mal, wenn er auf die Feuersbrunst schaute, war danach seine Nachtsicht für einige Zeit gleich null.
Lichtblitz - Lichtblitz - Lichtblitz. Einen Augenblick. Er versuchte, sich zu erinnern. Er begann zu zählen ... eins eintausend, zwei eintausend ... bei neunzehn wurde er durch drei weitere kurze Lichtblitze belohnt. Jetzt wusste er, wo der Turshian-Mouth-Leuchtturm lag.
Moore zog Kayani an sich heran, um ihn zu stabilisieren. Der Leutnant, der immer wieder das Bewusstsein verlor, schaute Moore jetzt groß an. Als er jedoch das Feuer vor ihnen bemerkte, geriet er in Panik. Er streckte die Hand aus und packte Moore mit aller Kraft am Kopf. Offensichtlich wusste er gar nicht genau, was er da tat, wie es bei Menschen unter Schock ja oft der Fall ist. Moore musste allerdings sofort darauf reagieren, sonst hätte ihn der rasende Leutnant leicht ertränkt.
Moore presste also seine Handflächen mit ausgestreckten Fingern an Kayanis Hüften, wobei er diesem die Daumen fest in die Seite presste. Danach drückte er Kayani in eine horizontale Lage zurück. Durch den Hebeleffekt gelang es ihm, den Griff des Mannes zu lösen. Als Moore seinen Kopf wieder frei bewegen konnte, schrie er: »Ganz ruhig! Ich lasse Sie nicht im Stich! Tief durchatmen!« Dann packte er ihn am Kragen. »Ab jetzt ziehe ich Sie. Lassen Sie sich einfach auf dem Rücken treiben.«
Moore wählte den Seitenschwimmstil, wie ihn die Kampfschwimmer benutzten, wenn sie im Einsatz Lasten hinter sich herziehen mussten. Mit dem Leutnant im Schlepptau schwamm er um die brennenden Trümmer herum. Dabei kamen sie manchmal den hell lodernden Diesellachen bedrohlich nahe. Moores Ohren begannen infolge der ständigen Donnerschläge und der wie ein ständiges lautes Fauchen klingenden Geräusche der Brände allmählich zu schmerzen.
Kayani blieb ruhig, bis sie auf die Leichen einiger seiner Männer stießen, die reglos im Wasser trieben. Er rief laut ihre Namen, und Moore verdoppelte seine Anstrengungen, um möglichst schnell von ihnen wegzukommen. Trotzdem wurde das Meer immer grausiger. Immer wieder schwammen einzelne Gliedmaßen, hier ein Arm, dort ein Bein, an ihnen vorbei. Vor ihnen tauchte etwas Dunkles auf. Auf dem Wasser trieb ein Turban. Der Turban des Gefangenen. Moore hielt an und schaute nach rechts und nach links, bis er eine leblose Gestalt ausmachte, die auf den Wellen dümpelte. Er schwamm hinüber und drehte den Körper auf die Seite, bis er das bärtige Gesicht, den schwarzen Overall und den schrecklichen Schnitt quer über die Kehle erkennen konnte, der dessen Halsschlagader durchtrennt hatte. Es war ihr Mann. Moore biss die Zähne zusammen und packte Kayani wieder fest am Kragen. Bevor er weiterschwamm, schaute er in Richtung des Unterseeboots. Es war bereits verschwunden.
In seiner Zeit bei den SEALs konnte Moore auf offener See ohne Flossen eine Strecke von 3,2 Kilometer in weniger als 70 Minuten schwimmen. Mit einem anderen Mann im Schlepptau war das natürlich nicht möglich, aber er war entschlossen, auch diese Aufgabe zu meistern.
Er konzentrierte sich auf den Leuchtturm, atmete ruhig und stieß sich methodisch und regelmäßig mit den Beinen vorwärts. Seine Bewegungen waren bedachtsam und flüssig, er vergeudete keine Energie. Jeder Arm- und Beinschwung lenkte die Kraft dorthin, wo sie gebraucht wurde. Immer wieder hob er kurz den Kopf über Wasser, machte einen tiefen Atemzug, um danach seinen Weg mit der Präzision einer Maschine fortzusetzen.
Plötzlich hörte er hinter sich jemand rufen. Als er anhielt und sich umdrehte, entdeckte er eine kleine Gruppe von vielleicht 10 bis 15 Männern, die ihn mit aller Macht zu erreichen versuchten.
»Folgt mir einfach!«, rief er ihnen zu. »Folgt mir.«
Jetzt versuchte er nicht nur, Kayani zu retten. Er musste die übrigen Überlebenden motivieren, mit ihm zusammen das Ufer zu erreichen. Dies waren zwar Marinesoldaten, die ein hartes Schwimmtraining absolviert hatten. Trotzdem waren 5 Kilometer auf offener See eine entsetzlich lange Strecke, vor allem wenn man sie mit Verletzungen zurücklegen musste. Deshalb durften sie ihn auf keinen Fall aus den Augen verlieren.
In seinem Schwimmarm und seinen Beinen sammelte sich immer mehr Milchsäure an. Der Muskelkater wurde von Meter zu Meter schlimmer. Er schraubte seine Geschwindigkeit etwas zurück und schüttelte die Beine und den überbeanspruchten Arm, atmete noch einmal tief durch und befahl sich selbst: Ich werde nicht aufgeben. Niemals.
Von nun an konzentrierte er sich auf diesen Gedanken. Er würde seine Gruppe anführen und alle diese Männer heil an Land bringen - selbst wenn ihn dies das Leben kosten sollte. Er geleitete sie durch die steigenden und fallenden Wogen, ein Schwimmstoß und ein Beinschwung nach dem anderen, auch wenn ihm diese zunehmend schwerer fielen. Er lauschte den Stimmen aus seiner Vergangenheit, den Stimmen seiner Ausbilder und ersten Vorgesetzten, die ihr Leben der Aufgabe gewidmet hatten, bei ihm und vielen anderen den Kampfgeist zu wecken, der tief in ihrem Herzen geschlummert hatte.
Fast 90 Minuten später hörte er zum ersten Mal die Uferbrandung. Jedes Mal, wenn ihn die Wellen emportrugen, sah er, dass sich zahlreiche Taschenlampen am Strand entlangbewegten. Wo es Taschenlampen gab, musste es auch Menschen geben. Sie waren ans Ufer geeilt, um die Brände und Explosionen draußen auf dem Meer zu beobachten. Jetzt würden sie wohl bald auch ihn bemerken. Moores Geheimoperation würde bald kein Geheimnis mehr sein. Er fluchte und warf einen Blick nach hinten. Die Gruppe der Überlebenden war mindestens 50 Meter zurückgefallen. Sie hatten mit Moores strammem Tempo nicht mithalten können. Jetzt konnte er sie kaum noch sehen.
Als seine nackten Füße den sandigen Boden berührten, war Moore völlig fertig und ließ alles, was er noch bei sich hatte, in der Arabischen See zurück. Kayani kam immer noch nur kurz zu Bewusstsein, als ihn Moore durch die Brandung schleppte und auf den Strand zog, wo sich sogleich fünf oder sechs Dorfbewohner um die beiden scharten. »Ruft Hilfe herbei!«, brachte er gerade noch heraus.
In der Entfernung schlugen immer noch Flammen hoch. Es wirkte wie ein Hitzegewitter, das ein Negativbild der Wolken hervorrief. Die Silhouetten der beiden Schiffe waren jedoch verschwunden, nur der Rest des auf dem Wasser schwimmenden Treibstoffs brannte weiterhin ab.
Moore zog sein Handy heraus, aber es hatte den Geist aufgegeben. Wenn er das nächste Mal Gefahr lief, von einem U-Boot angegriffen zu werden, wollte er sich zuvor eine wasserdichte Version zulegen. Er bat einen der Dörfler, einen milchbärtigen Jungen im Oberschulalter, ihm sein Mobiltelefon zu leihen.
»Ich habe gesehen, wie die Schiffe explodiert sind«, stieß der Junge atemlos hervor.
»Ich auch«, blaffte ihn Moore an, um dann jedoch freundlicher hinzuzufügen: »Danke für das Handy.«
»Geben Sie es mir«, rief Kayani vom Strand herüber. Seine Stimme klang zwar noch recht brüchig, aber er schien jetzt doch wieder klar im Kopf zu sein. »Mein Onkel ist Oberst in der Armee. Er schickt uns innerhalb einer Stunde einen Hubschrauber. Das ist der schnellste Weg, um hier wegzukommen.«
»Hier, nehmen Sie es«, sagte Moore. Er hatte die Karten genau gelesen und wusste deshalb, dass es mit dem Auto bis zum nächsten Krankenhaus Stunden dauern würde. Als Treffpunkt der beiden Schiffe hatte man ja ganz bewusst einen Punkt vor einer dünn besiedelten ländlichen Küste ausgewählt.
Kayani erreichte seinen Onkel. Dieser versprach ihm, sofort einen Helikopter loszuschicken. Danach rief Kayani seinen Kommandeur an und bat ihn, eine Rettungsoperation der Küstenwache anzufordern, die nach weiteren Schiffbrüchigen suchen sollte. Allerdings verfügte die pakistanische Küstenwacht nicht über Rettungshubschrauber, und ihre in China gebauten Korvetten und Patrouillenboote würden erst am Spätvormittag eintreffen. Moore fing erneut an, die Brandung zu beobachten. Jede anrollende Welle suchte er mit den Augen nach eventuellen Überlebenden ab.
Fünf Minuten. Zehn. Nichts. Keine einzige Seele. Er musste an das Blut und die abgerissenen Körperteile denken, auf die sie im Wasser immer wieder gestoßen waren. Die hatten inzwischen bestimmt alle Haie der näheren und weiteren Umgebung angelockt. Die wohl überwiegend verwundeten Schwimmer hatten deren Angriffen wahrscheinlich nicht viel entgegenzusetzen.
Nach einer halben Stunde entdeckte Moore den ersten leblosen Körper, der wie ein Stück Treibholz auf den Wellen dümpelte und schließlich an Land gespült wurde. Viele andere würden folgen.
Erst nach über einer Stunde näherte sich von Nordwesten ein Mi-17-Helikopter. Das Dröhnen seiner beiden Turbinen und das laute Sirren der Rotoren wurden von den Hügeln der Umgebung wie ein Echo zurückgeworfen. Der Hubschrauber war von den Sowjets speziell für ihren Krieg in Afghanistan entwickelt worden und schließlich sogar zu einem Symbol dieses Konflikts geworden, als diese Goliathe der Lüfte von den afghanischen Davids immer häufiger vom Himmel geholt wurden. Die pakistanische Armee verfügte über fast hundert dieser Mi-17. Moore hatte sich dieses eigentlich recht triviale Detail deshalb gemerkt, weil er schon öfter als Passagier in einem Mi-17 mitgeflogen war. Einmal hatte sich dabei der Pilot laut über diesen »Schrotthaufen« beklagt, der bei jedem zweiten Einsatz den Geist aufgeben würde. Auch die anderen fast hundert Exemplare der pakistanischen Armee seien in keinem besseren Zustand.
Leicht beunruhigt bestieg Moore den Hubschrauber, der ihn und Kayani jedoch schnell und sicher in das Sindh-Government-Krankenhaus in Liaquatabad Town, einem Vorort von Karatschi, beförderte. Unterwegs verabreichten die Sanitäter dem pakistanischen Leutnant so starke Schmerzmittel, dass sich dessen verzerrte Gesichtszüge zusehends entspannten. Als sie landeten, ging gerade die Sonne auf.
Etwa eine Stunde später fuhr Moore mit dem Aufzug in den ersten Stock des Krankenhauses hinauf, um Kayani in seinem Krankenzimmer zu besuchen. Den Leutnant würde ab jetzt eine hübsche Kampfnarbe zieren, was es ihm bestimmt leichter machen würde, schöne junge Frauen ins Bett zu bekommen ... Beide Männer waren stark dehydriert, weswegen der Pakistani jetzt auch am Tropf hing.
»Wie geht es Ihnen?«
Kayani hob mit Mühe den Arm und griff an seinen Kopfverband. »Ich habe immer noch Kopfschmerzen.«
»Das geht vorbei.«
»Allein hätte ich es nicht zurückgeschafft.«
Moore nickte. »Es hatte Sie ganz schön erwischt, und Sie haben ziemlich viel Blut verloren.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ein schlichtes Dankeschön genügt wohl nicht.«
Moore nahm einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche, die ihm eine Krankenschwester gereicht hatte. »Hey, geschenkt, das war doch selbstverständlich.« Eine Bewegung auf dem Gang erregte Moores Aufmerksamkeit. Es war Douglas Stone, ein CIA-Kollege, der jetzt über seinen grau melierten Bart strich und ihn über den Rand seiner Brille hinweg fixierte. »Ich muss gehen«, sagte Moore.
»Mr. Fredrickson, warten Sie einen Moment.«
Moore runzelte die Stirn.
»Kann ich Sie irgendwie erreichen?«
»Sicher, warum?«
Kayani blickte Stone an und spitzte den Mund.
»Oh, er ist okay. Ein guter Freund.«
Der Leutnant zögerte noch ein paar Sekunden und sagte dann: »Ich möchte Ihnen danken ... irgendwie.«
Moore riss von einem kleinen Block auf dem Nachttischchen ein Blatt Papier ab, kritzelte darauf eine E-Mail-Adresse und reichte den Zettel dem Leutnant.
Dieser umklammerte den Zettel mit der Faust. »Ich melde mich.«
Moore zog die Schultern hoch. »Okay.«
Auf dem Gang warf er Stone einen scharfen Blick zu und zischte ihn an: »Also, Doug, erzähl mal ... was zum Teufel ist da draußen passiert?«
»Ich weiß, ich weiß.« Stone wählte seinen üblichen beruhigenden Ton. Dieses Mal kam er jedoch bei Moore damit nicht durch.
»Wir haben den Indern ausdrücklich versichert, dass es bei der Übergabe keinerlei Probleme geben würde. Sie mussten ja in pakistanisches Hoheitsgewässer einfahren. Deshalb waren sie äußerst besorgt.«
»Uns hat man gesagt, dass die Pakistani alles arrangieren würden.«
»Und wer hat dann Scheiße gebaut?«
»Angeblich hat der U-Boot-Kommandant nie den Befehl erhalten, in diesem Zeitraum im Hafen zu bleiben. Jemand hat das wohl vergessen. Er war dann auf seiner üblichen Patrouillenfahrt und dachte, er habe eine indische Geheimoperation entdeckt. Er gibt an, dass er die Schiffe mehrmals vergeblich aufgefordert habe, sich zu identifizieren.«
Moore kicherte. »Na ja, nach ihm Ausschau gehalten haben wir tatsächlich nicht - und als wir ihn dann sahen, war es bereits zu spät.«
»Der Kommandant hat auch noch berichtet, er habe an Bord der Inder Gefangene gesehen, die er für Pakistani gehalten habe.«
»Er war also bereit, auf seine eigenen Leute zu schießen?«
»Schon möglich.«
Moore blieb abrupt stehen, wirbelte herum und starrte seinen Kollegen an. »Der einzige Gefangene, den sie hatten, war unser Taliban-Typ.«
»Schon gut, Max, ich weiß, was du gerade hinter dir hast.«
»Schwimm fünf Kilometer mit mir durchs offene Meer, dann weißt du es wirklich.«
Stone nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen. »Sieh mal, es könnte schlimmer sein. Wir könnten jetzt auch unsere Botschafter in Delhi sein und uns überlegen müssen, wie wir uns so bei den Indern entschuldigen, dass sie keine Atombombe auf Islamabad werfen.«
»Das wäre nett - denn dort muss ich als Nächstes hin.«
Entscheidungen
Marriott-Hotel Islamabad, Pakistan Drei Wochen später
Leutnant Maqsud Kayani wollte sich bei Moore für seine Rettung bedanken, indem er ihn mit seinem Onkel, dem pakistanischen Armeeoberst Saadat Khodai, bekannt machte. Nach seiner Ankunft in Islamabad fand Moore eine E-Mail mit diesem Vorschlag in seiner Mailbox. Kayani teilte ihm vor dem ersten Treffen sogar mit, dass sein Onkel, der ihre Rettung mit dem Hubschrauber organisiert hatte, wegen eines ethischen Dilemmas in letzter Zeit unter Depressionen leide. Die E-Mail enthüllte zwar nicht die genaue Natur dieser seelischen Krise, aber Kayani betonte, dass eine solche Begegnung sowohl für seinen Onkel wie auch für Moore ausgesprochen nützlich sein könnte.
Dem ersten Treffen folgten dann viele weitere und lange Gespräche. Moore dämmerte es allmählich, dass Khodai die Namen einiger hoher Armeeoffiziere kannte, die heimlich die Taliban aktiv unterstützten. Daraufhin trank er viele Liter Tee mit dem Oberst und versuchte ihn dazu zu bringen, ihm alles zu erzählen, was er über die Infiltration der Taliban und deren Aktivitäten in den Stammesgebieten im Nordwesten des Landes wusste. Dabei interessierte er sich vor allem für die Region, die als Waziristan bekannt ist. Der Oberst zögerte jedoch lange, mit diesen Informationen herauszurücken. Für ihn war das wohl ein schwerer Tabubruch. Moore wurde immer frustrierter, wenngleich er Khodai auch gut verstehen konnte.
Der Oberst machte sich nicht nur Sorgen um mögliche Gefahren für seine Familie. Er musste auch gegen seine tiefsitzende persönliche Überzeugung ankämpfen, niemals etwas Negatives über seine Offizierskameraden zu sagen oder diese auf irgendeine andere Art und Weise zu verraten, selbst wenn sie ihren Treueid gegenüber Pakistan und seiner geliebten Armee gebrochen hatten. Seine Gespräche mit Moore brachten ihn jedoch allmählich dazu, an seiner Haltung zu zweifeln. Wenn nicht diesem Mann, wem sollte er dann erzählen, was er wusste?
Eines Abends rief er Moore an und teilte ihm mit, dass er jetzt zu einer Aussage bereit sei. Moore holte ihn in seinem Haus ab und fuhr ihn in das Hotel, wo bereits zwei weitere CIA-Agenten auf die beiden warteten. Auf dem Gästeparkplatz des Marriott stellte er das Auto ab.
Khodai war gerade fünfzig geworden, und sein dichtes, kurz geschnittenes Haar war bereits voller grauer Strähnen. Seine Augen wirkten müde und klein. Sein vorstehendes Kinn zierte ein schneeweißer Dreitagebart. Er trug Zivilkleidung, eine schlichte Hose und ein Oberhemd ohne Krawatte. Nur die Militärstiefel verrieten seinen Beruf. Sein BlackBerry steckte fest in einem Lederetui, das er jetzt nervös zwischen seinem Daumen und Mittelfinger drehte.
Als Moore gerade die Autotür öffnen wollte, hob Khodai die Hand. »Warten Sie. Ich habe zwar gesagt, dass ich bereit bin, aber vielleicht brauche ich doch noch etwas Zeit.«
Der Oberst hatte sein Englisch in der Highschool gelernt und danach die Universität des Punjab in Lahore besucht, wo er ein Ingenieurexamen abgelegt hatte. Trotz seines schweren Akzents verfügte er über einen eindrucksvollen englischen Wortschatz. Sein Tonfall war absolut souverän und beherrschend. Moore konnte gut nachvollziehen, warum er so schnell aufgestiegen war und Karriere gemacht hatte. Wenn er sprach, zog er automatisch die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. Moore entspannte sich, ließ den Türgriff los und sagte: »Sie sind dazu bereit. Und Sie werden sich zuletzt auch selbst vergeben.«
»Glauben Sie das wirklich?«
Moore wischte sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Auge, seufzte und antwortete: »Ich wünsche es mir wenigstens.«
Sein Gegenüber grinste schwach. »Sie haben eine mindestens so schwere Last und Verantwortung zu tragen wie ich.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ich erkenne einen Ex-Militär, wenn ich einen sehe. Und in Ihrem jetzigen Beruf haben Sie bestimmt eine Menge erlebt!«
»Kann sein. Aber Sie müssen sich die Frage stellen, welche Last schwerer wiegt? Etwas zu unternehmen oder nichts zu tun?«
»Sie sind noch ein sehr junger Mann, aber offensichtlich ziemlich weise für Ihr Alter.«
»Ich kann Ihre Bedenken gut verstehen.«
Khodai hob die Augenbrauen. »Habe ich Ihr Versprechen, dass man meine Angehörigen schützen und ihnen nichts passieren wird?«
»Darauf können Sie sich verlassen. Was Sie tun werden, wird viele Leben retten. Aber das wissen Sie ja selbst.«
»Natürlich. Aber ich bringe ja nicht nur mich und meine Karriere in Gefahr. Sowohl die Taliban als auch meine Offizierskollegen kennen keine Gnade. Sie sind absolut skrupellos. Ich habe immer noch die Sorge, dass selbst Ihre Freunde uns nicht helfen können - trotz all Ihrer Versicherungen.«
»Dann werde ich nicht weiter in Sie dringen. Es ist ganz allein Ihre Entscheidung. Wir wissen beide, was passieren wird, wenn Sie jetzt nicht dort hinaufgehen. Immerhin das können wir voraussagen.«
»Sie haben recht. Ich kann nicht länger still dasitzen und zusehen. Sie werden uns unser Handeln nicht mehr vorschreiben. Sie werden uns nicht unserer Ehre berauben. Niemals.«
»Nun, ich kann nur mein Angebot wiederholen, dass wir Ihre Familie in die Vereinigten Staaten bringen. Dort könnten wir sie viel besser beschützen.«
Der Oberst schüttelte den Kopf und rieb sich die Schläfen. »Ich kann ihr Leben nicht einfach so aus dem Lot bringen. Meine Söhne gehen beide noch auf die Oberschule. Meine Frau wurde gerade erst befördert. Sie arbeitet in dem Technikzentrum ganz hier in der Nähe. Pakistan ist unsere Heimat. Die werden wir auch niemals verlassen.«
»Dann helfen Sie uns, Ihre Heimat besser und sicherer zu machen.«
Khodai schaute Moore mit großen Augen an. »Was würden Sie an meiner Stelle tun?«
»Ich würde den Terroristen nicht den Sieg überlassen, indem ich nichts tue. Zweifellos ist das die schwerste Entscheidung Ihres Lebens. Ich weiß das. Ich nehme das auch nicht auf die leichte Schulter. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich Sie für das respektiere, was Sie jetzt tun werden. Das erfordert viel Mut. Sie sind ein Mann, der für Gerechtigkeit steht. Also, ja, wenn ich Sie wäre, würde ich diese Autotür öffnen und mit mir zu meinen Freunden hinaufgehen. Damit werden wir auch die Ehre der pakistanischen Armee retten.«
Khodai schloss die Augen und sein Atem wurde flach. »Sie klingen wie ein Politiker, Mr. Moore.«
»Mag sein, aber im Unterschied zu jenen glaube ich an das, was ich sage.«
Khodai musste ganz leicht grinsen. »Ich hätte eigentlich gedacht, dass Sie vor Ihrer Militärzeit ein privilegiertes Leben geführt haben.«
»Ganz und gar nicht.« Moore dachte einen Moment nach. »Sind Sie bereit, Oberst?«
Der pakistanische Offizier schloss die Augen. »Ja, bin ich.«
Sie stiegen aus und gingen quer über den Parkplatz zu dem von einer Markise gekrönten Haupteingang des Hotels hinüber. Moore ließ die Augen über die Straße und den Parkplatz wandern. Er schaute sogar zu den Dächern der umliegenden Gebäude empor, ohne jedoch etwas Verdächtiges zu bemerken. Sie gingen an den Taxifahrern vorbei, die sich an die Motorhaube ihrer Fahrzeuge lehnten und rauchten. Sie nickten den jungen Hotelpagen zu, die vor einem kleinen Pult und einem Wandkasten standen, in dem Dutzende von Schlüsseln hingen. Die Eingangswand war offensichtlich vor kurzer Zeit wegen befürchteter Bombenanschläge verstärkt worden. In einer Sicherheitsschleuse wurden sie auf Sprengstoff und Waffen geröntgt. Sie betraten die mit elfenbeinfarbenen, hell glänzenden Marmorplatten ausgelegte Lobby. Hinter dem kunstvoll verzierten Checkin- Schalter beschäftigte sich das dunkel gekleidete Empfangspersonal mit den Gästen. Ein bärtiger Mann in einem weißen Baumwollanzug spielte auf einem links von ihnen stehenden Stutzflügel eine sanfte Melodie. Am Schalter warteten einige Männer, die Moore für Geschäftsleute hielt. Sonst wirkte das Hotel ruhig und einladend. Er nickte Khodai kurz zu, und sie gingen zu den Aufzügen.
»Haben Sie Kinder?«, fragte Khodai, während sie auf den Lift warteten.
»Nein.«
»Hätten Sie gern welche?«
»Dazu müsste ich ein anderes Leben führen. Ich bin zu viel unterwegs. Das wäre Kindern gegenüber nicht fair. Warum fragen Sie?«
»Weil alles, was wir tun, eine bessere Welt für unsere Kinder schaffen soll.«
»Sie haben recht. Na ja, vielleicht später einmal.«
Khodai legte eine Hand auf Moores Schulter. »Opfern Sie sich nicht für Ihren Dienstherrn auf. Das werden Sie später bereuen. Werden Sie Vater, und die Welt sieht auf einmal ganz anders aus.«
Moore nickte. Er hätte Khodai gerne von den vielen Frauen erzählt, mit denen er über die Jahre zusammen gewesen war, und über all die Beziehungen, die seiner Karriere in der Navy und der CIA zum Opfer gefallen waren. Einige Leute behaupteten, die Scheidungsrate der SEALs betrage fast 90 Prozent. Wie viele Frauen wollten auch einen Mann, den sie kaum je zu Gesicht bekommen würden? Die Ehe wurde dann fast so etwas wie eine Affäre. Eine von Moores Ex-Freundinnen wäre das sogar ganz recht gewesen. Sie wollte einen anderen Mann heiraten, dabei jedoch die Beziehung zu ihm aufrechterhalten. Sie schätzte seinen Humor und die körperlichen Freuden, die er ihr bereitete und die ihr der andere Mann nicht bieten konnte. Dieser sollte sie dagegen finanziell unterhalten und als Gefühlskissen dienen. Mit einem Ehemann für das Alltagsleben und einem Navy-SEAL für die schönen Stunden hätte sie das Beste aus beiden Welten gehabt. Allerdings wollte Moore dieses Spiel dann doch nicht mitmachen. Zu seinem Unglück hatte er auch mit zu vielen Callgirls, Stripperinnen und verrückten betrunkenen Frauen das Lager geteilt, als dass er sie überhaupt noch zählen konnte. Allerdings war er in den letzten Jahren ruhiger geworden. In seinen Hotelbetten brauchte er normalerweise nur noch ein einziges Kissen. Seine Mutter lag ihm ständig in den Ohren, er solle sich endlich ein nettes Mädchen suchen und ein ruhigeres Leben führen. Er lachte dann nur und erklärte ihr, dass ein solches Leben für ihn unmöglich sei, weswegen er auch kein solches »nettes Mädchen « finden werde. Dann fragte sie ihn gewöhnlich: »Glaubst du nicht, dass du etwas zu selbstsüchtig bist?« Er akzeptierte diese Aussage. Er könne gut verstehen, dass sie Enkel wolle, aber sein Job verlange ihm viel zu viel ab. Er fürchte, dass ein ewig abwesender Vater viel schlimmer sei als überhaupt kein Vater.
Sie meinte darauf, er solle diesen Job eben an den Nagel hängen. Er entgegnete ihr, dass er nach all dem Kummer, den er ihr gemacht habe, endlich für sich einen Platz in dieser Welt gefunden habe. Den könne er nicht einfach so aufgeben. Niemals.
All das hätte er jetzt gerne Khodai mitgeteilt, denn sie schienen verwandte Seelen zu sein. Aber gerade jetzt erklang die Aufzugsglocke, und die Tür des Lifts öffnete sich. Sie gingen hinein. Als sich die Türen schlossen, schien der Oberst plötzlich noch blasser zu werden.
Schweigend fuhren sie in den vierten Stock hinauf. Als die Türen aufgingen, bemerkte Moore die Umrisse eines Mannes, der am anderen Ende des Ganges im Türrahmen des Treppenhauses stand. Es war ein Agent des pakistanischen Militärgeheimdiensts ISI. Dessen Gehörschutz erinnerte Moore an etwas. Er wollte sein Smartphone aus der Tasche holen, um den anderen CIA-Agenten mitzuteilen, dass sie sich jetzt ihrer Zimmertür näherten. Er musste jedoch feststellen, dass er es im Auto vergessen hatte. Er fluchte leise vor sich hin.
Er klopfte und rief: »Ich bin's, Leute.«
Die Tür öffnete sich und Agentin Regina Harris bat ihn und Khodai herein. Drinnen wartete bereits ihr Kollege Douglas Stone.
»Ich habe mein Handy im Auto gelassen«, sagte Moore. »Ich bin gleich wieder zurück.«
Als Moore den Gang zurückging, bemerkte er neben den Aufzügen einen zweiten Agenten. Eine kluge Maßnahme. Auf diese Weise konnte der ISI die gesamten Zugänge zum vierten Stock überwachen. Der zweite Mann war ein kleiner Kerl mit großen braunen Augen, der nervös in sein Handy hineinsprach. Er trug ein blaues Anzughemd, braune Hosen und schwarze Sportschuhe. Seine Gesichtszüge erinnerten an eine Maus.
Als der Mann Moore erblickte, ließ er sein Telefon
Übersetzung: Michael Bayer
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2012 by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Tom Clancy
Tom Clancy, geboren 1948, hatte mit seinem ersten Thriller, „Jagd auf Roter Oktober", auf Anhieb internationalen Erfolg. Aufgrund seiner gut recherchierten, überaus realistischen Szenarien wurde der Autor nach den Anschlägen vom 11. September von der amerikanischen Regierung als spezieller Berater hinzugezogen. „Ziel erfasst" ist der vierzehnte Band aus dem „Jack Ryan/John Clark-Universum". Tom Clancy starb am 1. Oktober 2013 im Alter von 66 Jahren in seiner Heimatstadt Baltimore.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tom Clancy
- 2013, 1, 847 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Hochw. Broschur mit Klappeinb.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863655869
- ISBN-13: 9783863655860
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