Mein Auge ruht auf dir
Thriller
Der Bibelwissenschaftler Dr. Lyons macht eine sensationelle Entdeckung: Ein uraltes Pergament, das er für einen Brief von Jesus hält. Wenig später ist er tot. Ermordet! Tochter Mariah kann nicht glauben, dass ihre (geistig verwirrte) Mutter...
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Produktinformationen zu „Mein Auge ruht auf dir “
Der Bibelwissenschaftler Dr. Lyons macht eine sensationelle Entdeckung: Ein uraltes Pergament, das er für einen Brief von Jesus hält. Wenig später ist er tot. Ermordet! Tochter Mariah kann nicht glauben, dass ihre (geistig verwirrte) Mutter die Täterin ist. Sie will die Hintergründe aufdecken.
Klappentext zu „Mein Auge ruht auf dir “
Dein Erbe ist der TodKurz nachdem Dr. Jonathan Lyons eine sensationelle wissenschaftliche Entdeckung gemacht hat, findet seine Tochter Mariah ihn ermordet in seinem Büro auf. Und noch Schrecklicheres erwartet sie: Die Hauptverdächtige ist ausgerechnet ihre eigene Mutter. Mariah kann nicht an deren Schuld glauben und setzt alles daran, den wahren Täter zu finden. Sie kommt ihm bald gefährlich nahe.
Lese-Probe zu „Mein Auge ruht auf dir “
Mein Auge ruht auf dir von Mary Higgins ClarkAus dem Amerikanischen von Karl-Heinz Ebnet
Prolog
1474 nach Christus
In der abendlichen Stille, als sich lange Schatten auf die Mauern der ewigen Stadt Rom legten, trat ein alter, gebeugter Mönch verstohlen in die Biblioteca Secreta. So hieß das Geheimarchiv der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek, die insgesamt vier Räume umfasste und zweieinhalbtausend lateinische, griechische und hebräische Manuskripte beherbergte. Manche davon durften unter strenger Aufsicht von Außenstehenden gelesen werden, andere wurden unter Verschluss gehalten.
Zu den umstrittensten Manuskripten gehörte jenes, das unter den Bezeichnungen Josef-von-Arimathäa- Pergament oder Vatikanischer Brief bekannt war. Die Schrift, vom Apostel Petrus nach Rom gebracht, war angeblich der einzige von Jesus verfasste Brief.
Mit einfachen Worten dankte er darin Josef von Arimathäa für die Freundlichkeiten, die dieser ihm hatte zuteilwerden lassen, nachdem er den damals gerade zwölfjährigen Jesus im Jerusalemer Tempel hatte predigen hören und in ihm den lange erwarteten Messias gesehen hatte.
Nachdem Herodes Archelaos, der Sohn Herodes' des Großen, herausgefunden hatte, dass das kluge und gelehrte Kind in Bethlehem geboren worden war, befahl er umgehend dessen Ermordung. Als Josef davon erfuhr, eilte er nach Nazareth und erbat von den Eltern die Erlaubnis, den Jungen nach Ägypten in Sicherheit zu bringen. Dort konnte er im Tempel von Leontopolis im Niltal die heiligen Schriften studieren.
... mehr
Über die folgenden achtzehn Jahre im Leben Jesu ist nichts bekannt. Als sich seine Zeit in Ägypten dem Ende näherte und er vorhersah, dass Josef ihm sein eigenes Grab zur letzten Ruhestätte übereignen würde, schrieb Jesus einen Brief, in dem er dem treuen Freund seine Dankbarkeit zum Ausdruck brachte. Manche Päpste hielten diesen Brief für echt, andere hegten Zweifel. Der vatikanische Bibliothekar allerdings hatte erfahren, dass sich der gegenwärtige Papst Sixtus IV. mit dem Gedanken trug, den Brief vernichten zu lassen.
Der Hilfsbibliothekar hatte in der Biblioteca Secreta bereits auf den alten Mönch gewartet. Mit sorgenvollem Blick übergab er ihm das Pergament. »Ich tue dies auf Weisung Seiner Eminenz, des hochwürdigsten Kardinal del Portego«, sagte er. »Das heilige Pergament darf nicht zerstört werden. Bewahrt es gut in Eurem Kloster auf und verratet niemandem von seinem Inhalt.«
Der Mönch nahm das Pergament entgegen, küsste es ehrerbietig und schob es schützend in den Ärmel seiner Kutte.
Erst mehr als fünfhundert Jahre später, zu Beginn dieser Geschichte, sollte der Brief an Josef von Arimathäa wieder auftauchen.
Heute ist die Beerdigung meines Vaters. Er wurde ermordet.
Mit diesem Gedanken erwachte die achtundzwanzigjährige Mariah Lyons, nachdem sie eine unruhige Nacht im Haus ihrer Eltern in Mahwah verbracht hatte, einer Stadt nahe der Ramapo Mountains im nördlichen New Jersey. Sie wischte ihre Tränen fort, richtete sich langsam auf und sah sich um.
Mit sechzehn hatte sie als Geburtstagsgeschenk ihr Zimmer neu einrichten dürfen. Sie hatte die Wände rot streichen lassen und sich für die Tagesdecke, die Kissen und die Blende der Gardinenleisten ein rot-weißes Blütenmuster ausgesucht. Ihre Hausaufgaben hatte sie dann nie am Schreibtisch gemacht, sondern immer nur im großen, bequemen Sessel in der Ecke. Ihr Blick fiel auf das Regal, das ihr Vater über der Ankleide angebracht hatte und auf dem ihre Pokale standen, die sie mit den Fußball- und Basketballmannschaften an der Highschool gewonnen hatte. Er war immer so stolz auf mich, dachte sie traurig. Er hat das Zimmer neu einrichten wollen, als ich mit dem College fertig war, aber ich habe mich dagegen entschieden. Es ist mir egal, dass es immer noch wie das Zimmer eines Teenagers aussieht.
Bislang hatte sie sich glücklich schätzen können, weil sie bis auf ihre Großmutter, die mit sechsundachtzig Jahren im Schlaf gestorben war, nie um ein Familienmitglied hatte trauern müssen. Ich habe Großmutter wirklich geliebt, trotzdem war ich dankbar um ihren Tod, dachte sie. Ihr ist vieles erspart geblieben, weil sie doch körperlich mehr und mehr abgebaut und es immer verabscheut hat, auf andere angewiesen zu sein.
Mariah stand auf, griff sich den Morgenmantel am Fußende des Bettes, schlüpfte hinein und schlang den Gürtel um die gertenschlanke Taille. Aber jetzt ist es etwas anderes, dachte sie. Mein Vater ist keines natürlichen Todes gestorben. Er ist in seinem Arbeitszimmer erschossen worden. Sie musste schlucken, als ihr die Frage in den Sinn kam, die sie sich mittlerweile schon so oft gestellt hatte: War Mom im Zimmer, als es geschehen ist? Oder ist sie erst dazugekommen, nachdem sie den Schuss gehört hat? Kann es sein, dass Mom die Täterin ist? Bitte, Gott, lass das nicht zu!
Sie ging zum Toilettentisch und betrachtete sich im Spiegel. Ich bin so blass, dachte sie, als sie sich ihr schulterlanges schwarzes Haar bürstete. Die Augen waren geschwollen von ihren vielen Tränen in den letzten Tagen. Ein unpassender Gedanke ging ihr durch den Kopf: Ich bin froh, dass ich Daddys dunkelblaue Augen habe und so groß bin wie er. Beim Basketball hat das jedenfalls nie geschadet.
»Ich will einfach nicht glauben, dass er tot ist«, flüsterte sie und musste an die kaum drei Wochen zurück liegende Feier zu seinem siebzigsten Geburtstag denken. Wieder ließ sie die vergangenen vier Tage Revue passieren. Am Montagabend war sie länger im Büro geblieben, um für einen Neukunden einen Investmentplan zu entwerfen. Als sie um acht in ihre Wohnung im Greenwich Village kam, rief sie wie gewöhnlich ihren Vater an. Daddy war sehr niedergeschlagen, erinnerte sie sich. Mom, erzählte er, hatte einen schrecklichen Tag hinter sich; es war klar, dass es mit ihrer Alzheimer-Erkrankung immer schlimmer wurde. Aber aus irgendeinem Grund habe ich um halb elf noch einmal angerufen, weil ich mir Sorgen um sie gemacht habe.
Als sich Daddy nicht gemeldet hat, wusste ich, dass etwas nicht stimmt. Wieder musste sie an die scheinbar endlose Fahrt vom Greenwich Village nach New Jersey denken. Immer wieder hatte sie von unterwegs angerufen. Um 23 Uhr 20 war sie in die Anfahrt eingebogen, hatte in der Dunkelheit nach dem Haustürschlüssel gekramt und war zum Haus gerannt. Im Erdgeschoss brannten sämtliche Lichter, und sie eilte sofort ins Arbeitszimmer.
Dort bot sich ihr ein schrecklicher Anblick. Ihr Vater lag zusammengesackt über dem Schreibtisch, Kopf und Schultern waren blutüberströmt. Ihre Mutter, ebenfalls voller Blut, kauerte im begehbaren Wandschrank neben dem Schreibtisch und hielt Vaters Pistole umklammert.
Mom hat mich angesehen und gestöhnt. »So viel Lärm ... so viel Blut ...«
Ich war völlig außer mir, erinnerte sich Mariah. Ich habe den Notruf gewählt und nur gestammelt: »Mein Vater ist tot! Mein Vater ist erschossen worden!«
Wenige Minuten darauf ist die Polizei eingetroffen. Ich werde nie vergessen, wie sie Mom und mich angesehen haben. Ich hatte Daddy noch im Arm, deshalb war ich ebenfalls voller Blut. Und einer der Polizisten sagte, ich hätte den Tatort kontaminiert, weil ich Daddy berührt habe.
Mariah wurde bewusst, dass sie die ganze Zeit in den Spiegel gestarrt hatte, ohne sich wirklich wahrzunehmen. Die Uhr auf dem Toilettentisch zeigte bereits halb acht. Ich muss mich fertig machen, dachte sie. Um neun sollen wir im Bestattungsinstitut sein. Hoffentlich ist Rory bis dahin mit Mom fertig. Rory Steiger war die untersetzte Zweiundsechzigjährige, die sich seit zwei Jahren um ihre Mutter kümmerte.
Zwanzig Minuten später trat Mariah, geduscht und geföhnt, wieder in ihr Zimmer, öffnete den Schrank und nahm die schwarz-weiße Jacke und den schwarzen Rock heraus, die sie für die Beerdigung vorgesehen hatte.
Nach dem Ankleiden trat sie ans Fenster. Sie hatte es offen gelassen, als sie zu Bett gegangen war, sodass sich nun die Vorhänge im sachten Wind bauschten. Sie sah in den Garten hinaus, in dem ein Japanischer Ahorn stand, den ihr Vater vor vielen Jahren eingesetzt hatte. Die im Frühjahr gepflanzten Begonien und Fleißigen Lieschen rankten sich um die Veranda. In der Ferne schimmerten die Ramapo Mountains grüngolden in der Sonne. Ein herrlicher später Augusttag.
Ich will nicht, dass heute so ein wunderschöner Tag ist, dachte Mariah. Man könnte glatt meinen, es wäre nichts Schreckliches passiert. Aber es ist Schreckliches passiert. Daddy ist ermordet worden. Ich will, dass es regnet und kalt ist und trüb. Ich will, dass Regen auf seinen Sarg fällt. Ich will, dass der Himmel um ihn weint.
Er ist für immer fort.
Trauer und Schuldgefühle drohten sie zu überwältigen. Der sanftmütige College-Professor hatte sich erst drei Jahre zuvor so sehr auf seinen Ruhestand gefreut, weil er dann all seine Zeit mit dem Studium alter Manuskripte verbringen konnte, und jetzt war er so gewaltsam aus dem Leben gerissen worden. Ich habe ihn geliebt. Obwohl unsere Beziehung in den letzten eineinhalb Jahren fürchterlich angespannt war, weil er eine Affäre mit Lillian Stewart gehabt hat, der Professorin, die er an der Columbia University kennengelernt und die unser aller Leben verändert hat.
Mariah erinnerte sich noch gut an ihre Bestürzung, als sie eineinhalb Jahre zuvor nach Hause gekommen war und ihre Mutter Fotos in der Hand hielt, die zeigten, wie Lillian und ihr Vater sich umarmten. Ich war so wütend, schließlich war klar, dass das schon seit fünf Jahren so ging, weil Lily ihn bei allen archäologischen Ausgrabungen in Ägypten und Griechenland und Israel oder weiß Gott wo begleitet hat. Ich war so schrecklich wütend, weil sie ebenfalls immer hier war, wenn er seine Freunde Richard, Charles, Albert und Greg zum Essen eingeladen hat.
Es hat sie offensichtlich nicht gestört, dass mein Vater zwanzig Jahre älter war als sie, dachte Mariah verbittert. Ich habe versucht, gerecht zu sein und sie zu verstehen, aber ich verabscheue diese Frau aus tiefstem Herzen.
Mit Mom ist es seit Jahren bergab gegangen, und ich weiß doch, wie schlimm es für Dad war, dass er das alles hat miterleben müssen. Aber sie hat auch immer noch ihre guten Tage. Und immer noch spricht sie oft von diesen Fotos. Es hat sie sehr verletzt, dass Dad eine andere Frau hatte.
Ich will nicht daran denken, sagte sich Mariah und wandte sich vom Fenster ab. Ich möchte, dass mein Vater wieder lebt. Ich möchte ihm sagen, wie leid es mir tut, dass ich ihm erst letzte Woche höhnisch die Frage hingeworfen habe, ob die gute Lily ihm auch bei der letzten Exkursion nach Griechenland eine gute Reisegefährtin gewesen ist.
Sie ging an ihren Schreibtisch und betrachtete das zehn Jahre alte Bild ihrer Mutter und ihres Vaters. Wie liebevoll sie damals miteinander umgegangen sind, dachte Mariah. Sie hatten geheiratet, als sie noch nicht einmal mit dem Studium fertig waren.
Und erst fünfzehn Jahre später bin ich gekommen.
Mit einem traurigen Lächeln erinnerte sie sich an ihre Mutter, die ihr gesagt hatte, sie hätten zwar lange warten müssen, aber Gott habe sie mit einem perfekten Kind gesegnet. Da hat Mom etwas übertrieben, dachte sie. Ihre beiden Eltern waren äußerst attraktive Menschen mit viel Charme. Als Kind war ich sicherlich keine Augenweide. Lange, glatte, schwarze Haare, viel zu groß für mein Alter und so dürr wie eine Bohnenstange, dazu Zähne, die für mein Gesicht damals noch viel zu groß waren. Aber glücklicherweise bin ich dann doch noch eine ganz anständige Mischung aus meinen beiden Eltern geworden.
Dad, Daddy, bitte sei nicht tot. Sitze bitte am Frühstückstisch, wenn ich ins Zimmer komme, mit der Kaffeetasse in der Hand und der Times oder dem Wall Street Journal vor dir. Ich schnappe mir dann die Post und blättere zum »Vermischten«, und du wirfst mir über die Brille diesen Blick zu, mit dem du mir zu verstehen gibst, dass man sich mit so etwas überhaupt nicht abgeben sollte.
Ich will nichts essen, ich werde nur einen Kaffee trinken, beschloss Mariah, öffnete die Tür und ging durch den Flur zur Treppe. Auf der obersten Stufe blieb sie stehen und lauschte, hörte aber keinen Laut aus den beiden miteinander verbundenen Zimmern, in denen ihre Mutter und Rory schliefen. Was hoffentlich heißt, dass sie unten sind, dachte sie.
Im Frühstückszimmer aber war von ihnen nichts zu sehen. Sie ging in die Küche zu Betty Pierce, der Haushälterin. »Mariah, Ihre Mutter wollte nichts essen. Sie ist im Arbeitszimmer. Ich glaube nicht, dass Ihnen gefällt, was sie anhat, aber sie besteht auf das blau-grüne Leinenkostüm, das Sie ihr zum Muttertag geschenkt haben.«
Mariah wollte schon protestieren, hielt dann aber inne: Was in Gottes Namen machte es schon? Sie nahm von Betty die Kaffeetasse entgegen und ging damit ins Arbeitszimmer. Dort fand sie eine äußerst bekümmerte Rory vor, die, ohne dass sie gefragt werden musste, nur mit dem Kopf zur Schranktür wies. »Sie erlaubt nicht, dass ich die Tür offen lasse«, sagte sie, »und sie will mich auch nicht bei sich haben.«
Mariah klopfte an die Schranktür, öffnete sie langsam und murmelte dabei den Namen ihrer Mutter - seltsamerweise reagierte sie darauf manchmal eher als auf das »Mom«, mit dem Mariah sie üblicherweise ansprach. »Kathleen«, sagte sie also, »Kathleen, es ist Zeit für eine Tasse Tee und ein Zimthörnchen.«
Kathleen Lyons kauerte ganz hinten auf dem Boden des großen begehbaren Wandschranks, der zu beiden Seiten mit Regalen versehen war. Sie hatte schützend die Arme um den Körper geschlungen und den Kopf gegen die Brust gepresst, als erwartete sie, jeden Moment geschlagen zu werden. Die Augen hatte sie fest geschlossen, ihre silbergrauen Haare fielen ihr über das Gesicht. Mariah kniete sich neben sie und wiegte sie wie ein Kleinkind in den Armen.
»So viel Lärm ... so viel Blut«, flüsterte ihre Mutter nur, die gleichen Worte, die sie seit dem Mord unaufhörlich wiederholte. Schließlich ließ sie sich von Mariah aufhelfen und das gewellte Haar aus dem hübschen Gesicht streichen. Wieder wurde Mariah daran erinnert, dass ihre Mutter nur wenige Monate jünger war als ihr Vater und für ihr Alter sehr jung aussah, wären nicht ihre ängstlichen Bewegungen gewesen, fast so, als fürchtete sie, jeden Augenblick in einen Abgrund zu stürzen.
Während Mariah ihre Mutter aus dem Arbeitszimmer führte, bemerkte sie weder den hasserfüllten Blick von Rory Steiger noch deren verstohlenes Lächeln, das ihr in diesem Moment über die Lippen huschte.
Jetzt, dachte Rory, werde ich sie bald los sein.
Detective Simon Benet von der Staatsanwaltschaft des Bergen County sah aus wie jemand, der viel Zeit im Freien verbrachte. Er war Mitte vierzig, hatte eine rötliche Gesichtsfarbe und schütter werdendes blondes Haar. Seine Anzugjacke war immer verknittert, da er sie, sobald er sie nicht tragen musste, über eine Stuhllehne oder auf den Rücksitz seines Wagens warf.
Seine Partnerin, Detective Rita Rodriguez, war eine durchtrainierte Frau hispanischer Abstammung, Ende dreißig, mit modisch kurzen braunen Haaren, und im Gegensatz zu Benet war sie stets makellos gekleidet. Die beiden bildeten das Top-Ermittlerteam, dem auch der Mordfall Jonathan Lyons übertragen worden war.
Am Freitagmorgen waren sie die Ersten, die am Bestattungsinstitut eintrafen. Da sie aus Erfahrung wussten, dass der Täter - sollte er wirklich ein Einbrecher gewesen sein - sein Opfer unter Umständen noch einmal sehen wollte, hielten sie unter den Anwesenden nach Verdächtigen Ausschau.
Jeder, der so etwas schon mal mitgemacht hat, weiß, wie es ist, dachte sich Rodriguez. Es gibt Unmengen an Blumen, obwohl in der Todesanzeige ausdrücklich darum gebeten worden ist, zugunsten von Spenden an das örtliche Krankenhaus darauf zu verzichten.
Weit vor neun Uhr begann sich der Raum, wo der Tote aufgebahrt lag, zu füllen. Die beiden Detectives wussten, dass manche Gäste nur aus morbider Neugier erschienen - Rodriguez erkannte sie auf den ersten Blick. Sie standen unnötig lange am Sarg und suchten im Antlitz des Toten nach Anzeichen von Verletzungen. Jonathan Lyons aber hatte eine friedliche Miene, und die kosmetische Kunst des Bestatters hatte dafür gesorgt, dass von möglichen Wunden nichts mehr zu erkennen war.
In den zurückliegenden drei Tagen hatten die beiden Detectives die Nachbarn befragt und gehofft, dass jemand den Schuss gehört oder den Täter vielleicht aus dem Haus hatte laufen sehen. Die Nachbarn gleich nebenan waren im Urlaub, ansonsten war niemandem etwas Ungewöhnliches aufgefallen.
Mariah Lyons hatte ihnen die Personen genannt, die ihrem Vater sehr nahegestanden hatten und denen er sich bei Problemen möglicherweise anvertraut hatte.
»Richard Callahan, Charles Michaelson, Albert West und Greg Pearson. Sie haben Dad in den letzten sechs Jahren bei seinen jährlichen archäologischen Exkursionen begleitet«, hatte sie ihnen erzählt. »Sie alle kommen etwa einmal im Monat zu uns zum Essen. Richard ist Doktor für Biblische Geschichte an der Fordham University. Charles und Albert sind ebenfalls Wissenschaftler, Greg ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, seine Firma macht irgendetwas mit Computersoftware. « Und dann hatte sie ihnen, ohne ihre Abneigung zu verbergen, noch den Namen Lillian Stewart genannt, der Geliebten ihres Vaters.
Mit diesen Personen wollten sich die Detectives treffen, um sie zu befragen. Benet hatte die Pflegerin, Rory Steiger, gebeten, sie ihnen zu zeigen, wenn sie eintrafen.
Zwanzig Minuten vor neun betraten Mariah, ihre Mutter und Rory das Bestattungsinstitut. Kathleen Lyons starrte sie mit leerer, verständnisloser Miene an, obwohl sie in den vergangenen Tagen zweimal bei ihr zu Hause gewesen waren. Mariah nickte ihnen zu und begrüßte die bereits eingetroffenen Gäste, die nahe beim Sarg standen.
Die Polizisten wählten eine Stelle ganz in der Nähe, wo sie die Gäste und deren Gesichter erkennen konnten, wenn sie mit Mariah sprachen.
Rory setzte Kathleen auf einen Platz in der ersten Reihe, kam anschließend zu ihnen und stellte sich hinter sie, wo sie mit ihrem schwarz-weißen Kleid und ihren grauen, zu einem Knoten gebundenen Haaren nicht weiter auffiel. Sie versuchte, ihre Nervosität zu verbergen, und musste ständig daran denken, dass sie zwei Jahre zuvor die Arbeit nur wegen Joe Peck angenommen hatte, einem fünfundsechzigjährigen Witwer, der im selben Apartmentgebäude an der Upper West Side in Manhattan wohnte wie sie.
Joe Peck war pensionierter Feuerwehrmann und besaß ein Haus in Florida. Sie war mit ihm regelmäßig zum Essen ausgegangen, und Joe hatte ihr anvertraut, wie einsam er sich seit dem Tod seiner Frau fühlte. Rory hatte daraufhin insgeheim die Hoffnung gehegt, dass er ihr vielleicht einen Heiratsantrag machen würde. Aber dann hatte er eines Abends bei einem ihrer Treffen gestanden, dass er eine andere Frau kennengelernt habe, die bei ihm einziehen würde.
Noch in derselben Nacht hatte Rory ihrer besten Freundin Rose voller Wut und Enttäuschung erzählt, dass sie die ihr angebotene Stelle in New Jersey annehmen würde. »Die Arbeit wird gut bezahlt. Ich werde von Montag bis Freitag dort sein und keinen Grund haben, nach der Arbeit nach Hause zu eilen, weil ich vielleicht hoffe, Joe könnte anrufen«, hatte sie verbittert gesagt.
Aber nie im Leben habe ich mir träumen lassen, dass es damit enden würde, dachte sie. Dann erblickte sie zwei Männer Ende sechzig. »Sehen Sie da drüben«, flüsterte sie Benet und Rodriguez zu, »diese beiden sind Experten auf Professor Lyons' Fachgebiet. Sie kommen so einmal im Monat zu Besuch, und ich weiß, dass Professor Lyons oft mit ihnen telefoniert hat. Der größere ist Professor Charles Michaelson, der andere Professor Albert West.«
Eine Minute später zupfte sie an Benets Ärmel. »Hier kommen Callahan und Pearson«, sagte sie. »Die Geliebte ist auch dabei.«
Mariah riss die Augen auf, als sie die Neuankömmlinge bemerkte. Ist es zu fassen! Lily ist so dreist, hier aufzutauchen, dachte sie und musste sich gleichzeitig unweigerlich eingestehen, dass Lillian Stewart mit ihren kastanienbraunen Haaren und den braunen Augen eine sehr attraktive Frau war. Sie trug ein hellgraues Leinenkostüm mit weißem Kragen. Wie lange wird sie dafür wohl die Geschäfte durchstöbert haben?, fragte sich Mariah. Es war die perfekte Trauerkleidung für eine Geliebte.
Genau solche Sticheleien habe ich auch Dad gegenüber immer geäußert, dachte sie reumütig. Und ich habe ihn gefragt, ob sie auch solche hochhackigen Schuhe tragen würde, wenn sie in den Ruinen herumgraben. Ohne Lily Stewart zu beachten, gab sie Greg Pearson und Richard Callahan die Hand. »Was für ein trauriger Tag heute, nicht wahr?«, sagte sie.
Der Kummer im Blick der beiden hatte etwas Tröstliches. Sie wusste, wie wichtig ihnen die Freundschaft zu ihrem Vater gewesen war. Sie waren beide Mitte dreißig und eifrige Amateurarchäologen, trotzdem hätten sie unterschiedlicher nicht sein können. Richard, schlank, über eins neunzig groß, mit schwarzen Haaren, in die sich allmählich graue Strähnen schlichen, besaß einen ausgeprägten Sinn für Humor. Sie wusste, dass er ein Jahr lang das Priesterseminar besucht hatte und nach wie vor nicht ausschloss, doch noch Geistlicher zu werden. Er wohnte in der Nähe der Fordham University, wo er auch unterrichtete.
Greg war genau so groß wie sie, wenn sie Absätze trug. Er hatte braune, kurz geschnittene Haare und große, helle graugrüne Augen. Er gab sich stets still und zurückhaltend, und Mariah hatte sich schon oft gefragt, ob er trotz seiner geschäftlichen Erfolge insgeheim nicht ein überaus schüchterner Mensch war. Vielleicht war das einer der Gründe, warum er Dad so sehr geschätzt hat, dachte sie. Dad war ein faszinierender Erzähler gewesen. Sie hatte sich einige Male mit Greg getroffen, aber da sie ihm keinerlei romantische Gefühle entgegenbrachte und fürchtete, eben dies könnte bei ihm der Fall sein, hatte sie ihm bald zu verstehen gegeben, dass sie einen anderen hatte. Von da an hatte er sie nicht mehr gefragt, ob sie mit ihm ausgehen wolle.
Die beiden Männer knieten kurz vor dem Sarg. »Die langen Abende mit dem Geschichtenerzähler sind jetzt also vorbei«, sagte Mariah, als sie sich erhoben.
Dann traten Albert West und Charles Michaelson zu ihr. »Mariah, es tut mir so leid. Ich bin immer noch völlig fassungslos. Das alles ist so plötzlich gekommen«, sagte Albert.
»Ja, ich weiß«, erwiderte Mariah und betrachtete die vier Männer, die mit ihrem Vater befreundet gewesen waren. »Habt ihr schon mit der Polizei gesprochen? Ich habe den Beamten eine Liste mit den engen Freunden geben müssen, und natürlich habe ich euch alle aufgeführt.« Dann wandte sie sich an Lily. »Ich muss wohl nicht erwähnen, dass dein Name ebenfalls darauf steht.«
War in ihren Mienen eine Veränderung bemerkbar?, fragte sich Mariah. Schwer zu sagen, denn in diesem Augenblick erschien der Direktor des Bestattungsinstituts und bat alle Anwesenden, Abschied vom Toten zu nehmen und sich dann zu den Autos zu begeben. Es war an der Zeit, in die Kirche zu fahren.
Sie wartete mit ihrer Mutter, bis alle anderen fort waren. Erleichtert stellte sie fest, dass Lily so viel Anstand besaß und ihren Vater nicht berührte. Ich glaube, ich hätte mich nicht mehr beherrschen können, wenn sie sich über ihn gebeugt und ihm einen Kuss gegeben hätte, dachte sie.
Ihre Mutter schien überhaupt nicht zu registrieren, was um sie herum vor sich ging. Als Mariah sie zum Sarg führte, starrte sie nur auf ihren toten Mann und sagte: »Ich bin froh, dass er sich das Gesicht gewaschen hat. So viel Lärm ... so viel Blut.«
Mariah übergab Rory ihre Mutter und nahm daraufhin selbst Abschied. Daddy, du hättest noch viele Jahre leben sollen, dachte sie. Aber jemand wird dafür büßen, dass er dir das angetan hat.
Sie beugte sich vor, legte ihre Wange an die seine und bereute es sofort. Was sie spürte, war die harte, kalte Oberfläche irgendeines Gegenstands, aber es hatte nichts mehr mit ihrem Vater gemein.
Als sie sich wieder aufrichtete, flüsterte sie zum Abschied: »Ich werde mich um Mom kümmern, versprochen. «
Lillian Stewart schlich sich in die Kirche, nachdem der Trauergottesdienst schon begonnen hatte, und verließ sie noch vor dem letzten Gebet, sodass sie nach dem frostigen Empfang im Bestattungsinstitut nicht mehr Gefahr laufen konnte, Mariah oder deren Mutter zu begegnen. Dann fuhr sie zum Friedhof, parkte in einiger Entfernung zum Eingang und wartete, bis die Beerdigung vorüber war und die Trauergäste sich verabschiedet hatten. Erst dann fuhr sie weiter zu Jonathans Grabstelle, stieg aus und ging mit einem Dutzend Rosen zum frisch aufgeworfenen Grab.
Die Totengräber, die gerade den Sarg in die Erde lassen wollten, traten respektvoll zurück, als sie sich hinkniete, die Rosen auf den Sarg legte und flüsterte: »Ich liebe dich, Jon.« Blass, aber gefasst ging sie an den Grab- reihen vorbei zu ihrem Wagen zurück. Erst als sie hinter dem Steuer saß, überließ sie sich ihren Gefühlen und verbarg das Gesicht in den Händen. Die bislang zurückgehaltenen Tränen strömten ihr nun ungehindert über die Wangen, ihr ganzer Körper bebte unter ihrem Schluchzen.
Kurz darauf wurde die Beifahrertür geöffnet. Er schreckt blickte sie auf und unternahm den vergeblichen Versuch, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Tröstende Arme hielten sie fest, bis ihr Schluchzen abgeebbt war. »Ich habe mir schon gedacht, dass ich dich hier finde«, sagte Richard Callahan. »Ich habe dich in der Kirche gesehen.«
Lily löste sich von ihm. »O Gott, ich hoffe, Mariah oder ihre Mutter haben mich nicht bemerkt«, sagte sie mit zittriger Stimme.
»Ich glaube nicht. Ich habe dich gesucht, nachdem du das Bestattungsinstitut verlassen hast. Du hast gesehen, wie voll die Kirche war?«
»Richard, es ist sehr nett, wenn du dich um mich kümmerst, aber wirst du nicht beim Essen erwartet?«
»Ja, aber erst wollte ich sehen, wie es dir geht. Ich weiß, wie viel Jonathan dir bedeutet hat.«
Lillian hatte Richard Callahan fünf Jahre zuvor bei ihrer ersten archäologischen Grabung kennengelernt. Er war Doktor für Biblische Geschichte an der Fordham University und hatte davor ein Jesuitenseminar besucht, das er jedoch vor der Priesterweihe verlassen hatte. Mit seiner unbeschwerten Art war er ihr überraschenderweise ein guter Freund geworden. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er ihre Beziehung zu Jonathan nicht unbedingt gutheißen würde, aber falls dem so war, hatte er sich ihr gegenüber nie darüber ausgelassen. Es war auf dieser ersten Grabung gewesen, dass sie und Jonathan sich heftig ineinander verliebt hatten.
Lillian lächelte schwach. »Richard, ich bin dir sehr dankbar, aber du solltest jetzt wirklich zu den anderen zurück. Jonathan hat mir oft gesagt, dass Mariahs Mutter dich sehr mag. Es wird ihr guttun, wenn du dabei bist.«
»Gleich«, erwiderte Richard, »nur eines noch, Lily. Hat dir Jonathan erzählt, dass sich unter den Schriftrollen, die er in der alten Kirche gefunden hat und die er übersetzen sollte, eine von unschätzbarem Wert befindet? «
Lillian Stewart sah Richard Callahan unverwandt an. »Eine alte, wertvolle Schriftrolle? Ganz bestimmt nicht«, log sie. »Davon hat er mir nie etwas erzählt.«
Der restliche Tag folgte dem üblichen Ablauf von Beerdigungen. Mariah, mittlerweile etwas gefasster, lauschte aufmerksam dem langjährigen Freund der Familie, Pater Aiden O'Brien, einem Mönch aus der Kirche des heiligen Franziskus in Manhattan, der die Totenmesse leitete und auf dem nahe gelegenen Friedhof Maryrest auch die Gebete sprach. Danach fuhren sie in den Ridgewood Country Club, wo für die Trauergäste ein Essen gegeben wurde.
Über zweihundert Menschen waren versammelt. Die düstere Stimmung hellte sich nach ein oder zwei Bloody Marys spürbar auf, und die Atmosphäre gewann etwas Festliches. Mariah war froh darum, denn von den Anwesenden bekam sie nur zu hören, was für ein wunderbarer Mensch ihr Vater gewesen sei. Brillant. Geistreich. Attraktiv. Charmant. Ja, dachte sie. Ja.
Nach dem Essen, als sich Rory mit ihrer Mutter gerade auf den Heimweg machte, nahm Pater Aiden sie zur Seite. Obwohl niemand mehr da war, der sie hätte hören können, fragte er mit leiser Stimme: »Mariah, hat Ihr Vater Ihnen anvertraut, dass er seinen baldigen Tod vorhergesehen hat?«
Ihr Blick war ihm offensichtlich Antwort genug. »Ihr Vater hat mich letzten Mittwoch besucht und mir von seiner Vorahnung berichtet. Wir haben im Kloster eine Tasse Kaffee getrunken, und dort hat er mir ein Geheimnis anvertraut. Wie Sie vielleicht wissen, hat er einige alte Schriftrollen übersetzt, die in einem Versteck in einer seit Jahren aufgelassenen Kirche gefunden wurden, die nun abgerissen werden soll.«
»Ja, das weiß ich. Er hat mal erwähnt, dass sie bemerkenswert gut erhalten sind.«
»Sollte Ihr Vater sich nicht getäuscht haben, befindet sich darunter ein Dokument von unschätzbarem Wert, der nicht in Geld zu messen ist.«
Verblüfft starrte Mariah den achtundsiebzigjährigen Pater an. Während des Gottesdienstes war ihr sein starkes Humpeln aufgefallen, Folge seiner Arthritis. Seine dichten weißen Haare betonten die tiefen Falten auf seiner Stirn, und die Besorgnis in seiner Stimme war unüberhörbar.
»Hat er Ihnen gesagt, worum es sich bei dieser Schriftrolle handelt?«, fragte sie.
Pater Aiden sah sich um. Die meisten Gäste erhoben sich und verabschiedeten sich von ihren Freunden. Es war damit zu rechnen, dass sie noch zu Mariah kamen, um ihr ein letztes Mal ihr Beileid zu bekunden, ihr die Hand zu drücken und die unvermeidlichen Worte zu sprechen: »Und rufen Sie uns auf jeden Fall an, wenn Sie irgendetwas brauchen.«
»Mariah«, antwortete er. »Hat Ihr Vater jemals von einem Brief erzählt, den Jesus angeblich an Josef von Arimathäa geschrieben hat?«
»Ja, immer wieder im Lauf der letzten Jahre. Er hat mir erzählt, dass er sich in der Vatikanischen Bibliothek befunden habe, aber wenig über ihn bekannt sei, weil mehrere Päpste, unter anderem Sixtus IV., nicht von seiner Echtheit überzeugt waren. Der Brief ist in dessen Amtszeit im fünfzehnten Jahrhundert abhandengekommen, angeblich soll ihn jemand gestohlen haben, der glaubte, Papst Sixtus wollte ihn vernichten lassen.« Erstaunt fragte sie: »Pater Aiden, wollen Sie mir sagen, dass Vater diesen Brief gefunden hat?«
»So ist es.«
»Dann musste er seinen Fund von zumindest einem weiteren Experten bestätigen lassen. Von jemandem, dessen Meinung über jeden Zweifel erhaben ist.«
»Genau das hat er mir auch gesagt.«
»Hat er einen Namen genannt?«
»Nein. Aber es müssen mehrere gewesen sein, denn er hat gesagt, bei einem der Experten bereue er es, ihn hinzugezogen zu haben. Natürlich wollte er das Pergament der Vatikanischen Bibliothek zurückgeben, die betreffende Person aber hat ihm gesagt, man könne eine Menge Geld damit machen, wenn man es an einen Privatsammler verkauft.«
In der Zeit vor Lily wäre ich die Erste gewesen, der Dad von seinem Fund erzählt hätte, dachte Mariah, und er hätte mir auch gesagt, wen er noch alles eingeweiht hat. Wieder spürte sie Verbitterung und Reue, während sie den Blick über die Tische schweifen ließ. Viele der Anwesenden sind Kollegen meines Vaters, dachte sie. Bei einem alten Pergament wie diesem hätte Dad manche unter ihnen um Rat gefragt, Charles und Albert zum Beispiel. Aber wenn Mom nicht die Täterin ist, was ich bei Gott hoffe, könnte es dann möglicherweise sein, dass er eben nicht von einem auf frischer Tat ertappten Einbrecher ermordet wurde? Sondern von jemandem, der ihn vorsätzlich getötet hat ... und der sich hier in diesem Raum aufhält?
Bevor sie Pater Aiden diesen Gedanken mitteilen konnte, sah sie ihre Mutter in den Raum zurückkehren. Rory folgte einen Schritt dahinter und kam direkt auf Mariah und Pater Aiden zu. »Sie will ohne Sie nicht gehen! «, erklärte Rory ungehalten.
Kathleen Lyons lächelte mit leerer Miene Pater Aiden zu. »Haben Sie den Lärm auch gehört?«, fragte sie. »Und das viele Blut gesehen?«
Und dann sagte sie noch: »Die Frau auf den Fotos mit Jonathan hat heute neben ihm gestanden. Sie heißt Lily. Warum ist sie gekommen? Hat es ihr nicht gereicht, dass sie mit ihm nach Venedig gefahren ist?«
Alvirah und Willy Meehan befanden sich auf ihrer jährlichen Reise an Bord der Queen Mary 2, als sie von der Ermordung ihres guten Freundes Professor Jonathan Lyons erfuhren. Mit zitternder Stimme überbrachte die entsetzte Alvirah ihrem Mann die Neuigkeit. Ihr war klar, dass sie im Moment nichts tun konnten, außer auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht zu hinterlassen und ihr Beileid auszusprechen. Sie würden erst am Tag der Beerdigung nach Hause kommen.
Das Schiff war gerade aus Southampton ausgelaufen, und wollte man vorzeitig von Bord, dann nur mit dem Sanitätshubschrauber. Außerdem war Alvirah als Gastleserin und Autorin eingeladen, um von Lottogewinnern zu berichten, die bei haarsträubenden Finanzgeschäften jeden Cent ihrer Gewinne wieder verloren hatten. Sie erzählte von Menschen, die sich die meiste Zeit ihres Lebens mit zwei Jobs gleichzeitig über Wasser gehalten hatten, dann Millionen gewannen und sich dazu überreden ließen, Hotels zu erwerben, für deren Unterhalt sie schlichtweg nicht aufkommen konnten, oder Nippesläden zu übernehmen, die kitschige Cocktail-Servietten, Glitzer-Schlüsselanhänger oder bestickte Kissen verkauften und noch nicht einmal die Ladenmiete abwarfen.
Immer erklärte sie, dass sie Putzfrau und Willy Klempner gewesen seien, als sie vierzig Millionen Dollar im Lotto gewonnen hatten. Sie hatten sich entschieden, sich das Geld über einen Zeitraum von zwanzig Jahren in Raten auszahlen zu lassen. Jedes Jahr beglichen sie als Erstes die Steuer, und von der Hälfte der übrigen Summe bestritten sie ihren Lebensunterhalt, die andere Hälfte investierten sie.
Die Passagiere liebten Alvirahs Geschichten und rissen ihr ihren Bestseller Vom Putzeimer zur Prominenz regelrecht aus den Händen. Obwohl Jonathans Tod ihr überaus naheging, ließ sie sich nichts anmerken, und selbst als sich andere Passagiere lebhaft darüber unterhielten, warum der bekannte Gelehrte ermordet worden sein könnte, erwähnte weder sie noch Willy auch nur mit einer Silbe, dass sie Professor Lyons gut gekannt hatten.
Jonathan hatten sie zwei Jahre zuvor auf einer Kreuzfahrt von Venedig nach Istanbul kennengelernt, wo Alvirah ebenfalls ihre Vorträge gehalten hatte. Alvirah hatte daraufhin Professor Lyons' Vortrag besucht und war fasziniert gewesen von seinen erstaunlichen Geschichten über das alte Ägypten, das antike Griechenland oder das biblische Palästina. Wie es ihre Art war, hatte sie ihn sofort an ihren Tisch eingeladen. Der Professor sagte gern zu, merkte aber an, dass er im Beisein seiner Gefährtin reise, weshalb die Essensgesellschaft aus vier Personen bestehen würde.
So haben wir Lily kennengelernt, ging Alvirah während der Überfahrt immer wieder durch den Kopf. Ich habe sie wirklich gemocht. Sie ist klug und attraktiv, und wahrscheinlich hat sie schon als Sechsjährige gewusst, wie sie sich kleiden muss, damit sie gut aussieht. Sie ist von der Archäologie genauso begeistert wie der Professor und hat ebenso viele Titel wie er. Sie hat nichts Affektiertes an sich, keine Frage, und sie war fürchterlich in ihn verliebt, obwohl sie um so vieles jünger ist als er.
Alvirah hatte natürlich Professor Lyons gegoogelt und erfahren, dass er verheiratet war und eine Tochter namens Mariah hatte. »Aber, Willy, wahrscheinlich haben sich er und seine Frau auseinandergelebt«, hatte Alvirah damals zu ihrem Mann gesagt. »Das passiert, weißt du. Und manchmal finden sich beide damit ab.«
Willy hatte seine ganz eigene Art, Alvirah zuzustimmen, wenn sie wie hier zu unumstößlichen Schlussfolgerungen gelangt war. »Wie immer hast du den Nagel auf den Kopf getroffen, meine Liebe«, beschied er, obwohl er sich um alles in der Welt nicht vorstellen konnte, eine andere Frau auch nur anzusehen, solange er seine geliebte Alvirah hatte.
Am letzten Tag der Überfahrt, als sie in Istanbul von Bord gegangen waren, hatte es wie immer vor Menschen gewimmelt, die gegenüber ihren Reisegefährten, die sie an Bord kennengelernt hatten, auf die Schnelle noch Einladungen aussprachen und ihnen sagten, sie müssten sie unbedingt in Hot Springs oder in Hongkong oder auf ihrer hübschen kleinen Insel besuchen kommen, die nur eine Bootsfahrt von St. John entfernt lag. Alvirah hatte dazu nur gesagt: »Willy, weißt du denn nicht, was sie für ein Gesicht ziehen, wenn wir wirklich vor ihrer Haustür aufkreuzen sollten? Das ist doch alles bloß so dahingesagt und bedeutet nur, dass sie sich in unserer Gesellschaft wohlgefühlt haben.«
Daher waren sie aufrichtig überrascht gewesen, als sie ein halbes Jahr später, nach der Rückkehr von ihrer Venedig-Istanbul-Reise, einen Anruf von Professor Jonathan Lyons erhalten hatten. »Hier ist Jon Lyons«, hatte er sie mit seiner volltönenden Stimme begrüßt. »Ich habe meiner Frau und meiner Tochter so viel von Ihnen erzählt, dass sie Sie gern kennenlernen würden. Wenn Dienstag für Sie passt, könnte meine Tochter Mariah, die in Manhattan wohnt, Sie abholen und später wieder nach Hause fahren.«
Alvirah nahm die Einladung mit Begeisterung an, doch als sie aufgelegt hatte, sagte sie: »Willy, meinst du, seine Frau weiß von Lily? Pass lieber auf, dass du dich nicht verplapperst.«
Pünktlich um halb sieben am folgenden Dienstagabend meldete sich der Pförtner über die Gegensprechanlage der Meehan-Wohnung in der Central Park South und verkündete, dass eine Ms. Lyons da sei, um sie abzuholen.
Alvirah hatte Jonathan Lyons ins Herz geschlossen, und ähnlich erging es ihr auch mit seiner Tochter. Mariah war eine freundliche, warmherzige junge Frau und hatte sich nicht nur die Mühe gemacht, Alvirahs Buch zu lesen, sondern verfolgte beruflich auch ähnliche Interessen. Als Anlageberaterin war sie nämlich immer bestrebt, für ihre Kunden vernünftige Investmentmöglichkeiten mit geringem Risiko zu finden. Als sie in Mahwah, New Jersey, eintrafen, war Alvirah zu dem Schluss gekommen, dass Mariah genau die richtige Frau für ihre Lottogewinner wäre, besonders für jene, die durch zwielichtige Spekulationsgeschäfte einen Großteil ihrer Gewinne wieder verloren hatten.
Erst als sie in die Anfahrt einbogen, fragte Mariah zögernd: »Hat mein Vater Ihnen erzählt, dass meine Mutter unter Demenz leidet? Sie ist sich dieser Tatsache bewusst und tut alles, um es zu verbergen, aber wenn sie Ihnen zum zweiten oder dritten Mal die gleiche Frage stellt, dann wissen Sie, woran es liegt.«
Die Cocktails wurden in Jonathans Arbeitszimmer serviert, weil der Professor ganz richtig davon ausging, dass Alvirah gern einige der Kunstschätze sehen wollte, die er im Lauf der Zeit zusammengetragen hatte. Betty, die Haushälterin, hatte ein köstliches Essen vorbereitet, und den Gästen sowie Mariah und ihrem Vater gelang es wunderbar, die Aussetzer zu überspielen, die der nicht mehr jungen, aber immer noch äußerst attraktiven Kathleen Lyons im Gespräch unterliefen. Es war ein anregender und vergnüglicher Abend, der erste von vielen, die noch folgen sollten.
Bei der Verabschiedung fragte Kathleen plötzlich, wie Willy und Alvirah ihren Mann kennengelernt hatten. Als sie von der Kreuzfahrt von Venedig nach Istanbul erzählte, wurde Kathleen sehr erregt. »Ich wäre so gern mitgefahren«, sagte sie. »In Venedig haben wir damals unsere Flitterwochen verbracht, hat Jonathan Ihnen das gesagt?«
»Meine Liebe, ich habe dir doch erzählt, wie ich die Meehans kennengelernt habe, und vergiss nicht, der Arzt hat dir von der Reise abgeraten«, warf Jonathan Lyons beschwichtigend ein.
Auf der Heimfahrt sagte Mariah unvermittelt: »War Lillian Stewart mit auf dem Schiff, als Sie meinen Vater kennengelernt haben?«
Alvirah zögerte und überlegte, was sie darauf antworten sollte. Ich werde auf keinen Fall lügen, dachte sie, außerdem weiß Mariah vermutlich längst, dass Lily mit dabei war. »Mariah, sollten Sie diese Frage nicht lieber Ihrem Vater stellen?«, antwortete sie schließlich.
»Das habe ich bereits. Er weigert sich, darauf einzugehen. Aber mit Ihrer ausweichenden Antwort haben Sie eigentlich schon alles gesagt.«
Alvirah saß auf dem Beifahrersitz, Willy begnügte sich mit der Rückbank und war, falls er das Gespräch überhaupt mitbekam, sicherlich froh, sich heraushalten zu können. Mariah klang, als wäre sie den Tränen nahe.
»Mariah«, sagte Alvirah, »Ihr Vater geht sehr liebevoll mit Ihrer Mutter um und kümmert sich rührend um sie. Manche Dinge sollte man lieber auf sich beruhen lassen, vor allem dann, wenn es mit dem Gedächtnis Ihrer Mutter nicht mehr zum Besten steht.«
»Es ist noch nicht so schlimm, dass sie sich nicht daran erinnern könnte, wie gern sie mitgefahren wäre«, erwiderte Mariah. »Sie hat Ihnen gesagt, dass sie in Venedig die Flitterwochen verbracht haben. Mom weiß, wie krank sie ist. Sie wollte mitkommen, solange sie noch einigermaßen fit ist. Aber nachdem Lillian auf der Bildfläche erschienen ist, vermute ich, hat Dad einen Arzt dazu gebracht, Mom von der Reise abzuraten. Sie kann sich darüber manchmal fürchterlich aufregen. «
»Weiß sie von Lily?«, fragte Alvirah geradeheraus.
»Dad hat sie mehrmals zu uns zum Essen eingeladen, wenn er sich mit anderen Grabungsteilnehmern getroffen hat, können Sie sich das vorstellen! Ich hätte nie gedacht, dass die beiden etwas miteinander haben, bis Mom Fotos von ihnen in Dads Arbeitszimmer gefunden hat. Sie hat sie mir gezeigt. Ich habe Dad gesagt, er soll sie nicht mehr nach Hause einladen. Aber meine Mutter fragt häufig nach ihr, und dabei wird sie immer sehr wütend.«
Im vergangenen Jahr waren dann Willy und Alvirah oft mit Mariah zu Jonathan und Kathleen gefahren, und Mariah hatte recht. Trotz ihres stetig fortschreitenden Gedächtnisverlusts hatte Kathleen die Sprache immer wieder auf die Venedig-Reise gebracht.
All das ging Alvirah erneut durch den Kopf, als die Queen Mary 2 in den New Yorker Hafen einlief. Jonathan, dachte sie, ist jetzt schon beerdigt. Möge er in Frieden ruhen.
Dann fügte sie mit ihrem unfehlbaren Gespür für drohendes Unheil in Gedanken hinzu: Und, Gott, steh bitte Kathleen und Mariah bei.
Und bitte lass die Polizei herausfinden, dass Jonathan von einem Einbrecher ermordet wurde.
Den ganzen Tag über brannte Greg Pearson nur darauf, Mariah mitzuteilen, wie sehr er ihren Kummer verstand und dass er ihr zur Seite stehen wollte. Er wollte ihr sagen, wie sehr er ihren Vater vermisste. Er wollte ihr sagen, wie dankbar er Jonathan war, der ihm so vieles beigebracht hatte, nicht nur über die Archäologie, sondern über das Leben schlechthin.
Als Jons Kollegen und Freunde Geschichten über ihn und seine große Hilfsbereitschaft erzählten, wollte auch er seine Geschichte zum Besten geben. Er hatte Jon nämlich anvertraut, was für ein verunsicherter Junge er früher gewesen war. In der Highschool, so habe ich Jon erzählt, war ich der Typ, der bei 1,68 Metern aufgehört hat zu wachsen, während die anderen auf 1,88 oder 1,90 hochschossen. Das wollte er sagen. Ich war der mickrige Schwächling, das Paradebeispiel eines Verlierers. Ich habe alles Mögliche ausprobiert. Schließlich habe ich es im College auf 1,78 geschafft, aber da war es schon zu spät.
Wahrscheinlich wollte ich von Jonathan bedauert werden, aber das konnte ich mir abschminken. Jonathan hat nur gelacht.
»Du hast deine Zeit also mit Lernen verbracht, statt Basketbälle in den Korb zu werfen«, sagte er. »Du hast eine erfolgreiche Firma aufgebaut. Hol dein Highschool- Jahrbuch heraus und schlag die nach, die damals die tollen Typen waren. Ich wette, die meisten krebsen jetzt irgendwo herum.«
Ich habe Jon erzählt, dass ich sie tatsächlich nachgeschlagen habe, vor allem die, die mir damals das Leben schwer gemacht haben, und er hatte recht. Klar, manche haben es zu was gebracht, aber viele von denen, die damals immer eine große Klappe hatten, sind heute eher ziemliche Nieten.
Er hat es geschafft, dass ich mich selbst so mag, wie ich bin, wollte Greg sagen. Er hat nicht nur sein unglaubliches Wissen über die Antike und die Archäologie mit mir geteilt, sondern mir auch zu einem größeren Selbstwertgefühl verholfen.
Damit hätte Greg es bewenden lassen. Er hätte gar nicht mehr erzählt, dass er Jonathan gebeichtet hatte, wie schüchtern er trotz seiner geschäftlichen Erfolge war, dass er auf Partys immer der Außenseiter blieb, der noch nicht einmal die grundlegendsten Regeln des Small Talks beherrschte, und er hätte auch nicht mehr Jonathans Erwiderung erwähnen müssen, dass er sich in diesem Fall eben eine muntere, redselige Frau suchen sollte. »Ihr wird gar nicht auffallen, dass du so still bist, und auf Partys wird sie das Reden übernehmen. Ich kenne mindestens drei Typen mit solchen Frauen, sie passen alle wunderbar zusammen.«
All das ging Greg durch den Kopf, als er Mariah aus dem Country Club folgte. Er hielt sich im Hintergrund, bis ein Bediensteter Pater Aidens Wagen vorfuhr und die Pflegerin Mariahs Mutter in die schwarze, vom Bestattungsinstitut bereitgestellte Limousine half.
Dann trat er auf sie zu. »Mariah, es war sicherlich ein schrecklicher Tag für dich. Du weißt hoffentlich, wie sehr wir alle deinen Vater vermissen werden.«
Mariah nickte. »Das weiß ich, Greg. Danke.«
Er wollte nach anfügen: »Lass uns bald mal zusammen zum Essen gehen«, aber er brachte den Satz nicht über die Lippen. Sie hatten sich vor ein paar Jahren einige Male miteinander verabredet, aber als er darauf beharrte, sie regelmäßig anzurufen, hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie sich mit einem anderen traf und er sich keine großen Hoffnungen machen sollte.
Wenn er aber jetzt den Schmerz in ihren dunkelblauen Augen sah und das Glitzern der Nachmittagssonne auf ihren schulterlangen Haaren, dann hätte er ihr am liebsten gesagt, dass er sie immer noch liebte und für sie in die Hölle und wieder zurück gehen würde. Stattdessen sagte er nur: »Ich rufe nächste Woche mal an, um mich zu erkundigen, wie es deiner Mutter geht.«
»Das wäre nett.«
Er hielt ihr die Wagentür auf, während sie in die Limousine stieg, zögernd schloss er sie und sah ihr nach, bis der Wagen langsam die kreisrunde Anfahrt verließ. Dabei wusste er nicht, dass er selbst beobachtet wurde.
Richard Callahan stand in der Reihe jener Gäste, die darauf warteten, dass ihnen das Auto vorgefahren wurde. Bei Jonathans Essenseinladungen war ihm nicht verborgen geblieben, wie sich Gregs Miene aufhellte, wenn Mariah mit dabei gewesen war. Ebenso wenig war ihm entgangen, dass sie ihrerseits keinerlei romantisches Interesse an Greg zu haben schien. Das könnte sich jetzt natürlich ändern, nachdem ihr Vater tot war, dachte er. Jetzt war sie vielleicht aufgeschlossener für jemanden, der für sie schlichtweg alles tun würde und dazu auch in der Lage war.
Vor allem, wenn es wirklich stimmte, was man sich eben am Tisch erzählt hatte, dachte Richard, als ihm sein acht Jahre alter VW gebracht wurde. Die Pflegerin hat sich gegenüber den Nachbarn ja gar nicht mehr eingekriegt und lang und breit erklärt, wie wütend Kathleen wird, wenn das Thema auf Jons Beziehung zu Lily kommt. Das hätte sie sich sparen können, schließlich ging das weder sie noch die anderen etwas an.
Jonathan hat sich am Abend seiner Ermordung allein mit Kathleen im Haus aufgehalten. Mariah muss klar sein, dass ihre Mutter zu den Tatverdächtigen gehört, dachte er. Die Polizei wird mit Lily, Greg, Albert, Charles und mir Kontakt aufnehmen und jeden von uns gesondert befragen. Und was sollen wir ihnen dann erzählen? Die Polizei muss mittlerweile erfahren haben, dass Lily und Jonathan ein Verhältnis hatten und Kathleen sich darüber furchtbar aufgeregt hat.
Copyright © 2012 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Über die folgenden achtzehn Jahre im Leben Jesu ist nichts bekannt. Als sich seine Zeit in Ägypten dem Ende näherte und er vorhersah, dass Josef ihm sein eigenes Grab zur letzten Ruhestätte übereignen würde, schrieb Jesus einen Brief, in dem er dem treuen Freund seine Dankbarkeit zum Ausdruck brachte. Manche Päpste hielten diesen Brief für echt, andere hegten Zweifel. Der vatikanische Bibliothekar allerdings hatte erfahren, dass sich der gegenwärtige Papst Sixtus IV. mit dem Gedanken trug, den Brief vernichten zu lassen.
Der Hilfsbibliothekar hatte in der Biblioteca Secreta bereits auf den alten Mönch gewartet. Mit sorgenvollem Blick übergab er ihm das Pergament. »Ich tue dies auf Weisung Seiner Eminenz, des hochwürdigsten Kardinal del Portego«, sagte er. »Das heilige Pergament darf nicht zerstört werden. Bewahrt es gut in Eurem Kloster auf und verratet niemandem von seinem Inhalt.«
Der Mönch nahm das Pergament entgegen, küsste es ehrerbietig und schob es schützend in den Ärmel seiner Kutte.
Erst mehr als fünfhundert Jahre später, zu Beginn dieser Geschichte, sollte der Brief an Josef von Arimathäa wieder auftauchen.
Heute ist die Beerdigung meines Vaters. Er wurde ermordet.
Mit diesem Gedanken erwachte die achtundzwanzigjährige Mariah Lyons, nachdem sie eine unruhige Nacht im Haus ihrer Eltern in Mahwah verbracht hatte, einer Stadt nahe der Ramapo Mountains im nördlichen New Jersey. Sie wischte ihre Tränen fort, richtete sich langsam auf und sah sich um.
Mit sechzehn hatte sie als Geburtstagsgeschenk ihr Zimmer neu einrichten dürfen. Sie hatte die Wände rot streichen lassen und sich für die Tagesdecke, die Kissen und die Blende der Gardinenleisten ein rot-weißes Blütenmuster ausgesucht. Ihre Hausaufgaben hatte sie dann nie am Schreibtisch gemacht, sondern immer nur im großen, bequemen Sessel in der Ecke. Ihr Blick fiel auf das Regal, das ihr Vater über der Ankleide angebracht hatte und auf dem ihre Pokale standen, die sie mit den Fußball- und Basketballmannschaften an der Highschool gewonnen hatte. Er war immer so stolz auf mich, dachte sie traurig. Er hat das Zimmer neu einrichten wollen, als ich mit dem College fertig war, aber ich habe mich dagegen entschieden. Es ist mir egal, dass es immer noch wie das Zimmer eines Teenagers aussieht.
Bislang hatte sie sich glücklich schätzen können, weil sie bis auf ihre Großmutter, die mit sechsundachtzig Jahren im Schlaf gestorben war, nie um ein Familienmitglied hatte trauern müssen. Ich habe Großmutter wirklich geliebt, trotzdem war ich dankbar um ihren Tod, dachte sie. Ihr ist vieles erspart geblieben, weil sie doch körperlich mehr und mehr abgebaut und es immer verabscheut hat, auf andere angewiesen zu sein.
Mariah stand auf, griff sich den Morgenmantel am Fußende des Bettes, schlüpfte hinein und schlang den Gürtel um die gertenschlanke Taille. Aber jetzt ist es etwas anderes, dachte sie. Mein Vater ist keines natürlichen Todes gestorben. Er ist in seinem Arbeitszimmer erschossen worden. Sie musste schlucken, als ihr die Frage in den Sinn kam, die sie sich mittlerweile schon so oft gestellt hatte: War Mom im Zimmer, als es geschehen ist? Oder ist sie erst dazugekommen, nachdem sie den Schuss gehört hat? Kann es sein, dass Mom die Täterin ist? Bitte, Gott, lass das nicht zu!
Sie ging zum Toilettentisch und betrachtete sich im Spiegel. Ich bin so blass, dachte sie, als sie sich ihr schulterlanges schwarzes Haar bürstete. Die Augen waren geschwollen von ihren vielen Tränen in den letzten Tagen. Ein unpassender Gedanke ging ihr durch den Kopf: Ich bin froh, dass ich Daddys dunkelblaue Augen habe und so groß bin wie er. Beim Basketball hat das jedenfalls nie geschadet.
»Ich will einfach nicht glauben, dass er tot ist«, flüsterte sie und musste an die kaum drei Wochen zurück liegende Feier zu seinem siebzigsten Geburtstag denken. Wieder ließ sie die vergangenen vier Tage Revue passieren. Am Montagabend war sie länger im Büro geblieben, um für einen Neukunden einen Investmentplan zu entwerfen. Als sie um acht in ihre Wohnung im Greenwich Village kam, rief sie wie gewöhnlich ihren Vater an. Daddy war sehr niedergeschlagen, erinnerte sie sich. Mom, erzählte er, hatte einen schrecklichen Tag hinter sich; es war klar, dass es mit ihrer Alzheimer-Erkrankung immer schlimmer wurde. Aber aus irgendeinem Grund habe ich um halb elf noch einmal angerufen, weil ich mir Sorgen um sie gemacht habe.
Als sich Daddy nicht gemeldet hat, wusste ich, dass etwas nicht stimmt. Wieder musste sie an die scheinbar endlose Fahrt vom Greenwich Village nach New Jersey denken. Immer wieder hatte sie von unterwegs angerufen. Um 23 Uhr 20 war sie in die Anfahrt eingebogen, hatte in der Dunkelheit nach dem Haustürschlüssel gekramt und war zum Haus gerannt. Im Erdgeschoss brannten sämtliche Lichter, und sie eilte sofort ins Arbeitszimmer.
Dort bot sich ihr ein schrecklicher Anblick. Ihr Vater lag zusammengesackt über dem Schreibtisch, Kopf und Schultern waren blutüberströmt. Ihre Mutter, ebenfalls voller Blut, kauerte im begehbaren Wandschrank neben dem Schreibtisch und hielt Vaters Pistole umklammert.
Mom hat mich angesehen und gestöhnt. »So viel Lärm ... so viel Blut ...«
Ich war völlig außer mir, erinnerte sich Mariah. Ich habe den Notruf gewählt und nur gestammelt: »Mein Vater ist tot! Mein Vater ist erschossen worden!«
Wenige Minuten darauf ist die Polizei eingetroffen. Ich werde nie vergessen, wie sie Mom und mich angesehen haben. Ich hatte Daddy noch im Arm, deshalb war ich ebenfalls voller Blut. Und einer der Polizisten sagte, ich hätte den Tatort kontaminiert, weil ich Daddy berührt habe.
Mariah wurde bewusst, dass sie die ganze Zeit in den Spiegel gestarrt hatte, ohne sich wirklich wahrzunehmen. Die Uhr auf dem Toilettentisch zeigte bereits halb acht. Ich muss mich fertig machen, dachte sie. Um neun sollen wir im Bestattungsinstitut sein. Hoffentlich ist Rory bis dahin mit Mom fertig. Rory Steiger war die untersetzte Zweiundsechzigjährige, die sich seit zwei Jahren um ihre Mutter kümmerte.
Zwanzig Minuten später trat Mariah, geduscht und geföhnt, wieder in ihr Zimmer, öffnete den Schrank und nahm die schwarz-weiße Jacke und den schwarzen Rock heraus, die sie für die Beerdigung vorgesehen hatte.
Nach dem Ankleiden trat sie ans Fenster. Sie hatte es offen gelassen, als sie zu Bett gegangen war, sodass sich nun die Vorhänge im sachten Wind bauschten. Sie sah in den Garten hinaus, in dem ein Japanischer Ahorn stand, den ihr Vater vor vielen Jahren eingesetzt hatte. Die im Frühjahr gepflanzten Begonien und Fleißigen Lieschen rankten sich um die Veranda. In der Ferne schimmerten die Ramapo Mountains grüngolden in der Sonne. Ein herrlicher später Augusttag.
Ich will nicht, dass heute so ein wunderschöner Tag ist, dachte Mariah. Man könnte glatt meinen, es wäre nichts Schreckliches passiert. Aber es ist Schreckliches passiert. Daddy ist ermordet worden. Ich will, dass es regnet und kalt ist und trüb. Ich will, dass Regen auf seinen Sarg fällt. Ich will, dass der Himmel um ihn weint.
Er ist für immer fort.
Trauer und Schuldgefühle drohten sie zu überwältigen. Der sanftmütige College-Professor hatte sich erst drei Jahre zuvor so sehr auf seinen Ruhestand gefreut, weil er dann all seine Zeit mit dem Studium alter Manuskripte verbringen konnte, und jetzt war er so gewaltsam aus dem Leben gerissen worden. Ich habe ihn geliebt. Obwohl unsere Beziehung in den letzten eineinhalb Jahren fürchterlich angespannt war, weil er eine Affäre mit Lillian Stewart gehabt hat, der Professorin, die er an der Columbia University kennengelernt und die unser aller Leben verändert hat.
Mariah erinnerte sich noch gut an ihre Bestürzung, als sie eineinhalb Jahre zuvor nach Hause gekommen war und ihre Mutter Fotos in der Hand hielt, die zeigten, wie Lillian und ihr Vater sich umarmten. Ich war so wütend, schließlich war klar, dass das schon seit fünf Jahren so ging, weil Lily ihn bei allen archäologischen Ausgrabungen in Ägypten und Griechenland und Israel oder weiß Gott wo begleitet hat. Ich war so schrecklich wütend, weil sie ebenfalls immer hier war, wenn er seine Freunde Richard, Charles, Albert und Greg zum Essen eingeladen hat.
Es hat sie offensichtlich nicht gestört, dass mein Vater zwanzig Jahre älter war als sie, dachte Mariah verbittert. Ich habe versucht, gerecht zu sein und sie zu verstehen, aber ich verabscheue diese Frau aus tiefstem Herzen.
Mit Mom ist es seit Jahren bergab gegangen, und ich weiß doch, wie schlimm es für Dad war, dass er das alles hat miterleben müssen. Aber sie hat auch immer noch ihre guten Tage. Und immer noch spricht sie oft von diesen Fotos. Es hat sie sehr verletzt, dass Dad eine andere Frau hatte.
Ich will nicht daran denken, sagte sich Mariah und wandte sich vom Fenster ab. Ich möchte, dass mein Vater wieder lebt. Ich möchte ihm sagen, wie leid es mir tut, dass ich ihm erst letzte Woche höhnisch die Frage hingeworfen habe, ob die gute Lily ihm auch bei der letzten Exkursion nach Griechenland eine gute Reisegefährtin gewesen ist.
Sie ging an ihren Schreibtisch und betrachtete das zehn Jahre alte Bild ihrer Mutter und ihres Vaters. Wie liebevoll sie damals miteinander umgegangen sind, dachte Mariah. Sie hatten geheiratet, als sie noch nicht einmal mit dem Studium fertig waren.
Und erst fünfzehn Jahre später bin ich gekommen.
Mit einem traurigen Lächeln erinnerte sie sich an ihre Mutter, die ihr gesagt hatte, sie hätten zwar lange warten müssen, aber Gott habe sie mit einem perfekten Kind gesegnet. Da hat Mom etwas übertrieben, dachte sie. Ihre beiden Eltern waren äußerst attraktive Menschen mit viel Charme. Als Kind war ich sicherlich keine Augenweide. Lange, glatte, schwarze Haare, viel zu groß für mein Alter und so dürr wie eine Bohnenstange, dazu Zähne, die für mein Gesicht damals noch viel zu groß waren. Aber glücklicherweise bin ich dann doch noch eine ganz anständige Mischung aus meinen beiden Eltern geworden.
Dad, Daddy, bitte sei nicht tot. Sitze bitte am Frühstückstisch, wenn ich ins Zimmer komme, mit der Kaffeetasse in der Hand und der Times oder dem Wall Street Journal vor dir. Ich schnappe mir dann die Post und blättere zum »Vermischten«, und du wirfst mir über die Brille diesen Blick zu, mit dem du mir zu verstehen gibst, dass man sich mit so etwas überhaupt nicht abgeben sollte.
Ich will nichts essen, ich werde nur einen Kaffee trinken, beschloss Mariah, öffnete die Tür und ging durch den Flur zur Treppe. Auf der obersten Stufe blieb sie stehen und lauschte, hörte aber keinen Laut aus den beiden miteinander verbundenen Zimmern, in denen ihre Mutter und Rory schliefen. Was hoffentlich heißt, dass sie unten sind, dachte sie.
Im Frühstückszimmer aber war von ihnen nichts zu sehen. Sie ging in die Küche zu Betty Pierce, der Haushälterin. »Mariah, Ihre Mutter wollte nichts essen. Sie ist im Arbeitszimmer. Ich glaube nicht, dass Ihnen gefällt, was sie anhat, aber sie besteht auf das blau-grüne Leinenkostüm, das Sie ihr zum Muttertag geschenkt haben.«
Mariah wollte schon protestieren, hielt dann aber inne: Was in Gottes Namen machte es schon? Sie nahm von Betty die Kaffeetasse entgegen und ging damit ins Arbeitszimmer. Dort fand sie eine äußerst bekümmerte Rory vor, die, ohne dass sie gefragt werden musste, nur mit dem Kopf zur Schranktür wies. »Sie erlaubt nicht, dass ich die Tür offen lasse«, sagte sie, »und sie will mich auch nicht bei sich haben.«
Mariah klopfte an die Schranktür, öffnete sie langsam und murmelte dabei den Namen ihrer Mutter - seltsamerweise reagierte sie darauf manchmal eher als auf das »Mom«, mit dem Mariah sie üblicherweise ansprach. »Kathleen«, sagte sie also, »Kathleen, es ist Zeit für eine Tasse Tee und ein Zimthörnchen.«
Kathleen Lyons kauerte ganz hinten auf dem Boden des großen begehbaren Wandschranks, der zu beiden Seiten mit Regalen versehen war. Sie hatte schützend die Arme um den Körper geschlungen und den Kopf gegen die Brust gepresst, als erwartete sie, jeden Moment geschlagen zu werden. Die Augen hatte sie fest geschlossen, ihre silbergrauen Haare fielen ihr über das Gesicht. Mariah kniete sich neben sie und wiegte sie wie ein Kleinkind in den Armen.
»So viel Lärm ... so viel Blut«, flüsterte ihre Mutter nur, die gleichen Worte, die sie seit dem Mord unaufhörlich wiederholte. Schließlich ließ sie sich von Mariah aufhelfen und das gewellte Haar aus dem hübschen Gesicht streichen. Wieder wurde Mariah daran erinnert, dass ihre Mutter nur wenige Monate jünger war als ihr Vater und für ihr Alter sehr jung aussah, wären nicht ihre ängstlichen Bewegungen gewesen, fast so, als fürchtete sie, jeden Augenblick in einen Abgrund zu stürzen.
Während Mariah ihre Mutter aus dem Arbeitszimmer führte, bemerkte sie weder den hasserfüllten Blick von Rory Steiger noch deren verstohlenes Lächeln, das ihr in diesem Moment über die Lippen huschte.
Jetzt, dachte Rory, werde ich sie bald los sein.
Detective Simon Benet von der Staatsanwaltschaft des Bergen County sah aus wie jemand, der viel Zeit im Freien verbrachte. Er war Mitte vierzig, hatte eine rötliche Gesichtsfarbe und schütter werdendes blondes Haar. Seine Anzugjacke war immer verknittert, da er sie, sobald er sie nicht tragen musste, über eine Stuhllehne oder auf den Rücksitz seines Wagens warf.
Seine Partnerin, Detective Rita Rodriguez, war eine durchtrainierte Frau hispanischer Abstammung, Ende dreißig, mit modisch kurzen braunen Haaren, und im Gegensatz zu Benet war sie stets makellos gekleidet. Die beiden bildeten das Top-Ermittlerteam, dem auch der Mordfall Jonathan Lyons übertragen worden war.
Am Freitagmorgen waren sie die Ersten, die am Bestattungsinstitut eintrafen. Da sie aus Erfahrung wussten, dass der Täter - sollte er wirklich ein Einbrecher gewesen sein - sein Opfer unter Umständen noch einmal sehen wollte, hielten sie unter den Anwesenden nach Verdächtigen Ausschau.
Jeder, der so etwas schon mal mitgemacht hat, weiß, wie es ist, dachte sich Rodriguez. Es gibt Unmengen an Blumen, obwohl in der Todesanzeige ausdrücklich darum gebeten worden ist, zugunsten von Spenden an das örtliche Krankenhaus darauf zu verzichten.
Weit vor neun Uhr begann sich der Raum, wo der Tote aufgebahrt lag, zu füllen. Die beiden Detectives wussten, dass manche Gäste nur aus morbider Neugier erschienen - Rodriguez erkannte sie auf den ersten Blick. Sie standen unnötig lange am Sarg und suchten im Antlitz des Toten nach Anzeichen von Verletzungen. Jonathan Lyons aber hatte eine friedliche Miene, und die kosmetische Kunst des Bestatters hatte dafür gesorgt, dass von möglichen Wunden nichts mehr zu erkennen war.
In den zurückliegenden drei Tagen hatten die beiden Detectives die Nachbarn befragt und gehofft, dass jemand den Schuss gehört oder den Täter vielleicht aus dem Haus hatte laufen sehen. Die Nachbarn gleich nebenan waren im Urlaub, ansonsten war niemandem etwas Ungewöhnliches aufgefallen.
Mariah Lyons hatte ihnen die Personen genannt, die ihrem Vater sehr nahegestanden hatten und denen er sich bei Problemen möglicherweise anvertraut hatte.
»Richard Callahan, Charles Michaelson, Albert West und Greg Pearson. Sie haben Dad in den letzten sechs Jahren bei seinen jährlichen archäologischen Exkursionen begleitet«, hatte sie ihnen erzählt. »Sie alle kommen etwa einmal im Monat zu uns zum Essen. Richard ist Doktor für Biblische Geschichte an der Fordham University. Charles und Albert sind ebenfalls Wissenschaftler, Greg ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, seine Firma macht irgendetwas mit Computersoftware. « Und dann hatte sie ihnen, ohne ihre Abneigung zu verbergen, noch den Namen Lillian Stewart genannt, der Geliebten ihres Vaters.
Mit diesen Personen wollten sich die Detectives treffen, um sie zu befragen. Benet hatte die Pflegerin, Rory Steiger, gebeten, sie ihnen zu zeigen, wenn sie eintrafen.
Zwanzig Minuten vor neun betraten Mariah, ihre Mutter und Rory das Bestattungsinstitut. Kathleen Lyons starrte sie mit leerer, verständnisloser Miene an, obwohl sie in den vergangenen Tagen zweimal bei ihr zu Hause gewesen waren. Mariah nickte ihnen zu und begrüßte die bereits eingetroffenen Gäste, die nahe beim Sarg standen.
Die Polizisten wählten eine Stelle ganz in der Nähe, wo sie die Gäste und deren Gesichter erkennen konnten, wenn sie mit Mariah sprachen.
Rory setzte Kathleen auf einen Platz in der ersten Reihe, kam anschließend zu ihnen und stellte sich hinter sie, wo sie mit ihrem schwarz-weißen Kleid und ihren grauen, zu einem Knoten gebundenen Haaren nicht weiter auffiel. Sie versuchte, ihre Nervosität zu verbergen, und musste ständig daran denken, dass sie zwei Jahre zuvor die Arbeit nur wegen Joe Peck angenommen hatte, einem fünfundsechzigjährigen Witwer, der im selben Apartmentgebäude an der Upper West Side in Manhattan wohnte wie sie.
Joe Peck war pensionierter Feuerwehrmann und besaß ein Haus in Florida. Sie war mit ihm regelmäßig zum Essen ausgegangen, und Joe hatte ihr anvertraut, wie einsam er sich seit dem Tod seiner Frau fühlte. Rory hatte daraufhin insgeheim die Hoffnung gehegt, dass er ihr vielleicht einen Heiratsantrag machen würde. Aber dann hatte er eines Abends bei einem ihrer Treffen gestanden, dass er eine andere Frau kennengelernt habe, die bei ihm einziehen würde.
Noch in derselben Nacht hatte Rory ihrer besten Freundin Rose voller Wut und Enttäuschung erzählt, dass sie die ihr angebotene Stelle in New Jersey annehmen würde. »Die Arbeit wird gut bezahlt. Ich werde von Montag bis Freitag dort sein und keinen Grund haben, nach der Arbeit nach Hause zu eilen, weil ich vielleicht hoffe, Joe könnte anrufen«, hatte sie verbittert gesagt.
Aber nie im Leben habe ich mir träumen lassen, dass es damit enden würde, dachte sie. Dann erblickte sie zwei Männer Ende sechzig. »Sehen Sie da drüben«, flüsterte sie Benet und Rodriguez zu, »diese beiden sind Experten auf Professor Lyons' Fachgebiet. Sie kommen so einmal im Monat zu Besuch, und ich weiß, dass Professor Lyons oft mit ihnen telefoniert hat. Der größere ist Professor Charles Michaelson, der andere Professor Albert West.«
Eine Minute später zupfte sie an Benets Ärmel. »Hier kommen Callahan und Pearson«, sagte sie. »Die Geliebte ist auch dabei.«
Mariah riss die Augen auf, als sie die Neuankömmlinge bemerkte. Ist es zu fassen! Lily ist so dreist, hier aufzutauchen, dachte sie und musste sich gleichzeitig unweigerlich eingestehen, dass Lillian Stewart mit ihren kastanienbraunen Haaren und den braunen Augen eine sehr attraktive Frau war. Sie trug ein hellgraues Leinenkostüm mit weißem Kragen. Wie lange wird sie dafür wohl die Geschäfte durchstöbert haben?, fragte sich Mariah. Es war die perfekte Trauerkleidung für eine Geliebte.
Genau solche Sticheleien habe ich auch Dad gegenüber immer geäußert, dachte sie reumütig. Und ich habe ihn gefragt, ob sie auch solche hochhackigen Schuhe tragen würde, wenn sie in den Ruinen herumgraben. Ohne Lily Stewart zu beachten, gab sie Greg Pearson und Richard Callahan die Hand. »Was für ein trauriger Tag heute, nicht wahr?«, sagte sie.
Der Kummer im Blick der beiden hatte etwas Tröstliches. Sie wusste, wie wichtig ihnen die Freundschaft zu ihrem Vater gewesen war. Sie waren beide Mitte dreißig und eifrige Amateurarchäologen, trotzdem hätten sie unterschiedlicher nicht sein können. Richard, schlank, über eins neunzig groß, mit schwarzen Haaren, in die sich allmählich graue Strähnen schlichen, besaß einen ausgeprägten Sinn für Humor. Sie wusste, dass er ein Jahr lang das Priesterseminar besucht hatte und nach wie vor nicht ausschloss, doch noch Geistlicher zu werden. Er wohnte in der Nähe der Fordham University, wo er auch unterrichtete.
Greg war genau so groß wie sie, wenn sie Absätze trug. Er hatte braune, kurz geschnittene Haare und große, helle graugrüne Augen. Er gab sich stets still und zurückhaltend, und Mariah hatte sich schon oft gefragt, ob er trotz seiner geschäftlichen Erfolge insgeheim nicht ein überaus schüchterner Mensch war. Vielleicht war das einer der Gründe, warum er Dad so sehr geschätzt hat, dachte sie. Dad war ein faszinierender Erzähler gewesen. Sie hatte sich einige Male mit Greg getroffen, aber da sie ihm keinerlei romantische Gefühle entgegenbrachte und fürchtete, eben dies könnte bei ihm der Fall sein, hatte sie ihm bald zu verstehen gegeben, dass sie einen anderen hatte. Von da an hatte er sie nicht mehr gefragt, ob sie mit ihm ausgehen wolle.
Die beiden Männer knieten kurz vor dem Sarg. »Die langen Abende mit dem Geschichtenerzähler sind jetzt also vorbei«, sagte Mariah, als sie sich erhoben.
Dann traten Albert West und Charles Michaelson zu ihr. »Mariah, es tut mir so leid. Ich bin immer noch völlig fassungslos. Das alles ist so plötzlich gekommen«, sagte Albert.
»Ja, ich weiß«, erwiderte Mariah und betrachtete die vier Männer, die mit ihrem Vater befreundet gewesen waren. »Habt ihr schon mit der Polizei gesprochen? Ich habe den Beamten eine Liste mit den engen Freunden geben müssen, und natürlich habe ich euch alle aufgeführt.« Dann wandte sie sich an Lily. »Ich muss wohl nicht erwähnen, dass dein Name ebenfalls darauf steht.«
War in ihren Mienen eine Veränderung bemerkbar?, fragte sich Mariah. Schwer zu sagen, denn in diesem Augenblick erschien der Direktor des Bestattungsinstituts und bat alle Anwesenden, Abschied vom Toten zu nehmen und sich dann zu den Autos zu begeben. Es war an der Zeit, in die Kirche zu fahren.
Sie wartete mit ihrer Mutter, bis alle anderen fort waren. Erleichtert stellte sie fest, dass Lily so viel Anstand besaß und ihren Vater nicht berührte. Ich glaube, ich hätte mich nicht mehr beherrschen können, wenn sie sich über ihn gebeugt und ihm einen Kuss gegeben hätte, dachte sie.
Ihre Mutter schien überhaupt nicht zu registrieren, was um sie herum vor sich ging. Als Mariah sie zum Sarg führte, starrte sie nur auf ihren toten Mann und sagte: »Ich bin froh, dass er sich das Gesicht gewaschen hat. So viel Lärm ... so viel Blut.«
Mariah übergab Rory ihre Mutter und nahm daraufhin selbst Abschied. Daddy, du hättest noch viele Jahre leben sollen, dachte sie. Aber jemand wird dafür büßen, dass er dir das angetan hat.
Sie beugte sich vor, legte ihre Wange an die seine und bereute es sofort. Was sie spürte, war die harte, kalte Oberfläche irgendeines Gegenstands, aber es hatte nichts mehr mit ihrem Vater gemein.
Als sie sich wieder aufrichtete, flüsterte sie zum Abschied: »Ich werde mich um Mom kümmern, versprochen. «
Lillian Stewart schlich sich in die Kirche, nachdem der Trauergottesdienst schon begonnen hatte, und verließ sie noch vor dem letzten Gebet, sodass sie nach dem frostigen Empfang im Bestattungsinstitut nicht mehr Gefahr laufen konnte, Mariah oder deren Mutter zu begegnen. Dann fuhr sie zum Friedhof, parkte in einiger Entfernung zum Eingang und wartete, bis die Beerdigung vorüber war und die Trauergäste sich verabschiedet hatten. Erst dann fuhr sie weiter zu Jonathans Grabstelle, stieg aus und ging mit einem Dutzend Rosen zum frisch aufgeworfenen Grab.
Die Totengräber, die gerade den Sarg in die Erde lassen wollten, traten respektvoll zurück, als sie sich hinkniete, die Rosen auf den Sarg legte und flüsterte: »Ich liebe dich, Jon.« Blass, aber gefasst ging sie an den Grab- reihen vorbei zu ihrem Wagen zurück. Erst als sie hinter dem Steuer saß, überließ sie sich ihren Gefühlen und verbarg das Gesicht in den Händen. Die bislang zurückgehaltenen Tränen strömten ihr nun ungehindert über die Wangen, ihr ganzer Körper bebte unter ihrem Schluchzen.
Kurz darauf wurde die Beifahrertür geöffnet. Er schreckt blickte sie auf und unternahm den vergeblichen Versuch, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Tröstende Arme hielten sie fest, bis ihr Schluchzen abgeebbt war. »Ich habe mir schon gedacht, dass ich dich hier finde«, sagte Richard Callahan. »Ich habe dich in der Kirche gesehen.«
Lily löste sich von ihm. »O Gott, ich hoffe, Mariah oder ihre Mutter haben mich nicht bemerkt«, sagte sie mit zittriger Stimme.
»Ich glaube nicht. Ich habe dich gesucht, nachdem du das Bestattungsinstitut verlassen hast. Du hast gesehen, wie voll die Kirche war?«
»Richard, es ist sehr nett, wenn du dich um mich kümmerst, aber wirst du nicht beim Essen erwartet?«
»Ja, aber erst wollte ich sehen, wie es dir geht. Ich weiß, wie viel Jonathan dir bedeutet hat.«
Lillian hatte Richard Callahan fünf Jahre zuvor bei ihrer ersten archäologischen Grabung kennengelernt. Er war Doktor für Biblische Geschichte an der Fordham University und hatte davor ein Jesuitenseminar besucht, das er jedoch vor der Priesterweihe verlassen hatte. Mit seiner unbeschwerten Art war er ihr überraschenderweise ein guter Freund geworden. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er ihre Beziehung zu Jonathan nicht unbedingt gutheißen würde, aber falls dem so war, hatte er sich ihr gegenüber nie darüber ausgelassen. Es war auf dieser ersten Grabung gewesen, dass sie und Jonathan sich heftig ineinander verliebt hatten.
Lillian lächelte schwach. »Richard, ich bin dir sehr dankbar, aber du solltest jetzt wirklich zu den anderen zurück. Jonathan hat mir oft gesagt, dass Mariahs Mutter dich sehr mag. Es wird ihr guttun, wenn du dabei bist.«
»Gleich«, erwiderte Richard, »nur eines noch, Lily. Hat dir Jonathan erzählt, dass sich unter den Schriftrollen, die er in der alten Kirche gefunden hat und die er übersetzen sollte, eine von unschätzbarem Wert befindet? «
Lillian Stewart sah Richard Callahan unverwandt an. »Eine alte, wertvolle Schriftrolle? Ganz bestimmt nicht«, log sie. »Davon hat er mir nie etwas erzählt.«
Der restliche Tag folgte dem üblichen Ablauf von Beerdigungen. Mariah, mittlerweile etwas gefasster, lauschte aufmerksam dem langjährigen Freund der Familie, Pater Aiden O'Brien, einem Mönch aus der Kirche des heiligen Franziskus in Manhattan, der die Totenmesse leitete und auf dem nahe gelegenen Friedhof Maryrest auch die Gebete sprach. Danach fuhren sie in den Ridgewood Country Club, wo für die Trauergäste ein Essen gegeben wurde.
Über zweihundert Menschen waren versammelt. Die düstere Stimmung hellte sich nach ein oder zwei Bloody Marys spürbar auf, und die Atmosphäre gewann etwas Festliches. Mariah war froh darum, denn von den Anwesenden bekam sie nur zu hören, was für ein wunderbarer Mensch ihr Vater gewesen sei. Brillant. Geistreich. Attraktiv. Charmant. Ja, dachte sie. Ja.
Nach dem Essen, als sich Rory mit ihrer Mutter gerade auf den Heimweg machte, nahm Pater Aiden sie zur Seite. Obwohl niemand mehr da war, der sie hätte hören können, fragte er mit leiser Stimme: »Mariah, hat Ihr Vater Ihnen anvertraut, dass er seinen baldigen Tod vorhergesehen hat?«
Ihr Blick war ihm offensichtlich Antwort genug. »Ihr Vater hat mich letzten Mittwoch besucht und mir von seiner Vorahnung berichtet. Wir haben im Kloster eine Tasse Kaffee getrunken, und dort hat er mir ein Geheimnis anvertraut. Wie Sie vielleicht wissen, hat er einige alte Schriftrollen übersetzt, die in einem Versteck in einer seit Jahren aufgelassenen Kirche gefunden wurden, die nun abgerissen werden soll.«
»Ja, das weiß ich. Er hat mal erwähnt, dass sie bemerkenswert gut erhalten sind.«
»Sollte Ihr Vater sich nicht getäuscht haben, befindet sich darunter ein Dokument von unschätzbarem Wert, der nicht in Geld zu messen ist.«
Verblüfft starrte Mariah den achtundsiebzigjährigen Pater an. Während des Gottesdienstes war ihr sein starkes Humpeln aufgefallen, Folge seiner Arthritis. Seine dichten weißen Haare betonten die tiefen Falten auf seiner Stirn, und die Besorgnis in seiner Stimme war unüberhörbar.
»Hat er Ihnen gesagt, worum es sich bei dieser Schriftrolle handelt?«, fragte sie.
Pater Aiden sah sich um. Die meisten Gäste erhoben sich und verabschiedeten sich von ihren Freunden. Es war damit zu rechnen, dass sie noch zu Mariah kamen, um ihr ein letztes Mal ihr Beileid zu bekunden, ihr die Hand zu drücken und die unvermeidlichen Worte zu sprechen: »Und rufen Sie uns auf jeden Fall an, wenn Sie irgendetwas brauchen.«
»Mariah«, antwortete er. »Hat Ihr Vater jemals von einem Brief erzählt, den Jesus angeblich an Josef von Arimathäa geschrieben hat?«
»Ja, immer wieder im Lauf der letzten Jahre. Er hat mir erzählt, dass er sich in der Vatikanischen Bibliothek befunden habe, aber wenig über ihn bekannt sei, weil mehrere Päpste, unter anderem Sixtus IV., nicht von seiner Echtheit überzeugt waren. Der Brief ist in dessen Amtszeit im fünfzehnten Jahrhundert abhandengekommen, angeblich soll ihn jemand gestohlen haben, der glaubte, Papst Sixtus wollte ihn vernichten lassen.« Erstaunt fragte sie: »Pater Aiden, wollen Sie mir sagen, dass Vater diesen Brief gefunden hat?«
»So ist es.«
»Dann musste er seinen Fund von zumindest einem weiteren Experten bestätigen lassen. Von jemandem, dessen Meinung über jeden Zweifel erhaben ist.«
»Genau das hat er mir auch gesagt.«
»Hat er einen Namen genannt?«
»Nein. Aber es müssen mehrere gewesen sein, denn er hat gesagt, bei einem der Experten bereue er es, ihn hinzugezogen zu haben. Natürlich wollte er das Pergament der Vatikanischen Bibliothek zurückgeben, die betreffende Person aber hat ihm gesagt, man könne eine Menge Geld damit machen, wenn man es an einen Privatsammler verkauft.«
In der Zeit vor Lily wäre ich die Erste gewesen, der Dad von seinem Fund erzählt hätte, dachte Mariah, und er hätte mir auch gesagt, wen er noch alles eingeweiht hat. Wieder spürte sie Verbitterung und Reue, während sie den Blick über die Tische schweifen ließ. Viele der Anwesenden sind Kollegen meines Vaters, dachte sie. Bei einem alten Pergament wie diesem hätte Dad manche unter ihnen um Rat gefragt, Charles und Albert zum Beispiel. Aber wenn Mom nicht die Täterin ist, was ich bei Gott hoffe, könnte es dann möglicherweise sein, dass er eben nicht von einem auf frischer Tat ertappten Einbrecher ermordet wurde? Sondern von jemandem, der ihn vorsätzlich getötet hat ... und der sich hier in diesem Raum aufhält?
Bevor sie Pater Aiden diesen Gedanken mitteilen konnte, sah sie ihre Mutter in den Raum zurückkehren. Rory folgte einen Schritt dahinter und kam direkt auf Mariah und Pater Aiden zu. »Sie will ohne Sie nicht gehen! «, erklärte Rory ungehalten.
Kathleen Lyons lächelte mit leerer Miene Pater Aiden zu. »Haben Sie den Lärm auch gehört?«, fragte sie. »Und das viele Blut gesehen?«
Und dann sagte sie noch: »Die Frau auf den Fotos mit Jonathan hat heute neben ihm gestanden. Sie heißt Lily. Warum ist sie gekommen? Hat es ihr nicht gereicht, dass sie mit ihm nach Venedig gefahren ist?«
Alvirah und Willy Meehan befanden sich auf ihrer jährlichen Reise an Bord der Queen Mary 2, als sie von der Ermordung ihres guten Freundes Professor Jonathan Lyons erfuhren. Mit zitternder Stimme überbrachte die entsetzte Alvirah ihrem Mann die Neuigkeit. Ihr war klar, dass sie im Moment nichts tun konnten, außer auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht zu hinterlassen und ihr Beileid auszusprechen. Sie würden erst am Tag der Beerdigung nach Hause kommen.
Das Schiff war gerade aus Southampton ausgelaufen, und wollte man vorzeitig von Bord, dann nur mit dem Sanitätshubschrauber. Außerdem war Alvirah als Gastleserin und Autorin eingeladen, um von Lottogewinnern zu berichten, die bei haarsträubenden Finanzgeschäften jeden Cent ihrer Gewinne wieder verloren hatten. Sie erzählte von Menschen, die sich die meiste Zeit ihres Lebens mit zwei Jobs gleichzeitig über Wasser gehalten hatten, dann Millionen gewannen und sich dazu überreden ließen, Hotels zu erwerben, für deren Unterhalt sie schlichtweg nicht aufkommen konnten, oder Nippesläden zu übernehmen, die kitschige Cocktail-Servietten, Glitzer-Schlüsselanhänger oder bestickte Kissen verkauften und noch nicht einmal die Ladenmiete abwarfen.
Immer erklärte sie, dass sie Putzfrau und Willy Klempner gewesen seien, als sie vierzig Millionen Dollar im Lotto gewonnen hatten. Sie hatten sich entschieden, sich das Geld über einen Zeitraum von zwanzig Jahren in Raten auszahlen zu lassen. Jedes Jahr beglichen sie als Erstes die Steuer, und von der Hälfte der übrigen Summe bestritten sie ihren Lebensunterhalt, die andere Hälfte investierten sie.
Die Passagiere liebten Alvirahs Geschichten und rissen ihr ihren Bestseller Vom Putzeimer zur Prominenz regelrecht aus den Händen. Obwohl Jonathans Tod ihr überaus naheging, ließ sie sich nichts anmerken, und selbst als sich andere Passagiere lebhaft darüber unterhielten, warum der bekannte Gelehrte ermordet worden sein könnte, erwähnte weder sie noch Willy auch nur mit einer Silbe, dass sie Professor Lyons gut gekannt hatten.
Jonathan hatten sie zwei Jahre zuvor auf einer Kreuzfahrt von Venedig nach Istanbul kennengelernt, wo Alvirah ebenfalls ihre Vorträge gehalten hatte. Alvirah hatte daraufhin Professor Lyons' Vortrag besucht und war fasziniert gewesen von seinen erstaunlichen Geschichten über das alte Ägypten, das antike Griechenland oder das biblische Palästina. Wie es ihre Art war, hatte sie ihn sofort an ihren Tisch eingeladen. Der Professor sagte gern zu, merkte aber an, dass er im Beisein seiner Gefährtin reise, weshalb die Essensgesellschaft aus vier Personen bestehen würde.
So haben wir Lily kennengelernt, ging Alvirah während der Überfahrt immer wieder durch den Kopf. Ich habe sie wirklich gemocht. Sie ist klug und attraktiv, und wahrscheinlich hat sie schon als Sechsjährige gewusst, wie sie sich kleiden muss, damit sie gut aussieht. Sie ist von der Archäologie genauso begeistert wie der Professor und hat ebenso viele Titel wie er. Sie hat nichts Affektiertes an sich, keine Frage, und sie war fürchterlich in ihn verliebt, obwohl sie um so vieles jünger ist als er.
Alvirah hatte natürlich Professor Lyons gegoogelt und erfahren, dass er verheiratet war und eine Tochter namens Mariah hatte. »Aber, Willy, wahrscheinlich haben sich er und seine Frau auseinandergelebt«, hatte Alvirah damals zu ihrem Mann gesagt. »Das passiert, weißt du. Und manchmal finden sich beide damit ab.«
Willy hatte seine ganz eigene Art, Alvirah zuzustimmen, wenn sie wie hier zu unumstößlichen Schlussfolgerungen gelangt war. »Wie immer hast du den Nagel auf den Kopf getroffen, meine Liebe«, beschied er, obwohl er sich um alles in der Welt nicht vorstellen konnte, eine andere Frau auch nur anzusehen, solange er seine geliebte Alvirah hatte.
Am letzten Tag der Überfahrt, als sie in Istanbul von Bord gegangen waren, hatte es wie immer vor Menschen gewimmelt, die gegenüber ihren Reisegefährten, die sie an Bord kennengelernt hatten, auf die Schnelle noch Einladungen aussprachen und ihnen sagten, sie müssten sie unbedingt in Hot Springs oder in Hongkong oder auf ihrer hübschen kleinen Insel besuchen kommen, die nur eine Bootsfahrt von St. John entfernt lag. Alvirah hatte dazu nur gesagt: »Willy, weißt du denn nicht, was sie für ein Gesicht ziehen, wenn wir wirklich vor ihrer Haustür aufkreuzen sollten? Das ist doch alles bloß so dahingesagt und bedeutet nur, dass sie sich in unserer Gesellschaft wohlgefühlt haben.«
Daher waren sie aufrichtig überrascht gewesen, als sie ein halbes Jahr später, nach der Rückkehr von ihrer Venedig-Istanbul-Reise, einen Anruf von Professor Jonathan Lyons erhalten hatten. »Hier ist Jon Lyons«, hatte er sie mit seiner volltönenden Stimme begrüßt. »Ich habe meiner Frau und meiner Tochter so viel von Ihnen erzählt, dass sie Sie gern kennenlernen würden. Wenn Dienstag für Sie passt, könnte meine Tochter Mariah, die in Manhattan wohnt, Sie abholen und später wieder nach Hause fahren.«
Alvirah nahm die Einladung mit Begeisterung an, doch als sie aufgelegt hatte, sagte sie: »Willy, meinst du, seine Frau weiß von Lily? Pass lieber auf, dass du dich nicht verplapperst.«
Pünktlich um halb sieben am folgenden Dienstagabend meldete sich der Pförtner über die Gegensprechanlage der Meehan-Wohnung in der Central Park South und verkündete, dass eine Ms. Lyons da sei, um sie abzuholen.
Alvirah hatte Jonathan Lyons ins Herz geschlossen, und ähnlich erging es ihr auch mit seiner Tochter. Mariah war eine freundliche, warmherzige junge Frau und hatte sich nicht nur die Mühe gemacht, Alvirahs Buch zu lesen, sondern verfolgte beruflich auch ähnliche Interessen. Als Anlageberaterin war sie nämlich immer bestrebt, für ihre Kunden vernünftige Investmentmöglichkeiten mit geringem Risiko zu finden. Als sie in Mahwah, New Jersey, eintrafen, war Alvirah zu dem Schluss gekommen, dass Mariah genau die richtige Frau für ihre Lottogewinner wäre, besonders für jene, die durch zwielichtige Spekulationsgeschäfte einen Großteil ihrer Gewinne wieder verloren hatten.
Erst als sie in die Anfahrt einbogen, fragte Mariah zögernd: »Hat mein Vater Ihnen erzählt, dass meine Mutter unter Demenz leidet? Sie ist sich dieser Tatsache bewusst und tut alles, um es zu verbergen, aber wenn sie Ihnen zum zweiten oder dritten Mal die gleiche Frage stellt, dann wissen Sie, woran es liegt.«
Die Cocktails wurden in Jonathans Arbeitszimmer serviert, weil der Professor ganz richtig davon ausging, dass Alvirah gern einige der Kunstschätze sehen wollte, die er im Lauf der Zeit zusammengetragen hatte. Betty, die Haushälterin, hatte ein köstliches Essen vorbereitet, und den Gästen sowie Mariah und ihrem Vater gelang es wunderbar, die Aussetzer zu überspielen, die der nicht mehr jungen, aber immer noch äußerst attraktiven Kathleen Lyons im Gespräch unterliefen. Es war ein anregender und vergnüglicher Abend, der erste von vielen, die noch folgen sollten.
Bei der Verabschiedung fragte Kathleen plötzlich, wie Willy und Alvirah ihren Mann kennengelernt hatten. Als sie von der Kreuzfahrt von Venedig nach Istanbul erzählte, wurde Kathleen sehr erregt. »Ich wäre so gern mitgefahren«, sagte sie. »In Venedig haben wir damals unsere Flitterwochen verbracht, hat Jonathan Ihnen das gesagt?«
»Meine Liebe, ich habe dir doch erzählt, wie ich die Meehans kennengelernt habe, und vergiss nicht, der Arzt hat dir von der Reise abgeraten«, warf Jonathan Lyons beschwichtigend ein.
Auf der Heimfahrt sagte Mariah unvermittelt: »War Lillian Stewart mit auf dem Schiff, als Sie meinen Vater kennengelernt haben?«
Alvirah zögerte und überlegte, was sie darauf antworten sollte. Ich werde auf keinen Fall lügen, dachte sie, außerdem weiß Mariah vermutlich längst, dass Lily mit dabei war. »Mariah, sollten Sie diese Frage nicht lieber Ihrem Vater stellen?«, antwortete sie schließlich.
»Das habe ich bereits. Er weigert sich, darauf einzugehen. Aber mit Ihrer ausweichenden Antwort haben Sie eigentlich schon alles gesagt.«
Alvirah saß auf dem Beifahrersitz, Willy begnügte sich mit der Rückbank und war, falls er das Gespräch überhaupt mitbekam, sicherlich froh, sich heraushalten zu können. Mariah klang, als wäre sie den Tränen nahe.
»Mariah«, sagte Alvirah, »Ihr Vater geht sehr liebevoll mit Ihrer Mutter um und kümmert sich rührend um sie. Manche Dinge sollte man lieber auf sich beruhen lassen, vor allem dann, wenn es mit dem Gedächtnis Ihrer Mutter nicht mehr zum Besten steht.«
»Es ist noch nicht so schlimm, dass sie sich nicht daran erinnern könnte, wie gern sie mitgefahren wäre«, erwiderte Mariah. »Sie hat Ihnen gesagt, dass sie in Venedig die Flitterwochen verbracht haben. Mom weiß, wie krank sie ist. Sie wollte mitkommen, solange sie noch einigermaßen fit ist. Aber nachdem Lillian auf der Bildfläche erschienen ist, vermute ich, hat Dad einen Arzt dazu gebracht, Mom von der Reise abzuraten. Sie kann sich darüber manchmal fürchterlich aufregen. «
»Weiß sie von Lily?«, fragte Alvirah geradeheraus.
»Dad hat sie mehrmals zu uns zum Essen eingeladen, wenn er sich mit anderen Grabungsteilnehmern getroffen hat, können Sie sich das vorstellen! Ich hätte nie gedacht, dass die beiden etwas miteinander haben, bis Mom Fotos von ihnen in Dads Arbeitszimmer gefunden hat. Sie hat sie mir gezeigt. Ich habe Dad gesagt, er soll sie nicht mehr nach Hause einladen. Aber meine Mutter fragt häufig nach ihr, und dabei wird sie immer sehr wütend.«
Im vergangenen Jahr waren dann Willy und Alvirah oft mit Mariah zu Jonathan und Kathleen gefahren, und Mariah hatte recht. Trotz ihres stetig fortschreitenden Gedächtnisverlusts hatte Kathleen die Sprache immer wieder auf die Venedig-Reise gebracht.
All das ging Alvirah erneut durch den Kopf, als die Queen Mary 2 in den New Yorker Hafen einlief. Jonathan, dachte sie, ist jetzt schon beerdigt. Möge er in Frieden ruhen.
Dann fügte sie mit ihrem unfehlbaren Gespür für drohendes Unheil in Gedanken hinzu: Und, Gott, steh bitte Kathleen und Mariah bei.
Und bitte lass die Polizei herausfinden, dass Jonathan von einem Einbrecher ermordet wurde.
Den ganzen Tag über brannte Greg Pearson nur darauf, Mariah mitzuteilen, wie sehr er ihren Kummer verstand und dass er ihr zur Seite stehen wollte. Er wollte ihr sagen, wie sehr er ihren Vater vermisste. Er wollte ihr sagen, wie dankbar er Jonathan war, der ihm so vieles beigebracht hatte, nicht nur über die Archäologie, sondern über das Leben schlechthin.
Als Jons Kollegen und Freunde Geschichten über ihn und seine große Hilfsbereitschaft erzählten, wollte auch er seine Geschichte zum Besten geben. Er hatte Jon nämlich anvertraut, was für ein verunsicherter Junge er früher gewesen war. In der Highschool, so habe ich Jon erzählt, war ich der Typ, der bei 1,68 Metern aufgehört hat zu wachsen, während die anderen auf 1,88 oder 1,90 hochschossen. Das wollte er sagen. Ich war der mickrige Schwächling, das Paradebeispiel eines Verlierers. Ich habe alles Mögliche ausprobiert. Schließlich habe ich es im College auf 1,78 geschafft, aber da war es schon zu spät.
Wahrscheinlich wollte ich von Jonathan bedauert werden, aber das konnte ich mir abschminken. Jonathan hat nur gelacht.
»Du hast deine Zeit also mit Lernen verbracht, statt Basketbälle in den Korb zu werfen«, sagte er. »Du hast eine erfolgreiche Firma aufgebaut. Hol dein Highschool- Jahrbuch heraus und schlag die nach, die damals die tollen Typen waren. Ich wette, die meisten krebsen jetzt irgendwo herum.«
Ich habe Jon erzählt, dass ich sie tatsächlich nachgeschlagen habe, vor allem die, die mir damals das Leben schwer gemacht haben, und er hatte recht. Klar, manche haben es zu was gebracht, aber viele von denen, die damals immer eine große Klappe hatten, sind heute eher ziemliche Nieten.
Er hat es geschafft, dass ich mich selbst so mag, wie ich bin, wollte Greg sagen. Er hat nicht nur sein unglaubliches Wissen über die Antike und die Archäologie mit mir geteilt, sondern mir auch zu einem größeren Selbstwertgefühl verholfen.
Damit hätte Greg es bewenden lassen. Er hätte gar nicht mehr erzählt, dass er Jonathan gebeichtet hatte, wie schüchtern er trotz seiner geschäftlichen Erfolge war, dass er auf Partys immer der Außenseiter blieb, der noch nicht einmal die grundlegendsten Regeln des Small Talks beherrschte, und er hätte auch nicht mehr Jonathans Erwiderung erwähnen müssen, dass er sich in diesem Fall eben eine muntere, redselige Frau suchen sollte. »Ihr wird gar nicht auffallen, dass du so still bist, und auf Partys wird sie das Reden übernehmen. Ich kenne mindestens drei Typen mit solchen Frauen, sie passen alle wunderbar zusammen.«
All das ging Greg durch den Kopf, als er Mariah aus dem Country Club folgte. Er hielt sich im Hintergrund, bis ein Bediensteter Pater Aidens Wagen vorfuhr und die Pflegerin Mariahs Mutter in die schwarze, vom Bestattungsinstitut bereitgestellte Limousine half.
Dann trat er auf sie zu. »Mariah, es war sicherlich ein schrecklicher Tag für dich. Du weißt hoffentlich, wie sehr wir alle deinen Vater vermissen werden.«
Mariah nickte. »Das weiß ich, Greg. Danke.«
Er wollte nach anfügen: »Lass uns bald mal zusammen zum Essen gehen«, aber er brachte den Satz nicht über die Lippen. Sie hatten sich vor ein paar Jahren einige Male miteinander verabredet, aber als er darauf beharrte, sie regelmäßig anzurufen, hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie sich mit einem anderen traf und er sich keine großen Hoffnungen machen sollte.
Wenn er aber jetzt den Schmerz in ihren dunkelblauen Augen sah und das Glitzern der Nachmittagssonne auf ihren schulterlangen Haaren, dann hätte er ihr am liebsten gesagt, dass er sie immer noch liebte und für sie in die Hölle und wieder zurück gehen würde. Stattdessen sagte er nur: »Ich rufe nächste Woche mal an, um mich zu erkundigen, wie es deiner Mutter geht.«
»Das wäre nett.«
Er hielt ihr die Wagentür auf, während sie in die Limousine stieg, zögernd schloss er sie und sah ihr nach, bis der Wagen langsam die kreisrunde Anfahrt verließ. Dabei wusste er nicht, dass er selbst beobachtet wurde.
Richard Callahan stand in der Reihe jener Gäste, die darauf warteten, dass ihnen das Auto vorgefahren wurde. Bei Jonathans Essenseinladungen war ihm nicht verborgen geblieben, wie sich Gregs Miene aufhellte, wenn Mariah mit dabei gewesen war. Ebenso wenig war ihm entgangen, dass sie ihrerseits keinerlei romantisches Interesse an Greg zu haben schien. Das könnte sich jetzt natürlich ändern, nachdem ihr Vater tot war, dachte er. Jetzt war sie vielleicht aufgeschlossener für jemanden, der für sie schlichtweg alles tun würde und dazu auch in der Lage war.
Vor allem, wenn es wirklich stimmte, was man sich eben am Tisch erzählt hatte, dachte Richard, als ihm sein acht Jahre alter VW gebracht wurde. Die Pflegerin hat sich gegenüber den Nachbarn ja gar nicht mehr eingekriegt und lang und breit erklärt, wie wütend Kathleen wird, wenn das Thema auf Jons Beziehung zu Lily kommt. Das hätte sie sich sparen können, schließlich ging das weder sie noch die anderen etwas an.
Jonathan hat sich am Abend seiner Ermordung allein mit Kathleen im Haus aufgehalten. Mariah muss klar sein, dass ihre Mutter zu den Tatverdächtigen gehört, dachte er. Die Polizei wird mit Lily, Greg, Albert, Charles und mir Kontakt aufnehmen und jeden von uns gesondert befragen. Und was sollen wir ihnen dann erzählen? Die Polizei muss mittlerweile erfahren haben, dass Lily und Jonathan ein Verhältnis hatten und Kathleen sich darüber furchtbar aufgeregt hat.
Copyright © 2012 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Mary Higgins Clark
Mary Higgins Clark (1927-2020), geboren in New York, lebte und arbeitete in Saddle River, New Jersey. Sie zählt zu den erfolgreichsten Thrillerautoren weltweit. Ihre große Stärke waren ausgefeilte und raffinierte Plots und die stimmige Psychologie ihrer Heldinnen. Mit ihren Büchern führte Mary Higgins Clark regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten an. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den begehrten Edgar Award. Zuletzt bei Heyne erschienen: »Denn du gehörst mir«.
Bibliographische Angaben
- Autor: Mary Higgins Clark
- 2014, Erstmals im TB, 416 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453437500
- ISBN-13: 9783453437500
- Erscheinungsdatum: 04.02.2014
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