Hatte ich dich nicht gebeten im Auto zu warten (CD)
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Hatte ich dich nicht gebeten im Auto zu warten?
Natürlich könnte das auch die Frage eines Ehemanns in einem gezeichneten Witz sein, der gerade in flagranti mit seiner Geliebten im Hotelbett von seiner in Hut und Mantel in der Tür stehenden Gattin erwischt worden ist.
Aber Michy Reincke hat offensichtlich eine andere - eher gehalt-, aber nicht weniger humorvolle - Interpretation für die Wort- und Bildwelten seines Albums im Sinn. Das Foto auf dem Cover zeigt ihn Gitarre spielend auf einem Ufo sitzend, den Blick in die Weite einer Küstenlandschaft gerichtet.Aus einigen seiner Songtexte („Gib alles oder vergiss es", „Du hast deine Farben verloren" oder auch „Steh auf & scheine!" und in Teilen „Ich will die Sache nicht unnötig in die Länge ziehen") erschließt sich wie er die Sache, im Großen und Ganzen sieht.
In klarer, kluger und pointierter Sprache philosophiert Michy Reincke in den genannten Liedern über die allegorische Szenerie einer Kultur die hinter dem Armaturenbrett eines Automaten festsitzt, den sie sich selbst gebastelt hat.
Er erinnert an den Umstand, dass Menschen - die zur vermeintlichen Lebenserleichterung und Unterhaltung Maschinen benutzen - in ihrem Fühlen und Denken selbst immer mehr zu Robotern werden. Dirigiert von den Prinzipien einer Marktforschungsgesellschaft, die sich von allem Lebendigen abschirmt und in einem Wald vor lauter Zahlen die Bäume nicht mehr sieht, getrieben von einer Sehnsucht nach Sicherheit, ohne Gespür für die Weisheit eines ungesicherten Lebens. Wer das Geheimnis seiner Existenz als harte Nuss empfindet, sollte nicht versuchen es zwischen zwei Kopfkissen zu knacken:
„Bist du jetzt hungrig genug um leben zu lernen oder lässt du das dein Telefon tun, geht´s voran oder wartest du auf die Applikation für Propeller an deinen Schuhen? ...Gib alles oder vergiss es, biete der Dummheit die Stirn, wir sind die Menschen & kommen die Maschinen verwirren. Zeig Seele & wer du bist. Dann machen wir die Welt mal richtig auf & sehen nach was wirklich drin ist..."
Dieser Verknüpfungspunkt zu Titel und Cover des neuen Albums ist aber nur ein Aspekt von vielen des neuen Werkes.
Wie bereits auf seinem hochgelobten Vorgängeralbum erklingen auch hier Retro-Pop-Elemente in vielfältigsten Facetten: T.Rex-Gitarren, Synthesizer-Soli, erdige Motown-Beats mit groovigen Tamburinen, Streicherlinien die mit Röhrenglocken akzentuiert sind, klassische Chorsätze und Bläser-Stöße (Die Boxhorns). Aber auch Verneigungen vor Musikern wie Jeff Lynne, Bob Dylan, David Bowie oder Nile Rodgers sind zu hören.
Für viele Musikmacher und Medienmenschen ist Michy Reincke ein Solitär in der deutschen Popmusik. Seine Songs sind nicht nur ausgesprochen originell, sondern zutiefst liebevoll und mit einem guten Sinn für Humor gearbeitet. Songs mit treibenden Beats wechseln sich ab mit großartigen Balladen, Liedern von seltener Eleganz, mit feinem Witz und intelligenter Nachdenklichkeit und machen die Beschäftigung mit diesem Album und seinem überragenden Artwork zu einem Genuss.
Michy Reincke beschert uns deutsche Popmusik die es sonst nirgends gibt.
Er macht Popmusik für Erwachsene und solche, die es werden wollen. Für Menschen die gern zuhören und entdecken.
Er verfasst Klänge und Texte mit einer Zündschnur. Gerade weil sein Sprach- und Formen-Repertoire ohne die gängigen Schubladen auskommt, zündet nicht alles sofort, fügt dem eigenen Spektrum aber bei jedem weiteren Hören neue Farben und Töne hinzu, geht tief und hinterlässt den Eindruck nachhaltiger Auseinandersetzung mit den Themen.
Michy Reincke ist es jedenfalls auf beeindruckende Weise und in vielerlei Hinsicht gelungen den Automaten zu verlassen.
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- Michy Reincke
- CD
- EAN: 4047179840620
- Erscheinungsdatum: 24.01.2014
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