Darm mit Charme
Alles über ein unterschätztes Organ
Giulia Enders zeigt mit ihrem Ratgeber Darm mit Charme einen ganz neuen Blick auf dieses Organ. Die Mikrobiologin zeigt in Darm mit Charme, dass der Darm der Schlüssel zu einem gesunden Körper und einem gesunden Geist ist. Mit ihrem Buch schafft...
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Buch (Kartoniert)
Produktdetails
Produktinformationen zu „Darm mit Charme “
Giulia Enders zeigt mit ihrem Ratgeber Darm mit Charme einen ganz neuen Blick auf dieses Organ. Die Mikrobiologin zeigt in Darm mit Charme, dass der Darm der Schlüssel zu einem gesunden Körper und einem gesunden Geist ist. Mit ihrem Buch schafft Giulia Enders ein neues Image dieses Organs.
Der Darm ist der wichtigste Teil des Verdauungstraktes. Erfrischend locker, wissenschaftlich fundiert und leicht verständlich beschreibt Giulia Enders die Abläufe im Darm, was die Forschung Neues bietet und wie die Menschen mit diesen Erkenntnissen ihren Alltag verbessern können. Denn der Darm ist ein hochkomplexes Organ und hat besondere Fähigkeiten.
Giulia Enders erklärt den Aufbau des Darms, schreibt über Allergien, Unverträglichkeiten und Intoleranzen, erklärt die Welt der Darmflora und macht einen Ausflug zu guten Bakterien und schlechten Parasiten. Viele Leiden hängen mit einem Ungleichgewicht im Darm und einer gestörten Darmflora zusammen. Übergewicht, Depressionen und Allergien können dazugehören. Das alles und auch die Gefühlswelt sind eng „mit dem Bauch“ verknüpft. Ist das Gleichgewicht der Darmflora ausgeglichen, fühlt sich der Körper wohler. Giulia Enders zeigt in Darm mit Charme, was wir alle tun können, damit es unserem Verdauungsorgan gut geht. Denn der Darm trainiert zwei Drittel unseres Immunsystems. Er beschafft dem Körper die Energie zum Leben und er hat das größte Nervensystem nach dem Gehirn.
Eine charmante, vergnügliche Wissensreise zu einem hochkomplexen Organ mit Charme.
„Eine längst überfällige Image-Korrektur über das faszinierende menschliche Innenleben.“ stern.de
Der Darm ist der wichtigste Teil des Verdauungstraktes. Erfrischend locker, wissenschaftlich fundiert und leicht verständlich beschreibt Giulia Enders die Abläufe im Darm, was die Forschung Neues bietet und wie die Menschen mit diesen Erkenntnissen ihren Alltag verbessern können. Denn der Darm ist ein hochkomplexes Organ und hat besondere Fähigkeiten.
Giulia Enders erklärt den Aufbau des Darms, schreibt über Allergien, Unverträglichkeiten und Intoleranzen, erklärt die Welt der Darmflora und macht einen Ausflug zu guten Bakterien und schlechten Parasiten. Viele Leiden hängen mit einem Ungleichgewicht im Darm und einer gestörten Darmflora zusammen. Übergewicht, Depressionen und Allergien können dazugehören. Das alles und auch die Gefühlswelt sind eng „mit dem Bauch“ verknüpft. Ist das Gleichgewicht der Darmflora ausgeglichen, fühlt sich der Körper wohler. Giulia Enders zeigt in Darm mit Charme, was wir alle tun können, damit es unserem Verdauungsorgan gut geht. Denn der Darm trainiert zwei Drittel unseres Immunsystems. Er beschafft dem Körper die Energie zum Leben und er hat das größte Nervensystem nach dem Gehirn.
Eine charmante, vergnügliche Wissensreise zu einem hochkomplexen Organ mit Charme.
„Eine längst überfällige Image-Korrektur über das faszinierende menschliche Innenleben.“ stern.de
Klappentext zu „Darm mit Charme “
Ausgerechnet der Darm! Das schwarze Schaf unter den Organen, das einem doch bisher eher unangenehm war. Aber dieses Image wird sich ändern. Denn Übergewicht, Depressionen und Allergien hängen mit einer gestörten Balance der Darmflora zusammen. Das heißt umgekehrt: Wenn wir uns in unserem Körper wohl fühlen, länger leben und glücklicher werden wollen, müssen wir unseren Darm pflegen. Das zumindest legen die neuesten Forschungen nahe. In diesem Buch erklärt die junge Wissenschaftlerin Giulia Enders vergnüglich, welch ein hochkomplexes und wunderbares Organ der Darm ist. Er ist der Schlüssel zu einem gesunden Körper und einem gesunden Geist und eröffnet uns einen ganz neuen Blick durch die Hintertür.
Lese-Probe zu „Darm mit Charme “
Darm mit Charme von Giulia EndersVorwort
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Ich wurde per Kaiserschnitt geboren und konnte nicht gestillt werden. Das macht mich zum perfekten Vorzeigekind der Darmwelt im 21. Jahrhundert. Hätte ich damals schon mehr über den Darm gewusst, hätte ich Wetten abschließen können, welche Krankheiten ich mal so bekommen würde. Zuerst war ich laktoseintolerant. Ich wunderte mich nie, warum ich nach meinem fünften Lebensjahr plötzlich wieder Milch trinken konnte, irgendwann wurde ich dick, dann wieder dünn. Dann ging es mir lange gut, und dann kam »die Wunde«.
Als ich siebzehn Jahre alt war, bekam ich grundlos eine kleine Wunde auf meinem rechten Bein. Sie heilte einfach nicht, und nach einem Monat ging ich zum Arzt. Die Ärztin wusste nicht wirklich, was es war, und verschrieb mir eine Salbe. Drei Wochen später war mein ganzes Bein voller Wunden. Bald beide Beine, die Arme und mein Rücken. Manchmal auch mein Gesicht. Zum Glück war es Winter, und alle dachten, ich hätte Herpes und eine Schürfwunde auf der Stirn.
Kein Arzt konnte mir helfen - es war wohl irgendwie Neurodermitis. Ich wurde gefragt, ob ich sehr gestresst sei oder ob es mir seelisch nicht gut gehe. Cortison funktionierte ein bisschen, aber sobald ich es absetzte, kam einfach alles zurück. Ein Jahr lang zog ich im Sommer wie Winter Strumpfhosen an, damit meine Wunden nicht durch die Hose nässten. Irgendwann raffte ich mich auf und begann, mich selbst schlauzumachen. Durch Zufall stieß ich auf einen Bericht über eine sehr ähnliche Hauterkrankung. Ein Mann hatte sie nach der Einnahme von Antibiotika bekommen, und auch ich hatte ein paar Wochen vor der ersten Wunde Antibiotika nehmen müssen.
Von diesem Moment an behandelte ich meine Haut nicht mehr wie die Haut eines Hautkranken, sondern wie die eines Darmkranken. Ich aß keine Milchprodukte mehr, kaum noch Gluten, nahm verschiedene Bakterien zu mir und ernährte mich insgesamt gesünder. In dieser Zeit machte ich einige verrückte Experimente ... hätte ich damals schon Medizin studiert, hätte ich mich nur ungefähr die Hälfte davon getraut. Einmal überdosierte ich mich mehrere Wochen lang mit Zink und hatte danach monatelang einen erheblich gesteigerten Geruchssinn.
Mit ein paar Kniffen bekam ich meine Krankheit letztlich gut in den Griff. Es war ein Erfolgserlebnis, und ich spürte am eigenen Körper, dass Wissen Macht sein kann. Ich fing an, Medizin zu studieren.
Im ersten Semester saß ich während einer Party neben einem Jungen, der den stärksten Mundgeruch hatte, den ich jemals gerochen habe. Es war ein ganz untypischer Geruch - nicht diese kratzigen Wasserstoffaromen von älteren, gestressten Herren oder die süßlich-fauligen Gerüche von zu viel Zucker essenden Tanten. Nach einer Weile setzte ich mich weg. Am nächsten Tag war er tot. Er hatte sich umgebracht. Ich musste immer wieder daran denken. Könnte es sein, dass ein sehr kranker Darm so übel riecht und dass so eine Erkrankung auch die Stimmung beeinflusst?
Nach einer Woche traute ich mich, mit einer guten Freundin über meine Vermutungen zu reden. Ein paar Monate später bekam diese Freundin eine heftige Magen-Darm-Grippe. Sie fühlte sich sehr elend. Als wir uns das nächste Mal sahen, meinte sie, an meiner These könnte schon etwas dran sein, denn so schlecht hatte sie sich auch psychisch schon lange nicht mehr gefühlt. Das gab mir den Anstoß, mich stärker mit dieser Thematik zu beschäftigen. Dabei entdeckte ich einen kompletten Forschungszweig, dessen Gegenstand die Verbindung von Darm und Hirn ist. Es ist ein rapide wachsendes Gebiet. Vor etwa zehn Jahren gab es nur wenige Publikationen dazu, mittlerweile sind es schon mehrere hundert wissenschaftliche Artikel. Wie der Darm Gesundheit und Wohlbefinden beeinflusst, ist eine der neuen Forschungsrichtungen unserer Zeit! Der renommierte amerikanische Biochemiker Rob Knight sagte in der Zeitung Nature, sie sei mindestens so vielversprechend wie die Stammzellforschung. Ich war in einen Bereich hineingerudert, den ich immer faszinierender fand.
Während meines Studiums merkte ich, wie stiefmütterlich dieses Gebiet in der Medizin behandelt wird. Dabei ist der Darm ein völliges Ausnahme-Organ. Er bildet zwei Drittel des Immunsystems aus, holt Energie aus Brötchen oder Tofu-Wurst und produziert mehr als zwanzig eigene Hormone. Viele Ärzte lernen in ihrer Ausbildung darüber sehr wenig. Als ich im Mai 2013 den Kongress »Microbiome and Health« (Darmbakterien und Gesundheit) in Lissabon besuchte, war die Runde überschaubar. Etwa die Hälfte kam aus Institutionen, die es sich finanziell leisten können, bei »den Ersten« dabei zu sein, wie aus Harvard, Yale, Oxford oder dem EMCL Heidelberg.
Manchmal erschreckt es mich, wenn Wissenschaftler hinter geschlossenen Türen über wichtige Erkenntnisse diskutieren - ohne dass die Öffentlichkeit darüber informiert wird. Oft ist wissenschaftliche Vorsicht besser als eine vorschnelle Behauptung. Aber Angst kann auch wichtige Chancen kaputtmachen. Es gilt in der Wissenschaftswelt mittlerweile als anerkannt, dass Menschen mit bestimmten Verdauungsproblemen häufig Nervenstörungen im Darm haben. Ihr Darm sendet dann Signale an einen Bereich im Gehirn, der unangenehme Gefühle verarbeitet, obwohl sie gar nichts Schlimmes getan haben. Die Betreffenden fühlen sich unwohl und wissen nicht, warum das so ist. Wenn ihr Arzt sie dann als irrationale Psychofälle behandelt, ist das sehr kontraproduktiv! Das ist nur eines der Beispiele dafür, dass manches Forschungswissen schneller verbreitet werden sollte!
Dies ist mein Ziel mit diesem Buch: Ich will Wissen greifbarer machen und dabei auch das verbreiten, was Wissenschaftler in ihren Forschungsarbeiten schreiben oder hinter Kongresstüren bereden - während viele Menschen nach Antworten suchen. Ich verstehe, dass viele Patienten, die unangenehme Krankheiten haben, enttäuscht sind von der Medizin. Ich kann keine Wundermittel verkaufen, und auch ein gesunder Darm wird nicht jede Krankheit heilen. Was ich allerdings kann, ist, in charmantem Ton erklären, wie es so läuft im Darm, was die Forschung Neues bietet und wie wir mit diesem Wissen unseren Alltag besser machen können.
Mein Medizinstudium und meine Doktorarbeit am Institut für Medizinische Mikrobiologie helfen mir dabei, Ergebnisse zu bewerten und einzusortieren. Meine persönliche Erfahrung hilft mir dabei, Menschen das Wissen näherzubringen. Meine Schwester hilft mir dabei, nicht abzudriften, denn dann schaut sie mich beim Vorlesen an und sagt grinsend: »Das machst du noch mal.«
1
Die Welt sieht viel lustiger aus, wenn wir nicht nur das sehen, was man sehen kann - sondern auch noch all den Rest. Ein Baum ist dann kein Löffel. Das ist grob vereinfacht nur die Form, die wir mit den Augen wahrnehmen: ein gerader Stamm mit einer runden Krone. Auge sagt uns zur Form: »Löffel.« Unter der Erde sind allerdings mindestens so viele Wurzeln wie oben Äste in der Luft. Hirn müsste dann eigentlich so etwas wie »Hantel« sagen, tut es aber nicht. Den meisten Input kriegt das Hirn von den Augen und höchst selten mal von einer Abbildung im Buch, die einen Baum vollständig zeigt. Also kommentiert es brav die vorbeirauschende Waldlandschaft mit: »Löffel, Löffel, Löffel, Löffel.«
Während wir so »löffelmäßig« durchs Leben laufen, verpassen wir großartige Dinge. Unter unserer Haut ist dauernd etwas los: Wir fließen, pumpen, saugen, quetschen, zerplatzen, reparieren und bauen neu auf. Eine ganze Belegschaft ausgeklügelter Organe arbeitet so perfekt und effizient zusammen, dass ein erwachsener Mensch pro Stunde etwa so viel Energie benötigt wie eine 100-Watt-Glühbirne. Jede Sekunde filtern Nieren unser Blut akribisch sauber - wesentlich genauer als Kaffeefilter -, und meist halten sie dabei auch noch ein Leben lang. Unsere Lunge ist so clever entworfen, dass wir eigentlich nur beim Einatmen Energie verbrauchen. Das Ausatmen passiert ganz von selbst. Wären wir durchsichtig, könnten wir sehen, wie schön sie aussieht: wie ein Aufziehauto in Groß und weich und lungig. Während manchmal einer von uns dasitzt und denkt: »Keiner mag mich«, legt sein Herz gerade die siebzehntausendste 24-Stundenschicht für ihn ein - und hätte jedes Recht, sich bei solchen Gedanken ein bisschen außen vor gelassen zu fühlen.
Würden wir mehr sehen als das, was sichtbar ist, könnten wir auch dabei zuschauen, wie Zellklumpen in Bäuchen zu Menschen werden. Wir würden auf einmal verstehen, dass wir uns grob aus drei »Schläuchen« entwickeln. Der erste Schlauch durchzieht uns und verknotet sich in der Mitte. Das ist unser Blutgefäßsystem, aus dem unser Herz als zentraler Gefäßknoten entsteht. Der zweite Schlauch bildet sich fast parallel auf unserem Rücken, formt eine Blase, die an das oberste Ende des Körpers wandert und dort bleibt. Das ist unser Nervensystem im Rückenmark, aus dem sich das Gehirn entwickelt und aus dem Nerven überall in den Körper sprießen. Der dritte Schlauch durchzieht uns einmal von oben nach unten. Das ist das Darmrohr.
Das Darmrohr richtet unsere Innenwelt ein. Es bildet Knospen, die sich nach rechts und links immer weiter ausbuchten. Diese Knospen werden unsere Lungen. Ein Stückchen weiter unten stülpt sich das Darmrohr aus und bildet unsere Leber. Es formt auch die Gallenblase und die Bauchspeicheldrüse. Vor allem aber beginnt der Schlauch selbst immer trickreicher zu werden. Er ist bei den aufwendigen Mundbauarbeiten beteiligt, formt eine Speiseröhre, die »breakdancen« kann, und bildet einen kleinen Magenbeutel, damit wir Essen ein paar Stunden speichern können. Zu guter Letzt kreiert das Darmrohr sein Meisterwerk, nach dem es letztendlich benannt wurde: den Darm.
Die beiden »Meisterwerke« der anderen Schläuche - Herz und Hirn - genießen hohes Ansehen. Das Herz gilt als lebenswichtig, weil es Blut durch den Körper pumpt, das Hirn wird bewundert, weil es sich jede Sekunde erstaunliche Gedankengebilde ausdenkt. Der Darm aber, so glauben die meisten, geht währenddessen höchstens mal aufs Klo. Sonst hängt er wahrscheinlich lässig im Bauch rum oder pupst ab und zu. Besondere Fähigkeiten kennt man von ihm eigentlich keine. Man könnte sagen, wir unterschätzen das ein wenig - ehrlich gesagt, unterschätzen wir es nicht nur, wir schämen uns sogar oft für unser Darmrohr. Darm mit Scham!
Daran soll dieses Buch etwas ändern. Wir versuchen mal, was man mit Büchern so wunderbar kann - der sichtbaren Welt wahrhaft Konkurrenz zu machen: Bäume sind keine Löffel! Und der Darm hat eine Menge Charme!
© Copyright by Ullstein TB Verlag
Ich wurde per Kaiserschnitt geboren und konnte nicht gestillt werden. Das macht mich zum perfekten Vorzeigekind der Darmwelt im 21. Jahrhundert. Hätte ich damals schon mehr über den Darm gewusst, hätte ich Wetten abschließen können, welche Krankheiten ich mal so bekommen würde. Zuerst war ich laktoseintolerant. Ich wunderte mich nie, warum ich nach meinem fünften Lebensjahr plötzlich wieder Milch trinken konnte, irgendwann wurde ich dick, dann wieder dünn. Dann ging es mir lange gut, und dann kam »die Wunde«.
Als ich siebzehn Jahre alt war, bekam ich grundlos eine kleine Wunde auf meinem rechten Bein. Sie heilte einfach nicht, und nach einem Monat ging ich zum Arzt. Die Ärztin wusste nicht wirklich, was es war, und verschrieb mir eine Salbe. Drei Wochen später war mein ganzes Bein voller Wunden. Bald beide Beine, die Arme und mein Rücken. Manchmal auch mein Gesicht. Zum Glück war es Winter, und alle dachten, ich hätte Herpes und eine Schürfwunde auf der Stirn.
Kein Arzt konnte mir helfen - es war wohl irgendwie Neurodermitis. Ich wurde gefragt, ob ich sehr gestresst sei oder ob es mir seelisch nicht gut gehe. Cortison funktionierte ein bisschen, aber sobald ich es absetzte, kam einfach alles zurück. Ein Jahr lang zog ich im Sommer wie Winter Strumpfhosen an, damit meine Wunden nicht durch die Hose nässten. Irgendwann raffte ich mich auf und begann, mich selbst schlauzumachen. Durch Zufall stieß ich auf einen Bericht über eine sehr ähnliche Hauterkrankung. Ein Mann hatte sie nach der Einnahme von Antibiotika bekommen, und auch ich hatte ein paar Wochen vor der ersten Wunde Antibiotika nehmen müssen.
Von diesem Moment an behandelte ich meine Haut nicht mehr wie die Haut eines Hautkranken, sondern wie die eines Darmkranken. Ich aß keine Milchprodukte mehr, kaum noch Gluten, nahm verschiedene Bakterien zu mir und ernährte mich insgesamt gesünder. In dieser Zeit machte ich einige verrückte Experimente ... hätte ich damals schon Medizin studiert, hätte ich mich nur ungefähr die Hälfte davon getraut. Einmal überdosierte ich mich mehrere Wochen lang mit Zink und hatte danach monatelang einen erheblich gesteigerten Geruchssinn.
Mit ein paar Kniffen bekam ich meine Krankheit letztlich gut in den Griff. Es war ein Erfolgserlebnis, und ich spürte am eigenen Körper, dass Wissen Macht sein kann. Ich fing an, Medizin zu studieren.
Im ersten Semester saß ich während einer Party neben einem Jungen, der den stärksten Mundgeruch hatte, den ich jemals gerochen habe. Es war ein ganz untypischer Geruch - nicht diese kratzigen Wasserstoffaromen von älteren, gestressten Herren oder die süßlich-fauligen Gerüche von zu viel Zucker essenden Tanten. Nach einer Weile setzte ich mich weg. Am nächsten Tag war er tot. Er hatte sich umgebracht. Ich musste immer wieder daran denken. Könnte es sein, dass ein sehr kranker Darm so übel riecht und dass so eine Erkrankung auch die Stimmung beeinflusst?
Nach einer Woche traute ich mich, mit einer guten Freundin über meine Vermutungen zu reden. Ein paar Monate später bekam diese Freundin eine heftige Magen-Darm-Grippe. Sie fühlte sich sehr elend. Als wir uns das nächste Mal sahen, meinte sie, an meiner These könnte schon etwas dran sein, denn so schlecht hatte sie sich auch psychisch schon lange nicht mehr gefühlt. Das gab mir den Anstoß, mich stärker mit dieser Thematik zu beschäftigen. Dabei entdeckte ich einen kompletten Forschungszweig, dessen Gegenstand die Verbindung von Darm und Hirn ist. Es ist ein rapide wachsendes Gebiet. Vor etwa zehn Jahren gab es nur wenige Publikationen dazu, mittlerweile sind es schon mehrere hundert wissenschaftliche Artikel. Wie der Darm Gesundheit und Wohlbefinden beeinflusst, ist eine der neuen Forschungsrichtungen unserer Zeit! Der renommierte amerikanische Biochemiker Rob Knight sagte in der Zeitung Nature, sie sei mindestens so vielversprechend wie die Stammzellforschung. Ich war in einen Bereich hineingerudert, den ich immer faszinierender fand.
Während meines Studiums merkte ich, wie stiefmütterlich dieses Gebiet in der Medizin behandelt wird. Dabei ist der Darm ein völliges Ausnahme-Organ. Er bildet zwei Drittel des Immunsystems aus, holt Energie aus Brötchen oder Tofu-Wurst und produziert mehr als zwanzig eigene Hormone. Viele Ärzte lernen in ihrer Ausbildung darüber sehr wenig. Als ich im Mai 2013 den Kongress »Microbiome and Health« (Darmbakterien und Gesundheit) in Lissabon besuchte, war die Runde überschaubar. Etwa die Hälfte kam aus Institutionen, die es sich finanziell leisten können, bei »den Ersten« dabei zu sein, wie aus Harvard, Yale, Oxford oder dem EMCL Heidelberg.
Manchmal erschreckt es mich, wenn Wissenschaftler hinter geschlossenen Türen über wichtige Erkenntnisse diskutieren - ohne dass die Öffentlichkeit darüber informiert wird. Oft ist wissenschaftliche Vorsicht besser als eine vorschnelle Behauptung. Aber Angst kann auch wichtige Chancen kaputtmachen. Es gilt in der Wissenschaftswelt mittlerweile als anerkannt, dass Menschen mit bestimmten Verdauungsproblemen häufig Nervenstörungen im Darm haben. Ihr Darm sendet dann Signale an einen Bereich im Gehirn, der unangenehme Gefühle verarbeitet, obwohl sie gar nichts Schlimmes getan haben. Die Betreffenden fühlen sich unwohl und wissen nicht, warum das so ist. Wenn ihr Arzt sie dann als irrationale Psychofälle behandelt, ist das sehr kontraproduktiv! Das ist nur eines der Beispiele dafür, dass manches Forschungswissen schneller verbreitet werden sollte!
Dies ist mein Ziel mit diesem Buch: Ich will Wissen greifbarer machen und dabei auch das verbreiten, was Wissenschaftler in ihren Forschungsarbeiten schreiben oder hinter Kongresstüren bereden - während viele Menschen nach Antworten suchen. Ich verstehe, dass viele Patienten, die unangenehme Krankheiten haben, enttäuscht sind von der Medizin. Ich kann keine Wundermittel verkaufen, und auch ein gesunder Darm wird nicht jede Krankheit heilen. Was ich allerdings kann, ist, in charmantem Ton erklären, wie es so läuft im Darm, was die Forschung Neues bietet und wie wir mit diesem Wissen unseren Alltag besser machen können.
Mein Medizinstudium und meine Doktorarbeit am Institut für Medizinische Mikrobiologie helfen mir dabei, Ergebnisse zu bewerten und einzusortieren. Meine persönliche Erfahrung hilft mir dabei, Menschen das Wissen näherzubringen. Meine Schwester hilft mir dabei, nicht abzudriften, denn dann schaut sie mich beim Vorlesen an und sagt grinsend: »Das machst du noch mal.«
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Die Welt sieht viel lustiger aus, wenn wir nicht nur das sehen, was man sehen kann - sondern auch noch all den Rest. Ein Baum ist dann kein Löffel. Das ist grob vereinfacht nur die Form, die wir mit den Augen wahrnehmen: ein gerader Stamm mit einer runden Krone. Auge sagt uns zur Form: »Löffel.« Unter der Erde sind allerdings mindestens so viele Wurzeln wie oben Äste in der Luft. Hirn müsste dann eigentlich so etwas wie »Hantel« sagen, tut es aber nicht. Den meisten Input kriegt das Hirn von den Augen und höchst selten mal von einer Abbildung im Buch, die einen Baum vollständig zeigt. Also kommentiert es brav die vorbeirauschende Waldlandschaft mit: »Löffel, Löffel, Löffel, Löffel.«
Während wir so »löffelmäßig« durchs Leben laufen, verpassen wir großartige Dinge. Unter unserer Haut ist dauernd etwas los: Wir fließen, pumpen, saugen, quetschen, zerplatzen, reparieren und bauen neu auf. Eine ganze Belegschaft ausgeklügelter Organe arbeitet so perfekt und effizient zusammen, dass ein erwachsener Mensch pro Stunde etwa so viel Energie benötigt wie eine 100-Watt-Glühbirne. Jede Sekunde filtern Nieren unser Blut akribisch sauber - wesentlich genauer als Kaffeefilter -, und meist halten sie dabei auch noch ein Leben lang. Unsere Lunge ist so clever entworfen, dass wir eigentlich nur beim Einatmen Energie verbrauchen. Das Ausatmen passiert ganz von selbst. Wären wir durchsichtig, könnten wir sehen, wie schön sie aussieht: wie ein Aufziehauto in Groß und weich und lungig. Während manchmal einer von uns dasitzt und denkt: »Keiner mag mich«, legt sein Herz gerade die siebzehntausendste 24-Stundenschicht für ihn ein - und hätte jedes Recht, sich bei solchen Gedanken ein bisschen außen vor gelassen zu fühlen.
Würden wir mehr sehen als das, was sichtbar ist, könnten wir auch dabei zuschauen, wie Zellklumpen in Bäuchen zu Menschen werden. Wir würden auf einmal verstehen, dass wir uns grob aus drei »Schläuchen« entwickeln. Der erste Schlauch durchzieht uns und verknotet sich in der Mitte. Das ist unser Blutgefäßsystem, aus dem unser Herz als zentraler Gefäßknoten entsteht. Der zweite Schlauch bildet sich fast parallel auf unserem Rücken, formt eine Blase, die an das oberste Ende des Körpers wandert und dort bleibt. Das ist unser Nervensystem im Rückenmark, aus dem sich das Gehirn entwickelt und aus dem Nerven überall in den Körper sprießen. Der dritte Schlauch durchzieht uns einmal von oben nach unten. Das ist das Darmrohr.
Das Darmrohr richtet unsere Innenwelt ein. Es bildet Knospen, die sich nach rechts und links immer weiter ausbuchten. Diese Knospen werden unsere Lungen. Ein Stückchen weiter unten stülpt sich das Darmrohr aus und bildet unsere Leber. Es formt auch die Gallenblase und die Bauchspeicheldrüse. Vor allem aber beginnt der Schlauch selbst immer trickreicher zu werden. Er ist bei den aufwendigen Mundbauarbeiten beteiligt, formt eine Speiseröhre, die »breakdancen« kann, und bildet einen kleinen Magenbeutel, damit wir Essen ein paar Stunden speichern können. Zu guter Letzt kreiert das Darmrohr sein Meisterwerk, nach dem es letztendlich benannt wurde: den Darm.
Die beiden »Meisterwerke« der anderen Schläuche - Herz und Hirn - genießen hohes Ansehen. Das Herz gilt als lebenswichtig, weil es Blut durch den Körper pumpt, das Hirn wird bewundert, weil es sich jede Sekunde erstaunliche Gedankengebilde ausdenkt. Der Darm aber, so glauben die meisten, geht währenddessen höchstens mal aufs Klo. Sonst hängt er wahrscheinlich lässig im Bauch rum oder pupst ab und zu. Besondere Fähigkeiten kennt man von ihm eigentlich keine. Man könnte sagen, wir unterschätzen das ein wenig - ehrlich gesagt, unterschätzen wir es nicht nur, wir schämen uns sogar oft für unser Darmrohr. Darm mit Scham!
Daran soll dieses Buch etwas ändern. Wir versuchen mal, was man mit Büchern so wunderbar kann - der sichtbaren Welt wahrhaft Konkurrenz zu machen: Bäume sind keine Löffel! Und der Darm hat eine Menge Charme!
© Copyright by Ullstein TB Verlag
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Autoren-Porträt von Giulia Enders
Enders, GiuliaGiulia Enders hat ihr erstes Staatsexamen in Medizin bestanden und forscht für ihre Doktorarbeit am Institut für Mikrobiologie in Frankfurt am Main. Sie ist zweifache Stipendiatin der Wilhelm-und-Else-Heraeus-Stiftung. 2012 gewann sie mit ihrem Vortrag "Darm mit Charme" den 1. Preis des Science Slam in Freiburg, der zum Youtube-Hit wurde.
Autoren-Interview mit Giulia Enders
Wie kommt eine junge Wissenschaftlerin auf die Idee, sich bestens gelaunt mit einem vermeintlich schmutzigen Organ auseinanderzusetzen?Giulia Enders: Die Fakten haben mir den Kopf verdreht! Als ich mit siebzehn plötzlich Neurodermitis bekam, fing ich an, mehr über den Körper zu lesen. Beim Darm bin ich dann hängen geblieben. Kaum jemand weiß, dass nur der allerletzte Meter Darm etwas mit Kot zu tun hat - die rund sieben anderen Meter sind ein sauberes, nahrhaftes Vergnügen auf einem faszinierenden Zellrasen. Ich hatte nie gewusst, dass Fett ganz anders verdaut wird als alle anderen Nahrungsmittel. Unsere Gefühle, Stimmungsschwankungen oder das „Bauchgefühl" sehe ich völlig anders, seitdem ich von der Darm-Hirn-Achse weiß. Schließlich las ich von der Welt der Darmmikroben, was mich derartig vom Hocker putzte, dass ich mich bis heute noch nicht davon erholt habe. Während meines Medizinstudiums fing ich deshalb meine Doktorarbeit am Institut für Mikrobiologie an. Was soll ich sagen? Ich habe mich in das unbeliebteste, merkwürdig aussehendste Organ verliebt - und ich finde auch heute noch: zu Recht!
Geht uns ein gepflegter Darm alle an?
Giulia Enders: Unser Darm ist ein fabelhaftes Wesen voller Sensibilität, Verantwortung und Leistungsbereitschaft - wenn man ihn gut behandelt, bedankt er sich dafür. Das tut jedem gut, denn er bildet zwei Drittel unseres Immunsystems aus, beschafft unserem Körper die Energie zum Leben aus den unterschiedlichsten Lebensmitteln und hat das größte Nervensystem nach dem Gehirn. Allergien, unser Gewicht und eben auch unsere Gefühlswelt sind eng damit verknüpft, wie es in unserem Bauch läuft. Interessanterweise kommt die Wissenschaftswelt erst jetzt darauf, sich mit diesem Organ stärker zu beschäftigen - das hat auch einen Grund, denn viele Jahrhunderte davor haben wir
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intuitiv einiges richtig gemacht und hatten viele unserer heutigen Krankheiten, wie Allergien oder Übergewicht, nicht. In jedem Bereich der Welt gibt es traditionelle Lebensmittel, die wie maßgeschneidert zu den Därmen der jeweiligen Völker passen. Welcher Deutsche isst heute noch den Winter über Sauerkraut? Früher haben das fast alle getan. Sobald man molekular versteht, warum das genial war, sieht man Sauerkraut - aber auch viele andere Lebensmitteln mit völlig neuen Augen.
Was wäre in Ihren Augen der perfekte erste Schritt hin zu einem neuen „Organ-Bewusstsein"?
Giulia Enders: Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass sie eine famose Milz haben, die Nieren Unvergleichbares leisten und mitten in ihrem Bauch etwas passiert, das sie überhaupt erst zu lebendigen Wesen werden lässt. Bei meinem Medizinstudium habe ich die ersten vier Semester nur darüber gelernt, wie unfassbar ausgetüftelt ein Körper funktioniert. Mit diesem Wissen sollte nicht nur in Arztzimmern Rezepte ausgedruckt werden. Wir sollten den Menschen zeigen, was für edle Kreaturen sie sind. Der perfekte Schritt für ein neues Organbewusstsein war für mich zu merken, dass ich eins der fantastischsten Organe lange Zeit komplett unterschätzt habe. Dieser große Schritt - von Scham zu Charme - ist ein Aha-Effekt, der sich sehen lassen kann. Dieses Potential in einem Buch zu entfalten, hat mir unglaublichen Spaß gemacht.
Was wäre in Ihren Augen der perfekte erste Schritt hin zu einem neuen „Organ-Bewusstsein"?
Giulia Enders: Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass sie eine famose Milz haben, die Nieren Unvergleichbares leisten und mitten in ihrem Bauch etwas passiert, das sie überhaupt erst zu lebendigen Wesen werden lässt. Bei meinem Medizinstudium habe ich die ersten vier Semester nur darüber gelernt, wie unfassbar ausgetüftelt ein Körper funktioniert. Mit diesem Wissen sollte nicht nur in Arztzimmern Rezepte ausgedruckt werden. Wir sollten den Menschen zeigen, was für edle Kreaturen sie sind. Der perfekte Schritt für ein neues Organbewusstsein war für mich zu merken, dass ich eins der fantastischsten Organe lange Zeit komplett unterschätzt habe. Dieser große Schritt - von Scham zu Charme - ist ein Aha-Effekt, der sich sehen lassen kann. Dieses Potential in einem Buch zu entfalten, hat mir unglaublichen Spaß gemacht.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Giulia Enders
- 2014, 288 Seiten, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Ullstein HC
- ISBN-10: 3550080417
- ISBN-13: 9783550080418
- Erscheinungsdatum: 10.03.2014
Rezension zu „Darm mit Charme “
"Ein sehr lustiges, lässiges, lehrreiches Buch.", taz, Margarete Stokowski, 16.03.2014
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