Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag
So lustig können Misserfolge sein...
Das Gesicht des jungen des deutschen Fernsehens, Katrin Bauerfeind, plaudert aus ihrem Leben – und erzählt Geschichten vom schönen Scheitern. Ihr...
Das Gesicht des jungen des deutschen Fernsehens, Katrin Bauerfeind, plaudert aus ihrem Leben – und erzählt Geschichten vom schönen Scheitern. Ihr...
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Buch
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag “
So lustig können Misserfolge sein...
Es ist die perfekte Lektüre für alle, die jedes Jahr drei Tage vor dem Urlaub erfolglos mit der Bikinidiät beginnen, die fest entschlossen ihre Diplomarbeit zu Ende schreiben wollen und dann auf YouTube bei Videos über Haushaltsunfälle und Katzenkinder hängenbleiben und alle, die glauben, es fehlt Ihnen ein Tag zwischen Sonntag und Montag: ein Tag, an dem man alles, was man sich vorgenommen hat, endlich schaffen könnte...
Aber keine Sorge, es ist kein deprimierendes Buch. Ganz im Gegenteil, gewohnt witzig-ironisch und mitunter auch politisch unkorrekt berichtet Katrin Bauerfeind von persönlichen Misserfolgen: Sie scheitert am Yoga, da die Wii-Konsole über alterschwache Batterien verfügt, hadert mit dem Nichtraucher-Gesetz und Prinz Charles – und kommt nach einem Friseurbesuch mit grotesk verfärbten Haaren nach Hause...
Doch wer glaubt es handelt sich bei Katrin Bauerfeinds Buch, um ein zwar amüsantes, aber oberflächliches Buch irrt. Bei all den pointierten Anekdoten über das stetige Scheitern in ihrem Leben, gibt sie zu bedenken, dass das Scheitern auch positive Seiten hat und man freundlich mit seinen Fehlern umgehen sollte.
Denn wer würde bei Spencer Silver, dem Erfinder der Post-its, der eigentlich einen Superkleber herstellen wollte, von Scheitern sprechen. Ober bei Christopher Kolumbus, der eigentlich aus Versehen Amerika endeckte.
„Lachen und Scheitern gehören bei Katrin Bauerfeind zusammen. Von beidem gibt es bei ihr reichlich.“ Markus Pins, TVinfo, 26.2.2014
„>Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag< ist unterhaltsames Power-Yoga.“ Jan Drees, WDR 1LIVE, 16.4.2014
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Klappentext zu „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag “
Im Scheitern bin ich richtig gut!Es wird ja weltweit viel gescheitert. Gucken Sie sich die Nachrichten an, schauen Sie sich um, blicken Sie kurz in den Spiegel. Sehen Sie? Überall wird deutlich mehr gescheitert als gesiegt. Außerdem kaufen hauptsächlich Frauen Bücher, und Frauen scheitern noch mehr als Männer, egal was Ursula von der Leyen sagt. Deswegen ist das Thema auch ein Anbiedern an die Zielgruppe. Außerdem: Übers Gewinnen schreiben Leute wie Carsten Maschmeyer, und da will man ja wohl automatisch lieber das Gegenteil.
Und: Es ist das Thema, mit dem ich mich am besten auskenne. Scheitern kann ich. Wenn alles so läuft wie immer, werde ich das Buch nicht fertig schreiben ... Aber selbst wenn das Buch fertig wird, bin ich mir sicher, dass es nicht so erfolgreich ist wie Shades of Grey oder Harry Potter, obwohl ich auch über dominanten Sex schreibe (Seite 662), und über Jungs mit Brille (Seite 923). Zack, bin ich wieder gescheitert! Und selbst wenn dieses Buch ein Weltbesteller werden sollte, werde ich das Gefühl haben, dass ich in dieser Zeit meine Mutter vernachlässigt habe, noch immer nicht in Madrid war und erst recht nicht beim Sport. Sie sehen: Scheitern kann man eigentlich immer und überall. Es ist ein günstiges Hobby für die ganze Familie, und ich als Scheidungskind weiß, wovon ich rede.
Aber keine Angst. Dies ist kein deprimierendes Buch. Im Gegenteil. Selbst wenn Sie eigentlich die Buddenbrooks oder Frank Schätzing, Ulysses oder das letzte Werk von Richard David Precht lesen wollten, aber stattdessen jetzt dieses Buch in der Hand haben, weil es dünner, billiger und lustiger ist, ist es genau das richtige.
Dies ist ein Buch für all die, die sich schon einmal entschlossen an ihren Computer gesetzt haben, um zum Beispiel ihre Diplomarbeit zu Ende zu schreiben, und dann vier Stunden lang bei YouTube-Videos von Haushaltsunfällen, Katzenkindern und romantischen Heiratsanträgen hängen geblieben sind. Für alle, die sich jedes Jahr drei Tage vor demUrlaub
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erfolglos in ihre Bikinifigur hungern wollen, alle, die eigentlich große Pläne für ihr Leben hatten und jetzt plötzlich eine Einbauküche abbezahlen und alle, die das Gefühl haben, es fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag: ein Tag, an dem man endlich mal alles erledigen könnte ...
Geschichten von Katrin Bauerfeind: ein Buch, wie wenn Horst Evers eine klasse Frau wäre!
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Lese-Probe zu „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag “
Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag von Kathrin BauerfeindGegen offene Türen rennen - Ein Geleitwort von mir selbst
Ich wollte nach langer Zeit mal wieder das Yoga-Programm auf der Wii angehen. Das ist nur eine Spielekonsole und kein Fitnesscenter, aber es ist besser als nichts, und mit der Wii kann ich Yoga unter Anleitung machen, aber alleine. Ich habe es auch schon mit anderen in einem richtigen Yoga-Studio versucht, aber wie soll ich mich beim Yoga entspannen, wenn die Trulla neben mir ihre Matte nicht richtig parallel zu meiner ausrichtet?! Ich hab eine leichte Macke mit geraden Kanten. Ich bin ein Fan von geraden Kanten. Ich scheitere oft an solchen Dingen. Und an anderen Menschen, aber dazu später mehr.
Ich habe mir also Spielekonsolenyoga fest vorgenommen. Ganz fest. Dann muss ich feststellen, dass ich keine Batterien mehr für das blöde Plastikbrett habe, das man bei der Wii fürs Yoga braucht. Ich muss also zum Kiosk um die Ecke, aber vielleicht dann doch nicht in den etwas peinlichen Sportsachen. Ich ziehe mich um und kaufe Batterien, um dann zu merken, dass ich jetzt zwar Batterien habe und das blöde Plastikbrett, aber nicht mehr die Wii selbst. Die hat nämlich mein Ex-Freund in unserer alten Wohnung, was mich daran erinnert, dass ja auch meine Beziehung gescheitert ist ...
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Um den Tag nicht kampflos dem Scheitern zu überlassen, gehe ich zum Friseur. Neue Haare sind immer gut. Der Friseur soll mir meine Haare so färben, dass sie aussehen wie die von Blake Lively letztes Jahr. Ein natürliches Kupfer. Ich habe Fotos mitgebracht. Der Friseur sagt, es sei kein Problem. Aber er ist offenbar zu schwul, um nebenbei noch irgendwas anderes zu machen. Eine Ausbildung zum Beispiel. Friseur ist anscheinend mittlerweile so wie Heilpraktiker, Journalist oder Bundespräsident, also offenbar kein Lehrberuf mehr. Jetzt habe ich magentafarbene Haare. Es ist ein ganz normaler Mittwoch, und ich habe magentafarbene Haare. So in etwa ist mein Leben. Eine Abfolge von Fehlschlägen.
Vielleicht finden Sie es übertrieben, daraus ein Drama zu machen oder gar ein Buch. Dann sind Sie vermutlich über vierzig. Ich fürchte, ich bin typisch für meine Generation: so viele Möglichkeiten und am Ende nur das Gefühl, nichts hinzukriegen. Wir haben so viele Chancen und trotzdem meist das Gefühl zu scheitern. Wir haben mehr offene Türen als ein Adventskalender, aber am Ende eben magentafarbene Haare ...
Scheitern an Warnhinweisen: Auf eine Zigarette mit Albert Camus
Ich rauche. Seit ich fünfzehn bin, rauche ich. Wir reden hier nicht von der Gelegenheitszigarette zu einem »schönen Glas Wein«, wir reden nicht von der Zigarette mit Freunden, wir reden nicht von der Zigarette danach. Wir reden bei mir eher von der Zigarette dabei. Währenddessen.
Ich habe ein echtes Nikotinproblem, wenn das mit dem Sex zu lange dauert. Ich bin die Marlboro-Frau, nur ohne den Hut, die Kühe, die Landschaft, die Freiheit und die Abenteuer. Ich rauche einfach. Würde ich fürs Rauchen bezahlt, hätte ich mehr Geld als Heidi Klum vor der Scheidung. Vom Nikotinpegel würde ich besser zu Helmut Schmidt passen als Sandra Maischberger. Vielleicht ist in meiner oralen Phase was schiefgelaufen, vielleicht hat meine Mutter mich nicht lange genug gestillt. Fakt ist: Ich rauche. Viele von Ihnen werden das unsympathisch finden. Das ist die normale Reaktion von Nichtrauchern. Ich erwarte auch keinen Applaus und keine Zustimmung, muss aber sagen, dass ich dieses Unentspannte in der Diskussion um den blauen Dunst nicht verstehe.
Rauchen ist gefährlich, keine Frage. Die meisten Raucher werden früher oder später sterben. Aber auf der anderen Seite hat eine Tante von mir beim Kniffeln mal einen halben Dreierpasch verschluckt und wäre daran fast erstickt. (Die ganze Geschichte würde hier zu weit führen, aber es ging darum, dass sie behauptet hatte, man könne auch mit dem Mund würfeln.) Meiner besten Freundin in der Grundschule ist beim Seilchchenspringen die Achillessehne gerissen, und ein Kollege ist neulich im Fitnesscenter über eine Hantel gestolpert und gegen einen Crosstrainer geprallt. Auch das gesunde Leben hat also seine Risiken.
Man wird dafür bewundert, wenn man sich für Red Bull aus zig Kilometern mit einem Fallschirm auf die Erde stürzt, in einem Formel-1-Auto mit 800 PS Woche für Woche im Kreis fährt oder ohne Sauerstoff den Mount Everest besteigt. All das sind Tätigkeiten, die unstrittig genauso sinnlos und gefährlich sind wie Rauchen. Aber nur Zigaretten haben dieses schlechte Image.
Bevor Sie mich also wegen des Rauchens verurteilen, bedenken Sie bitte, dass ich ja auch ganz viele Sachen nicht tue, die meine Umwelt ebenfalls gefährden könnten. Ich habe keine Waffen und keine Kinder, ich habe keine ansteckenden übertragbaren Krankheiten, und ich war nie beim Promi-Dinner oder bei Beckmann.
Natürlich hab ich schon ein paarmal versucht aufzuhören, aber ich scheitere jedes Mal und mittlerweile auch ganz gerne. Scheitern am Nichtrauchen ist der Einstieg ins schöner Scheitern.
Romy Schneider und Marlene Dietrich haben geraucht, Mutter Beimer nicht, Audrey Hepburn und Brigitte Bardot haben geraucht, Kristina Schröder nicht, Bette Davis hat mehr geraucht als der Ätna, Veronica Ferres war dagegen 2001 »Nichtraucherin des Jahres«. Von Hitler wollen wir gar nicht erst reden. Der war nicht nur Nichtraucher, sondern auch Vegetarier. Sie verstehen, worauf ich hinauswill?
Die Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen sollen nach dem Willen der EU demnächst noch größer und drastischer werden. Ich finde das unhöflich. Man klebt auch keine Bilder einer ängstlichen Kuh auf ein halbes Pfund Hackfleisch. Man zeigt uns bei IKEA nicht die Paare, die sich im Bettenmodell »Lillebror« nachhaltig zerstritten haben, und auf einer Packung Fritten bei McDonald's ist kein Bild von Reiner Calmund. Warum muss ich mir also ausgerechnet bei Zigaretten diese Ermahnung gefallen lassen?
Demnächst darf man in der Öffentlichkeit gar nicht mehr rauchen. Mir gefällt das nicht. Ich finde, wenn man das Haus verlässt und sich damit in die Öffentlichkeit begibt, muss man damit rechnen, dort Dinge zu erleben, die einem nicht gefallen. Das ist nicht nur das Risiko von Öffentlichkeit, das ist auch der Sinn. Sonst erlebt man gar nichts Neues mehr und bleibt nur unter sich. Wohin das führt, kann man am englischen Königshaus sehen. Man nennt es Inzest, und es sieht aus wie Prinz Charles.
Ich bin privat zum Beispiel gegen große Kopfhörer auf Leuten, die am Verkehr teilnehmen, ich finde Strass an Sachen, die man anzieht, fragwürdig, und ich bin gegen japanische Touristengruppen. Ohne Grund. Aber ich finde, ich muss in einem Café damit leben, dass bestrasste Japaner am Nachbartisch große Kopfhörer tragen. Vielleicht ist in der Gruppe sogar zufällig jemand, der mir erklärt, was es mit Mangas auf sich hat oder mit diesen Automaten, an denen man in Japan getragene Mädchenunterwäsche kaufen kann. Soll heißen, Risiken bergen immer auch Chancen. Wenn Öffentlichkeit nur noch dazu da ist, mich vor allem, was anders ist, abzuschirmen und der Staat nur noch dafür sorgt, mich vor Belästigungen durch andere zu schützen, dann läuft irgendwas schief. Und mit dem Rauchen fängt es an. Dabei, finde ich, ist Rauchen ein Grundrecht.
Seit Anbeginn der Zeit haben die Menschen versucht, dem Leben, dem Alltag zu entkommen. Die ersten Menschen haben sich vielleicht einfach nur im Kreis gedreht, bis ihnen schwindelig war. Aber ich bin sicher, sobald das Feuer entdeckt war, wurde auch geraucht. Ich fand die hochgelobte amerikanische Serie Mad Men weitgehend langweilig. Die Serie zeigt allerdings, dass früher wirklich einiges besser war: Da rauchte der Frauenarzt auch bei der Schwangerschaftsuntersuchung und bot nebenbei der werdenden Mutter noch Feuer an.
Klar, wir wollen alle steinalt werden und gesund bleiben und Spaß haben bis ins hohe Alter, aber das sind ja drei Wünsche auf einmal, und seit der Überraschungsei-Werbung wissen wir, dass das nun wirklich nicht geht. Wir können alt und gesund werden, haben dann aber keinen Spaß mehr, oder wir haben Spaß, werden dann aber nicht alt.
Ich sage nicht, dass man ohne Zigaretten keinen Spaß haben kann. Ich habe nur das Gefühl, dass es bei Zigaretten nicht aufhört. Es wird aktuell diskutiert, ob man jungen Mädchen Ohrlöcher stechen darf oder ob das schon Körperverletzung ist, es wird über eine Helmpflicht für Fahrradfahrer nachgedacht, Alkohol soll teurer werden, wir sollen weniger Zucker essen und mehr Sport machen. Die Optimierung geht immer weiter. Wir sollen immer gesünder werden und besser, aber keiner erklärt einem, wozu.
Was ist der Sinn? Es ist wie mit den Fernsehern. Die werden auch immer besser, schärfer, größer und smarter. Aber was nutzt das, wenn auf diesen Topgeräten am Ende doch nur Berlin Tag und Nacht läuft? Was nutzt das geilste Smartphone, wenn wir es nur nutzen, um zu fragen: »Boah, is bei dir auch so langweilig?«
Wir alle werden immer besser, schärfer und smarter. Gerade in meiner Generation hat jeder neun Zusatzausbildungen, sechzehn Praktika, Auslandserfahrung und Computerkenntnisse. Aber was nützt das, wenn man am Ende doch nur eine halbe Stelle an der Uni hat, in der Firma von Onkel Klaus arbeitet oder dort kellnern muss, wo andere brunchen?
Apropos: Das Rauchverbot in Restaurants dient ja auch dazu, die Gesundheit des Personals zu schützen. Wobei erstens viele Restaurants davon profitieren würden, wenn man sich vor dem Essen noch die Geschmacksknospen betäuben könnte, und zweitens dem Personal vermutlich mit einer Erhöhung des Stundenlohns deutlich mehr geholfen wäre.
Ich weiß, dass Rauchen auch meine Gesundheit gefährdet. Man sagt, jede Zigarette nimmt einem drei Minuten des Lebens. Vielleicht sind es allerdings genau die drei Minuten, in denen einem der Arzt am Ende erklärt, dass man nicht mehr lange zu leben hat. Wenn die wegfallen, bin ich nicht böse. Ich möchte ja auch nicht wissen, wie viele Minuten ich schon sinnlos vor roten Ampeln verplempert habe oder in Kassenschlangen hinter Menschen, die nach passendem Kleingeld gesucht haben, oder in Gesprächen mit Redakteuren, die mir erklärt haben, wie Fernsehen geht, oder in Gesprächen mit Männern, die mir erklärt haben, wie die Liebe geht. Mit anderen Worten: Das Leben besteht aus vielen Minuten verplemperter Zeit. In dieser Zeit kann man auch rauchen.
Stellen Sie sich vor, Sie haben sich gerade lange und qualvoll das Rauchen abgewöhnt und stehen jetzt stolz auf dem Deck der Titanic. Und dann kommt der Eisberg. Da werden Sie sich schön ärgern, die Kippen über Bord geworfen zu haben. Oder, um noch mal Camus zu zitieren: »Dagegen verstand ich den Freund, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, nicht mehr zu rauchen, und dem dies kraft seines Willens auch gelungen war. Eines Morgens schlug er die Zeitung auf, las, dass die erste Wasserstoffbombe zur Explosion gebracht worden war, erfuhr von ihrer großartigen Wirkung und begab sich stracks in den nächsten Tabakladen. « Camus war Franzose, Philosoph und großer Raucher. Gestorben ist er bei einem Autounfall. Als Beifahrer.
Rauchen ist eine Art qualmende Meditation. Man tut etwas und gleichzeitig nichts. Es ist ein in dünnes Papier gewickelter Kurzurlaub. Gemütlichkeit ohne Qualm ist ähnlich sinnlos wie alkoholfreier Whiskey. Humphrey Bogart in Casablanca mit einem Nikotinpflaster statt einer Zigarette wäre schon deutlich uncooler.
Das Rauchen unterscheidet uns vom Tier. Und das ist nicht von Helmut Schmidt oder Camus oder so. Das ist von mir. (Bitte keinen Applaus - ernstes Thema.)
Scheitern am Sport ... ... ideal für Einsteiger!
Silvester ist ideal zum Scheitern. Gute Vorsätze werden da traditionell mit Feuerwerk begleitet, und man weiß, dass sie ähnlich schnell verfallen wie unbehandelte Milch aus dem Bioladen. Silvestervorsätze sind Scheitern für Anfänger. Potentielle zukünftige Nichtraucher stehen um zehn nach zwölf mit einer Kippe zwischen den Zähnen in der Kälte und behaupten, dass Neujahr ja noch nicht zum neuen Jahr zählt. Ähnliches gilt für Sport. Auch ein Klassiker unter den Vorsätzen und ebenfalls top zum Einstieg ins Scheitern.
Seit meine Mutter mich nirgendwo mehr anmeldet, hinfährt und wieder abholt, ist Sport für mich aufwendiger geworden. Ich muss selbst entscheiden, was ich will, ich muss Zeit und - schlimmer noch - auch Lust haben. Diese Kombi ist so selten, dass ich dachte, mit Fitnessclubs, die mir die Traumfigur zu Schleuderpreisen anbieten, wäre ich optimal aufgestellt. Für umgerechnet nur drei Schachteln Zigaretten im Monat erkaufe ich mir die Option, jeden Tag spontan Lust auf Sport zu bekommen. Das ist ein fairer Preis. Geschlagene 16 Monate war ich also Mitglied in einem Fitnessstudio, und ich war schätzungsweise dreimal da.
Wahrscheinlich war der Preis gar nicht der Vorteil, sondern das eigentliche Problem. Ein Fitnessstudio, das pro Monat ein Drittel meiner Wohnungsmiete verlangt, wäre vermutlich besser, dann hätte ich zwar immer noch keine Lust auf Sport, aber ein so schlechtes Gewissen, dass ich mindestens zweimal die Woche an der Fitnessbank stünde.
Fitnessstudios sind Tempel des Scheiterns. Sie leben ja von den Karteileichen. Wenn man das mal erkannt hat, ist es aber schon zu spät. Man kann leichter bei den Scientologen aussteigen als bei einem Fitnessstudio. Es hat mich drei Besuche bei Ärzten gekostet, um an das rettende Attest zu kommen. Ich habe so gut Rückenschmerzen simuliert, bis ich tatsächlich welche hatte.
Kurz danach unternahm ich einen neuen Anlauf, im wahrsten Sinne: Joggen. Sport ohne Verträge. Man kann direkt vor der Haustür anfangen. Joggen kann jeder. Auch Menschen, bei denen ich denke: Wenn ich beim Joggen so aussähe, würde ich Rad fahren. Ich wohne zwar in der Stadt und finde es nicht ganz so idyllisch, um Häuserblocks zu rennen, aber selbst das Joggen an fünfspurigen Hauptverkehrsstraßen wird ja für gesünder gehalten als gar keine Bewegung. Also joggen. Dabei hasse ich Joggen eigentlich.
Beim Joggen passiert nämlich nichts. Gar nichts. Es ist beweglicher Stumpfsinn. Man kann versuchen, sich mit Musik abzulenken, aber es ist beim Joggen nicht so wie in Western oder Liebesfilmen, wo die Musik zur Landschaft passt, die man sieht. Welche Musik soll man schon hören, wenn man durch Köln läuft? BAP? Die Höhner? Einstürzende Neubauten? Es gibt auch keine Choreographie, keinen, der vorturnt, kurz: nix, worauf man sich konzentrieren könnte, außer den unschönen Begleitumständen. Meistens fängt es an mit der Luft - zu wenig. Ich fühle mich wie eingeschnürt. Dann Seitenstechen. Dann werden die Beine schwer, ein sicheres Zeichen für Magnesiummangel. In diesem Stadium mache ich mir Sorgen, dass das gesunde Joggen meine Gesundheit ruiniert. Leuchtet mir wirklich nicht ein, warum Laufen dem Körper guttun soll, wenn er doch offensichtlich anderer Meinung ist.
In der Zwischenzeit habe ich ein fleckiges Gesicht bekommen und keuche, und es ist mir peinlich, wenn ich Bekannte treffe, die gerade vom Einkaufen kommen, und ich mich schon durch meine Keucherei als absolute Joggnull outen muss. Das hat zur Folge, dass ich wiederum die Luft anhalte, wenn Menschen in der Nähe sind, was nur zu noch mehr Seitenstechen führt. Teufelskreis. Es macht mich wahnsinnig, dass es kein Ziel gibt, weil es ja um das Laufen an sich geht. Klar, der Weg ist das Ziel, hat Konfuzius gesagt, aber der war sicher nie joggen.
Und ganz kostenlos ist natürlich auch joggen nicht. Ich habe mir Laufschuhe gekauft in der Hoffnung, mich selbst zu überlisten. Die Schwäbin in mir kann eigentlich ja nicht verantworten, Geld für etwas auszugeben, was man dann nicht nutzt, hoffte ich. Ich habe mir außerdem zwei Laufhosen gekauft, um für jede Wetterlage optimal ausgerüstet zu sein. Selbstverständlich bin ich davon ausgegangen, dass ich auch im strömenden Regen joggen würde, sobald ich erst mal damit angefangen habe. Meine Oberteile waren atmungsaktiver als ich und zudem noch regenresistent und wahnsinnig gutaussehend, außerdem erwarb ich eine Kalorienuhr, die Zeit, Geschwindigkeit, gelaufene Meter und den Puls misst. Sportsocken, ebenfalls mit allerlei schweißabsorbierenden Raffinessen. Eine Jacke, für die ganz fiesen und kalten Tage, und passend dazu eine Mütze. Dann sah ich tatsächlich aus, als wäre ich sportlich.
Ich war jeden zweiten Tag laufen. Den Tag dazwischen Pause, damit der Körper sich regenerieren kann. Soll man ja machen. Das wusste ich von Halbmarathonfreunden. Weil die das alles schon mal hinter sich gebracht hatten mit Kondition und Ausdauer und was weiß ich, hab ich mir ihre Trainingspläne ausgeliehen. Der Januar lief super, ich lief super. Nach vier Wochen hielt ich über eine halbe Stunde durch, am Stück. Im alten Jahr waren es noch nicht mal fünf Minuten. Im Februar hatte ich die besten Waden meines Lebens. Die sahen so super aus, dass ich sie jedem gezeigt habe, der sie nicht sehen wollte. Ich tat nicht mehr nur so, als wäre ich sportlich, ich war es wirklich.
Zwei lange Monate bin ich eisern jeden zweiten Tag gelaufen, habe mich strikt an Pläne gehalten, auf meinen Puls geachtet, und rannte in dem Gefühl, das Leben im Griff zu haben. Was für ein gutes Gefühl! Wie morgens um sechs aufstehen. Dann glaubt man auch, man sei unbesiegbar, weil man dabei war, als alles anfing.
Ich weiß gar nicht mehr, was dann passiert ist. Vielleicht war ich zu lange beruflich unterwegs, vielleicht lag zu lange zu viel Schnee. Ich erinnere mich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich irgendwann den Rhythmus unterbrochen habe. Aus dem einen Tag Pause wurden zwei oder drei, und irgendwann war August, und da war natürlich auch wieder was: wahrscheinlich war es zu heiß. Und jeder weiß ja, dass es total ungesund ist, in dieser Hitze zu laufen. Sagen wir so: Die Ausreden häuften sich, mein schlechtes Gewissen war groß, aber noch deutlich kleiner als der innere Schweinehund, der massive Bedenken gegen die Laufschuhe hatte.
Der Halbmarathontrainingsplan lag ein halbes Jahr auf der Kommode direkt neben dem Eingang und erinnerte mich jeden Tag daran, dass ich ja joggen wollte. »Musst du aber auch echt mal wieder ...«, sagte ich zu mir und schmiss dann irgendwann den Trainingsplan in den Müll. Meine Laufschuhe dürften in der Schuhkiste mittlerweile sehr weit nach unten gerutscht sein.
Den Rest des Jahres hat sich weltweit wieder keine Frau so wenig bewegt wie ich, ausgenommen vielleicht die Freiheitsstatue in New York. Im Oktober hab ich kapituliert und behauptet, dass Sport einfach nur total doof ist und wirklich nicht für jeden geeignet. Aber Joschka Fischer ist ja auch mal Marathon gelaufen und sieht heute wieder so aus, als würde er mit dem Treppenlift in seinen Weinkeller fahren. Und der Joschka war immerhin mal Außenminister. Ich bin also beim Scheitern in bester Gesellschaft. Schon der erste Marathonläufer der Geschichte ist gescheitert. Es war ein Bote, der der Legende nach von Marathon nach Athen lief, dort »Wir haben gesiegt...!« rief und dann tot zusammenbrach.
Deswegen ist Sport so ein guter Einstieg ins Scheitern. Beim Sport lernt man die Grundregeln des Scheiterns, nämlich, dass es dazugehört. Wenn man das Tor nicht trifft, heißt das ja nicht, dass das Spiel nicht funktioniert. Im Gegenteil. Das Tor nicht zu treffen ist Teil des Spiels. Das Spiel wäre langweilig, wenn jeder Schuss ein Treffer wäre. Und Michael Jordan hat mal gesagt: »In meiner Karriere habe ich über 9000 Würfe verfehlt. Ich habe fast 300 Spiele verloren. Sechsundzwangzigmal wurde mir der spielentscheidende Wurf anvertraut, und ich habe ihn nicht getroffen. Ich habe immer und immer wieder versagt in meinem Leben. Deshalb bin ich erfolgreich.«
Außerdem ist Sport, genau wie Sex, am Ende eine Frage der Definition. Am Halbmarathon bin ich gescheitert, aber auf der Kurzstrecke zwischen meiner Wohnung und dem nächstgelegenen Kiosk hängt mich so schnell keiner ab. Wenn man das jetzt nicht »Ich flitz mal eben zum Büdchen « nennt, sondern Urban Short Distance oder Modern City Running, sind wir schon im Geschäft. Ich glaube, ich wäre Deutsche Meisterin in dieser Disziplin. Bei diesem Alltagssport nähern sich mein Körper und ich an. Ich merke auf dem Weg zum Kiosk, wann er mir sagen will, dass er mich für ein Arschloch hält, das keine Rücksicht auf ihn nimmt, und wann wir Freunde sind. Momentan haben wir beide eine Art Fernbeziehung, aber wer weiß, was draus wird. Vielleicht versuchen wir beide es eines Tages sogar wieder mit Sport.
Im Bett mit Béla Réthy oder Wie schlecht ist Sex?
Früher gab es Musik, heute präsentiert Die ultimative Chartshow die besten Schmusesongs für Beerdigungen, Stiftung Warentest vergleicht die gehaltvollsten Fertigsuppen und Sonja Zietlow die peinlichsten Ausraster im TV. Das Internet ist voll von den zehn besten, schlimmsten, krassesten, denkwürdigsten, schlimmstfrisierten, höchstbezahlten, meistbestiegenen ... Alles und jeder wird bewertet.
»Die Vorspeise hatte zu viel Schnittlauch, dafür gebe ich der Melanie sechs von zehn Punkten.« »Hot or not - Wie heiß ist dein Body? Mach den Test!« Deswegen sind wir alle längst auch gut oder schlecht im Bett.
Schwer vorstellbar, dass Julia sich in Romeo verliebte, weil er eine Granate zwischen den Laken war. Noch schwerer vorstellbar, dass Opa und Oma bis zur Goldenen Hochzeit durchgehalten haben, weil in der Kiste alles stimmte. Heute dagegen lebt jeder damit, für seinen Sex bewertet zu werden. »Geiler Fick, Firma dankt!, »Einmal ficken - weiterschicken « oder irgendwas dazwischen. »Sie ist menschlich wirklich spitze, aber halt schlecht im Bett!«, so was will man nicht hören. Dann schon eher: »Was für eine dämliche Plunze, aber eben eine geile Sau!«
Ich jedenfalls habe Jahre damit verbracht, gut im Bett sein zu wollen. Zumindest wollte ich immer lieber »gut im Bett« sein, als Miss Germany, Präsidentin der Europäischen Zentralbank oder Deutsche Meisterin im Diskuswerfen. So ging es vielen, wie ich jetzt weiß.
Frauen sagen deshalb zu allerhand ja, nur um nicht für prüde gehalten zu werden, was als das genaue Gegenteil von »gut im Bett« gilt. Man hat Sex mit Männern, mit denen man sich nüchtern nicht mal auf einen Kaffee treffen würde. Man stöhnt laut und unglaubwürdig und hofft, nicht gefragt zu werden: »Äh, sorry, was machst du da?« (Heute weiß ich, dass unglaubwürdiges Stöhnen im Bett eine Frequenz ist, die Männer gar nicht hören können.)
Ich wollte nur auf dem Rücken liegen, damit die Brüste nicht ins Hängen kommen können. Seitlich liegen ging auch nicht, wegen vielleicht zu viel Bauch. Selbst von hinten ließ sich ja aus der Sicht des Mannes vielleicht irgendetwas finden, was nicht »gut im Bett« war, während man selbst die Wand anstarrte.
Die sichere Nummer war deswegen lange: Licht aus. Dann konnte sich keiner unnötig auf Schwachstellen konzentrieren. Frauen stellen sich natürlich auch dabei Fragen, noch während sich der Mann im Dunkeln an ihnen abarbeitet: Wird er mich noch lieben, wenn ich in ein paar Jahren Cellulite habe? Findet er mich auch wirklich nicht zu fett? Ob meine Brüste wohl groß genug sind? Gedanken, die sich umgekehrt natürlich kein Mann macht. (Klar ist er auch zu dick, zu klein, zu untrainiert, macht aber nix, denkt er, er ist trotzdem ein geiler Typ, der an sich keine gewaltigen Unterschiede zu Brad Pitt erkennen kann.)
Dazu kam die weibliche Sorge, vielleicht zu lange zu brauchen, um mit dem Kondom klarzukommen. Und war- um heißt es eigentlich Blasen, obwohl es nichts mit Blasen im Wortsinne zu tun hat? Nur um uns zu verwirren?
War man gut im Bett, wenn man alles mitmachte? War man nur gut, wenn man gut mitmachte, und war es nicht völlig egal, weil Männer immer kamen?
Ich wusste nicht, wen ich fragen konnte. Ich konnte ja nicht zugeben, keine Ahnung zu haben. »Ey, ich bin nicht gut im Bett und hätte deshalb ein paar Fragen!« Schwierig.
Um möglichst aufregend und erfahren zu wirken, war Sex in den ersten Jahren eine Art moderner Elfkampf. Ein Gewälze von links nach rechts auf der Matratze, um möglichst viele Stellungen in kurzer Zeit durchzubekommen. Die Liste im Kopf: Er oben - check, ich oben - check, er seitlich - check, ich so wie in diesem einen Filmchen, was ich mal gesehen habe - aua, Krampf, wurscht, weiter - check. Puh!
Manchmal war auch die Rückbank eines VW-Polo der Matratzenersatz. Die Folge: Verrenkungen wie bei einer Aufnahmeprüfung bei Pina Bausch. Schmerz als Stöhnen getarnt. »Hast du was, Schatz?« - »Nee, is geil, mach weiter! « Ehrlich sein beim Sex ist deutlich weniger vorstellbar als ehrlich sein bei der Steuererklärung. Ehrlichkeit ist ein schlimmerer Stimmungstöter als ausgeleierte Unterhosen.
Nach Jahren der Frustration fragte ich mich, warum ich immer selbst gemeint sein sollte, wenn es nicht so gut lief. Was war denn mit dem Typen los? Warum kommentierte der die ganze Zeit alles wie Béla Réthy bei einem Länderspiel? Warum ließ er einen an seinem nahenden Höhepunkt teilhaben, als wäre es ein Countdown in Cape Canaveral? Bekam der überhaupt irgendwas mit, zum Beispiel, dass man auch da war? Andere waren lautlos wie Indianer, die sich an die Beute schleichen, um dann mit kurzem, lautem Geheul loszuschlagen. Aahhh ... und zack - das war's. Frau erlegt. Ob laut oder leise, beim Sex sind Männer oft Einzelkämpfer.
Sex ist wie die EU. In der Theorie eine feine Sache, in der Praxis scheitert es an Kleinigkeiten. Sperma, das irgendwo reinfließt, muss auch wieder irgendwo raus. So was muss einem doch gesagt werden! Auch, dass man eine Blasenentzündung bekommen kann, wenn man es zu lange mit sich rumträgt, und dass es unterschiedliche Penisse gibt, die auch ein Faktor für »gut« oder »schlecht« sein können. Dass es so etwas wie Scheidenpilz gibt, erfährt man auf dem Mädchenklo von Annika, die keiner leiden kann, die jetzt aber einen Scheidenpilz hat. Kann das jede kriegen? Oder nur blöde Mädchen wie Annika?
Und selbst wenn man das alles weiß, hat man als Frau meistens jahrelang Sex, den man so okay findet. Man hat so oft okayen Sex, bis man denkt, Sex wäre eben okay. Eine Sättigungsbeilage der Beziehung. Die Kartoffel zum Braten der Liebe.
Sex gehört irgendwann einfach dazu, man muss ja auch staubsaugen, hin und wieder, ob man Lust hat oder nicht.
Dabei wird einfach nur zu wenig geredet. Jeder kann sagen: »Ich mag Schnitzel, aber keinen Staudensellerie«, dagegen ist es immer noch schwierig zu sagen: »Ich mag es zwei Zentimeter weiter links.« Wenn man das als Frau nicht von Anfang an klarstellt, fehlen für den Rest der Zeit mit diesem Mann immer zwei Zentimeter. Bei der Silberhochzeit zu sagen: »Schatz, du bist seit Jahren knapp daneben!«, kann die Beziehung ins Wanken bringen oder zumindest das Selbstbewusstsein des Mannes. Vor allem wenn man ihm bis dahin tapfer im Bett was vorgespielt hat.
Frauen machen das aus unterschiedlichen Gründen. »Ich habe wenig Zeit, ich muss noch einkaufen« oder »Ich komm heut eh nicht mehr, mach, dass es endlich aufhört ...« oder »Ich muss gleich mit ihm noch über Geld reden, da ist es besser, er hat nicht von vornherein Scheißlaune! «
Außerdem will man nicht unhöflich sein. Wenn man zum Essen eingeladen wird und Pilzrisotto auf dem Tisch steht, obwohl man Pilze hasst, bedankt man sich hinterher ja trotzdem fürs Essen. Nach dem Sex will ja auch kein Mensch direkt zur Manöverkritik übergehen. »Der Frederic hat mit der Zunge immer so rumgewurschtelt, deswegen gebe ich ihm nur vier von zehn Punkten.«
Die ganze Bewerterei ist ohnehin nicht mein Ding. Aber wenn schon, dann ist es glaube ich so: Nehmen wir an, es gäbe ein Punktesystem beim Sex von eins bis zehn. Eins ist gänzlich unpassend und zehn ist Sex, bei dem alles stimmt. Ich glaube, dass zwei Menschen sich immer an einem Punkt auf dieser Skala treffen, der von Anfang an feststeht und den man wahrscheinlich nicht toppen kann. Wenn man gemeinsam nur auf fünf kommt, wird man wahrscheinlich auch unter Einsatz von Toys und Zeugs nie dauerhaft eine acht. Egal, was man macht. Noch beruhigender finde ich, dass Bewertungen von Sex mittlerweile zu den zehn überflüssigsten Dingen in einer Beziehung gehören. Laut Stiftung Warentest.
Auf geht's, dahin geht's, im Himmel gibt's Zigarren
Oma hatte Demenz. Demenz ist scheiße. Und lustig. Zum Beispiel als Oma nach und nach Einzelteile ihres Audi 100 verlor. Ein Auto so groß wie ein Kreuzfahrtschiff, weswegen sie mit zunehmendem Alter überall hängen blieb: an anderen Autos, an Bäumen, Hausecken und Einkaufswagen. Das Auto durfte aber nicht verkauft werden, weil Opa gesagt hatte, dass auf die Kiste auf jeden Fall 400 000 Kilometer drauf gefahren werden.
Bei 320 000 ist er gestorben, aber Oma wollte es für Opa durchziehen bis zum Ende. Das Nummernschild hatte sie mit Paketband befestigt, und der Außenspiegel hing nur dank einer leeren Haribo-Goldbären-Packung noch in der Halterung, die sie zwischen Verkleidung und Spiegel gestopft hatte. Das Auto war peinlich, vor allem mir, wenn ich hin und wieder damit zur Schule fahren durfte. Während alle anderen ihre Polos und Golfs in erster Reihe vor der Schule parkten, versteckte ich den Audi immer auf dem Parkplatz hinter der Turnhalle, um nicht in diesem Auto gesehen zu werden.
Für die Rückbank hatte Oma Decken gehäkelt, sie hatte
Fußabtreter genäht, und über die Vordersitze waren Fellimitate gespannt. Der Wagen sah aus, als hätte ihn die Kelly Family als Tourbus genutzt.
Oma ließ nie etwas am Auto reparieren. Wahrscheinlich vergaß sie es. Zwischendurch kam es ihr aber doch merkwürdig vor, dass der Wagen so viele Beulen hatte. Da sie sich nicht erinnern konnte, etwas damit zu tun zu haben, rief sie eine Zeitlang jede Woche bei mir an: »Katrin, isch net schlimm, dass dir des bassiert isch, aber du musch jetzt ehrlich sei, sonschd muss i d'Polizei anrufen!«
Einmal in der Woche musste ich mir also überlegen, wie ich meine eigene Oma davon abhalten konnte, mir die Polizei auf den Hals zu hetzen: »Oma, da bist du doch neulich aus der Garage gefahren und hast vergessen, das Tor aufzumachen ...«
»I? Nee. Des wüsst i doch ...«
Irgendwann konnte sie kein Glas mehr von einer Zimmerpflanze unterscheiden. Ich merkte es erst, als ich ihr ein Blümchen schenkte und sie zehn Minuten später versuchte, aus dem Topf zu trinken. Sie merkte es erst, als sie den Mund voller Erde hatte. Ich musste sehr lachen. Ja, eigentlich muss man das schlimm und tragisch finden, weil es das auch ist. Aber vom ganzen schlimm und tragisch Finden dreht man irgendwann durch, und es sah wirklich sehr lustig aus.
Die Oma war eine tolle Oma, eine fast immer lachende, lustige Oma. »Auf geht's, dahin geht's, im Himmel gibt's Zigarren«, sagte sie, wenn wir irgendwo hinwollten und ich nicht schnell genug war. Die Kurzfassung hieß: »Auf, hopp, los!«
Wenn man die Oma besuchte, hörte man sie schon im Wohnzimmer schreien: »Jajaja, a alte Frau isch doch koi D-Zug!« Dann riss sie nach einer Ewigkeit schwungvoll die Haustür auf, und noch bevor man selbst hallo sagen konnte, sagte sie: »Na, was denn? Was stehsch denn hier noch vor der Tür? Auf, hopp, rein, willsch was essa? Willsch was trinka? Willsch nix, gut, bleibt mehr für mich!«
So war sie auch, wenn man wildfremde Menschen mitbrachte, die sie noch nie gesehen hatte. Sie wollte nie wissen, wer da ins Haus kam. Für jeden galt gleichermaßen: Auf, hopp, rein. Herzlich willkommen, hieß das, aber ohne herzlich willkommen.
Bei Oma musste man nie die Schuhe ausziehen, weil die Wohnung genauso aussah wie ihr Auto. Im Wohnzimmer lagen immer drei Teppiche übereinander, und die Oma rannte sogar mit erdvermatschten Gummistiefeln direkt vom Garten durchs Wohnzimmer. »I leb doch hier! Wenn d'r Teppich dreckig isch, kommt der naus, und drunter isch ja sauber!« Das hat mir als Kind total eingeleuchtet, und weil man wegen all der Teppiche auf dem Boden, den Fellen auf der Couch und den Schonbezügen aller Art nie auf etwas aufpassen musste, war's als Kind bei Oma immer besonders super!
Oma war immer anders. Sie redete im Wartezimmer beim Arzt aus Prinzip lauter als nötig: »So, Mädle, dann sag mol, wie's heut in d'r Schule war!« Ich wusste schon als Kind, dass man in Wartezimmern flüstert, und antwortete ganz leise: »In der Schule haben wir ...«, da schrie die Oma schon dazwischen: »Versteh dich net, red doch normal!«
Ich flüsterte zurück: »Sind doch aber alle ganz leise ...«, und sie schrie wieder: »Desch mir doch egal, wenn die net normal schwätzat. Steht doch nirgends, dass ma hier net normal schwätza darf!« Es war so peinlich für mich. Die anderen Wartenden linsten verdruckst hinter der Frau im Spiegel vor und räusperten sich deutlich, um auf das ungeschriebene Gesetz des Wartezimmers aufmerksam zu machen. Hat nie funktioniert, nie hat sie sich an diese Regel gehalten.
Wenn in der Nachbarschaft zu lange gefeiert wurde, war meine Oma nie auf Seiten derer, die die Polizei riefen, sondern unterstützte immer die, die Lärm machten. »Sollet die Leut doch feira, lass se doch Spaß haba, wie oft kommt's denn vor? Wenn's oimal später wird ... ja mein Gott!«
Sie war bestimmt zehn Jahre dement, hat erst meinen Geburtstag, dann meinen Namen und irgendwann mich vergessen. Jedes Mal bricht es dir das Herz, und jedes Mal verabschiedete sich die Oma ein Stückchen mehr. Irgendwann hatte meine Oma nichts mehr mit meiner Oma zu tun. Am liebsten spielte sie am Ende mit einem Wollknäuel oder Fäden. Abrollen und wieder aufrollen.
Eigentlich war sie weg, aber trotzdem immer da. Deshalb dachte ich, dass mich ihr Tod nach so vielen Abschieden nicht umhauen würde. Aber als mein Vater anrief und sagte, dass die Oma, die drei Oberschenkelbrüche und eine Lungenentzündung weggesteckt hatte, die Nacht nicht überleben würde, war's doch anders. Die letzten zehn Jahre, das, was von der Oma übriggeblieben war, war unwichtig. Mir fielen nur Geschichten von der Oma ein, die sie einmal gewesen war. Die Oma, die an meinem Bett saß, wenn ich Angst vor Einbrechern hatte. »Aber draußa regnet's doch ... Eibrecher gangat doch bei so'm Scheißwetter gar net naus, die werrat doch sonscht klatschnass!«
Die Oma, von der man alles haben konnte. »Solang mir des Geld hen, kriegsch du alles, und wenn mir kois mehr hen, dann sagen mir's dir.«
Ich wollte nie dabei sein, wenn jemand stirbt, und ich hatte Angst vor dem Moment, wenn das Leben einen Menschen verlässt, den man geliebt hat. Ich fuhr trotzdem hin zur Oma. Ich stand an ihrem Bett und hörte, wie sie sich mit jedem Atemzug quälte, so dass das Ausatmen immer wie ein seufzendes »Jaaaa« klang. Sie war nicht mehr ansprechbar und vollgepumpt mit Morphium, aber ich dachte, dass ein Teil von ihr schon noch mitbekommt, was man ihr sagt: »Danke für alles, Oma, auf geht's, dahin geht's, im Himmel gibt's Zigarren.«
Am Ende hat sie in drei Minuten dreimal geatmet, dann war sie weg. Ein stiller, trauriger Abschied und gleichzeitig ein schöner Moment. Der Tod, der das Leben so zauberhaft erscheinen lässt. Ich hielt ihre Hand, die Kämpfe waren vorbei, endlich Frieden. Ich habe so lange gegen meine Familie gekämpft, dagegen, so zu werden, wie ich erzogen wurde, gegen Einschränkungen und Stimmen im Kopf. Am Sterbebett hab ich angefangen, meinen Frieden zu machen und stolz zu sein auf die Oma in mir. Auf, hopp, los!
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Um den Tag nicht kampflos dem Scheitern zu überlassen, gehe ich zum Friseur. Neue Haare sind immer gut. Der Friseur soll mir meine Haare so färben, dass sie aussehen wie die von Blake Lively letztes Jahr. Ein natürliches Kupfer. Ich habe Fotos mitgebracht. Der Friseur sagt, es sei kein Problem. Aber er ist offenbar zu schwul, um nebenbei noch irgendwas anderes zu machen. Eine Ausbildung zum Beispiel. Friseur ist anscheinend mittlerweile so wie Heilpraktiker, Journalist oder Bundespräsident, also offenbar kein Lehrberuf mehr. Jetzt habe ich magentafarbene Haare. Es ist ein ganz normaler Mittwoch, und ich habe magentafarbene Haare. So in etwa ist mein Leben. Eine Abfolge von Fehlschlägen.
Vielleicht finden Sie es übertrieben, daraus ein Drama zu machen oder gar ein Buch. Dann sind Sie vermutlich über vierzig. Ich fürchte, ich bin typisch für meine Generation: so viele Möglichkeiten und am Ende nur das Gefühl, nichts hinzukriegen. Wir haben so viele Chancen und trotzdem meist das Gefühl zu scheitern. Wir haben mehr offene Türen als ein Adventskalender, aber am Ende eben magentafarbene Haare ...
Scheitern an Warnhinweisen: Auf eine Zigarette mit Albert Camus
Ich rauche. Seit ich fünfzehn bin, rauche ich. Wir reden hier nicht von der Gelegenheitszigarette zu einem »schönen Glas Wein«, wir reden nicht von der Zigarette mit Freunden, wir reden nicht von der Zigarette danach. Wir reden bei mir eher von der Zigarette dabei. Währenddessen.
Ich habe ein echtes Nikotinproblem, wenn das mit dem Sex zu lange dauert. Ich bin die Marlboro-Frau, nur ohne den Hut, die Kühe, die Landschaft, die Freiheit und die Abenteuer. Ich rauche einfach. Würde ich fürs Rauchen bezahlt, hätte ich mehr Geld als Heidi Klum vor der Scheidung. Vom Nikotinpegel würde ich besser zu Helmut Schmidt passen als Sandra Maischberger. Vielleicht ist in meiner oralen Phase was schiefgelaufen, vielleicht hat meine Mutter mich nicht lange genug gestillt. Fakt ist: Ich rauche. Viele von Ihnen werden das unsympathisch finden. Das ist die normale Reaktion von Nichtrauchern. Ich erwarte auch keinen Applaus und keine Zustimmung, muss aber sagen, dass ich dieses Unentspannte in der Diskussion um den blauen Dunst nicht verstehe.
Rauchen ist gefährlich, keine Frage. Die meisten Raucher werden früher oder später sterben. Aber auf der anderen Seite hat eine Tante von mir beim Kniffeln mal einen halben Dreierpasch verschluckt und wäre daran fast erstickt. (Die ganze Geschichte würde hier zu weit führen, aber es ging darum, dass sie behauptet hatte, man könne auch mit dem Mund würfeln.) Meiner besten Freundin in der Grundschule ist beim Seilchchenspringen die Achillessehne gerissen, und ein Kollege ist neulich im Fitnesscenter über eine Hantel gestolpert und gegen einen Crosstrainer geprallt. Auch das gesunde Leben hat also seine Risiken.
Man wird dafür bewundert, wenn man sich für Red Bull aus zig Kilometern mit einem Fallschirm auf die Erde stürzt, in einem Formel-1-Auto mit 800 PS Woche für Woche im Kreis fährt oder ohne Sauerstoff den Mount Everest besteigt. All das sind Tätigkeiten, die unstrittig genauso sinnlos und gefährlich sind wie Rauchen. Aber nur Zigaretten haben dieses schlechte Image.
Bevor Sie mich also wegen des Rauchens verurteilen, bedenken Sie bitte, dass ich ja auch ganz viele Sachen nicht tue, die meine Umwelt ebenfalls gefährden könnten. Ich habe keine Waffen und keine Kinder, ich habe keine ansteckenden übertragbaren Krankheiten, und ich war nie beim Promi-Dinner oder bei Beckmann.
Natürlich hab ich schon ein paarmal versucht aufzuhören, aber ich scheitere jedes Mal und mittlerweile auch ganz gerne. Scheitern am Nichtrauchen ist der Einstieg ins schöner Scheitern.
Romy Schneider und Marlene Dietrich haben geraucht, Mutter Beimer nicht, Audrey Hepburn und Brigitte Bardot haben geraucht, Kristina Schröder nicht, Bette Davis hat mehr geraucht als der Ätna, Veronica Ferres war dagegen 2001 »Nichtraucherin des Jahres«. Von Hitler wollen wir gar nicht erst reden. Der war nicht nur Nichtraucher, sondern auch Vegetarier. Sie verstehen, worauf ich hinauswill?
Die Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen sollen nach dem Willen der EU demnächst noch größer und drastischer werden. Ich finde das unhöflich. Man klebt auch keine Bilder einer ängstlichen Kuh auf ein halbes Pfund Hackfleisch. Man zeigt uns bei IKEA nicht die Paare, die sich im Bettenmodell »Lillebror« nachhaltig zerstritten haben, und auf einer Packung Fritten bei McDonald's ist kein Bild von Reiner Calmund. Warum muss ich mir also ausgerechnet bei Zigaretten diese Ermahnung gefallen lassen?
Demnächst darf man in der Öffentlichkeit gar nicht mehr rauchen. Mir gefällt das nicht. Ich finde, wenn man das Haus verlässt und sich damit in die Öffentlichkeit begibt, muss man damit rechnen, dort Dinge zu erleben, die einem nicht gefallen. Das ist nicht nur das Risiko von Öffentlichkeit, das ist auch der Sinn. Sonst erlebt man gar nichts Neues mehr und bleibt nur unter sich. Wohin das führt, kann man am englischen Königshaus sehen. Man nennt es Inzest, und es sieht aus wie Prinz Charles.
Ich bin privat zum Beispiel gegen große Kopfhörer auf Leuten, die am Verkehr teilnehmen, ich finde Strass an Sachen, die man anzieht, fragwürdig, und ich bin gegen japanische Touristengruppen. Ohne Grund. Aber ich finde, ich muss in einem Café damit leben, dass bestrasste Japaner am Nachbartisch große Kopfhörer tragen. Vielleicht ist in der Gruppe sogar zufällig jemand, der mir erklärt, was es mit Mangas auf sich hat oder mit diesen Automaten, an denen man in Japan getragene Mädchenunterwäsche kaufen kann. Soll heißen, Risiken bergen immer auch Chancen. Wenn Öffentlichkeit nur noch dazu da ist, mich vor allem, was anders ist, abzuschirmen und der Staat nur noch dafür sorgt, mich vor Belästigungen durch andere zu schützen, dann läuft irgendwas schief. Und mit dem Rauchen fängt es an. Dabei, finde ich, ist Rauchen ein Grundrecht.
Seit Anbeginn der Zeit haben die Menschen versucht, dem Leben, dem Alltag zu entkommen. Die ersten Menschen haben sich vielleicht einfach nur im Kreis gedreht, bis ihnen schwindelig war. Aber ich bin sicher, sobald das Feuer entdeckt war, wurde auch geraucht. Ich fand die hochgelobte amerikanische Serie Mad Men weitgehend langweilig. Die Serie zeigt allerdings, dass früher wirklich einiges besser war: Da rauchte der Frauenarzt auch bei der Schwangerschaftsuntersuchung und bot nebenbei der werdenden Mutter noch Feuer an.
Klar, wir wollen alle steinalt werden und gesund bleiben und Spaß haben bis ins hohe Alter, aber das sind ja drei Wünsche auf einmal, und seit der Überraschungsei-Werbung wissen wir, dass das nun wirklich nicht geht. Wir können alt und gesund werden, haben dann aber keinen Spaß mehr, oder wir haben Spaß, werden dann aber nicht alt.
Ich sage nicht, dass man ohne Zigaretten keinen Spaß haben kann. Ich habe nur das Gefühl, dass es bei Zigaretten nicht aufhört. Es wird aktuell diskutiert, ob man jungen Mädchen Ohrlöcher stechen darf oder ob das schon Körperverletzung ist, es wird über eine Helmpflicht für Fahrradfahrer nachgedacht, Alkohol soll teurer werden, wir sollen weniger Zucker essen und mehr Sport machen. Die Optimierung geht immer weiter. Wir sollen immer gesünder werden und besser, aber keiner erklärt einem, wozu.
Was ist der Sinn? Es ist wie mit den Fernsehern. Die werden auch immer besser, schärfer, größer und smarter. Aber was nutzt das, wenn auf diesen Topgeräten am Ende doch nur Berlin Tag und Nacht läuft? Was nutzt das geilste Smartphone, wenn wir es nur nutzen, um zu fragen: »Boah, is bei dir auch so langweilig?«
Wir alle werden immer besser, schärfer und smarter. Gerade in meiner Generation hat jeder neun Zusatzausbildungen, sechzehn Praktika, Auslandserfahrung und Computerkenntnisse. Aber was nützt das, wenn man am Ende doch nur eine halbe Stelle an der Uni hat, in der Firma von Onkel Klaus arbeitet oder dort kellnern muss, wo andere brunchen?
Apropos: Das Rauchverbot in Restaurants dient ja auch dazu, die Gesundheit des Personals zu schützen. Wobei erstens viele Restaurants davon profitieren würden, wenn man sich vor dem Essen noch die Geschmacksknospen betäuben könnte, und zweitens dem Personal vermutlich mit einer Erhöhung des Stundenlohns deutlich mehr geholfen wäre.
Ich weiß, dass Rauchen auch meine Gesundheit gefährdet. Man sagt, jede Zigarette nimmt einem drei Minuten des Lebens. Vielleicht sind es allerdings genau die drei Minuten, in denen einem der Arzt am Ende erklärt, dass man nicht mehr lange zu leben hat. Wenn die wegfallen, bin ich nicht böse. Ich möchte ja auch nicht wissen, wie viele Minuten ich schon sinnlos vor roten Ampeln verplempert habe oder in Kassenschlangen hinter Menschen, die nach passendem Kleingeld gesucht haben, oder in Gesprächen mit Redakteuren, die mir erklärt haben, wie Fernsehen geht, oder in Gesprächen mit Männern, die mir erklärt haben, wie die Liebe geht. Mit anderen Worten: Das Leben besteht aus vielen Minuten verplemperter Zeit. In dieser Zeit kann man auch rauchen.
Stellen Sie sich vor, Sie haben sich gerade lange und qualvoll das Rauchen abgewöhnt und stehen jetzt stolz auf dem Deck der Titanic. Und dann kommt der Eisberg. Da werden Sie sich schön ärgern, die Kippen über Bord geworfen zu haben. Oder, um noch mal Camus zu zitieren: »Dagegen verstand ich den Freund, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, nicht mehr zu rauchen, und dem dies kraft seines Willens auch gelungen war. Eines Morgens schlug er die Zeitung auf, las, dass die erste Wasserstoffbombe zur Explosion gebracht worden war, erfuhr von ihrer großartigen Wirkung und begab sich stracks in den nächsten Tabakladen. « Camus war Franzose, Philosoph und großer Raucher. Gestorben ist er bei einem Autounfall. Als Beifahrer.
Rauchen ist eine Art qualmende Meditation. Man tut etwas und gleichzeitig nichts. Es ist ein in dünnes Papier gewickelter Kurzurlaub. Gemütlichkeit ohne Qualm ist ähnlich sinnlos wie alkoholfreier Whiskey. Humphrey Bogart in Casablanca mit einem Nikotinpflaster statt einer Zigarette wäre schon deutlich uncooler.
Das Rauchen unterscheidet uns vom Tier. Und das ist nicht von Helmut Schmidt oder Camus oder so. Das ist von mir. (Bitte keinen Applaus - ernstes Thema.)
Scheitern am Sport ... ... ideal für Einsteiger!
Silvester ist ideal zum Scheitern. Gute Vorsätze werden da traditionell mit Feuerwerk begleitet, und man weiß, dass sie ähnlich schnell verfallen wie unbehandelte Milch aus dem Bioladen. Silvestervorsätze sind Scheitern für Anfänger. Potentielle zukünftige Nichtraucher stehen um zehn nach zwölf mit einer Kippe zwischen den Zähnen in der Kälte und behaupten, dass Neujahr ja noch nicht zum neuen Jahr zählt. Ähnliches gilt für Sport. Auch ein Klassiker unter den Vorsätzen und ebenfalls top zum Einstieg ins Scheitern.
Seit meine Mutter mich nirgendwo mehr anmeldet, hinfährt und wieder abholt, ist Sport für mich aufwendiger geworden. Ich muss selbst entscheiden, was ich will, ich muss Zeit und - schlimmer noch - auch Lust haben. Diese Kombi ist so selten, dass ich dachte, mit Fitnessclubs, die mir die Traumfigur zu Schleuderpreisen anbieten, wäre ich optimal aufgestellt. Für umgerechnet nur drei Schachteln Zigaretten im Monat erkaufe ich mir die Option, jeden Tag spontan Lust auf Sport zu bekommen. Das ist ein fairer Preis. Geschlagene 16 Monate war ich also Mitglied in einem Fitnessstudio, und ich war schätzungsweise dreimal da.
Wahrscheinlich war der Preis gar nicht der Vorteil, sondern das eigentliche Problem. Ein Fitnessstudio, das pro Monat ein Drittel meiner Wohnungsmiete verlangt, wäre vermutlich besser, dann hätte ich zwar immer noch keine Lust auf Sport, aber ein so schlechtes Gewissen, dass ich mindestens zweimal die Woche an der Fitnessbank stünde.
Fitnessstudios sind Tempel des Scheiterns. Sie leben ja von den Karteileichen. Wenn man das mal erkannt hat, ist es aber schon zu spät. Man kann leichter bei den Scientologen aussteigen als bei einem Fitnessstudio. Es hat mich drei Besuche bei Ärzten gekostet, um an das rettende Attest zu kommen. Ich habe so gut Rückenschmerzen simuliert, bis ich tatsächlich welche hatte.
Kurz danach unternahm ich einen neuen Anlauf, im wahrsten Sinne: Joggen. Sport ohne Verträge. Man kann direkt vor der Haustür anfangen. Joggen kann jeder. Auch Menschen, bei denen ich denke: Wenn ich beim Joggen so aussähe, würde ich Rad fahren. Ich wohne zwar in der Stadt und finde es nicht ganz so idyllisch, um Häuserblocks zu rennen, aber selbst das Joggen an fünfspurigen Hauptverkehrsstraßen wird ja für gesünder gehalten als gar keine Bewegung. Also joggen. Dabei hasse ich Joggen eigentlich.
Beim Joggen passiert nämlich nichts. Gar nichts. Es ist beweglicher Stumpfsinn. Man kann versuchen, sich mit Musik abzulenken, aber es ist beim Joggen nicht so wie in Western oder Liebesfilmen, wo die Musik zur Landschaft passt, die man sieht. Welche Musik soll man schon hören, wenn man durch Köln läuft? BAP? Die Höhner? Einstürzende Neubauten? Es gibt auch keine Choreographie, keinen, der vorturnt, kurz: nix, worauf man sich konzentrieren könnte, außer den unschönen Begleitumständen. Meistens fängt es an mit der Luft - zu wenig. Ich fühle mich wie eingeschnürt. Dann Seitenstechen. Dann werden die Beine schwer, ein sicheres Zeichen für Magnesiummangel. In diesem Stadium mache ich mir Sorgen, dass das gesunde Joggen meine Gesundheit ruiniert. Leuchtet mir wirklich nicht ein, warum Laufen dem Körper guttun soll, wenn er doch offensichtlich anderer Meinung ist.
In der Zwischenzeit habe ich ein fleckiges Gesicht bekommen und keuche, und es ist mir peinlich, wenn ich Bekannte treffe, die gerade vom Einkaufen kommen, und ich mich schon durch meine Keucherei als absolute Joggnull outen muss. Das hat zur Folge, dass ich wiederum die Luft anhalte, wenn Menschen in der Nähe sind, was nur zu noch mehr Seitenstechen führt. Teufelskreis. Es macht mich wahnsinnig, dass es kein Ziel gibt, weil es ja um das Laufen an sich geht. Klar, der Weg ist das Ziel, hat Konfuzius gesagt, aber der war sicher nie joggen.
Und ganz kostenlos ist natürlich auch joggen nicht. Ich habe mir Laufschuhe gekauft in der Hoffnung, mich selbst zu überlisten. Die Schwäbin in mir kann eigentlich ja nicht verantworten, Geld für etwas auszugeben, was man dann nicht nutzt, hoffte ich. Ich habe mir außerdem zwei Laufhosen gekauft, um für jede Wetterlage optimal ausgerüstet zu sein. Selbstverständlich bin ich davon ausgegangen, dass ich auch im strömenden Regen joggen würde, sobald ich erst mal damit angefangen habe. Meine Oberteile waren atmungsaktiver als ich und zudem noch regenresistent und wahnsinnig gutaussehend, außerdem erwarb ich eine Kalorienuhr, die Zeit, Geschwindigkeit, gelaufene Meter und den Puls misst. Sportsocken, ebenfalls mit allerlei schweißabsorbierenden Raffinessen. Eine Jacke, für die ganz fiesen und kalten Tage, und passend dazu eine Mütze. Dann sah ich tatsächlich aus, als wäre ich sportlich.
Ich war jeden zweiten Tag laufen. Den Tag dazwischen Pause, damit der Körper sich regenerieren kann. Soll man ja machen. Das wusste ich von Halbmarathonfreunden. Weil die das alles schon mal hinter sich gebracht hatten mit Kondition und Ausdauer und was weiß ich, hab ich mir ihre Trainingspläne ausgeliehen. Der Januar lief super, ich lief super. Nach vier Wochen hielt ich über eine halbe Stunde durch, am Stück. Im alten Jahr waren es noch nicht mal fünf Minuten. Im Februar hatte ich die besten Waden meines Lebens. Die sahen so super aus, dass ich sie jedem gezeigt habe, der sie nicht sehen wollte. Ich tat nicht mehr nur so, als wäre ich sportlich, ich war es wirklich.
Zwei lange Monate bin ich eisern jeden zweiten Tag gelaufen, habe mich strikt an Pläne gehalten, auf meinen Puls geachtet, und rannte in dem Gefühl, das Leben im Griff zu haben. Was für ein gutes Gefühl! Wie morgens um sechs aufstehen. Dann glaubt man auch, man sei unbesiegbar, weil man dabei war, als alles anfing.
Ich weiß gar nicht mehr, was dann passiert ist. Vielleicht war ich zu lange beruflich unterwegs, vielleicht lag zu lange zu viel Schnee. Ich erinnere mich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich irgendwann den Rhythmus unterbrochen habe. Aus dem einen Tag Pause wurden zwei oder drei, und irgendwann war August, und da war natürlich auch wieder was: wahrscheinlich war es zu heiß. Und jeder weiß ja, dass es total ungesund ist, in dieser Hitze zu laufen. Sagen wir so: Die Ausreden häuften sich, mein schlechtes Gewissen war groß, aber noch deutlich kleiner als der innere Schweinehund, der massive Bedenken gegen die Laufschuhe hatte.
Der Halbmarathontrainingsplan lag ein halbes Jahr auf der Kommode direkt neben dem Eingang und erinnerte mich jeden Tag daran, dass ich ja joggen wollte. »Musst du aber auch echt mal wieder ...«, sagte ich zu mir und schmiss dann irgendwann den Trainingsplan in den Müll. Meine Laufschuhe dürften in der Schuhkiste mittlerweile sehr weit nach unten gerutscht sein.
Den Rest des Jahres hat sich weltweit wieder keine Frau so wenig bewegt wie ich, ausgenommen vielleicht die Freiheitsstatue in New York. Im Oktober hab ich kapituliert und behauptet, dass Sport einfach nur total doof ist und wirklich nicht für jeden geeignet. Aber Joschka Fischer ist ja auch mal Marathon gelaufen und sieht heute wieder so aus, als würde er mit dem Treppenlift in seinen Weinkeller fahren. Und der Joschka war immerhin mal Außenminister. Ich bin also beim Scheitern in bester Gesellschaft. Schon der erste Marathonläufer der Geschichte ist gescheitert. Es war ein Bote, der der Legende nach von Marathon nach Athen lief, dort »Wir haben gesiegt...!« rief und dann tot zusammenbrach.
Deswegen ist Sport so ein guter Einstieg ins Scheitern. Beim Sport lernt man die Grundregeln des Scheiterns, nämlich, dass es dazugehört. Wenn man das Tor nicht trifft, heißt das ja nicht, dass das Spiel nicht funktioniert. Im Gegenteil. Das Tor nicht zu treffen ist Teil des Spiels. Das Spiel wäre langweilig, wenn jeder Schuss ein Treffer wäre. Und Michael Jordan hat mal gesagt: »In meiner Karriere habe ich über 9000 Würfe verfehlt. Ich habe fast 300 Spiele verloren. Sechsundzwangzigmal wurde mir der spielentscheidende Wurf anvertraut, und ich habe ihn nicht getroffen. Ich habe immer und immer wieder versagt in meinem Leben. Deshalb bin ich erfolgreich.«
Außerdem ist Sport, genau wie Sex, am Ende eine Frage der Definition. Am Halbmarathon bin ich gescheitert, aber auf der Kurzstrecke zwischen meiner Wohnung und dem nächstgelegenen Kiosk hängt mich so schnell keiner ab. Wenn man das jetzt nicht »Ich flitz mal eben zum Büdchen « nennt, sondern Urban Short Distance oder Modern City Running, sind wir schon im Geschäft. Ich glaube, ich wäre Deutsche Meisterin in dieser Disziplin. Bei diesem Alltagssport nähern sich mein Körper und ich an. Ich merke auf dem Weg zum Kiosk, wann er mir sagen will, dass er mich für ein Arschloch hält, das keine Rücksicht auf ihn nimmt, und wann wir Freunde sind. Momentan haben wir beide eine Art Fernbeziehung, aber wer weiß, was draus wird. Vielleicht versuchen wir beide es eines Tages sogar wieder mit Sport.
Im Bett mit Béla Réthy oder Wie schlecht ist Sex?
Früher gab es Musik, heute präsentiert Die ultimative Chartshow die besten Schmusesongs für Beerdigungen, Stiftung Warentest vergleicht die gehaltvollsten Fertigsuppen und Sonja Zietlow die peinlichsten Ausraster im TV. Das Internet ist voll von den zehn besten, schlimmsten, krassesten, denkwürdigsten, schlimmstfrisierten, höchstbezahlten, meistbestiegenen ... Alles und jeder wird bewertet.
»Die Vorspeise hatte zu viel Schnittlauch, dafür gebe ich der Melanie sechs von zehn Punkten.« »Hot or not - Wie heiß ist dein Body? Mach den Test!« Deswegen sind wir alle längst auch gut oder schlecht im Bett.
Schwer vorstellbar, dass Julia sich in Romeo verliebte, weil er eine Granate zwischen den Laken war. Noch schwerer vorstellbar, dass Opa und Oma bis zur Goldenen Hochzeit durchgehalten haben, weil in der Kiste alles stimmte. Heute dagegen lebt jeder damit, für seinen Sex bewertet zu werden. »Geiler Fick, Firma dankt!, »Einmal ficken - weiterschicken « oder irgendwas dazwischen. »Sie ist menschlich wirklich spitze, aber halt schlecht im Bett!«, so was will man nicht hören. Dann schon eher: »Was für eine dämliche Plunze, aber eben eine geile Sau!«
Ich jedenfalls habe Jahre damit verbracht, gut im Bett sein zu wollen. Zumindest wollte ich immer lieber »gut im Bett« sein, als Miss Germany, Präsidentin der Europäischen Zentralbank oder Deutsche Meisterin im Diskuswerfen. So ging es vielen, wie ich jetzt weiß.
Frauen sagen deshalb zu allerhand ja, nur um nicht für prüde gehalten zu werden, was als das genaue Gegenteil von »gut im Bett« gilt. Man hat Sex mit Männern, mit denen man sich nüchtern nicht mal auf einen Kaffee treffen würde. Man stöhnt laut und unglaubwürdig und hofft, nicht gefragt zu werden: »Äh, sorry, was machst du da?« (Heute weiß ich, dass unglaubwürdiges Stöhnen im Bett eine Frequenz ist, die Männer gar nicht hören können.)
Ich wollte nur auf dem Rücken liegen, damit die Brüste nicht ins Hängen kommen können. Seitlich liegen ging auch nicht, wegen vielleicht zu viel Bauch. Selbst von hinten ließ sich ja aus der Sicht des Mannes vielleicht irgendetwas finden, was nicht »gut im Bett« war, während man selbst die Wand anstarrte.
Die sichere Nummer war deswegen lange: Licht aus. Dann konnte sich keiner unnötig auf Schwachstellen konzentrieren. Frauen stellen sich natürlich auch dabei Fragen, noch während sich der Mann im Dunkeln an ihnen abarbeitet: Wird er mich noch lieben, wenn ich in ein paar Jahren Cellulite habe? Findet er mich auch wirklich nicht zu fett? Ob meine Brüste wohl groß genug sind? Gedanken, die sich umgekehrt natürlich kein Mann macht. (Klar ist er auch zu dick, zu klein, zu untrainiert, macht aber nix, denkt er, er ist trotzdem ein geiler Typ, der an sich keine gewaltigen Unterschiede zu Brad Pitt erkennen kann.)
Dazu kam die weibliche Sorge, vielleicht zu lange zu brauchen, um mit dem Kondom klarzukommen. Und war- um heißt es eigentlich Blasen, obwohl es nichts mit Blasen im Wortsinne zu tun hat? Nur um uns zu verwirren?
War man gut im Bett, wenn man alles mitmachte? War man nur gut, wenn man gut mitmachte, und war es nicht völlig egal, weil Männer immer kamen?
Ich wusste nicht, wen ich fragen konnte. Ich konnte ja nicht zugeben, keine Ahnung zu haben. »Ey, ich bin nicht gut im Bett und hätte deshalb ein paar Fragen!« Schwierig.
Um möglichst aufregend und erfahren zu wirken, war Sex in den ersten Jahren eine Art moderner Elfkampf. Ein Gewälze von links nach rechts auf der Matratze, um möglichst viele Stellungen in kurzer Zeit durchzubekommen. Die Liste im Kopf: Er oben - check, ich oben - check, er seitlich - check, ich so wie in diesem einen Filmchen, was ich mal gesehen habe - aua, Krampf, wurscht, weiter - check. Puh!
Manchmal war auch die Rückbank eines VW-Polo der Matratzenersatz. Die Folge: Verrenkungen wie bei einer Aufnahmeprüfung bei Pina Bausch. Schmerz als Stöhnen getarnt. »Hast du was, Schatz?« - »Nee, is geil, mach weiter! « Ehrlich sein beim Sex ist deutlich weniger vorstellbar als ehrlich sein bei der Steuererklärung. Ehrlichkeit ist ein schlimmerer Stimmungstöter als ausgeleierte Unterhosen.
Nach Jahren der Frustration fragte ich mich, warum ich immer selbst gemeint sein sollte, wenn es nicht so gut lief. Was war denn mit dem Typen los? Warum kommentierte der die ganze Zeit alles wie Béla Réthy bei einem Länderspiel? Warum ließ er einen an seinem nahenden Höhepunkt teilhaben, als wäre es ein Countdown in Cape Canaveral? Bekam der überhaupt irgendwas mit, zum Beispiel, dass man auch da war? Andere waren lautlos wie Indianer, die sich an die Beute schleichen, um dann mit kurzem, lautem Geheul loszuschlagen. Aahhh ... und zack - das war's. Frau erlegt. Ob laut oder leise, beim Sex sind Männer oft Einzelkämpfer.
Sex ist wie die EU. In der Theorie eine feine Sache, in der Praxis scheitert es an Kleinigkeiten. Sperma, das irgendwo reinfließt, muss auch wieder irgendwo raus. So was muss einem doch gesagt werden! Auch, dass man eine Blasenentzündung bekommen kann, wenn man es zu lange mit sich rumträgt, und dass es unterschiedliche Penisse gibt, die auch ein Faktor für »gut« oder »schlecht« sein können. Dass es so etwas wie Scheidenpilz gibt, erfährt man auf dem Mädchenklo von Annika, die keiner leiden kann, die jetzt aber einen Scheidenpilz hat. Kann das jede kriegen? Oder nur blöde Mädchen wie Annika?
Und selbst wenn man das alles weiß, hat man als Frau meistens jahrelang Sex, den man so okay findet. Man hat so oft okayen Sex, bis man denkt, Sex wäre eben okay. Eine Sättigungsbeilage der Beziehung. Die Kartoffel zum Braten der Liebe.
Sex gehört irgendwann einfach dazu, man muss ja auch staubsaugen, hin und wieder, ob man Lust hat oder nicht.
Dabei wird einfach nur zu wenig geredet. Jeder kann sagen: »Ich mag Schnitzel, aber keinen Staudensellerie«, dagegen ist es immer noch schwierig zu sagen: »Ich mag es zwei Zentimeter weiter links.« Wenn man das als Frau nicht von Anfang an klarstellt, fehlen für den Rest der Zeit mit diesem Mann immer zwei Zentimeter. Bei der Silberhochzeit zu sagen: »Schatz, du bist seit Jahren knapp daneben!«, kann die Beziehung ins Wanken bringen oder zumindest das Selbstbewusstsein des Mannes. Vor allem wenn man ihm bis dahin tapfer im Bett was vorgespielt hat.
Frauen machen das aus unterschiedlichen Gründen. »Ich habe wenig Zeit, ich muss noch einkaufen« oder »Ich komm heut eh nicht mehr, mach, dass es endlich aufhört ...« oder »Ich muss gleich mit ihm noch über Geld reden, da ist es besser, er hat nicht von vornherein Scheißlaune! «
Außerdem will man nicht unhöflich sein. Wenn man zum Essen eingeladen wird und Pilzrisotto auf dem Tisch steht, obwohl man Pilze hasst, bedankt man sich hinterher ja trotzdem fürs Essen. Nach dem Sex will ja auch kein Mensch direkt zur Manöverkritik übergehen. »Der Frederic hat mit der Zunge immer so rumgewurschtelt, deswegen gebe ich ihm nur vier von zehn Punkten.«
Die ganze Bewerterei ist ohnehin nicht mein Ding. Aber wenn schon, dann ist es glaube ich so: Nehmen wir an, es gäbe ein Punktesystem beim Sex von eins bis zehn. Eins ist gänzlich unpassend und zehn ist Sex, bei dem alles stimmt. Ich glaube, dass zwei Menschen sich immer an einem Punkt auf dieser Skala treffen, der von Anfang an feststeht und den man wahrscheinlich nicht toppen kann. Wenn man gemeinsam nur auf fünf kommt, wird man wahrscheinlich auch unter Einsatz von Toys und Zeugs nie dauerhaft eine acht. Egal, was man macht. Noch beruhigender finde ich, dass Bewertungen von Sex mittlerweile zu den zehn überflüssigsten Dingen in einer Beziehung gehören. Laut Stiftung Warentest.
Auf geht's, dahin geht's, im Himmel gibt's Zigarren
Oma hatte Demenz. Demenz ist scheiße. Und lustig. Zum Beispiel als Oma nach und nach Einzelteile ihres Audi 100 verlor. Ein Auto so groß wie ein Kreuzfahrtschiff, weswegen sie mit zunehmendem Alter überall hängen blieb: an anderen Autos, an Bäumen, Hausecken und Einkaufswagen. Das Auto durfte aber nicht verkauft werden, weil Opa gesagt hatte, dass auf die Kiste auf jeden Fall 400 000 Kilometer drauf gefahren werden.
Bei 320 000 ist er gestorben, aber Oma wollte es für Opa durchziehen bis zum Ende. Das Nummernschild hatte sie mit Paketband befestigt, und der Außenspiegel hing nur dank einer leeren Haribo-Goldbären-Packung noch in der Halterung, die sie zwischen Verkleidung und Spiegel gestopft hatte. Das Auto war peinlich, vor allem mir, wenn ich hin und wieder damit zur Schule fahren durfte. Während alle anderen ihre Polos und Golfs in erster Reihe vor der Schule parkten, versteckte ich den Audi immer auf dem Parkplatz hinter der Turnhalle, um nicht in diesem Auto gesehen zu werden.
Für die Rückbank hatte Oma Decken gehäkelt, sie hatte
Fußabtreter genäht, und über die Vordersitze waren Fellimitate gespannt. Der Wagen sah aus, als hätte ihn die Kelly Family als Tourbus genutzt.
Oma ließ nie etwas am Auto reparieren. Wahrscheinlich vergaß sie es. Zwischendurch kam es ihr aber doch merkwürdig vor, dass der Wagen so viele Beulen hatte. Da sie sich nicht erinnern konnte, etwas damit zu tun zu haben, rief sie eine Zeitlang jede Woche bei mir an: »Katrin, isch net schlimm, dass dir des bassiert isch, aber du musch jetzt ehrlich sei, sonschd muss i d'Polizei anrufen!«
Einmal in der Woche musste ich mir also überlegen, wie ich meine eigene Oma davon abhalten konnte, mir die Polizei auf den Hals zu hetzen: »Oma, da bist du doch neulich aus der Garage gefahren und hast vergessen, das Tor aufzumachen ...«
»I? Nee. Des wüsst i doch ...«
Irgendwann konnte sie kein Glas mehr von einer Zimmerpflanze unterscheiden. Ich merkte es erst, als ich ihr ein Blümchen schenkte und sie zehn Minuten später versuchte, aus dem Topf zu trinken. Sie merkte es erst, als sie den Mund voller Erde hatte. Ich musste sehr lachen. Ja, eigentlich muss man das schlimm und tragisch finden, weil es das auch ist. Aber vom ganzen schlimm und tragisch Finden dreht man irgendwann durch, und es sah wirklich sehr lustig aus.
Die Oma war eine tolle Oma, eine fast immer lachende, lustige Oma. »Auf geht's, dahin geht's, im Himmel gibt's Zigarren«, sagte sie, wenn wir irgendwo hinwollten und ich nicht schnell genug war. Die Kurzfassung hieß: »Auf, hopp, los!«
Wenn man die Oma besuchte, hörte man sie schon im Wohnzimmer schreien: »Jajaja, a alte Frau isch doch koi D-Zug!« Dann riss sie nach einer Ewigkeit schwungvoll die Haustür auf, und noch bevor man selbst hallo sagen konnte, sagte sie: »Na, was denn? Was stehsch denn hier noch vor der Tür? Auf, hopp, rein, willsch was essa? Willsch was trinka? Willsch nix, gut, bleibt mehr für mich!«
So war sie auch, wenn man wildfremde Menschen mitbrachte, die sie noch nie gesehen hatte. Sie wollte nie wissen, wer da ins Haus kam. Für jeden galt gleichermaßen: Auf, hopp, rein. Herzlich willkommen, hieß das, aber ohne herzlich willkommen.
Bei Oma musste man nie die Schuhe ausziehen, weil die Wohnung genauso aussah wie ihr Auto. Im Wohnzimmer lagen immer drei Teppiche übereinander, und die Oma rannte sogar mit erdvermatschten Gummistiefeln direkt vom Garten durchs Wohnzimmer. »I leb doch hier! Wenn d'r Teppich dreckig isch, kommt der naus, und drunter isch ja sauber!« Das hat mir als Kind total eingeleuchtet, und weil man wegen all der Teppiche auf dem Boden, den Fellen auf der Couch und den Schonbezügen aller Art nie auf etwas aufpassen musste, war's als Kind bei Oma immer besonders super!
Oma war immer anders. Sie redete im Wartezimmer beim Arzt aus Prinzip lauter als nötig: »So, Mädle, dann sag mol, wie's heut in d'r Schule war!« Ich wusste schon als Kind, dass man in Wartezimmern flüstert, und antwortete ganz leise: »In der Schule haben wir ...«, da schrie die Oma schon dazwischen: »Versteh dich net, red doch normal!«
Ich flüsterte zurück: »Sind doch aber alle ganz leise ...«, und sie schrie wieder: »Desch mir doch egal, wenn die net normal schwätzat. Steht doch nirgends, dass ma hier net normal schwätza darf!« Es war so peinlich für mich. Die anderen Wartenden linsten verdruckst hinter der Frau im Spiegel vor und räusperten sich deutlich, um auf das ungeschriebene Gesetz des Wartezimmers aufmerksam zu machen. Hat nie funktioniert, nie hat sie sich an diese Regel gehalten.
Wenn in der Nachbarschaft zu lange gefeiert wurde, war meine Oma nie auf Seiten derer, die die Polizei riefen, sondern unterstützte immer die, die Lärm machten. »Sollet die Leut doch feira, lass se doch Spaß haba, wie oft kommt's denn vor? Wenn's oimal später wird ... ja mein Gott!«
Sie war bestimmt zehn Jahre dement, hat erst meinen Geburtstag, dann meinen Namen und irgendwann mich vergessen. Jedes Mal bricht es dir das Herz, und jedes Mal verabschiedete sich die Oma ein Stückchen mehr. Irgendwann hatte meine Oma nichts mehr mit meiner Oma zu tun. Am liebsten spielte sie am Ende mit einem Wollknäuel oder Fäden. Abrollen und wieder aufrollen.
Eigentlich war sie weg, aber trotzdem immer da. Deshalb dachte ich, dass mich ihr Tod nach so vielen Abschieden nicht umhauen würde. Aber als mein Vater anrief und sagte, dass die Oma, die drei Oberschenkelbrüche und eine Lungenentzündung weggesteckt hatte, die Nacht nicht überleben würde, war's doch anders. Die letzten zehn Jahre, das, was von der Oma übriggeblieben war, war unwichtig. Mir fielen nur Geschichten von der Oma ein, die sie einmal gewesen war. Die Oma, die an meinem Bett saß, wenn ich Angst vor Einbrechern hatte. »Aber draußa regnet's doch ... Eibrecher gangat doch bei so'm Scheißwetter gar net naus, die werrat doch sonscht klatschnass!«
Die Oma, von der man alles haben konnte. »Solang mir des Geld hen, kriegsch du alles, und wenn mir kois mehr hen, dann sagen mir's dir.«
Ich wollte nie dabei sein, wenn jemand stirbt, und ich hatte Angst vor dem Moment, wenn das Leben einen Menschen verlässt, den man geliebt hat. Ich fuhr trotzdem hin zur Oma. Ich stand an ihrem Bett und hörte, wie sie sich mit jedem Atemzug quälte, so dass das Ausatmen immer wie ein seufzendes »Jaaaa« klang. Sie war nicht mehr ansprechbar und vollgepumpt mit Morphium, aber ich dachte, dass ein Teil von ihr schon noch mitbekommt, was man ihr sagt: »Danke für alles, Oma, auf geht's, dahin geht's, im Himmel gibt's Zigarren.«
Am Ende hat sie in drei Minuten dreimal geatmet, dann war sie weg. Ein stiller, trauriger Abschied und gleichzeitig ein schöner Moment. Der Tod, der das Leben so zauberhaft erscheinen lässt. Ich hielt ihre Hand, die Kämpfe waren vorbei, endlich Frieden. Ich habe so lange gegen meine Familie gekämpft, dagegen, so zu werden, wie ich erzogen wurde, gegen Einschränkungen und Stimmen im Kopf. Am Sterbebett hab ich angefangen, meinen Frieden zu machen und stolz zu sein auf die Oma in mir. Auf, hopp, los!
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
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Autoren-Porträt von Katrin Bauerfeind
Katrin Bauerfeind, geboren in Aalen, Sternzeichen Schwäbin, Aszendent Technikjournalistin, moderierte das erste ruckelfreie deutsche Internetfernsehen "Ehrensenf", das mit mehreren Grimme-Online-Awards ausgezeichnet wurde. Harald Schmidt verpflichtete sie daraufhin zwei Jahre lang als Teilzeitfrau in seiner ARD-Show. Für das ZDF und 3sat machte Katrin Bauerfeind Reisereportagen unter anderem zur EM 2008. Sie ist bis heute Moderations-Allzweckwaffe für alles, was auch nur entfernt nach Kultur riecht, von Berlinale bis "Kulturzeit". Seit 2009 gibt sie einem Popkulturmagazin den Namen und war neben "Bauerfeind" im Interviewformat "28:30" auf zdf.kultur zu sehen. Live moderiert Katrin Bauerfeind jährlich zahlreiche Veranstaltungen von der Opernpremiere bis zum Henri-Nannen-Preis. Mittlerweile hat sie in mehreren Filmen Schauspielerfahrungen gesammelt und erhielt zuletzt für ihre Darstellung in David Dietls "König von Deutschland" eine Nominierung als beste Nachwuchsschauspielerin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Katrin Bauerfeind
- Nachdruck, 224 Seiten, Maße: 12,5 x 20,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596198917
- ISBN-13: 9783596198917
- Erscheinungsdatum: 06.03.2014
Rezension zu „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag “
Katrin Bauerfeinds Buch ist ein charmanter Tritt in den dürren Hintern unserer Leistungsgesellschaft. Cosmopolitan, März 2014
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