Als wir Römer waren
Roman. Deutsche Erstausgabe
Lawrence ist noch ein Kind, aber er ist der Mann der Familie. Der Vater ist schon länger weg, also passt er auf seine kleine Schwester auf, die ihn, zugegeben, manchmal ganz schön nervt, und auch auf seine Mutter, die in letzter Zeit viel zu selten lächelt....
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Produktinformationen zu „Als wir Römer waren “
Lawrence ist noch ein Kind, aber er ist der Mann der Familie. Der Vater ist schon länger weg, also passt er auf seine kleine Schwester auf, die ihn, zugegeben, manchmal ganz schön nervt, und auch auf seine Mutter, die in letzter Zeit viel zu selten lächelt. Eigentlich ist sie meistens traurig und hat Angst, der Vater könnte plötzlich auftauchen. Aber dann hat die Mutter eine wunderbare Idee: Sie packen Kaninchen Herrmann und alles, was reinpasst, ins Auto und fahren in den Süden, nach Rom, wo sie einst glücklich war. Was als Abenteuer beginnt, entwickelt sich jedoch allmählich zum Alptraum, und Lawrence muss einige schwere Entscheidungen treffen, um seine Familie zu retten...
Klappentext zu „Als wir Römer waren “
Eine zutiefst berührende Geschichte über den Verlust der kindlichen UnschuldLawrence ist noch ein Kind, aber er ist der Mann der Familie. Der Vater ist schon länger weg, also passt er auf seine kleine Schwester auf, die ihn, zugegeben, manchmal ganz schön nervt, und auch auf seine Mutter, die in letzter Zeit viel zu selten lächelt. Eigentlich ist sie meistens traurig und hat Angst, der Vater könnte plötzlich auftauchen. Aber dann hat die Mutter eine wunderbare Idee: Sie packen Kaninchen Herrmann und alles, was reinpasst, ins Auto und fahren in den Süden, nach Rom, wo sie einst glücklich war. Was als Abenteuer beginnt, entwickelt sich jedoch allmählich zum Alptraum, und Lawrence muss einige schwere Entscheidungen treffen, um seine Familie zu retten
Vom Autor des Romans Englische Passagiere , ausgezeichnet mit dem Whitbread Book Award.
Lawrence ist noch ein Kind, aber er ist der Mann der Familie. Der Vater ist schon lger weg, also passt er auf seine kleine Schwester auf, die ihn, zugegeben, manchmal ganz sch nervt, und auch auf seine Mutter, die in letzter Zeit viel zu selten lhelt. Eigentlich ist sie meistens traurig und hat Angst, der Vater knte plzlich auftauchen. Aber dann hat die Mutter eine wunderbare Idee: Sie packen Kaninchen Herrmann und alles, was reinpasst, ins Auto und fahren in den Sen, nach Rom, wo sie einst glklich war. Was als Abenteuer beginnt, entwickelt sich jedoch allmlich zum Alptraum, und Lawrence muss einige schwere Entscheidungen treffen, um seine Familie zu retten..
Vom Autor des Romans "Englische Passagiere", ausgezeichnet mit dem Whitbread Book Award.
Vom Autor des Romans "Englische Passagiere", ausgezeichnet mit dem Whitbread Book Award.
Lese-Probe zu „Als wir Römer waren “
Erstes KapitelIrgendwann haben die Wissenschaftler draußen im Weltall was Komisches entdeckt. Das war ein Ding, das Millionen Galaxien an sich ranzieht, und eine davon ist die Milchstraße, das ist unsere Galaxie, aber die Wissenschaftler konnten das Ding nicht sehen, weil es hinter massenhaft Staub versteckt war. Sie dachten, "das Ding da muss echt riesengroß sein, dass es die ganzen Galaxien an sich ranziehen kann, und dann auch noch wahnsinnig schnell, mit Millionen Stundenkilometern, aber was es genau ist, weiß keiner, es ist ein Rätsel." Sie dachten, "das ist komisch, das ist unheimlich", und dann sagten sie, "wir nennen das Ding einfach mal den Großen Attraktor."
Der Große Attraktor zieht uns an, auch jetzt, in dieser Minute. Wahrscheinlich ist er ein riesengroßes schwarzes Loch, weil schwarze Löcher verschlucken nämlich alles, sogar das Licht, deswegen kann man sie auch nicht erkennen, sie sehen einfach nur aus wie ein total dunkles Stück Nacht. Jede Wette, eines Tages passiert eine große Katastrophe, wir kommen da immer näher und näher dran, und dann werden wir auf einmal ganz reingezogen. Wie wenn uns eine große Hand packt, und schwupp sind wir weg, aus einem schwarzen Loch kann nämlich nichts wieder raus, und dann sitzen wir da für immer und ewig drin fest. Das ist ein komischer Gedanke, dass wir jeden Tag ein Stück näher an den Großen Attraktor rangezogen werden, und kaum einer weiß was davon, die Leute leben ganz normal ihr Leben, essen Toast zum Frühstück und gehen in die Schule, gucken sich im Fernsehen ihre Lieblingssendungen an und haben keinen blassen Schimmer.
Wir waren auf dem Heimweg vom Supermarkt, ein anderer als sonst und weiter weg, weil das sicherer war, und das war ein Abenteuer, Mum hat gesagt, wir müssen ganz schnell machen, wie die Vögel, die runtergeflogen kommen, sich was zum Essen aufpicken und mit dem Futter im Schnabel wieder wegfliegen. Es hat sogar richtig Spaß gemacht, wir haben uns einen Einkaufswagen geschnappt und
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sind mit einem Affenzahn los und haben alles reingeschmissen, Dosen und Packungen und Milch und Alufolie usw. usw. Dann hat Jemima eine lilane Bonbondose entdeckt und gesagt, "ah, die will ich haben, die muss ich haben, bitte, Mum", und Mum hat gesagt, "jetzt sei nicht albern, Lamikin", das sagt sie manchmal zu ihr, Lamikin. "Und das sind auch gar keine richtigen Bonbons, das sind Hustenbonbons, die sind nichts für dich." Aber Jemima hat nicht zugehört, sie hört nie zu, und sie hat angefangen zu plärren, die alte Heulsuse, und sie hat gesagt, "aber ich muss sie haben, ich muss die lilane Dose haben."
Sie hat nicht mehr damit aufgehört, den ganzen Rückweg nicht, und dann waren wir auf einmal fast zu Hause. Wir sind bei Mrs. Potter vorbeigefahren und an den hängenden Bäumen, die so komisch aussehen, wie Haare, und ich dachte, "au nein", ich dachte, "jetzt gibts ein Theater", aber ich hab natürlich nichts gesagt, weil wir nie was sagen können, wenn Jemima dabei ist, weil sie noch zu klein ist und nichts versteht. Aber dann gings doch noch mal gut. Jemima hat sich furchtbar aufgeführt, genau was ich erwartet hatte, und wie Mum angehalten hat, hat sie gesagt, "ich bleib hier sitzen, ich will wieder in den Supermarkt", aber Mum war da drauf gefasst, sie sagte, "wenn du mitkommst, kriegst du eine Überraschung", und das hat funktioniert, denn Jemima hat sich wieder eingekriegt und "na gut" gesagt. Und dann haben wir wieder ganz schnell gemacht. Mum hat Jemima aus dem Kindersitz genommen, und dann haben wir die ganzen Tüten aus dem Kofferraum geholt, ich hab ziemlich viele geschleppt, obwohl sie echt schwer waren, und dann nichts wie ab zur Haustür, fast gerannt sind wir, Mum hatte den Schlüssel schon in der Hand, und ich hab mich noch mal kurz umgeschaut, obwohl ich es eigentlich nicht wollte, aber ich konnte nicht anders, ich musste, ich hab zum Zaun und zu den Büschen rübergeguckt, aber da war nichts, und das war gut so, da war kein Mensch da.
Dann waren wir drin, Mum hat die Tür zugemacht, und ich dachte, "hurra hurra", ich dachte, "so viel Essen, damit kommen wir ewig aus." Wir haben alles in den Kühlschrank und in die Schränke gepackt, und dann bin ich erst mal rauf zu Hermann gegangen. Ich hab seine Näpfe sauber gemacht und ihm Nüsse und frisches Wasser gegeben. Jemima ist hinter mir her, wie immer, und ich hab sie zugucken lassen und gesagt, "nein, du darfst ihn nicht in die Hand nehmen." Dann kam auch schon Robot Wars im Fernsehen, eine von meinen Lieblingssendungen, ein Roboter heißt Obliterator und ein anderer Stampfer, der hat so ne Art Fuß unten dran. Also haben wir uns aufs Sofa gesetzt, und ich dachte, "vielleicht wird jetzt alles gut", ich dachte, "vielleicht haut Dad bald wieder ab nach Schottland, und dann kann ich wieder in die Schule gehen, weil meine Grippe doch schon so viel besser ist." Ich dachte, "ob die Katze von Tania Hodgson wohl schon ihre Jungen gekriegt hat? Ob die wohl auch alle getigert sind, wie ihre Mum?"
Jemima hat genervt, wie immer. Sie sagte, "ich will nicht Robot Wars gucken, ich will umschalten." Ich sagte, "da läuft nichts, Jemima, sei nicht blöd, da kommen bloß die Nachrichten", aber es hat nicht funktioniert, und sie hat gesagt, "ich will die Maschine haben, nie krieg ich die Maschine, jetzt bin ich dran." Jemima ist furchtbar mit der Fernbedienung, sie schaltet so schnell hin und her, dass man überhaupt nichts mitkriegt, und deswegen hab ich gesagt, "du kriegst sie nicht, Jemima, du machst sie bloß kaputt, so wie deine neue rosane Sonnenbrille."
Da kam Mum rein. Sie sagte, "hier kommt eure Überraschung, Lesongfong", das sagt sie nämlich manchmal zu uns, das heißt "Kinder" auf Französisch, hat sie mal erzählt. Die Überraschung war unser Abendessen, normalerweise dürfen wir nämlich nicht vor dem Fernseher essen, aber sie sagte, "ausnahmsweise", und es gab Hotdogs und Backofenpommes, und das war auch eine Überraschung, weil Mum immer sagt, wir kriegen keine Backofenpommes, weil die zu teuer sind, zum Fenster rausgeschmissenes Geld. Normalerweise hätte ich mich einfach bloß gefreut über die Überraschung, ich hätte gedacht, "au ja, wie lecker", aber diesmal nicht, und zwar weil ich Mums Gesicht gesehen hab. Von der guten Laune, die sie beim Einkaufen im Supermarkt gekriegt hatte, war nämlich nichts mehr übrig, das ganze Strahlen war wie ausgeknipst. Sie wollte zwar lächeln, wie sie gesagt hat, "hier kommt eure Überraschung, Lesongfong", aber sie konnte nicht, das hab ich ihr angemerkt, sie sah aus, wie wenn sie sich Sorgen macht und ganz verzweifelt ist.
Ich hab zu Jemima rübergeguckt, aber die hat nichts gemerkt, die war voll in Robot Wars vertieft und hat die Pommes viel zu schnell in sich reingestopft, und sie sagte "autsch, zu heiß", was muss sie aber auch immer so schlingen. Ich dachte, "was soll ich machen, ich muss Mum doch helfen", ich dachte, "ich will aber auch Pommes haben, und wenn ich jetzt rausgehe, futtert Jemima sie mir heimlich weg, da ist es vielleicht besser, ich bleib hier und ess sie
ganz schnell auf", aber dann dachte ich, "nein nein, erst muss ich Mum helfen." Plötzlich hatte ich eine Idee, ich sagte, "Jemima, ich muss mal eben aufs Klo, du kannst so lange die Maschine haben, aber nur, bis ich wieder da bin", und da hat sie sich natürlich total gefreut und "au ja" gesagt und mir die Fernbedienung sofort aus der Hand genommen. Ich sagte, "ich hab meine Pommes genau abgezählt, Jemima, wehe, da fehlt hinterher einer, das merk ich sofort, auch wenn es bloß ein ganz kleiner ist, und dann stell ich deine ganzen Lieblingspuppen oben auf das oberste Regal, dass du nicht mehr drankommst."
Mum saß in der Küche. Sie ist ein bisschen zusammengezuckt, wie sie mich gesehen hat, "Lawrence", hat sie gesagt und sogar noch trauriger geguckt als vorher, und ich dachte, "hoffentlich muss sie nicht weinen." Ich sagte, "was ist denn, Mum?", und sie wurde ganz still, sie sagte, "was meinst du damit?", und ich sagte, "es ist doch was passiert, das seh ich dir an." Da hat sie geblinzelt und gesagt, "ach, Lawrence, ich will dich damit nicht belasten", und dabei hat sie die Augen ein bisschen zugekniffen. Ich dachte, "jetzt erzählt sies mir", und ich sagte, "womit denn, Mum?", und da hat sie ganz leise gestöhnt und gesagt, "ich weiß nicht mehr ein noch aus, es ist furchtbar, wir können so nicht weiterleben."
Es war echt schlimm, wenn Mum so traurig war. Ich dachte, "wie soll ich ihr bloß helfen?", aber mir ist nichts eingefallen, obwohl ich mir ganz schön den Kopf zerbrochen hab, und ich dachte, "das ist übel", aber dann hatte ich auf einmal eine Idee. Ich sagte, "können wir nicht ein paar Tage wegfahren? Bloß, bis er wieder in Schottland ist. Wir können doch Onkel Harry besuchen." Onkel Harry wohnt in London, er hat ein großes Haus. Wir haben ihn Weihnachten besucht, aber bloß zum Mittagessen, länger konnten wir nicht bleiben, weil wir so laut waren, dass Tante Clarissa Kopfschmerzen gekriegt hat. Außerdem macht Mum sich immer Sorgen, dass Jemima Onkel Harrys alte Teller kaputtmacht, die an der Wand hängen wie Bilder und viel Geld gekostet haben. Aber Mum hat den Kopf geschüttelt und gesagt, "sie sind verreist, sie sind im Skiurlaub." Ich dachte, "so ein Mist", ich dachte, "irgendwo müssen wir doch hinkönnen", aber es war nicht so einfach, weil Mum nicht viele Leute kennt, normalerweise sind wir immer nur zu Hause, wir drei. Ich dachte, "so schnell geb ich nicht auf, nachdem grade alles so gut läuft und wir das ganze Essen eingekauft haben." Also sagte ich: "Können wir nicht nach Kew, zu Grandma und Grandpa?"
Mum hat noch mal den Kopf geschüttelt und geblinzelt, sie sagte, "da würde er uns finden ..." Aber dann hat sie auf einmal die Stirn gerunzelt, wie wenn ihr ein Gedanke gekommen ist, und gesagt, "es sei denn ..." Das war schon besser, wenigstens sagte sie nicht gleich, "nein, das bringt nichts", also hab ich gefragt, "es sei denn, was?" Und da hat sie es dann gesagt, sie sagte, "es sei denn, wir fahren ganz weit weg. Wo er uns niemals finden kann. Nach Rom zum Beispiel." Und dabei hat sie geblinzelt, wie wenn sie es selbst nicht ganz glauben kann, und gesagt, "möglich wäre es. Wir haben noch unsere Reisepässe, von damals, als wir fast nach Frankreich gefahren wären."
Das war mal ganz was Neues, das war eine Riesenüberraschung. Mum hat uns manchmal was von Rom erzählt, wo sie vor vielen Jahren gewohnt hat, wie ich noch nicht auf der Welt war, und dass wir da mal irgendwann alle zusammen hinmüssen und uns die herrlichen Brunnen ansehen und das köstliche Essen probieren, aber ich hatte nie geglaubt, dass wir da wirklich mal hinkommen würden und dann so plötzlich. Und noch eine Überraschung war, dass Mum nicht mehr so besorgt ausgesehen hat, sie hat sogar ein kleines bisschen gelächelt, was gut war. Natürlich wollte ich nicht, dass sie gleich wieder ein trauriges Gesicht macht, natürlich nicht, aber ich konnte nicht anders, es musste raus. Also sagte ich, "und was ist mit der Schule?" Weil nämlich das Schuljahr bald zu Ende war und wir noch Klassenarbeiten schreiben mussten und weil ich auch noch für Mr. Simmons, meinen Lieblingslehrer, ein Weltraumprojekt fertig kriegen musste. Aber es hat ihr nichts ausgemacht, was auch gut war, sie wurde doch nicht wieder traurig. Sie sagte, "wir nehmen deine Schulbücher einfach mit, dann kann ich mit dir für die Arbeiten üben und dir bei deinem Projekt helfen. Und es wäre ja auch nicht für lange, nur bis euer Dad wieder weg ist. Ich ruf in der Schule an und sag, dass du immer noch erkältet bist."
Ich dachte, "na dann, und wenn es nicht für lange ist. Ich kann mein Weltraumbuch mitnehmen, das ich von Onkel Harry und Tante Clarissa zu Weihnachten geschenkt gekriegt hab. Das kann ich für mein Projekt gut gebrauchen." Ich dachte, "schade, dass ich Tania Hodgsons kleine Kätzchen nicht sehen kann", aber dann dachte ich, "ich freu mich schon auf die schönen Brunnen." Bevor ich sonst noch irgendwas denken konnte, flog mit einem Knall die Tür auf, und Jemima kam rein und sagte, "Robot Wars ist zu Ende." Wahrscheinlich hatte sie erraten, dass wir ohne sie was besprechen wollten, das sah man an ihrem Spitzelblick. Jede Wette, dass sie am Schlüsselloch gelauscht hatte und nichts hören konnte. Man darf Jemima nie aus den Augen lassen, weil sie immer überall ist. Mum hat so getan, wie wenn sie schon längst mit Jemima gerechnet hat, und in die Hände geklatscht, wie wenn sie eine große Überraschung für sie hat, und gesagt, "Jemima, wir haben dir etwas ganz, ganz Wichtiges zu sagen. Wir haben uns überlegt, dass wir wegfahren wollen."
Ich dachte, "ich muss Mum helfen", also sagte ich, "ja, ist das nicht aufregend? Wir fahren nach Rom. Toll, was?" Ich glaube eigentlich nicht, dass Jemima irgendwas von Rom wusste, aber sie hat ihr Mondkalbgesicht gemacht, wie wenn sie ganz genau Bescheid weiß, und sie hat geklatscht und gerufen, "au ja, Rom Rom."
Und plötzlich war es ein richtiger, fertiger Plan. Mum hat sich so gefreut, sie hat gestrahlt und gestrahlt, was gut war, was wunderbar war, weil sie schon seit Wochen kaum noch gelächelt hatte, seit ich krank geworden war und Dad heimlich aus Schottland runtergekommen ist. Irgendwie ist es so richtig aus ihr rausgesprudelt gekommen, und ihre Augen haben blinzel blinzel gemacht. Ich dachte, "hurra hurra", ich dachte, "das ist gut", ich dachte, "hoffentlich hört das nicht gleich wieder auf."
Ich bin wieder ins Wohnzimmer gegangen und hab meine Hotdogs gegessen, und Jemima hatte mir bloß ein paar Pommes stibitzt, höchstens ein oder zwei, schwer zu sagen. Dann hat Mum gesagt, es hat keinen Sinn rumzutrödeln, wir müssen sofort nach Rom fahren, und zwar morgen, und das hieß, dass wir gleich mit dem Packen anfangen mussten. Sie sagte, wir sollen genau überlegen und nicht zu viele Sachen mitnehmen, weil sie dann nicht ins Auto passen, und sie hat Jemima und mir jedem drei Kisten gegeben. Jemima hat mit ihren Puppen und Tieren geredet und zu ihnen gesagt, "wirst du auch brav sein, nein, dann kannst du nicht mitkommen", oder, "okay, dann darfst du mit nach Rom", und dann hat sie sie mit irgendwelchen anderen Sachen in ihre Kisten geschmissen, und sie hat überhaupt nicht zugehört, wie ich gesagt hab, "Jemima, du musst genau überlegen, sonst lässt du noch aus Versehen deine Lieblingssachen hier, und dann musst du heulen." Sie ist bloß wütend geworden und hat geschrien, "aber ich habs mir genau überlegt, ich heul nicht."
Ich dachte, "Wahnsinn, wir fahren nach Rom, nicht zu glauben." Das Packen war nicht einfach. Ich wollte meine Spielkonsole mitnehmen, mein Fußballspiel, den Zeichenblock und die Buntstifte, meine Tim und Struppis und die ganzen Asterixe, alle meine Legos, meine Hot-Wheels-Autos und die Rennbahn, meine Schulbücher und das Weltraumbuch und natürlich Hermann und seinen Käfig, aber das war zu viel für meine drei Kisten, und da dachte ich mir, "au nein, das wird schwierig." Ich hab gehört, dass Mum im Schlafzimmer war und gepackt hat, sie hat überhaupt nicht Wache gehalten, manchmal denkt sie einfach nicht dran, und ich dachte, "das ist dumm, Mum", und da bin ich ins Wohnzimmer gegangen, um den Vorgarten zu beobachten.
Es war direkt ein bisschen unheimlich, denn wie ich langsam den Vorhang aufgemacht hab, dachte ich, "womöglich ist da gleich Dads Gesicht hinter der Scheibe und guckt zu mir rein." Aber das Seltsame war, dass ich fast ein bisschen gehofft hab, er wär wirklich da draußen, ganz komisch. Irgendwie wünschte ich mir, dass er zu mir reinguckt mit seinem Grinsegesicht und den Wuschelhaaren, die ihm wie eine Qualmwolke um den Kopf stehen, und dass er sagt, "hallo, Larry, wie geht es dir?" Aber den Gedanken hab ich ganz schnell aus dem Weg geräumt, ich hab ihn in die Luft gesprengt, und ich dachte, "von wegen", und ich dachte, "ich kann dich nicht leiden, Dad, hau ab. Du brauchst gar nicht so zu tun, wie wenn du nett bist." Aber natürlich war er sowieso nicht da, da war gar keiner, bloß die Fensterscheibe, hoch und schwarz. Ich hab sie angefasst, und sie war kalt, und dann bin ich ganz nah an sie rangegangen und hab rausgeguckt, aber es war total dunkel, und das Licht kam nicht weit, bloß bis zu einem Fleckchen Gras und bis zu einem halben Busch, und ich konnte den Wind hören, wie er die Bäume gerüttelt hat, wusch wusch wusch.
Danach hab ich meine Kisten gepackt. Keine war groß genug für die Schulbücher und die Tim und Struppis zusammen, also hab ich mir die größte genommen, mit der
Schere die Ecken abgeschnitten und die Ecken mit Tesa um die Bücher drum rum geklebt, aber dabei blieb ein Spalt frei, und dann musste ich auch von innen noch Tesa drübermachen, damit es nicht klebt und die Bücher kaputtgehen. Ich hatte Angst, dass Mum wütend wird, weil ich die Kiste größer gemacht hab, aber sie hat nichts gesagt, aber natürlich war hinterher alles so durcheinander, dass sie es womöglich überhaupt nicht gemerkt hat.Wie ich dann meine anderen Sachen packen wollte, hab ich gemerkt, dass ich nicht genug Platz hab, Hermanns Käfig brauchte eine ganze Kiste für sich alleine, und ich musste mein Fußballspiel, die Asterixe und ziemlich viele Legos dalassen, was echt schade war, aber ich dachte mir, "Tim und Struppi mag ich sowieso viel lieber als Asterix." Dann hab ich gesehen, dass Jemima in ihrer einen Kiste noch Luft hatte, und weil sie schon im Bett war, hab ich eben meine Legos reingetan, weil, man will ja keinen Platz verschwenden. Danach hab ich dann noch in Hermanns Kiste jede Menge Löcher reingeschnitten, damit er rausgucken kann, aber hinterher hab ich die ganze Kiste weggeschmissen. Ich dachte, "die braucht er nicht, er braucht bloß seinen Käfig." Und es war schon spät, wie ich fertig war, aber nicht so spät wie sonst manchmal, es wurde jedenfalls noch nicht hell. Ich hab die Kisten nach unten gebracht, meinen Schlafanzug angezogen und mir die Zähne geputzt, jeden Zahn viermal, wie Mum es haben will, dann hab ich Mum ihren Gutenachtkuss gegeben, sie war noch am Packen und hat immer noch gelächelt, und dann bin ich ins Bett gegangen.
Sie hat nicht mehr damit aufgehört, den ganzen Rückweg nicht, und dann waren wir auf einmal fast zu Hause. Wir sind bei Mrs. Potter vorbeigefahren und an den hängenden Bäumen, die so komisch aussehen, wie Haare, und ich dachte, "au nein", ich dachte, "jetzt gibts ein Theater", aber ich hab natürlich nichts gesagt, weil wir nie was sagen können, wenn Jemima dabei ist, weil sie noch zu klein ist und nichts versteht. Aber dann gings doch noch mal gut. Jemima hat sich furchtbar aufgeführt, genau was ich erwartet hatte, und wie Mum angehalten hat, hat sie gesagt, "ich bleib hier sitzen, ich will wieder in den Supermarkt", aber Mum war da drauf gefasst, sie sagte, "wenn du mitkommst, kriegst du eine Überraschung", und das hat funktioniert, denn Jemima hat sich wieder eingekriegt und "na gut" gesagt. Und dann haben wir wieder ganz schnell gemacht. Mum hat Jemima aus dem Kindersitz genommen, und dann haben wir die ganzen Tüten aus dem Kofferraum geholt, ich hab ziemlich viele geschleppt, obwohl sie echt schwer waren, und dann nichts wie ab zur Haustür, fast gerannt sind wir, Mum hatte den Schlüssel schon in der Hand, und ich hab mich noch mal kurz umgeschaut, obwohl ich es eigentlich nicht wollte, aber ich konnte nicht anders, ich musste, ich hab zum Zaun und zu den Büschen rübergeguckt, aber da war nichts, und das war gut so, da war kein Mensch da.
Dann waren wir drin, Mum hat die Tür zugemacht, und ich dachte, "hurra hurra", ich dachte, "so viel Essen, damit kommen wir ewig aus." Wir haben alles in den Kühlschrank und in die Schränke gepackt, und dann bin ich erst mal rauf zu Hermann gegangen. Ich hab seine Näpfe sauber gemacht und ihm Nüsse und frisches Wasser gegeben. Jemima ist hinter mir her, wie immer, und ich hab sie zugucken lassen und gesagt, "nein, du darfst ihn nicht in die Hand nehmen." Dann kam auch schon Robot Wars im Fernsehen, eine von meinen Lieblingssendungen, ein Roboter heißt Obliterator und ein anderer Stampfer, der hat so ne Art Fuß unten dran. Also haben wir uns aufs Sofa gesetzt, und ich dachte, "vielleicht wird jetzt alles gut", ich dachte, "vielleicht haut Dad bald wieder ab nach Schottland, und dann kann ich wieder in die Schule gehen, weil meine Grippe doch schon so viel besser ist." Ich dachte, "ob die Katze von Tania Hodgson wohl schon ihre Jungen gekriegt hat? Ob die wohl auch alle getigert sind, wie ihre Mum?"
Jemima hat genervt, wie immer. Sie sagte, "ich will nicht Robot Wars gucken, ich will umschalten." Ich sagte, "da läuft nichts, Jemima, sei nicht blöd, da kommen bloß die Nachrichten", aber es hat nicht funktioniert, und sie hat gesagt, "ich will die Maschine haben, nie krieg ich die Maschine, jetzt bin ich dran." Jemima ist furchtbar mit der Fernbedienung, sie schaltet so schnell hin und her, dass man überhaupt nichts mitkriegt, und deswegen hab ich gesagt, "du kriegst sie nicht, Jemima, du machst sie bloß kaputt, so wie deine neue rosane Sonnenbrille."
Da kam Mum rein. Sie sagte, "hier kommt eure Überraschung, Lesongfong", das sagt sie nämlich manchmal zu uns, das heißt "Kinder" auf Französisch, hat sie mal erzählt. Die Überraschung war unser Abendessen, normalerweise dürfen wir nämlich nicht vor dem Fernseher essen, aber sie sagte, "ausnahmsweise", und es gab Hotdogs und Backofenpommes, und das war auch eine Überraschung, weil Mum immer sagt, wir kriegen keine Backofenpommes, weil die zu teuer sind, zum Fenster rausgeschmissenes Geld. Normalerweise hätte ich mich einfach bloß gefreut über die Überraschung, ich hätte gedacht, "au ja, wie lecker", aber diesmal nicht, und zwar weil ich Mums Gesicht gesehen hab. Von der guten Laune, die sie beim Einkaufen im Supermarkt gekriegt hatte, war nämlich nichts mehr übrig, das ganze Strahlen war wie ausgeknipst. Sie wollte zwar lächeln, wie sie gesagt hat, "hier kommt eure Überraschung, Lesongfong", aber sie konnte nicht, das hab ich ihr angemerkt, sie sah aus, wie wenn sie sich Sorgen macht und ganz verzweifelt ist.
Ich hab zu Jemima rübergeguckt, aber die hat nichts gemerkt, die war voll in Robot Wars vertieft und hat die Pommes viel zu schnell in sich reingestopft, und sie sagte "autsch, zu heiß", was muss sie aber auch immer so schlingen. Ich dachte, "was soll ich machen, ich muss Mum doch helfen", ich dachte, "ich will aber auch Pommes haben, und wenn ich jetzt rausgehe, futtert Jemima sie mir heimlich weg, da ist es vielleicht besser, ich bleib hier und ess sie
ganz schnell auf", aber dann dachte ich, "nein nein, erst muss ich Mum helfen." Plötzlich hatte ich eine Idee, ich sagte, "Jemima, ich muss mal eben aufs Klo, du kannst so lange die Maschine haben, aber nur, bis ich wieder da bin", und da hat sie sich natürlich total gefreut und "au ja" gesagt und mir die Fernbedienung sofort aus der Hand genommen. Ich sagte, "ich hab meine Pommes genau abgezählt, Jemima, wehe, da fehlt hinterher einer, das merk ich sofort, auch wenn es bloß ein ganz kleiner ist, und dann stell ich deine ganzen Lieblingspuppen oben auf das oberste Regal, dass du nicht mehr drankommst."
Mum saß in der Küche. Sie ist ein bisschen zusammengezuckt, wie sie mich gesehen hat, "Lawrence", hat sie gesagt und sogar noch trauriger geguckt als vorher, und ich dachte, "hoffentlich muss sie nicht weinen." Ich sagte, "was ist denn, Mum?", und sie wurde ganz still, sie sagte, "was meinst du damit?", und ich sagte, "es ist doch was passiert, das seh ich dir an." Da hat sie geblinzelt und gesagt, "ach, Lawrence, ich will dich damit nicht belasten", und dabei hat sie die Augen ein bisschen zugekniffen. Ich dachte, "jetzt erzählt sies mir", und ich sagte, "womit denn, Mum?", und da hat sie ganz leise gestöhnt und gesagt, "ich weiß nicht mehr ein noch aus, es ist furchtbar, wir können so nicht weiterleben."
Es war echt schlimm, wenn Mum so traurig war. Ich dachte, "wie soll ich ihr bloß helfen?", aber mir ist nichts eingefallen, obwohl ich mir ganz schön den Kopf zerbrochen hab, und ich dachte, "das ist übel", aber dann hatte ich auf einmal eine Idee. Ich sagte, "können wir nicht ein paar Tage wegfahren? Bloß, bis er wieder in Schottland ist. Wir können doch Onkel Harry besuchen." Onkel Harry wohnt in London, er hat ein großes Haus. Wir haben ihn Weihnachten besucht, aber bloß zum Mittagessen, länger konnten wir nicht bleiben, weil wir so laut waren, dass Tante Clarissa Kopfschmerzen gekriegt hat. Außerdem macht Mum sich immer Sorgen, dass Jemima Onkel Harrys alte Teller kaputtmacht, die an der Wand hängen wie Bilder und viel Geld gekostet haben. Aber Mum hat den Kopf geschüttelt und gesagt, "sie sind verreist, sie sind im Skiurlaub." Ich dachte, "so ein Mist", ich dachte, "irgendwo müssen wir doch hinkönnen", aber es war nicht so einfach, weil Mum nicht viele Leute kennt, normalerweise sind wir immer nur zu Hause, wir drei. Ich dachte, "so schnell geb ich nicht auf, nachdem grade alles so gut läuft und wir das ganze Essen eingekauft haben." Also sagte ich: "Können wir nicht nach Kew, zu Grandma und Grandpa?"
Mum hat noch mal den Kopf geschüttelt und geblinzelt, sie sagte, "da würde er uns finden ..." Aber dann hat sie auf einmal die Stirn gerunzelt, wie wenn ihr ein Gedanke gekommen ist, und gesagt, "es sei denn ..." Das war schon besser, wenigstens sagte sie nicht gleich, "nein, das bringt nichts", also hab ich gefragt, "es sei denn, was?" Und da hat sie es dann gesagt, sie sagte, "es sei denn, wir fahren ganz weit weg. Wo er uns niemals finden kann. Nach Rom zum Beispiel." Und dabei hat sie geblinzelt, wie wenn sie es selbst nicht ganz glauben kann, und gesagt, "möglich wäre es. Wir haben noch unsere Reisepässe, von damals, als wir fast nach Frankreich gefahren wären."
Das war mal ganz was Neues, das war eine Riesenüberraschung. Mum hat uns manchmal was von Rom erzählt, wo sie vor vielen Jahren gewohnt hat, wie ich noch nicht auf der Welt war, und dass wir da mal irgendwann alle zusammen hinmüssen und uns die herrlichen Brunnen ansehen und das köstliche Essen probieren, aber ich hatte nie geglaubt, dass wir da wirklich mal hinkommen würden und dann so plötzlich. Und noch eine Überraschung war, dass Mum nicht mehr so besorgt ausgesehen hat, sie hat sogar ein kleines bisschen gelächelt, was gut war. Natürlich wollte ich nicht, dass sie gleich wieder ein trauriges Gesicht macht, natürlich nicht, aber ich konnte nicht anders, es musste raus. Also sagte ich, "und was ist mit der Schule?" Weil nämlich das Schuljahr bald zu Ende war und wir noch Klassenarbeiten schreiben mussten und weil ich auch noch für Mr. Simmons, meinen Lieblingslehrer, ein Weltraumprojekt fertig kriegen musste. Aber es hat ihr nichts ausgemacht, was auch gut war, sie wurde doch nicht wieder traurig. Sie sagte, "wir nehmen deine Schulbücher einfach mit, dann kann ich mit dir für die Arbeiten üben und dir bei deinem Projekt helfen. Und es wäre ja auch nicht für lange, nur bis euer Dad wieder weg ist. Ich ruf in der Schule an und sag, dass du immer noch erkältet bist."
Ich dachte, "na dann, und wenn es nicht für lange ist. Ich kann mein Weltraumbuch mitnehmen, das ich von Onkel Harry und Tante Clarissa zu Weihnachten geschenkt gekriegt hab. Das kann ich für mein Projekt gut gebrauchen." Ich dachte, "schade, dass ich Tania Hodgsons kleine Kätzchen nicht sehen kann", aber dann dachte ich, "ich freu mich schon auf die schönen Brunnen." Bevor ich sonst noch irgendwas denken konnte, flog mit einem Knall die Tür auf, und Jemima kam rein und sagte, "Robot Wars ist zu Ende." Wahrscheinlich hatte sie erraten, dass wir ohne sie was besprechen wollten, das sah man an ihrem Spitzelblick. Jede Wette, dass sie am Schlüsselloch gelauscht hatte und nichts hören konnte. Man darf Jemima nie aus den Augen lassen, weil sie immer überall ist. Mum hat so getan, wie wenn sie schon längst mit Jemima gerechnet hat, und in die Hände geklatscht, wie wenn sie eine große Überraschung für sie hat, und gesagt, "Jemima, wir haben dir etwas ganz, ganz Wichtiges zu sagen. Wir haben uns überlegt, dass wir wegfahren wollen."
Ich dachte, "ich muss Mum helfen", also sagte ich, "ja, ist das nicht aufregend? Wir fahren nach Rom. Toll, was?" Ich glaube eigentlich nicht, dass Jemima irgendwas von Rom wusste, aber sie hat ihr Mondkalbgesicht gemacht, wie wenn sie ganz genau Bescheid weiß, und sie hat geklatscht und gerufen, "au ja, Rom Rom."
Und plötzlich war es ein richtiger, fertiger Plan. Mum hat sich so gefreut, sie hat gestrahlt und gestrahlt, was gut war, was wunderbar war, weil sie schon seit Wochen kaum noch gelächelt hatte, seit ich krank geworden war und Dad heimlich aus Schottland runtergekommen ist. Irgendwie ist es so richtig aus ihr rausgesprudelt gekommen, und ihre Augen haben blinzel blinzel gemacht. Ich dachte, "hurra hurra", ich dachte, "das ist gut", ich dachte, "hoffentlich hört das nicht gleich wieder auf."
Ich bin wieder ins Wohnzimmer gegangen und hab meine Hotdogs gegessen, und Jemima hatte mir bloß ein paar Pommes stibitzt, höchstens ein oder zwei, schwer zu sagen. Dann hat Mum gesagt, es hat keinen Sinn rumzutrödeln, wir müssen sofort nach Rom fahren, und zwar morgen, und das hieß, dass wir gleich mit dem Packen anfangen mussten. Sie sagte, wir sollen genau überlegen und nicht zu viele Sachen mitnehmen, weil sie dann nicht ins Auto passen, und sie hat Jemima und mir jedem drei Kisten gegeben. Jemima hat mit ihren Puppen und Tieren geredet und zu ihnen gesagt, "wirst du auch brav sein, nein, dann kannst du nicht mitkommen", oder, "okay, dann darfst du mit nach Rom", und dann hat sie sie mit irgendwelchen anderen Sachen in ihre Kisten geschmissen, und sie hat überhaupt nicht zugehört, wie ich gesagt hab, "Jemima, du musst genau überlegen, sonst lässt du noch aus Versehen deine Lieblingssachen hier, und dann musst du heulen." Sie ist bloß wütend geworden und hat geschrien, "aber ich habs mir genau überlegt, ich heul nicht."
Ich dachte, "Wahnsinn, wir fahren nach Rom, nicht zu glauben." Das Packen war nicht einfach. Ich wollte meine Spielkonsole mitnehmen, mein Fußballspiel, den Zeichenblock und die Buntstifte, meine Tim und Struppis und die ganzen Asterixe, alle meine Legos, meine Hot-Wheels-Autos und die Rennbahn, meine Schulbücher und das Weltraumbuch und natürlich Hermann und seinen Käfig, aber das war zu viel für meine drei Kisten, und da dachte ich mir, "au nein, das wird schwierig." Ich hab gehört, dass Mum im Schlafzimmer war und gepackt hat, sie hat überhaupt nicht Wache gehalten, manchmal denkt sie einfach nicht dran, und ich dachte, "das ist dumm, Mum", und da bin ich ins Wohnzimmer gegangen, um den Vorgarten zu beobachten.
Es war direkt ein bisschen unheimlich, denn wie ich langsam den Vorhang aufgemacht hab, dachte ich, "womöglich ist da gleich Dads Gesicht hinter der Scheibe und guckt zu mir rein." Aber das Seltsame war, dass ich fast ein bisschen gehofft hab, er wär wirklich da draußen, ganz komisch. Irgendwie wünschte ich mir, dass er zu mir reinguckt mit seinem Grinsegesicht und den Wuschelhaaren, die ihm wie eine Qualmwolke um den Kopf stehen, und dass er sagt, "hallo, Larry, wie geht es dir?" Aber den Gedanken hab ich ganz schnell aus dem Weg geräumt, ich hab ihn in die Luft gesprengt, und ich dachte, "von wegen", und ich dachte, "ich kann dich nicht leiden, Dad, hau ab. Du brauchst gar nicht so zu tun, wie wenn du nett bist." Aber natürlich war er sowieso nicht da, da war gar keiner, bloß die Fensterscheibe, hoch und schwarz. Ich hab sie angefasst, und sie war kalt, und dann bin ich ganz nah an sie rangegangen und hab rausgeguckt, aber es war total dunkel, und das Licht kam nicht weit, bloß bis zu einem Fleckchen Gras und bis zu einem halben Busch, und ich konnte den Wind hören, wie er die Bäume gerüttelt hat, wusch wusch wusch.
Danach hab ich meine Kisten gepackt. Keine war groß genug für die Schulbücher und die Tim und Struppis zusammen, also hab ich mir die größte genommen, mit der
Schere die Ecken abgeschnitten und die Ecken mit Tesa um die Bücher drum rum geklebt, aber dabei blieb ein Spalt frei, und dann musste ich auch von innen noch Tesa drübermachen, damit es nicht klebt und die Bücher kaputtgehen. Ich hatte Angst, dass Mum wütend wird, weil ich die Kiste größer gemacht hab, aber sie hat nichts gesagt, aber natürlich war hinterher alles so durcheinander, dass sie es womöglich überhaupt nicht gemerkt hat.Wie ich dann meine anderen Sachen packen wollte, hab ich gemerkt, dass ich nicht genug Platz hab, Hermanns Käfig brauchte eine ganze Kiste für sich alleine, und ich musste mein Fußballspiel, die Asterixe und ziemlich viele Legos dalassen, was echt schade war, aber ich dachte mir, "Tim und Struppi mag ich sowieso viel lieber als Asterix." Dann hab ich gesehen, dass Jemima in ihrer einen Kiste noch Luft hatte, und weil sie schon im Bett war, hab ich eben meine Legos reingetan, weil, man will ja keinen Platz verschwenden. Danach hab ich dann noch in Hermanns Kiste jede Menge Löcher reingeschnitten, damit er rausgucken kann, aber hinterher hab ich die ganze Kiste weggeschmissen. Ich dachte, "die braucht er nicht, er braucht bloß seinen Käfig." Und es war schon spät, wie ich fertig war, aber nicht so spät wie sonst manchmal, es wurde jedenfalls noch nicht hell. Ich hab die Kisten nach unten gebracht, meinen Schlafanzug angezogen und mir die Zähne geputzt, jeden Zahn viermal, wie Mum es haben will, dann hab ich Mum ihren Gutenachtkuss gegeben, sie war noch am Packen und hat immer noch gelächelt, und dann bin ich ins Bett gegangen.
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Autoren-Porträt von Matthew Kneale
Matthew Kneale, geb. 1960 als Sohn von Judith Kerr (der Tochter Alfred Kerrs) in London. Er studierte zunächst Neuere Geschichte in Oxford und entschloss sich dann zu schreiben. Er wurde bereits mit dem Somerset Maugham Award und dem John Llewellyn Rhys Award ausgezeichnet.Regina Rawlinson, geboren 1957 in Bochum, studierte Anglistik, Amerikanistik und Germanistik sowie Literarisches Übersetzen aus dem Englischen. Seit 1988 übersetzt sie englische Belletristik ins Deutsche, u. a. Peter Carey, John le Carré und Lauren Weisberger. Sie ist Lehrbeauftragte für Literarisches Übersetzen an der LMU München und Vorsitzende des Münchner Übersetzer-Forums e.V .. Sie erhielt mehrere Arbeitsstipendien des Deutschen Übersetzerfonds e.V. , unter anderem für Zurück auf Glück von Patricia Marx. 2011 wurde ihr zudem das Arbeitsstipendium des Freistaates Bayern für literarische Übersetzerinnen und Übersetzer gewährt. Regina Rawlinson lebt in München.
Bibliographische Angaben
- Autor: Matthew Kneale
- 2008, 251 Seiten, Maße: 12,1 x 18,9 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Rawlinson, Regina
- Übersetzer: Regina Rawlinson
- Verlag: Luchterhand Literaturverlag
- ISBN-10: 3630621260
- ISBN-13: 9783630621265
Rezension zu „Als wir Römer waren “
"Der britische Autor Matthew Kneale entwirft das zwingende Psychogramm einer Kindheit im Schatten einer psychisch kranken Frau. Fast peinigend erzählt er davon, wie Nähe und Glück in Panik und Angst umschlagen und wieder in Nähe und Glück und immer so weiter. Dabei zeigt sich auch im Erzählton die ständige Unruhe und Bedrohung dieser Existenz."
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