Bertelsmann
Bertelsmann von FrankBöckelmann und Hersch Fischler
LESEPROBE
Der Fall Thomas Middelhoff -
Was hinter den Kulissen geschah
»Thomas, es ist aus ...«
»Gesternnoch wurde Thomas Middelhoff auf der ersten Seite der InternationalHerald Tribunalseiner dererfolgreichsten Manager gefeiert, der beim Aufbau von Bertelsmann zumWeltkonzern nicht die Fehler von Vivendi oder AOL Time Warner begangen habe.>Die Zeit scheint auf Middelhoffs Seite zu sein(, stand da. Doch heute schonist die Zeit abgelaufen. Bertelsmann hat sich von seinem VorstandschefMiddelhoff getrennt.«
DieNachricht, die Ulrich Wickert am 28. Juli 2002 in den Tagesthemenverlas, versetztePresse und Öffentlichkeit in Erstaunen. Niemand hatte damit gerechnet, dass derTopmanager, der während seines steilen Aufstiegs innerhalb des GütersloherKonzerns diesen endgültig an die Weltspitze geführt und dabei das volleVertrauen von Bertelsmann-Chef Reinhard Mohn genossen hatte, einen derartabrupten und tiefen Fall erleben würde. Thomas Middelhoff, von dem vielemeinten, dass er sich in den Fußstapfen seines Förderers Mohn in denFührungsetagen fest etabliert habe, wurde innerhalb weniger Stunden aus derKonzernspitze entfernt. Wie kam es dazu?
»Thomas, esist aus«, soll Liz Mohn nach dem kürzlich erschienenen Buch von Thomas Schulerüber Die Mohns gesagt haben, bevor sie am Freitag, dem 26. Juli 2002, gemeinsammit Thomas Middelhoff zur Sitzung des Personalausschusses des Aufsichtsratesfuhr, die seinen Rücktritt zur Folge hatte. »Du, Thomas, es geht nicht mehr«,seien laut manager magazin die entscheidenden Worte gewesen, und zwar am Telefon.Vorangegangen sei die Beratung im Familienkreis, bei der Frau Mohn, so HansLeyendecker in der Süddeutschen Zeitung, »die kühle Regie« geführt habe.Ihren Mann, immerhin einen der mächtigsten Konzernlenker der Welt, habe sie,folgt man dem Bericht von Hans Jürgen Jakobs, mit Leichtigkeit um den Fingergewickelt: »Liz Mohn handelte. Sie wolle den Abgang von Middelhoff,sagte sie ihrem Mann Reinhard. Die Antwort: >Wenn du das für richtighältst, dann mach' es.,«
Ganz gleich, welches dieser finalen Trennungsszenarien derWahrheit am nächsten kommt, sie festigen Liz Mohns Ruf als »Killerin« und»Firmenmatriarchin«, die, begabt mit starkem Machtinstinkt, in den letztenJahren aus dem Schatten ihres Ehemannes und Firmenpatriarchen Reinhard Mohn hervorgetretenist und nun die Führungsetage des Konzerns das Fürchten lehrt. Die SüddeutscheZeitung kolportiert, vor Middelhoffs Entlassung habe es »qualvolle Momentemit internen Intrigen und Machtkämpfen« gegeben, in denen dieser - der einstigeKronprinz Reinhard Mohns und Shooting Star des Konzerns während desInternet-Hypes - »von einem Triumvirat umstellt« ins unternehmerische Ausmanövriert worden war.' Jenes »Triumvirat« bildeten der Aufsichtsratschef GerdSchulte-Hillen, der neue erste Mann nach Middelhoff, GunterThielen, und LizMohn, der die Presse nachsagt, mit allen Mitteln nach oben zu wollen, ihrenEinfluss als zweite Frau des alternden Bertelsmann-Vaters auszunutzen und sichmit Vorliebe als Strippenzieherin im Geflecht zwischen Bertelsmann-Familie,Bertelsmann Stiftung und Bertelsmann-Management zu betätigen. Aber ist daswirklich der Fall? Wird hier vielleicht nur das Klischee der weiblichen Machthinter der Macht bemüht, um andere Vorgänge zu verdecken?
Die Pressemitteilung, die der Tagesthemen-Nachricht vorangingund mit der am Sonntag, dem 28. Juli 2002, der Rücktritt von Thomas Middelhoffbekannt gegeben wurde, sagt darüber wie über mögliche andere Hintergründenichts aus. Die Erklärung klingt nüchtern, lapidar, auf einen ganz normalenVorgang bezogen: »Der Grund für die Trennung sind unterschiedliche Auffassungenzwischen dem Vorstandsvorsitzenden und dem Aufsichtsrat über die künftigeStrategie der Bertelsmann AG sowie über die Zusammenarbeit zwischenAufsichtsrat und Vorstand. Mit den Gesellschaftern und dem Aufsichtsrat wurdevereinbart, keine weiteren Erklärungen abzugeben. Das Ergebnis der operativenGeschäfte des Medienkonzerns ist im ersten Halbjahr 2002 (per 30. Juni)planmäßig.«
Nach seinem Sturz gab Middelhoff noch drei Interviews, inden Tagesthemen, in der Neuen Westfälischen Zeitung und in der FAZ.Er bestätigte Differenzen über die künftige Strategie als Grund derTrennung und stellte sich ansonsten, so der Journalist Stefan Brams,»schützend vor seinen ehemaligen Arbeitgeber«, indem er bekräftigte, dass es keineIntrigen gegeben habe. Danach zog er sich ins Schweigen zurück. Geschwiegenhat übrigens auch Reinhard Mohn. Er, der Middelhoffs Aufstieg nach Kräftengefördert und damit die Spekulationen um den Ziehsohn, der einstmals das»väterliche« Erbe verwalten werde, genährt hatte, verlor damals kein Wort:weder gegenüber der Presse noch gegenüber Middelhoff. Erst 2003 hat er inseinem Buch Die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers Thomas Middelhoff-ohne ihn beim Namen zu nennen - des menschlichen Versagens bezichtigt. Aber dawar die Geschichte in der Presse schon lange verpufft.
Die Zeitungen folgten wie Middelhoff der in derBertelsmann-Pressemitteilung vorgegebenen Darstellung. Weltweit war auf denTitelseiten zu lesen, der Manager sei mit seinem Plan, den Konzern mit mehr alsden bisherigen 25,1 Prozent der Aktien an die Börse zu bringen, bei ReinhardMohn und seiner Ehefrau Liz auf heftige Ablehnung gestoßen. Mohn weigere sich,das in langer Familientradition geführte Unternehmen Börsenmoden und -spekulationenauszuliefern, und wolle weiter auf die gute, alte Bertelsmann-Unternehmenskultursetzen. Eine gute, aber langweilige Nachricht, die bei genauerer Hinsichteinige Widersprüche aufweist.
© Eichborn AG, Frankfurt am Main
DIE ANDERE BIBLIOTHEK den Band Die Gelben, die Schwarzen,die Weißen und (zusammen mit Hersch Fischler) Bertelsmann. Hinter der Fassade des Medienimperiums. Er wurde ausgezeichnet mit dem Sonderpreis Das politische Buch der Friedrich Ebert Stiftung.
- Autoren: Frank Böckelmann , Hersch Fischler
- 2004, 1, 348 Seiten, Maße: 15,5 x 22,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Eichborn
- ISBN-10: 3821855517
- ISBN-13: 9783821855516
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