Blutsühne
Thriller. Deutsche Erstausgabe
Zwei Leichen, als Liebende inszeniert, ein blutiges Kreuz an der Wand - Profilerin Sarah Armstrong ist überzeugt: dieser Verrückte wird weiter morden. Bei der örtlichen Polizei findet sie jedoch kaum Unterstützung und so wendet sich der Killer bald gegen sie und ihr Liebstes.
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch
8.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Blutsühne “
Zwei Leichen, als Liebende inszeniert, ein blutiges Kreuz an der Wand - Profilerin Sarah Armstrong ist überzeugt: dieser Verrückte wird weiter morden. Bei der örtlichen Polizei findet sie jedoch kaum Unterstützung und so wendet sich der Killer bald gegen sie und ihr Liebstes.
Klappentext zu „Blutsühne “
Wer Kay Scarpetta mag, wird Sarah Armstrong lieben!Die Leichen sind als Liebende inszeniert, ein blutiges Kreuz ziert die Wand. Profilerin Sarah Armstrong ahnt, dass hinter dieser Tat ein Verrückter steht, der nicht zum ersten Mal getötet hat und weiter morden wird. Die örtliche Polizei verfolgt jedoch eine andere Theorie. So ist Sarah auf sich gestellt, als der Killer sich gegen sie wendet und droht, ihr das Liebste zu nehmen, was sie besitzt
Der Auftakt zu einer hoch spannenden Thrillerserie um Profilerin Sarah Armstrong.
Wer Kay Scarpetta mag, wird Sarah Armstrong lieben!
Die Leichen sind als Liebende inszeniert, ein blutiges Kreuz ziert die Wand. Profilerin Sarah Armstrong ahnt, dass hinter dieser Tat ein Verrückter steht, der nicht zum ersten Mal getötet hat und weiter morden wird. Die örtliche Polizei verfolgt jedoch eine andere Theorie. So ist Sarah auf sich gestellt, als der Killer sich gegen sie wendet und droht, ihr das Liebste zu nehmen, was sie besitzt ...Der Auftakt zu einer hoch spannenden Thrillerserie um Profilerin Sarah Armstrong.
Die Leichen sind als Liebende inszeniert, ein blutiges Kreuz ziert die Wand. Profilerin Sarah Armstrong ahnt, dass hinter dieser Tat ein Verrückter steht, der nicht zum ersten Mal getötet hat und weiter morden wird. Die örtliche Polizei verfolgt jedoch eine andere Theorie. So ist Sarah auf sich gestellt, als der Killer sich gegen sie wendet und droht, ihr das Liebste zu nehmen, was sie besitzt ...Der Auftakt zu einer hoch spannenden Thrillerserie um Profilerin Sarah Armstrong.
Lese-Probe zu „Blutsühne “
Blutsühne von Kathryn CaseyEINS
... mehr
Zögernd, widerstrebend wie die Nacht dem Morgen weicht, kehrte sein Bewusstsein zurück. Seine Augen passten sich Schatten für Schatten an die Dunkelheit an, bis sie zu einem grauen Nebel wurde. Sein Kopf ruhte auf dem Rucksack, der das Kissen auf seinem Bett aus körnigem braunen Sand spielte. Nach einer Nacht im Dämmerschlaf, immer wieder unterbrochen von verstörenden Träumen und Gedanken, die sich über seine Erschöpfung mokierten, war die Stirn des jungen Mannes schweißnass, und seine Knochen schmerzten. Jedes Mal fing es gleich an: Eine schwammige Angst baute sich in ihm auf, die ihn zunehmend angespannt und reizbar machte. Am Ende stellte er eine genauso tödliche Waffe dar wie das Jagdmesser mit der Zwanzig-ZentimeterKlinge in der Lederscheide, das er hinten an seinem Gürtel trug.
Wo bin ich?, ging es ihm durch den Kopf, und er sah sich um.
Über ihm bedeckten hellgraue Wolken den Himmel, und eine lauwarme Frühlingsbrise kühlte seine verschwitzte Haut. Der Meersalzgeruch, der ihm beim Atmen in die Nase stieg, half seinem Gedächtnis auf die Sprünge. Im selben Moment, in dem erste Sonnenstrahlen die zinngrauen Wellen des Golfs von Mexiko golden färbten, fiel es ihm wieder ein.
Stimmt ja. Galveston.
Während die Sonne am wässrigen Horizont aufstieg, verließ er den Strand und begab sich in die noch fast menschenleere Altstadt. Er betrachtete die verlassene Straße vor sich. Ein mit Jacquard- und Blumenmustern bemalter Torbogen, der im Morgenlicht leuchtete, überspannte das alte Pflaster. Darüber segelten aufgeregt kreischende Möwen.
Er blieb stehen und blickte zu einem kastigen braunen Klinkerbau mit fünf Reihen hoher schmaler Fenster. Es handelte sich um ein ehemaliges Lagerhaus, in dem vor über hundert Jahren texanische Baumwolle darauf gewartet hatte, auf Schiffe geladen und in englische Webereien verfrachtet zu werden, wo die Arbeiter unter unwürdigsten Bedingungen schufteten. Ein Schild oben an dem Gebäude warb: NEU RENOVIERTE LOFTS. Er sah genauer hin. Die Adresse stand in Goldlettern über der Glaseingangstür, und während fast alle Fenster dunkel waren, wurde die Eingangshalle hell erleuchtet und wirkte einladend und warm.
Nicht mehr lange, dachte er.
»Gib's mir! Gib's mir!«, murmelte jemand. Der jun- ge Mann drehte sich zu der viktorianischen Ladenfront auf der anderen Straßenseite um und bemerkte einen heruntergekommenen alten Mann in einem ölig-fleckigen Wollmantel, der auf schmutzigen Pappen in einem Eingang lag. Über der gekrümmten Gestalt ragte ein Schaufenster voller grellbunter Mardi-Gras-Kostüme auf - Masken an Stäben mit gelben, roten und grünen Federn. Allesamt mit leeren Augen.
Der junge Mann blickte stirnrunzelnd zu dem alten Murmler, der zuckte und zitterte. Wie er aussah, würde er bald an dem Alkohol sterben, der ihm Verstand und Körper zerfraß.
»Du lohnst die Mühe nicht«, flüsterte der junge Mann und lachte leise.
Angezogen von dem beleuchteten Ladeninneren, schaute er durchs Fenster. Aus dem Spiegel an der gegenüberliegenden Wand starrte ihm sein ausdrucksloses Gesicht entgegen, ein langweiliges Allerweltsgesicht, von weizengelbem Haar umrahmt. Einzig die Augen waren außergewöhnlich: eisblau, streng und von entschlossener Kälte.
Einige Momente lang war es totenstill, und er wartete, beinahe regungslos, dass etwas Unsichtbares seine Sinne weckte und ihn mit jener inneren Erregung erfüllte, von der er gelernt hatte, dass sie das erste Anzeichen bevorstehender Befriedigung war.
»Es ist Zeit«, flüsterte er.
Kurz darauf kam eine Frau um die Ecke und auf ihn zu. Sie war schlank, sportlich, trug neonpinke Joggingshorts und ein weißes T-Shirt mit Schweißflecken sowie eine weiße Baseball-Kappe, unter der kurzes blondes Haar hervorlugte.
Er studierte aufmerksam, wie sie den Kopf neigte, als sie sich die Stirn mit dem dünnen hellblauen Handtuch abwischte, das ihr um den Hals hing. Sie hatte einen bezaubernden Hals, lang und weiß. In seinem Kopf blitzte ein Bild auf: Seine Klinge glitt über ihr Schlüsselbein und in die weiche, nachgebende Haut hinein. Er malte sich das Parfum ihrer Furcht aus, während er tief im Innern erschauderte.
Hier bin ich, dachte er. Deinetwegen bin ich gekommen.
Die Frau ging eilig an ihm vorbei, drehte sich dann aber noch einmal um. Zuerst lächelte sie freundlich, doch dann erstarrten ihre Lippen, nahm ihr Gesicht einen ängstlich-verkniffenen Ausdruck an. Sofort wandte sie sich wieder ab und lief über die Straße zu dem umgebauten Lagerhaus, wo sie im goldenen Licht der Eingangshalle verschwand.
Der junge Mann draußen auf der Straße lächelte.
ZWEI
Ich sah gerade zur Wanduhr im Büro, als die Nachricht des Captains um 1:07 an diesem Freitagnachmittag auf meinem Schreibtisch landete. Das Büro des Gouverneurs hatte angerufen. In Galveston verlangte man nach meinen Diensten. Irgendein hohes Tier war tot, eines unnatürlichen Todes gestorben, und der Police Chief der Insel bat um Hilfe. Zunächst schien nichts Ungewöhnliches an dem Fall. Erst später fragte ich mich, warum sich meine Nackenhaare nicht gleich aufgestellt oder Alarmglocken in meinem Kopf geschrillt hatten. Es hätte doch eine Art Warnung geben müssen, ein Habachtsignal, dass mein Leben dabei war, in den fünften Gang zu wechseln, und nichts in meinen bisherigen Jahren als Strafverfolgerin mich auf die Aufgabe vorbereitet hatte, die mir bevorstand. Wieso ahnte ich nicht einmal, dass ich es diesmal mit einem besonders teuflischen Gegenspieler zu tun bekam?
Texas Rangers sollten nicht eiskalt erwischt werden. Es gibt ein Sprichwort aus den wüsten alten Zeiten, als der Westen noch wild war und Rangers für einen Dollar fünfundzwanzig angeheuert wurden, um gegen Indianer zu kämpfen und in den Krieg gegen Mexiko zu ziehen: »Der Texas Ranger reitet wie ein Mexikaner, liest Fährten wie ein Indianer, schießt wie einer aus Tennessee und kämpft wie der Teufel persönlich.«
Wer sich diesen Spruch ausgedacht hat, wollte weder die Mexikaner noch die Indianer oder die Einwohner Tennessees beleidigen. Aber kann eigentlich irgendjemand darauf vorbereitet sein, gegen den Teufel anzutreten?
Das Böse, das in jenem Moment in mein Leben eindrang, als ich den Telefonhörer auflegte, meine 45er Halbautomatik mit dem abgewetzten Hirschhorngriff in das Holster steckte, mir meine dunkelblaue Jacke schnappte und aus dem Büro ging, sollte bald alles bedrohen, was mir lieb und teuer war, woran ich glaubte. Sogar mein Leben.
Deshalb frage ich: Hätte Gott mich nicht warnen, die verdammte Glocke läuten müssen? Wenn ich es andererseits rückblickend und vernünftig betrachte, darf ich dem Allmächtigen wohl keinen Vorwurf machen.
Soll ich ehrlich sein? Ich habe nicht richtig aufgepasst.
Die meisten Menschen machen sich keine Vorstellung von Texas. Weil es immerzu heißt, dass es groß ist, denkt niemand mehr darüber nach, wie groß. Texas hat eine größere Fläche als Illinois, Indiana, Iowa, Michigan und Wisconsin zusammen. Wir Rangers sind so etwas wie ein bundesstaatliches Scotland Yard, unterstehen dem Texas Department of Public Safety, kurz DPS genannt, und somit direkt dem Gouverneur. Unser Zuständigkeitsbereich erstreckt sich vom Pfannenstiel bis zum Rio Grande, von El Paso bis Corpus Christi und über den
endlos langen Grenzbereich mit Mexiko. Alles in allem decken also 118 Rangers einen Bereich von 692.245 Quadratkilometern ab - Berge, Täler, Wälder, Farmland, Kleinstädte und Großstädte. Aber wir sind ein öffentlichkeitsscheuer Haufen. Wir mischen uns erst in Ermittlungen ein, wenn uns die örtlichen Behörden bitten, wenn ein Fall ihre Ressourcen sprengt, ihren Zuständigkeitsbereich überschreitet oder, wie in dieser Angelegenheit, wenn die örtliche Polizei auf den ersten Blick erkennt, dass die Sache in die Schlagzeilen kommt und sie sich daran gewaltig die Finger verbrennen könnten. Dann zählen sie auf uns, dass wir das Feuer löschen, indem wir den Fall schnell und ohne viel Lärm lösen.
Zu meiner Person: Ich bin die einzige Profilerin der Rangers. Braucht irgendein Polizist irgendwo in Texas einen Profiler, um die Liste der Verdächtigen einzugrenzen, bin ich diejenige, die er anruft. Ich arbeite von der Ranger Company A aus, die in meiner Heimatstadt Houston sitzt. Houston ist eine schrille Stadt, in der sich Cowboys, Spekulanten und Nadelstreifenträger mit italienischen Maßschuhen tummeln. Wie Texas dehnt sich auch Houston endlos aus. Einmal quer durch die Stadt zu fahren dauert fast länger, als die meisten der kleinen Ostküstenstaaten abzureisen.
Man stelle sich ein flaches Los Angeles ohne Hafen und mit Bäumen vor.
Galveston Island liegt südwestlich von Houston, gleich vor der Küste am Golf von Mexiko. Mit blinkendem Blaulicht auf meinem bordeauxroten Chevy Tahoe fuhr ich an jenem Nachmittag von meinem Büro an der Westside über die Interstate 10 durch die Stadt. Die Firmenembleme auf den verspiegelten Wolkenkratzern rechts und links lasen sich wie ein »Who's who« der Ölgiganten, angefangen bei Shell und Evron bis hin zu Exxon. Von der I-10 bog ich in südliche Richtung auf die I-45, die Golfautobahn, und passierte die Ausfahrt, an der sich die Wagen drängten, die zum Johnson Space Center wollten. Eine Stunde später überquerte ich die Dammstraße nach Galveston. Ich fuhr auf die andere Seite der Insel und über den Seawall Boulevard die Küste entlang, bis ich am Playa del Reyes, dem »Strand der Könige«, ankam. Hier befand sich eine protzige Siedlung von Strandhäusern, für die Houstons Geldadel Millionen hingeblättert hatte, um sich die rare Freizeit zu versüßen. Die örtliche Polizei hatte recht: Ein Mord in dieser Gegend blieb ganz sicher nicht unbemerkt von der Presse.
Streifenwagen des Galveston P.D. standen in einer Reihe an der Straße vor einer beigefarbenen Villa auf knapp fünf Meter hohen Pfählen. Das Haus war riesig, überragte teils eine kleine Landzunge, teils das Wasser und dürfte unmöglich zu versichern sein. Schließlich gilt es diese Kleinigkeit mit den Hurrikans zu bedenken. Der schlimmste hatte Texas im Jahr 1900 erwischt. Selbst wenn man Katrina mitrechnet, war er die tödlichste Naturkatastrophe in der amerikanischen Geschichte. Galveston war beinahe vollständig überflutet worden, über sechstausend Menschen waren gestorben - unter ihnen die neunundneunzig Waisenkinder im alten St. Mary's Asylum. Manche Leute in dieser Gegend glauben bis heute, dass die Insel verflucht ist.
Vom Strand aus blickten Schaulustige in Badeanzügen und Shorts zu dem gelben Absperrband hinauf. Fernsehkameras surrten, und eine Traube von Reportern mit Spiralblöcken rief mir Fragen zu, als ich an ihnen vorbeieilte. Ich hielt den Mund. Erstens hatte ich ihnen nichts zu sagen, weil ich bisher nur wusste, dass es einen ziemlich grausamen Doppelmord gegeben hatte, wobei eines der Opfer prominent war. Und zweitens meiden Rangers die Presse, wo sie können. Das ist einer unserer Grundsätze. Ich wollte einfach nur hinein und meinen Job machen. An der massiven Vordertür zeigte ich meine Dienstmarke, auf der das traditionelle silberne Wagenrad mit dem »Texas Lone Star« in der Mitte abgebildet war.
»Tut mir leid. Das ist ein abgeriegelter Tatort«, wies mich der blutjung aussehende Officer an der Tür ab, der beide Arme hob, um mich zurückzudrängen.
Verwundert sah ich den Knaben an. Er war offenbar nicht besonders helle.
Andererseits war das keine völlig untypische Reaktion. Eine alte Geschichte aus der Zeit des Ölrauschs von igoi erzählt von einem Aufstand in einer der frisch aufsprießenden osttexanischen Städte. Als er sich keinen Rat mehr wusste, telegrafierte der Sheriff nach Austin und bat den Gouverneur, ihm Rangers zu schicken, die für Ruhe sorgten. An dem Tag, als seine Rettung eintreffen sollte, stand der überforderte Gesetzeshüter am Bahnhof und rechnete mit einer Truppe. Doch es stieg bloß ein einzelner staubiger großer Cowboy mit einer Marke aus dem Zug.
»Der Gouverneur hat mir nur einen Ranger geschickt?«, fragte der fassungslose Sheriff.
»Soweit ich gehört habe, haben Sie auch nur einen Aufstand«, knurrte der Ranger.
Man stelle sich das verdutzte Gesicht des Sheriffs vor, wäre ich damals anstelle des baumlangen Kerls mit der Winchester aus dem Zug gestiegen.
»Okay«, sagte ich streng. »Versuchen wir's noch einmal, bevor ich Ihren Sergeant rufe. Möchten Sie sich meine Marke genauer ansehen?« Ich hatte ein mieses Jahr gehabt, das mieseste meines Lebens, und meine Geduld war längst für Wichtigeres draufgegangen. Als ich jedoch eben im Begriff war, den Burschen zusammenzustauchen, riss Detective O. L. Nelson vom Galveston P.D. die Tür auf.
»Junge, weißt du etwa nicht, wie ein Texas Ranger aussieht?«, fauchte Nelson den Knaben an und zwinkerte ihm zu. »Diese hübsche Dame ist Sarah Armstrong. Lieutenant Armstrong für dich. Da drinnen war- tet ein ganzes Aufgebot von Leuten, dass sie - und sie allein - dieses scheußliche Verbrechen aufklärt. Und jetzt schwing deinen knöchernen Hintern aus dem Weg, und lass unsere berühmte studierte Dame durch!«
Plötzlich schien dem Burschen ein Licht aufzugehen. Offensichtlich hatte der Detective vor, ein bisschen Spaß mit mir zu machen, also vollführte der Grünschnabel eine übertriebene Verbeugung und zog die Tür weit auf. »Natürlich, hier entlang, Ma'am«, säuselte er und zwinkerte seinerseits dem Detective zu. »Man erwartet Sie bereits.«
Dieser Tage sind weibliche Cops ungefähr so alltäglich wie männliche Krankenschwestern. Bei den Texas Rangers indessen ist es ein bisschen anders. Immerhin handelt es sich um die älteste Strafverfolgungstruppe des Landes, und Veränderungen gehen ungleich schwerer vonstatten, wenn man mit Legenden zu tun hat. Ich bin eine von gerade einmal zwei Frauen in unserem traditionsreichen Herrenverein, und ich muss zugeben, dass es bisweilen so spaßig ist, wie im Juli in einer Splitterschutzweste durch Houston zu laufen.
Detective Nelson war ein großer korpulenter Mann mit recht imposantem Gebaren und einem Tick, bei dem ihm hin und wieder die gesamte rechte Gesichtshälfte zusammenzuckte. Nun legte er mir formvollendet eine Hand unter den Ellbogen und geleitete mich ins Haus wie ein Highschool-Schüler, der seine Verabredung zum Abschlussball führt.
»Der Junge ist noch nicht ganz trocken hinter den Ohren«, raunte er mir zu und tat höchst empört. »Er muss erst lernen, wie sich ein Gentleman benimmt.«
»Ach ja?« Mir war nicht nach Scherzen zumute.
Jahre zuvor hatte ich Nelson kennengelernt, und keiner von uns mochte den anderen sonderlich gern.
In jenem Sommer hatte es eine Reihe von Raubüberfällen auf Autofahrer gegeben. Da Galveston vom Tourismus lebte, stießen die Überfälle den Handelskammerleuten ziemlich sauer auf. Furcht einflößende Schlagzeilen waren eben schlecht fürs Geschäft. Normalerweise übernehme ich keine Diebstahl- oder Raubfälle, aber in der Woche damals war viel los, und die Anfrage kam, als alle übrigen Rangers anderweitig beschäftigt waren. Mein Erscheinen auf der Insel gefiel Nelson überhaupt nicht, vor allem weil ich seiner Theorie widersprach, dass die gestohlenen Wagen aufs Festland verschifft würden. Warum sollte man ein ganzes Auto verstecken, wenn es in Einzelteilen viel leichter zu transportieren und zudem wertvoller war? Nachdem ich übernommen hatte, konzentrierte ich die Suche auf den Hafen von Galveston. Am zweiten Tag entdeckte eine Zivileinheit das Lagerhaus der Bande.
Wir liehen uns ein Panzerfahrzeug mit Rammvorrichtung von der DEA und führten gleich in der Nacht eine Razzia durch. Kaum waren wir drinnen, brach Chaos aus. Die Täter flohen wie rote Ameisen aus einem zerstörten Bau. Im allgemeinen Durcheinander sprang ein dummer weißer Junge hinter einer Kiste hervor und schlug Nelson ein Kantholz auf den Hinterkopf. Der stürzte, ließ seine Waffe fallen, und ein schlaksiger junger Schwarzer mit zauseligem Ziegenbärtchen wollte sie sich greifen. Zum Glück war ich nahe genug, um ihm meine 45er direkt an die Stirn zu halten. Ich musste gar nicht viel sagen, um ihn dazu zu bringen, die Waffe loszulassen.
In dieser Nacht verhafteten wir vier Autodiebe und konnten Teile von sechs gestohlenen Wagen sicherstellen, die für die Verschiffung nach Mexiko in Kisten verpackt waren. Für mich war der Fall damit abgeschlossen, aber Nelsons Vorgesetzte suspendierten ihn für eine Woche ohne Bezahlung, weil er fahrlässig mit seiner Waffe umgegangen war. Ich hielt es für Pech, denn unter den gegebenen Umständen hätte das jedem passieren können. Blöd, wie ich war, überlegte ich sogar, ihn anzurufen und ihm genau das zu sagen. Eine Woche später dann trudelte ein in Galveston abgestempelter Brief ohne Absender ein. In dem Umschlag war eine Zeichnung von einer halbnackten Polizistin, die rittlings auf einem Urinalbecken hockte.
Ich hängte sie zwischen den Ziggy- und den BizarroComic an meiner Bürotür, wo sie fast ein Jahr blieb, ehe ich sie zerriss und wegwarf.
Übersetzung: Sabine Schilasky
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by
Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Zögernd, widerstrebend wie die Nacht dem Morgen weicht, kehrte sein Bewusstsein zurück. Seine Augen passten sich Schatten für Schatten an die Dunkelheit an, bis sie zu einem grauen Nebel wurde. Sein Kopf ruhte auf dem Rucksack, der das Kissen auf seinem Bett aus körnigem braunen Sand spielte. Nach einer Nacht im Dämmerschlaf, immer wieder unterbrochen von verstörenden Träumen und Gedanken, die sich über seine Erschöpfung mokierten, war die Stirn des jungen Mannes schweißnass, und seine Knochen schmerzten. Jedes Mal fing es gleich an: Eine schwammige Angst baute sich in ihm auf, die ihn zunehmend angespannt und reizbar machte. Am Ende stellte er eine genauso tödliche Waffe dar wie das Jagdmesser mit der Zwanzig-ZentimeterKlinge in der Lederscheide, das er hinten an seinem Gürtel trug.
Wo bin ich?, ging es ihm durch den Kopf, und er sah sich um.
Über ihm bedeckten hellgraue Wolken den Himmel, und eine lauwarme Frühlingsbrise kühlte seine verschwitzte Haut. Der Meersalzgeruch, der ihm beim Atmen in die Nase stieg, half seinem Gedächtnis auf die Sprünge. Im selben Moment, in dem erste Sonnenstrahlen die zinngrauen Wellen des Golfs von Mexiko golden färbten, fiel es ihm wieder ein.
Stimmt ja. Galveston.
Während die Sonne am wässrigen Horizont aufstieg, verließ er den Strand und begab sich in die noch fast menschenleere Altstadt. Er betrachtete die verlassene Straße vor sich. Ein mit Jacquard- und Blumenmustern bemalter Torbogen, der im Morgenlicht leuchtete, überspannte das alte Pflaster. Darüber segelten aufgeregt kreischende Möwen.
Er blieb stehen und blickte zu einem kastigen braunen Klinkerbau mit fünf Reihen hoher schmaler Fenster. Es handelte sich um ein ehemaliges Lagerhaus, in dem vor über hundert Jahren texanische Baumwolle darauf gewartet hatte, auf Schiffe geladen und in englische Webereien verfrachtet zu werden, wo die Arbeiter unter unwürdigsten Bedingungen schufteten. Ein Schild oben an dem Gebäude warb: NEU RENOVIERTE LOFTS. Er sah genauer hin. Die Adresse stand in Goldlettern über der Glaseingangstür, und während fast alle Fenster dunkel waren, wurde die Eingangshalle hell erleuchtet und wirkte einladend und warm.
Nicht mehr lange, dachte er.
»Gib's mir! Gib's mir!«, murmelte jemand. Der jun- ge Mann drehte sich zu der viktorianischen Ladenfront auf der anderen Straßenseite um und bemerkte einen heruntergekommenen alten Mann in einem ölig-fleckigen Wollmantel, der auf schmutzigen Pappen in einem Eingang lag. Über der gekrümmten Gestalt ragte ein Schaufenster voller grellbunter Mardi-Gras-Kostüme auf - Masken an Stäben mit gelben, roten und grünen Federn. Allesamt mit leeren Augen.
Der junge Mann blickte stirnrunzelnd zu dem alten Murmler, der zuckte und zitterte. Wie er aussah, würde er bald an dem Alkohol sterben, der ihm Verstand und Körper zerfraß.
»Du lohnst die Mühe nicht«, flüsterte der junge Mann und lachte leise.
Angezogen von dem beleuchteten Ladeninneren, schaute er durchs Fenster. Aus dem Spiegel an der gegenüberliegenden Wand starrte ihm sein ausdrucksloses Gesicht entgegen, ein langweiliges Allerweltsgesicht, von weizengelbem Haar umrahmt. Einzig die Augen waren außergewöhnlich: eisblau, streng und von entschlossener Kälte.
Einige Momente lang war es totenstill, und er wartete, beinahe regungslos, dass etwas Unsichtbares seine Sinne weckte und ihn mit jener inneren Erregung erfüllte, von der er gelernt hatte, dass sie das erste Anzeichen bevorstehender Befriedigung war.
»Es ist Zeit«, flüsterte er.
Kurz darauf kam eine Frau um die Ecke und auf ihn zu. Sie war schlank, sportlich, trug neonpinke Joggingshorts und ein weißes T-Shirt mit Schweißflecken sowie eine weiße Baseball-Kappe, unter der kurzes blondes Haar hervorlugte.
Er studierte aufmerksam, wie sie den Kopf neigte, als sie sich die Stirn mit dem dünnen hellblauen Handtuch abwischte, das ihr um den Hals hing. Sie hatte einen bezaubernden Hals, lang und weiß. In seinem Kopf blitzte ein Bild auf: Seine Klinge glitt über ihr Schlüsselbein und in die weiche, nachgebende Haut hinein. Er malte sich das Parfum ihrer Furcht aus, während er tief im Innern erschauderte.
Hier bin ich, dachte er. Deinetwegen bin ich gekommen.
Die Frau ging eilig an ihm vorbei, drehte sich dann aber noch einmal um. Zuerst lächelte sie freundlich, doch dann erstarrten ihre Lippen, nahm ihr Gesicht einen ängstlich-verkniffenen Ausdruck an. Sofort wandte sie sich wieder ab und lief über die Straße zu dem umgebauten Lagerhaus, wo sie im goldenen Licht der Eingangshalle verschwand.
Der junge Mann draußen auf der Straße lächelte.
ZWEI
Ich sah gerade zur Wanduhr im Büro, als die Nachricht des Captains um 1:07 an diesem Freitagnachmittag auf meinem Schreibtisch landete. Das Büro des Gouverneurs hatte angerufen. In Galveston verlangte man nach meinen Diensten. Irgendein hohes Tier war tot, eines unnatürlichen Todes gestorben, und der Police Chief der Insel bat um Hilfe. Zunächst schien nichts Ungewöhnliches an dem Fall. Erst später fragte ich mich, warum sich meine Nackenhaare nicht gleich aufgestellt oder Alarmglocken in meinem Kopf geschrillt hatten. Es hätte doch eine Art Warnung geben müssen, ein Habachtsignal, dass mein Leben dabei war, in den fünften Gang zu wechseln, und nichts in meinen bisherigen Jahren als Strafverfolgerin mich auf die Aufgabe vorbereitet hatte, die mir bevorstand. Wieso ahnte ich nicht einmal, dass ich es diesmal mit einem besonders teuflischen Gegenspieler zu tun bekam?
Texas Rangers sollten nicht eiskalt erwischt werden. Es gibt ein Sprichwort aus den wüsten alten Zeiten, als der Westen noch wild war und Rangers für einen Dollar fünfundzwanzig angeheuert wurden, um gegen Indianer zu kämpfen und in den Krieg gegen Mexiko zu ziehen: »Der Texas Ranger reitet wie ein Mexikaner, liest Fährten wie ein Indianer, schießt wie einer aus Tennessee und kämpft wie der Teufel persönlich.«
Wer sich diesen Spruch ausgedacht hat, wollte weder die Mexikaner noch die Indianer oder die Einwohner Tennessees beleidigen. Aber kann eigentlich irgendjemand darauf vorbereitet sein, gegen den Teufel anzutreten?
Das Böse, das in jenem Moment in mein Leben eindrang, als ich den Telefonhörer auflegte, meine 45er Halbautomatik mit dem abgewetzten Hirschhorngriff in das Holster steckte, mir meine dunkelblaue Jacke schnappte und aus dem Büro ging, sollte bald alles bedrohen, was mir lieb und teuer war, woran ich glaubte. Sogar mein Leben.
Deshalb frage ich: Hätte Gott mich nicht warnen, die verdammte Glocke läuten müssen? Wenn ich es andererseits rückblickend und vernünftig betrachte, darf ich dem Allmächtigen wohl keinen Vorwurf machen.
Soll ich ehrlich sein? Ich habe nicht richtig aufgepasst.
Die meisten Menschen machen sich keine Vorstellung von Texas. Weil es immerzu heißt, dass es groß ist, denkt niemand mehr darüber nach, wie groß. Texas hat eine größere Fläche als Illinois, Indiana, Iowa, Michigan und Wisconsin zusammen. Wir Rangers sind so etwas wie ein bundesstaatliches Scotland Yard, unterstehen dem Texas Department of Public Safety, kurz DPS genannt, und somit direkt dem Gouverneur. Unser Zuständigkeitsbereich erstreckt sich vom Pfannenstiel bis zum Rio Grande, von El Paso bis Corpus Christi und über den
endlos langen Grenzbereich mit Mexiko. Alles in allem decken also 118 Rangers einen Bereich von 692.245 Quadratkilometern ab - Berge, Täler, Wälder, Farmland, Kleinstädte und Großstädte. Aber wir sind ein öffentlichkeitsscheuer Haufen. Wir mischen uns erst in Ermittlungen ein, wenn uns die örtlichen Behörden bitten, wenn ein Fall ihre Ressourcen sprengt, ihren Zuständigkeitsbereich überschreitet oder, wie in dieser Angelegenheit, wenn die örtliche Polizei auf den ersten Blick erkennt, dass die Sache in die Schlagzeilen kommt und sie sich daran gewaltig die Finger verbrennen könnten. Dann zählen sie auf uns, dass wir das Feuer löschen, indem wir den Fall schnell und ohne viel Lärm lösen.
Zu meiner Person: Ich bin die einzige Profilerin der Rangers. Braucht irgendein Polizist irgendwo in Texas einen Profiler, um die Liste der Verdächtigen einzugrenzen, bin ich diejenige, die er anruft. Ich arbeite von der Ranger Company A aus, die in meiner Heimatstadt Houston sitzt. Houston ist eine schrille Stadt, in der sich Cowboys, Spekulanten und Nadelstreifenträger mit italienischen Maßschuhen tummeln. Wie Texas dehnt sich auch Houston endlos aus. Einmal quer durch die Stadt zu fahren dauert fast länger, als die meisten der kleinen Ostküstenstaaten abzureisen.
Man stelle sich ein flaches Los Angeles ohne Hafen und mit Bäumen vor.
Galveston Island liegt südwestlich von Houston, gleich vor der Küste am Golf von Mexiko. Mit blinkendem Blaulicht auf meinem bordeauxroten Chevy Tahoe fuhr ich an jenem Nachmittag von meinem Büro an der Westside über die Interstate 10 durch die Stadt. Die Firmenembleme auf den verspiegelten Wolkenkratzern rechts und links lasen sich wie ein »Who's who« der Ölgiganten, angefangen bei Shell und Evron bis hin zu Exxon. Von der I-10 bog ich in südliche Richtung auf die I-45, die Golfautobahn, und passierte die Ausfahrt, an der sich die Wagen drängten, die zum Johnson Space Center wollten. Eine Stunde später überquerte ich die Dammstraße nach Galveston. Ich fuhr auf die andere Seite der Insel und über den Seawall Boulevard die Küste entlang, bis ich am Playa del Reyes, dem »Strand der Könige«, ankam. Hier befand sich eine protzige Siedlung von Strandhäusern, für die Houstons Geldadel Millionen hingeblättert hatte, um sich die rare Freizeit zu versüßen. Die örtliche Polizei hatte recht: Ein Mord in dieser Gegend blieb ganz sicher nicht unbemerkt von der Presse.
Streifenwagen des Galveston P.D. standen in einer Reihe an der Straße vor einer beigefarbenen Villa auf knapp fünf Meter hohen Pfählen. Das Haus war riesig, überragte teils eine kleine Landzunge, teils das Wasser und dürfte unmöglich zu versichern sein. Schließlich gilt es diese Kleinigkeit mit den Hurrikans zu bedenken. Der schlimmste hatte Texas im Jahr 1900 erwischt. Selbst wenn man Katrina mitrechnet, war er die tödlichste Naturkatastrophe in der amerikanischen Geschichte. Galveston war beinahe vollständig überflutet worden, über sechstausend Menschen waren gestorben - unter ihnen die neunundneunzig Waisenkinder im alten St. Mary's Asylum. Manche Leute in dieser Gegend glauben bis heute, dass die Insel verflucht ist.
Vom Strand aus blickten Schaulustige in Badeanzügen und Shorts zu dem gelben Absperrband hinauf. Fernsehkameras surrten, und eine Traube von Reportern mit Spiralblöcken rief mir Fragen zu, als ich an ihnen vorbeieilte. Ich hielt den Mund. Erstens hatte ich ihnen nichts zu sagen, weil ich bisher nur wusste, dass es einen ziemlich grausamen Doppelmord gegeben hatte, wobei eines der Opfer prominent war. Und zweitens meiden Rangers die Presse, wo sie können. Das ist einer unserer Grundsätze. Ich wollte einfach nur hinein und meinen Job machen. An der massiven Vordertür zeigte ich meine Dienstmarke, auf der das traditionelle silberne Wagenrad mit dem »Texas Lone Star« in der Mitte abgebildet war.
»Tut mir leid. Das ist ein abgeriegelter Tatort«, wies mich der blutjung aussehende Officer an der Tür ab, der beide Arme hob, um mich zurückzudrängen.
Verwundert sah ich den Knaben an. Er war offenbar nicht besonders helle.
Andererseits war das keine völlig untypische Reaktion. Eine alte Geschichte aus der Zeit des Ölrauschs von igoi erzählt von einem Aufstand in einer der frisch aufsprießenden osttexanischen Städte. Als er sich keinen Rat mehr wusste, telegrafierte der Sheriff nach Austin und bat den Gouverneur, ihm Rangers zu schicken, die für Ruhe sorgten. An dem Tag, als seine Rettung eintreffen sollte, stand der überforderte Gesetzeshüter am Bahnhof und rechnete mit einer Truppe. Doch es stieg bloß ein einzelner staubiger großer Cowboy mit einer Marke aus dem Zug.
»Der Gouverneur hat mir nur einen Ranger geschickt?«, fragte der fassungslose Sheriff.
»Soweit ich gehört habe, haben Sie auch nur einen Aufstand«, knurrte der Ranger.
Man stelle sich das verdutzte Gesicht des Sheriffs vor, wäre ich damals anstelle des baumlangen Kerls mit der Winchester aus dem Zug gestiegen.
»Okay«, sagte ich streng. »Versuchen wir's noch einmal, bevor ich Ihren Sergeant rufe. Möchten Sie sich meine Marke genauer ansehen?« Ich hatte ein mieses Jahr gehabt, das mieseste meines Lebens, und meine Geduld war längst für Wichtigeres draufgegangen. Als ich jedoch eben im Begriff war, den Burschen zusammenzustauchen, riss Detective O. L. Nelson vom Galveston P.D. die Tür auf.
»Junge, weißt du etwa nicht, wie ein Texas Ranger aussieht?«, fauchte Nelson den Knaben an und zwinkerte ihm zu. »Diese hübsche Dame ist Sarah Armstrong. Lieutenant Armstrong für dich. Da drinnen war- tet ein ganzes Aufgebot von Leuten, dass sie - und sie allein - dieses scheußliche Verbrechen aufklärt. Und jetzt schwing deinen knöchernen Hintern aus dem Weg, und lass unsere berühmte studierte Dame durch!«
Plötzlich schien dem Burschen ein Licht aufzugehen. Offensichtlich hatte der Detective vor, ein bisschen Spaß mit mir zu machen, also vollführte der Grünschnabel eine übertriebene Verbeugung und zog die Tür weit auf. »Natürlich, hier entlang, Ma'am«, säuselte er und zwinkerte seinerseits dem Detective zu. »Man erwartet Sie bereits.«
Dieser Tage sind weibliche Cops ungefähr so alltäglich wie männliche Krankenschwestern. Bei den Texas Rangers indessen ist es ein bisschen anders. Immerhin handelt es sich um die älteste Strafverfolgungstruppe des Landes, und Veränderungen gehen ungleich schwerer vonstatten, wenn man mit Legenden zu tun hat. Ich bin eine von gerade einmal zwei Frauen in unserem traditionsreichen Herrenverein, und ich muss zugeben, dass es bisweilen so spaßig ist, wie im Juli in einer Splitterschutzweste durch Houston zu laufen.
Detective Nelson war ein großer korpulenter Mann mit recht imposantem Gebaren und einem Tick, bei dem ihm hin und wieder die gesamte rechte Gesichtshälfte zusammenzuckte. Nun legte er mir formvollendet eine Hand unter den Ellbogen und geleitete mich ins Haus wie ein Highschool-Schüler, der seine Verabredung zum Abschlussball führt.
»Der Junge ist noch nicht ganz trocken hinter den Ohren«, raunte er mir zu und tat höchst empört. »Er muss erst lernen, wie sich ein Gentleman benimmt.«
»Ach ja?« Mir war nicht nach Scherzen zumute.
Jahre zuvor hatte ich Nelson kennengelernt, und keiner von uns mochte den anderen sonderlich gern.
In jenem Sommer hatte es eine Reihe von Raubüberfällen auf Autofahrer gegeben. Da Galveston vom Tourismus lebte, stießen die Überfälle den Handelskammerleuten ziemlich sauer auf. Furcht einflößende Schlagzeilen waren eben schlecht fürs Geschäft. Normalerweise übernehme ich keine Diebstahl- oder Raubfälle, aber in der Woche damals war viel los, und die Anfrage kam, als alle übrigen Rangers anderweitig beschäftigt waren. Mein Erscheinen auf der Insel gefiel Nelson überhaupt nicht, vor allem weil ich seiner Theorie widersprach, dass die gestohlenen Wagen aufs Festland verschifft würden. Warum sollte man ein ganzes Auto verstecken, wenn es in Einzelteilen viel leichter zu transportieren und zudem wertvoller war? Nachdem ich übernommen hatte, konzentrierte ich die Suche auf den Hafen von Galveston. Am zweiten Tag entdeckte eine Zivileinheit das Lagerhaus der Bande.
Wir liehen uns ein Panzerfahrzeug mit Rammvorrichtung von der DEA und führten gleich in der Nacht eine Razzia durch. Kaum waren wir drinnen, brach Chaos aus. Die Täter flohen wie rote Ameisen aus einem zerstörten Bau. Im allgemeinen Durcheinander sprang ein dummer weißer Junge hinter einer Kiste hervor und schlug Nelson ein Kantholz auf den Hinterkopf. Der stürzte, ließ seine Waffe fallen, und ein schlaksiger junger Schwarzer mit zauseligem Ziegenbärtchen wollte sie sich greifen. Zum Glück war ich nahe genug, um ihm meine 45er direkt an die Stirn zu halten. Ich musste gar nicht viel sagen, um ihn dazu zu bringen, die Waffe loszulassen.
In dieser Nacht verhafteten wir vier Autodiebe und konnten Teile von sechs gestohlenen Wagen sicherstellen, die für die Verschiffung nach Mexiko in Kisten verpackt waren. Für mich war der Fall damit abgeschlossen, aber Nelsons Vorgesetzte suspendierten ihn für eine Woche ohne Bezahlung, weil er fahrlässig mit seiner Waffe umgegangen war. Ich hielt es für Pech, denn unter den gegebenen Umständen hätte das jedem passieren können. Blöd, wie ich war, überlegte ich sogar, ihn anzurufen und ihm genau das zu sagen. Eine Woche später dann trudelte ein in Galveston abgestempelter Brief ohne Absender ein. In dem Umschlag war eine Zeichnung von einer halbnackten Polizistin, die rittlings auf einem Urinalbecken hockte.
Ich hängte sie zwischen den Ziggy- und den BizarroComic an meiner Bürotür, wo sie fast ein Jahr blieb, ehe ich sie zerriss und wegwarf.
Übersetzung: Sabine Schilasky
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by
Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
... weniger
Autoren-Porträt von Kathryn Casey
Kathryn Casey ist Journalistin und hat fünf äußerst erfolgreiche True-Crime-Bücher veröffentlicht. 'Blutsühne', ihr erster Roman, wurde von der Presse ebenso wie von den Lesern begeistert aufgenommen. Sie ist Mutter zweier erwachsener Kinder und lebt heute mit ihrem Mann in Houston.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kathryn Casey
- 2011, 416 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Sabine Schilasky
- Verlag: Diana
- ISBN-10: 3453354389
- ISBN-13: 9783453354388
Rezension zu „Blutsühne “
"Kathryn Casey's gute Recherchearbeit, ihre geschickte Handlungsführung und die äußerst sensible Beschreibung der Heldin Sarah und ihrer Beziehung zu ihrer trauernder Tochter machen diesen Serienkiller-Thriller zugleich zu einem ergreifenden, bewegenden Familiendrama."
Kommentar zu "Blutsühne"
0 Gebrauchte Artikel zu „Blutsühne“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Blutsühne".
Kommentar verfassen