Der Mächtige und der Allmächtige
Madeleine Albright plädiert für eine amerikanische Außenpolitik, die auf Verständnis für die Eigenheiten anderer Kulturen beruht, eine Außenpolitik, die wieder einer unzweifelhaften moralischen Leitlinie folgen muss - dem Kerngebot aller Religionen dieser Welt: Frieden und Gerechtigkeit unter den Menschen zu schaffen.
Madeleine Albright plädiert für eine amerikanische Außenpolitik, die auf Verständnis für die Eigenheiten anderer Kulturen beruht, eine Außenpolitik, die wieder einer unzweifelhaften moralischen Leitlinie folgen muss dem Kerngebot aller Religionen dieser Welt: Frieden und Gerechtigkeit unter den Menschen zu schaffen.
"Madeleine Albrights Beobachtungen sind zeitgemäß, überzeugend und manchmal unbequem. Ein großartiges, einzigartiges Buch."
Václav Havel
Der Mächtige und der Allmächtige von Madeleine K. Albright
LESEPROBE
Vorwort
William J. Clinton
Zweiundvierzigster Präsident der USA
Während ihrer Amtszeit als Außenministerin zeigte Madeleine Albright der ganzenWelt, was ich bereits zuvor an ihr kennen und schätzen gelernt hatte: Siescheut nicht vor schwierigen Problemen zurück und nimmt kein Blatt vor denMund. In ihrem Buch Der Mächtige und der Allmächtige behandelt sie mitungewöhnlicher Offenheit und klarem Verstand die internationale Rolle derVereinigten Staaten von Amerika; sie schreibt über Fragen von Ethik und Religion,über die aktuelle globale Spaltung und die weltweite Besorgnis. Meines Wissenshat keiner ihrer Vorgänger Vergleichbares zu Papier gebracht. Es handelt sichhier um ein außergewöhnliches Buch. Sie hat es entgegen dem wohlmeinendenRatschlag ihrer Freunde geschrieben, die befürchteten, bei der Behandlungdieser Themen könnten sich einige auf die Zehen getreten fühlen. Ich weiß auseigener Erfahrung, dass man dergleichen nur durch Unbeweglichkeit vermeidenkann. Madeleine Albright aber ist das verkörperte Streben nach vorne.
Nachdem wir uns in einem frühen Stadium über dieses Buchprojekt unterhaltenhatten, rief ich Madeleine später an, um mit ihr darüber weiter zu diskutieren.Ich wusste damals nicht, wo sie sich gerade aufhielt. Mein Anruf erreichte siein Polen, wo sie in Gdansk an den Feierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen der Solidarno s c teilnahm. Diese Demokratiebewegung läutetedas Ende des Kalten Kriegs ein und brachte Zentral- und Osteuropa die Freiheit.Madeleine stand gerade mitten in der Menge zwischen dem ehemaligentschechischen Staatspräsidenten Václav Havel und den amtierenden PräsidentenPolens und der Ukraine. Sie reichte den Hörer weiter und so hatte ich dieunerwartete Gelegenheit, ein paar Worte mit alten Bekannten zu wechseln. In derZwischenzeit legte Madeleine einen Blumenstrauß am Denkmal für die Solidarno s c nieder und nahm an einer dreistündigen Messeunter freiem Himmel zur Feier der Befreiung teil. Ich hatte sie zu einemZeitpunkt erreicht, als Gott und die Demokratie gemeinsam auftraten. DasVerhältnis zwischen diesen beiden ist Gegenstand einer anhaltenden Kontroverseund zugleich ein zentrales Thema dieses Buches.
»Die Religion bildet den Kern der Demokratie. Alle neuen und alten Religionenfinden sich dort wieder.« Diese Sätze schrieb WaltWhitman. Wir alle kennen Menschen, die den ersten Satz von Whitmanunterschreiben würden, den zweiten jedoch nicht. Damit aber verlieren beideihre Bedeutung. Im günstigsten Fall stehen Religion und Demokratie für dieGleichheit aller Menschen und beide anerkennen den Wert jedes einzelnenmenschlichen Wesens. Wir alle sind von unserem Schöpfer geprägt und wir alleverfügen über unveräußerliche Rechte. Diese Maximen widersprechen sich nicht,sie verweisen aufeinander, sie sind umfassend und schließen alle ein.Problematisch wird es, wenn wir Whitmans Position durch unsere eigene Deutungzu ersetzen versuchen, wenn wir glauben, dass all jene, die unser Verständnisteilen, besser sind als jene, die das nicht tun. Wer glaubt, glaubt auch an dieabsolute Wahrheit. Das ist etwas vollkommen anderes als die Behauptung, dassfehlbare Menschen im Besitz unfehlbarer Wahrheiten sein können oder dass nurunsere politische Anschauung wahr ist und wir daher das Recht haben, jene, dieanderen Glaubens sind, zu bestrafen, zu nötigen oder zu missbrauchen.
Die amerikanische Verfassung schuf etwas vollkommen Neues; mit ihr entstandeine Regierungsform, die nicht auf die höchsten Vertreter der Regierungvertraut, deren Macht durch ein System der Gewaltenteilung gezähmt ist, sondernauf das Volk als Ganzes. Unter den Beschränkungen, die den Regierenden von denVätern der Verfassung auferlegt wurden, findet sich die Religionsfreiheit: Esdarf keine Staatsreligion geben und niemand darf an der Ausübung seines Glaubensgehindert werden. Die historische Erfahrung hatte gezeigt, dass die Verbindungvon religiöser und weltlicher Macht Gift ist.
Natürlich wissen wir auch, dass die Macht des Glaubens zum Zweck derMachtsicherung missbraucht werden kann. Slobodan Miloševi credete von der Verteidigung des christlichen Europas auf dem Balkan, aber inWahrheit nutzte er die Religion und die extreme religiöse Spaltung, um seineeigene Machtposition zu stärken. Osama Bin Ladentritt als Verteidiger des Islam auf, aber seine Bereitschaft, unschuldigeMenschen, darunter auch Glaubensbrüder, zu ermorden, ist mit dem Koran nicht zubegründen und zeigt, dass er nicht im Glauben handelt. In den falschen Händenwird Religion zum Hebel, den man ansetzt, um die Menschheit zu spalten, undzwar nicht aufgrund tiefer spiritueller Erkenntnis, sondern aus schnödemEigeninteresse.
Sollten also Politiker die Religion aus dem öffentlichen Leben heraushalten?Madeleine Albright beantwortet diese Frage mit einem klaren und deutlichenNein. Nicht nur, dass wir es nicht tun sollten, es würde uns gar nichtgelingen. Religiöse Überzeugungen lassen sich nicht abstreifen wie ein PaarStiefel - wenn es sich um echte Überzeugungen handelt. Wir tragen sie mit uns,was immer wir tun, die Skeptiker und Atheisten ebenso wie die wahren Gläubigen.Ein Präsident oder ein Außenminister entscheidet im Licht der eigenenreligiösen Überzeugungen und muss dabei die Wirkung dieser Entscheidungen aufjene berücksichtigen, die einem anderen Glaubenanhängen. Allerdings ist dies alles andere als einfach, wie uns MadeleineAlbright vor Augen führt.
Während meines Besuchs in Indien im Jahr 2000 ermordeten ein paar militanteHindus in ihrer Wut kaltblütig 38 Sikhs. Hätte ich die Reise nicht angetreten,wären sie heute vielleicht noch am Leben. Hätte ich auf die Reise verzichtetaus Sorge um die Reaktion der religiösen Extremisten, wäre ich meiner Aufgabeals Präsident der Vereinigten Staaten nicht gerecht geworden. Viele Menschenauf dieser Welt definieren sich - ganz oder teilweise - durch ihr Verhältnis zuden Vereinigten Staaten von Amerika, im Positiven wie im Negativen. Unterdiesen Bedingungen müssen die Verantwortlichen in unserem Land agieren. Wiesollten wir reagieren, wenn radikale Imame versuchen, enttäuschte undentfremdete junge Menschen, die nicht alle arm und ungebildet sein müssen, zubeeinflussen, wenn sie ihnen als Selbstmordattentäter, die auch Zivilisten aufdem Gewissen haben, den kurzen Weg ins Paradies versprechen? Wir könnenversuchen, sie zu töten oder gefangen zu nehmen. Aber wir werden nicht alleerwischen. Wir können versuchen, sie zu überzeugen, können versuchen, sie vomWeg der Gewalt abzubringen. Wenn unsere Argumente bei ihnen aber nichtfruchten, weil sie einen anderen Erfahrungshintergrund haben, wird auch diesesUnterfangen nicht erfolgreich sein. Die beste Lösung besteht in derZusammenarbeit mit jenen Muslimen, die ebenfalls versuchen, die Herzen dieserJugend zu erreichen, um ihnen ein umfassendes Verständnis des Islam an Stelleeiner verzerrten und zerstückelten Version zu vermitteln.
Ich bin der festen Überzeugung, dass dies gelingen kann, und zwar nicht, indemman diesen Glauben verwässert, sondern indem man nach seiner spirituellen Tiefesucht. Die drei abrahamitischen Religionen haben mehrGemeinsamkeiten als Differenzen. Sie alle predigen Ehrfurcht, Mildtätigkeit,Demut und Liebe. Und alle sind uns nicht völlig offenbart. Die Herausforderungfür unsere Politiker besteht darin, auf den Gemeinsamkeiten aufzubauen, um dieextremen Auswüchse zu bekämpfen und die Unterstützung für den Terrorismus zuunterbinden. Wenn die Menschen ihre gemeinsame Menschlichkeit erst einmalanerkannt haben, wird es zunehmend schwieriger, den anderen zu dämonisieren undHass und Zerstörung zu predigen. Es ist viel leichter, mit einem der »Unseren«einen gemeinsam getragenen Kompromiss zu finden als mit den so genannten»Anderen«. Unsere religiösen Überzeugungen können uns helfen, uralte Gräben zuüberwinden. Es gibt keine wichtigere Aufgabe, aber wie uns dieses Buch vonMadeleine Albright zeigt, ist es eine Aufgabe, der wir uns - viereinhalb Jahrenach dem 11. September - noch kaum gestellt haben.
New York
Im Februar 2006
© Droemer Knaur Verlagsgruppe
Übersetzung:Reinhard Kreissl und MariaZybak
- Autor: Madeleine Korbel Albright
- 2006, 1, 368 Seiten, Maße: 14,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Mit Bill Woodward
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426273993
- ISBN-13: 9783426273999
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