Der wunde Punkt
Die Halls sind eine typisch amerikanische Vorstadtfamilie, bei der eigentlich alles in Ordnung ist, oder? Vater George wird im Ruhestand zunehmend zum Hypochonder. Mutter Hall hat einen Liebhaber. Tochter Katie heiratet zum zweiten Mal und Sohn Jamie ist...
Die Halls sind eine typisch amerikanische Vorstadtfamilie, bei der eigentlich alles in Ordnung ist, oder? Vater George wird im Ruhestand zunehmend zum Hypochonder. Mutter Hall hat einen Liebhaber. Tochter Katie heiratet zum zweiten Mal und Sohn Jamie ist ständig unglücklich verliebt - der ganz normale Wahnsinn also.
Als George Hall in der Kabine eines Kaufhauses einen schwarzen Anzug anprobiert, entdeckt er einen dunklen Fleck an seiner Hüfte. Sein erster Gedanke: Krebs. Sein zweiter: Wie bringe ich mich am besten um? Er erleidet einen Blackout, den er vor seiner Familie geheim zu halten versucht.
Seine Tochter Katie hat da ein ganz anderes Naturell: Mit immer neuen Lebensentwürfen hält sie die Familie in Atem. Jetzt kündigt sie an, dass sie ein zweites Mal heiraten wird. Als das misstrauisch beäugte Paar bei George und seiner Frau seine Aufwartung macht, erwischt es den Familienvater zum zweiten Mal: Mitten in einer Unterhaltung bekommt er keine Luft mehr, und die Wortezerfallen ihm zu sinnlosen Geräuschkaskaden. Wenig später erwischt er auch noch seine Frau beim Seitensprung.
Aber George ist nicht der einzige Hall, der leidet. Sohn Jamie hat endlich mal einen festen Freund, weiß aber nicht, ob er diesen auf die Hochzeit seiner Schwester mitnehmen soll. Er zögert so lange, bis der Geliebte Reißaus nimmt. Was umso absurder ist, als jetzt auch noch Katies Trauung ins Wasser zu fallen droht
Aus der Perspektive seiner vier schillernden Hauptfiguren entfaltet Mark Haddon ein ebenso komisches wie abgründiges Drama über jene menschliche Institution, die am verlässlichsten Katastrophen produziert und daher für den Fortbestand unserer Gattung unentbehrlich ist: die Zwei-Kinder-Standardfamilie mit Vorstadthaus und Garten. Meisterhaft (THE INDEPENDENT) lauscht Haddon dem ganz gewöhnlichen Familienwahnsinn ungewöhnliche Töne ab und schürt die Spannung seiner Geschichte wie in einem Kriminalroman.
Als George Hall in der Kabine eines Kaufhauses einen schwarzen Anzug anprobiert, entdeckt er einen dunklen Fleck an seiner Hüfte. Sein erster Gedanke: Krebs. Sein zweiter: Wie bringe ich mich am besten um? Er erleidet einen Blackout, den er vor seiner Familie geheim zu halten versucht.
Seine Tochter Katie hat da ein ganz anderes Naturell: Mit immer neuen Lebensentwürfen hält sie die Familie in Atem. Jetzt kündigt sie an, dass sie ein zweites Mal heiraten wird. Als das misstrauisch beäugte Paar bei George und seiner Frau seine Aufwartung macht, erwischt es den Familienvater zum zweiten Mal: Mitten in einer Unterhaltung bekommt er keine Luft mehr, und die Worte zerfallen ihm zu sinnlosen Geräuschkaskaden. Wenig später erwischt er auch noch seine Frau beim Seitensprung.
Aber George ist nicht der einzige Hall, der leidet. Sohn Jamie hat endlich mal einen festen Freund, weiß aber nicht, ob er diesen auf die Hochzeit seiner Schwester mitnehmen soll. Er zögert so lange, bis der Geliebte Reißaus nimmt. Was umso absurder ist, als jetzt auch noch Katies Trauung ins Wasser zu fallen droht ...
Aus der Perspektive seiner vier schillernden Hauptfiguren entfaltet Mark Haddon ein ebenso komisches wie abgründiges Drama über jene menschliche Institution, die am verlässlichsten Katastrophen produziert und daher für den Fortbestand unserer Gattung unentbehrlich ist: die Zwei-Kinder-Standardfamilie mit Vorstadthaus und Garten. 'Meisterhaft' (THE INDEPENDENT) lauscht Haddon dem ganz gewöhnlichen Familienwahnsinn ungewöhnliche Töne ab und schürt die Spannung seiner Geschichte wie in einem Kriminalroman.
"Brillant [...] wundervoll einfühlsam [...] voller Leidenschaft und Humor". The New York Times
"Höchst unterhaltsam, schnell und voller Charme." - The Guardian
"[Haddon] beschreibt seine Charaktere so witzig und einfühlsam, dass sie einem ans Herz wachsen - bis man mit Ihnen zusammen auf ein gutes Ende hofft." - Brigitte
Der wunde Punkt von Mark Haddon
LESEPROBE
Alles fingdamit an, dass George eine Woche vor Bob Greens Beerdigungeinen schwarzen Anzug bei Alders anprobierte. Es war nicht die Aussicht auf dieBeerdigung, die ihn aus der Bahn geworfen hatte. Auch nicht Bobs Tod. Wenn erganz ehrlich sein wollte, hatte er Bobs schulterklopfendeJovialität immer etwas ermüdend gefunden und war insgeheim erleichtert, dass ernicht mehr mit ihm zusammen Squash spielen musste. Auch die Art, wie Bobgestorben war (ein Herzinfarkt, während er sich ein Bootsrennen im Fernsehenansah), war merkwürdig beruhigend. Als Susan vom Besuch bei ihrer Schwesternach Hause gekommen war, hatte sie ihn in der Zimmermitte gefunden, wo er miteiner Hand über den Augen dalag und so friedlich aussah, dass sie zuerstdachte, er schliefe.
Wahrscheinlichtat es weh. Aber mit Schmerzen konnte man fertig werden. Dann wurden bestimmtauch ziemlich bald die Endorphine ausgeschüttet, und dann kam das Gefühl, dasgesamte Leben zöge vor dem geistigen Auge vorbei, was George vor ein paarJahren auch schon einmal erlebt hatte, als er von einer Trittleiter gefallenwar, sich den Ellbogen auf der Steineinfassung gebrochen hatte und ohnmächtiggeworden war, was er als gar nicht so unangenehm in Erinnerung hatte. Mit demTunnel aus weißem Licht, sobald die Augen sich für immer schlossen, war esvermutlich nicht sehr viel anders, wenn man an die vielen Leute dachte, diehörten, wie die Engel sie heimriefen, und dannaufwachten und einen Assistenzarzt mit dem Defibrillatorüber sich stehen sahen.
Dann nichts mehr. Es wäre vorbei.
Natürlichwar es zu früh. Bob war einundsechzig gewesen. Und es war ein schwerer Schlagfür Susan und die Söhne, auch wenn Susan jetzt aufblühte, da sie ihre Sätze nunselbst zu Ende sprechen durfte. Aber insgesamt kam es ihm wie ein guter Abgang vor.
Nein, eswar die Stelle gewesen, die ihn umgehauen hatte. Er hatte seine Hose ausgezogenund war gerade in die untere Hälfte des Anzugs gestiegen, als er ein kleinesOval hochgewölbter Haut an seiner Hüfte sah, das dunkler als die Haut drumherum war und leicht schuppte. Der Magen drehte sichihm um, und er hatte Mühe, die Säure wieder hinunterzuschlucken, die in seinemHals hochgestiegen war.
Krebs.
Seit JohnZinewskis Boot Fireballvor mehreren Jahren gekentert war und er sich unter Wasser wiederfand, wo sich sein Fußknöchel in einem Seilgewirrverknotet hatte, hatte er sich nicht mehr so gefühlt. Aber das hatte drei oderhöchstens vier Sekunden gedauert. Und diesmal war keiner da, der ihm helfen würde,das Boot wieder aufzurichten.
Er würdesich umbringen müssen.
Es war keinsehr angenehmer Gedanke, aber er würde das hinbekommen, was ihm ein bisschenmehr das Gefühl gab, die Situation unter Kontrolle zu haben.
Die einzigeFrage war nur, wie.
Von einemHochhaus zu springen war eine schreckliche Vorstellung; seinen Schwerpunkt überdie Brüstung hinauszuschieben, die Möglichkeit, dass man es sich auf halbem Wegnach unten anders überlegen könnte. Was er jetzt auf keinen Fall gebrauchen konnte,waren noch weitere Angstschübe.
Zum Sich-Aufhängen brauchte man eine Ausrüstung, eine Schusswaffebesaß er nicht. Wenn er genug Whisky trank, würde er vielleicht den Mutaufbringen, mit dem Auto gegen eine Wand zu fahren. Vor Stamfordgab es auf der A16 eine große Durchfahrt aus Stein. Er könnte völlig problemlosmit hundertfünfzig dagegenrasen.
Aber waswar, wenn er den Mut verlor? Was, wenn er zu betrunken war, um das Auto zusteuern? Was, wenn gerade jemand aus einer Einfahrt kam? Was war, wenn erdenjenigen totfuhr, selbst gelähmt wurde und dann im Gefängnis im Rollstuhl anKrebs starb?
»Sir ? WennSie mir bitte zurück ins Geschäft folgen würden?«
Ein jungerMann von ungefähr achtzehn Jahren starrte auf George herunter. Er hatterotblonde Koteletten und eine marineblaue Uniform, die ihm mehrere Nummern zugroß war. George merkte, dass er im gefliesten Eingang vor dem Laden kauerte.
»Sir ?«
Georgerappelte sich auf. »Es tut mir schrecklich leid.«
»Wenn Sie jetztbitte mitkommen würden ?«
Georgeblickte an sich hinunter und sah, dass der Hosenschlitz seines Anzugs offenstand. Er knöpfte ihn hastig zu. »Natürlich.«
Er gingwieder in das Geschäft hinein, zwischen den Handtaschen und dem Parfüm hindurchzur Herrenoberbekleidung, der Wachschutzmann an seiner Seite. »Ich muss einenSchwindelanfall gehabt haben.«
»Bedauere,Sir, das werden Sie mit dem Geschäftsführer besprechen müssen.«
Diedüsteren Gedanken, die ihm noch wenige Sekunden zuvor durch den Kopf geschwirrtwaren, schienen plötzlich sehr weit weg zu sein. Natürlich war er ein wenigunsicher auf den Beinen, etwa so wie kurz nachdem man sich mit dem Meißel einStück vom Daumen abgesäbelt hat, aber sonst fühlte er sich erstaunlich gut.
DerGeschäftsführer der Herrenabteilung stand mit vor den Geschlechtsteilengekreuzten Händen an einem Regal mit Hausschuhen. »Danke, John.«
DerWachmann nickte ihm ehrerbietig zu, machte auf dem Absatz kehrt und entferntesich.
»So, Mr «
»Hall.George Hall. Tut mir leid. Ich «
»Wenn Sieso gut sein könnten und mir in mein Büro folgen würden«, sagte derGeschäftsführer.
Eine Fraumit Georges Hose in der Hand erschien. »Die hat er in der Kabine liegen lassen.Seine Brieftasche steckt noch drin.«
Georgeredete weiter. »Ich glaube, ich hatte eine Art Blackout. Ich wollte wirklichkeine Probleme machen.«
Wie gut eswar, mit anderen Menschen zu sprechen. Sie sagten etwas. Er erwiderte etwas. Das stetige Ticktack einer Unterhaltung. Er hätte den ganzenNachmittag so weitermachen können.
»Geht esIhnen nicht gut?«
Die Fraustützte ihn am Ellbogen, und er ließ sich seitlich nach unten in einen Stuhlgleiten, der sich solider und bequemer anfühlte als jemals ein Stuhl zuvor.
Ein paarMinuten lang wurde es ihm vor den Augen verschwommen. Dann drückte ihm jemandeine Tasse Tee in die Hand.
»Danke.« Er trank. Es war kein guter Tee, aber er war heiß und erwar in einer richtigen Porzellantasse, an der man sich beruhigend festhaltenkonnte.
»Vielleichtsollten wir Ihnen ein Taxi rufen.«
Es warvermutlich am besten, dachte er, wenn er ins Dorf zurückfuhr und den Anzug einandermal kaufte.
( )
© BlessingVerlag
Übersetzung:Anke Caroline Burger
- Autor: Mark Haddon
- 2007, 1, 446 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Burger, Anke Caroline
- Übersetzer: Anke Caroline Burger
- Verlag: Blessing
- ISBN-10: 3896672924
- ISBN-13: 9783896672926
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