Die Korsarin
Roman. Deutsche Erstausgabe
Die schöne und mutige Piratin Léonore Roncival hat seit dem Tod ihres Vaters alle Hände voll zu tun, um ihre paradiesische Karibik-Insel San Stefan gegen die Beutezüge gegnerischer Seeräuber zu verteidigen. Besonders der verwegene Freibeuter Jean Lafitte...
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Produktinformationen zu „Die Korsarin “
Die schöne und mutige Piratin Léonore Roncival hat seit dem Tod ihres Vaters alle Hände voll zu tun, um ihre paradiesische Karibik-Insel San Stefan gegen die Beutezüge gegnerischer Seeräuber zu verteidigen. Besonders der verwegene Freibeuter Jean Lafitte scheint von Kapitän Roncivals legendären Schätzen fasziniert zu sein. Doch nachdem die beiden einige Male im Kampf aufeinander getroffen sind, beginnt Jean sich zu fragen, ob es wirklich Gold und Juwelen sind, die ihn immer wieder in Léonores Nähe ziehen ...
Klappentext zu „Die Korsarin “
Die schöne und mutige Piratin Léonore Roncival hat seit dem Tod ihres Vaters alle Hände voll zu tun, um ihre paradiesische Karibik-Insel San Stefan gegen die Beutezüge gegnerischer Seeräuber zu verteidigen. Besonders der verwegene Freibeuter Jean Lafitte scheint von Kapitän Roncivals legendären Schätzen fasziniert zu sein. Doch nachdem die beiden einige Male im Kampf aufeinander getroffen sind, beginnt Jean sich zu fragen, ob es wirklich Gold und Juwelen sind, die ihn immer wieder in Léonores Nähe ziehen ...
Lese-Probe zu „Die Korsarin “
DIE HURE"Die Hure von San Stefan heuert Leute an."
Die Nachricht hatte sich von den Antillen bis nach Florida verbreitet, ehe sie Jean Laffite zu Ohren kam. Er hatte zufällig die Unterhaltung einiger Passanten auf der Straße belauscht und kam erst am Abend auf das Thema zu sprechen, als er mit dem Kapitän eines seiner Schiffe, der Raleigh, in einer haitianischen Hafenschenke saß.
Curtis, der sich ihm gegenüber in eine Ecke gezwängt hatte, wirkte, als fühle er sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Aber selbst an seinen besten Tagen war er ein sauertöpfischer Grobian, der anderen nicht in die Augen blicken mochte. Die Besatzung der Raleigh pflegte zu spotten, durch seine Adern müsse auch reichlich Öl fließen, das seinem schwarzen strähnigen Haar und den olivgrünen Augen, die rastlos durch den überfüllten Schankraum wanderten, einen seltsamen Glanz verlieh.
Jean Laffite, der den anderen Gästen den Rücken zukehrte, wandte den Blick nicht vom Gesicht des Kapitäns.
"Ich habe heute von der Hure von San Stefan gehört. Damit ist nicht zufällig Roncivals Tochter gemeint?"
Curtis nickte.
"Sie ist also wieder unterwegs. Mit einer Presspatrouille?"
Curtis zuckte nur die Achseln.
Sein Anführer fing seinen unsteten Blick auf und hielt ihn fest. "Vor drei Tagen war sie in Port-au-Prince, genau wie du. Was wollte sie da?"
"Männer anheuern. Sie ist mit einem kleinen Schiff gekommen und hat sich im Admiral de Grasse einquartiert."
Eine lange Pause folgte auf diese Worte. Jean verlor allmählich die Geduld, doch er zwang sich zur Ruhe. "Und wie lautete ihr Angebot?"
Curtis schrak zusammen. "Wie üblich, nehme ich an. Ohne Prise kein Geld."
"Der Bootsmann sagte mir etwas ganz anderes. Er erzählte, sie würde die Männer sorgfältig prüfen und denen, die ihr zusagen, sogar einen Vorschuss anbieten. Hältst du das für glaubwürdig?"
Curtis schüttelte den Kopf und verlagerte sein Gewicht auf dem Stuhl, sodass dessen Lehne an der weiß getünchten Wand
... mehr
entlangschabte. "Wahrscheinlich werden ihr auf der Insel langsam die Leute knapp. Ihr Vater ist schon eine Weile tot - einige ihrer Männer haben sich bestimmt anderswo Arbeit gesucht."
Jean nippte an seinem Rum. Er ärgerte sich, dass der Kapitän aus Unaufmerksamkeit oder zweifelhaften Beweggründen heraus in gar keiner Weise geholfen hatte, das verschwommene Bild klarer werden zu lassen: Hatte sich die Herrin der Insel aus ihrer Abgeschiedenheit hervorgewagt und war sechzig oder mehr Seemeilen gesegelt, nur um persönlich ein paar neue Männer anzuheuern?
"Was für Leute hat sie denn gesucht? Matrosen? Kanoniere? Schiffszimmerleute?"
Wieder zuckte Curtis die Achseln. "Wüsste nicht, wozu sie die brauchen sollte. Roncivals Brigg ist seit einem Jahr nicht mehr gesichtet worden, und ihr Kutter war voll bemannt, als er im Hafen anlegte. Aber sie hat einen Steinmetz angeheuert."
"Dann will sie die Befestigungsanlagen ausbessern und verstärken lassen", meinte Jean nachdenklich. "Es heißt, San Stefan hätte einen Hafen, um den viele die Roncivals beneiden würden, und ihr Hauptquartier wäre eine wahre Festung. Woher kommt eigentlich die Bezeichnung 'Hure von San Stefan'? Das höre ich zum ersten Mal. Soweit ich weiß, nannte man sie bisher nur Madame Ch'ing." Als Curtis verwirrt die Stirn runzelte, erklärte er: "Ein Spaß, Mann. Du hast doch sicher schon von Madame Ch'ing gehört - Zehntausende von Piraten stehen unter ihrem Kommando, sie beherrscht das gesamte Südchinesische Meer. Damit kann so leicht niemand konkurrieren. Roncival hatte selten mehr als zweihundert Männer in seinen Diensten, Teerjacken und Landratten zusammengenommen, und von denen dürfte mittlerweile nur noch ein kümmerlicher Rest auf San Stefan zurückgeblieben sein. Was hat es denn nun mit diesem seltsamen Spitznamen auf sich?"
Curtis trank einen Schluck Ale und leckte sich über die Lippen. "Man sagt, ihr Vater hätte ihre Erziehung in die Hand genommen, als sie noch blutjung war. Ihren ersten Bettgefährten hat er unter den besten jungen Männern seiner Mannschaft ausgewählt. Von da an suchte sie sich ihre Liebhaber selbst aus. Man sagt, sie könnte selbst den Dirnen in Havanna noch so manches beibringen."
"Das reicht." Jean zog seinen Stuhl näher an den Tisch heran. Curtis straffte sich, seine olivgrünen Augen flackerten erschrocken auf. "Verrate mir, was sie dir angeboten hat. Und dann erzähl mir alles, was du über San Stefan weißt."
Das abgelegene Korallenriff war nur auf wenigen Karten verzeichnet, und selbst die Hand voll Seefahrer, die darauf gestoßen war, konnte nicht genau bestimmen, ob es sich nun im Jamaica Channel oder in der Windward Passage befand. Selbst die, die es kannten, hatten immer wieder Mühe, es in der Vielzahl an unzähligen kleinen Inseln wiederzufinden. Es war, als müsse man einen Saphir aus einem Meer von Aquamarinen herauspicken, behaupteten sie stets, denn sie betrachteten dieses Riff als erlesenes Juwel. Es war vermutlich vulkanischen Ursprungs, von einem nahezu perfekten Ring aus Korallen umgeben, und auf einer Anhöhe hatte man ein befestigtes Herrenhaus aus grünlicher Lava errichtet, dem Muttergestein der Insel. Dahinter lag eine geschützte fruchtbare Ebene, die von einem Fluss bewässert wurde, der auf dem Gipfel entsprang und zu der palmengesäumten Lagune hinunterströmte. Die Insel war zwar klein, verfügte aber über einen Hafen, konnte sich selbst versorgen und lag an einem der am meisten befahrenen Schifffahrtswege der Karibik.
Die Bewohner von San Stefan, das ungefähr gleich weit vom Hammerhai Kuba, dem wie ein Seehund geformten Jamaika und dem klauenförmigen Haiti - dem ehemaligen Santo Domingo - entfernt lag, hatten seit jeher tiefes Misstrauen gegenüber den Kolonialregierungen von Spanien, England und Frankreich empfunden. Alle drei Länder hatten die Souveränität der Insel immer wieder infrage gestellt, was sie jedoch nicht daran gehindert hatte, mit den Familien, die während der letzten beiden Jahrhunderte dort gelebt hatten, Handel zu treiben und Abgaben von ihnen einzufordern. Seit neun Jahren, seit 1800, galt die Insel mehr oder weniger als zu Frankreich gehörig, und daher war Edouard Roncival von San Stefan mit einem Kaperbrief des Gouverneurs von Guadeloupe ausgestattet, der ihn zur Freibeuterei ermächtigte. Aber nun war dieser Kaperbrief erloschen, seit einem Jahr hatte niemand mehr Roncivals Schiffe gesichtet, und Roncival selbst war tot. San Stefan schlummerte im Blau des Ozeans wieder friedlich vor sich hin.
Doch obwohl seit Monaten kein Schiff mehr in den Hafen eingelaufen war, behielten die Einwohner das Meer scharf im Auge.
Die Wachposten waren auch an jenem schönen Nachmittag, einige Zeit nach der Unterhaltung zwischen Jean Laffite und Curtis auf Haiti, besetzt, an dem Roncivals Tochter in der kleinen Bucht badete, die man Anse des Lianes nannte oder in dem unmelodischen Englisch, das gleichfalls auf San Stefan gesprochen wurde, Creeper Cove.
Hier lag das Riff dem weißen Sandstrand der Insel am nächsten, und ein guter Schwimmer brauchte nur ein paar kräftige Züge durch das türkisfarbene Wasser, um die Korallen zu erreichen, zwischen denen sich leuchtend bunte Fische tummelten. In der Bucht, in der sich niemand sonst befand, ließ sich die junge, halb nackte Frau von den sacht anrollenden Wellen über das Riff tragen. Sie war nur mit einem weißen, um die Hüften geknoteten Tuch bekleidet und bestaunte mit weit geöffneten Augen den goldenen Schimmer, den die Sonne über das klare warme Wasser warf.
In ihren Ohren klang das kribbelnde, elektrisierende Knistern der Korallenorganismen um sie herum wider, das gelegentliche leise Schmatzen der kleinen Fische, die ihr Futter zwischen den Seeigeln fanden, und das lautere Knirschen der größeren, die Stücke aus den Korallen herausbrachen und dabei winzige schimmernde Partikel aufwirbelten. Sie ließ sich träge treiben, spähte jedes Mal, wenn sie beim Luftholen aufblickte, auf die See hinaus und öffnete in dem Moment, in dem sie mit dem Gesicht wieder in das Wasser eintauchte, weit die Augen, um die fremde Welt mit allen Sinnen in sich aufzunehmen; diesen Garten Eden unter Wasser, der ihr immer wieder neue Überraschungen bot - einen gelben Fisch mit orange gestreiftem Schwanz, den sie noch nie zuvor gesehen hatte, eine chartreusefarbene Seeanemone mit Armen, die winzigen Ringelnattern glichen, und die im Sand kaum erkennbaren bläulich gefärbten, zackenförmigen Umrisse einer riesigen Muschel.
Sie folgte einer Senke im Riff, die sie zum Strand zurückführte, und warf einen letzten Blick auf einen Schwarm blaugrüner Fische, der die gleiche Richtung eingeschlagen hatte. Dann rollte sie sich auf den Rücken und schloss die Augen. Ihr Haar umflutete ihre Schultern und trieb wie goldener Seetang auf den Wellen.
Müßig mit den Händen paddelnd, drehte sie sich so, dass ihre Zehen zum Strand wiesen, und grub sie dann in den Sand. Als sie sich mit noch immer geschlossenen Augen aufrichtete und den Kopf in den Nacken legte, kitzelten sie die lockigen Enden ihres schweren, an der Haut klebenden Haares wie eine feuchte Liebkosung am Rücken.
Sie schlug die Augen auf - und blickte direkt in die eines Mannes.
Er stand kaum einen Meter von ihr entfernt, eine hoch gewachsene Gestalt, die an dem menschenleeren Strand wie ein Totempfahl wirkte. Vor Schreck stockte ihr der Atem, trotzdem konnte sie den Blick nicht von ihm wenden, der wie durch Zauberei hierher gekommen schien.
Der Mann war ihr noch nie zuvor begegnet, denn wenn sie diese Augen nur ein einziges Mal gesehen hätte, hätte sie sie nie wieder vergessen - sie waren so schwarz und hart wie Jett. Die dichten Wimpern vermochten die schamlose Herausforderung nicht zu mildern, die in diesem Blick lag. Aber das Bad im Meer hatte ihr Wahrnehmungsvermögen geschärft, und so übertrug sich selbst die leiseste Regung des Fremden auf sie. Ihr entging nicht, dass sich seine Pupillen vor Verlangen geweitet hatten. Seine Lider flatterten leicht - mit diesem Angriff auf seine Sinne hatte er offenbar nicht gerechnet, obwohl er sie wohl schon eine Weile beobachtet und darauf gewartet hatte, dass sich dieser besondere Fisch in seinem Netz verfing. Sie bemerkte das kaum merkliche Zittern unter der sonnengebräunten Haut dort, wo sein weißes Hemd am Hals offen stand, und wusste instinktiv, dass ihr Anblick ihn völlig unvorbereitet getroffen hatte und für einen Moment die Rollen in seinem Spiel von Jäger und Gejagter vertauscht waren.
Dann besann sie sich. "Drehen Sie sich gefälligst um, verdammt noch mal!", fauchte sie empört.
Ein Anflug von Spott, gepaart mit Erstaunen, blitzte in den Augen des Fremden auf. "Was für eine freundliche Begrüßung unter zivilisierten Menschen, Madame", erwiderte er sarkastisch.
Sein Ton verschlug ihr die Sprache. Wut und Trotz hielten sie davon ab, ihre Brüste zu bedecken oder sich in das seichte Wasser zurücksinken zu lassen. Aber sie konnte nicht verhindern, dass sie vor Zorn zitterte, während sie sich bemühte, seinem Blick standzuhalten und gleichzeitig an ihm vorbei zum Palmenwäldchen zu spähen, an dessen Saum ihre Leute Wache gehalten hatten.
"Man sollte Sie wie einen Hund fortjagen dafür, dass Sie sich angeschlichen haben, ohne sich bemerkbar zu machen. Falls Sie noch einen Rest von Anstand haben, dann drehen Sie sich gefälligst um."
Der Mann wandte sich gemächlich um, was ihm gleichfalls Gelegenheit gab, den Strand mit den Augen abzusuchen. Dann drehte er den Kopf so, dass sie sein Profil sehen und er sie nach Belieben aus den Augenwinkeln heraus beobachten konnte. "Und wie verfahren Sie mit Hunden, Madame? Werfen Sie mit Steinen nach ihnen? Falls Sie nicht zufällig auf einem stehen, kann ich hier leider keine entdecken."
Sein 'Madame' klang wie eine Beleidigung.
"Mademoiselle", zischte sie, dann hielt sie inne. Furcht keimte in ihr auf. Sie war unbewaffnet, darauf hatte er sie gerade nachdrücklich hingewiesen. Rasch musterte sie ihn - er schien ebenfalls keine Waffe bei sich zu tragen, es sei denn, er hatte ein Messer in einem seiner Stiefel stecken.
Er trug weiche Schiffsstiefel, demnach war er in aller Eile an Land gegangen. Ein Eindringling, ungebeten. Unter seinem feinen Leinenhemd zeichneten sich muskulöse Schultern ab. In seinem Gürtel steckten weder ein Schwert noch eine Pistole, aber die gesamte Bucht lag still und verlassen da, und das konnte nur bedeuten, dass jemand kurz zuvor ihre Leute mit Waffengewalt überwältigt haben musste, während sie gebadet hatte.
"Was wir mit Hunden wie Ihnen machen?", schnaubte sie dann. "Wir binden ihnen eine Granate auf den Rücken!"
Der Fremde lachte kurz auf.
Ehe er eine weitere unverschämte Bemerkung von sich geben konnte, befahl sie schroff: "Treten Sie zur Seite."
Ihr Umschlagtuch lag direkt hinter seinem rechten Fuß. Es war verknüllt. Demnach hatte er es hochgehoben, um nachzuschauen, ob etwas darunter verborgen lag. Natürlich hatte er nichts gefunden. Das Bewusstsein ihrer völligen Wehrlosigkeit schlug wie eine Welle über ihr zusammen. Wie hatte sie nur so unvorsichtig sein können! Sie trat einen Schritt vor. Er hätte sich leicht auf dem Absatz umdrehen und sie packen können, aber es gelang ihr, das Tuch an sich zu reißen, es um sich zu schlingen und zum Wasser zurückzuweichen, ehe er herumfuhr, um sie erneut anzustarren. Wer war er? Wo kam er her? Aber sie würde ihm nicht die Befriedigung verschaffen, danach zu fragen.
"Dies ist meine Insel. Niemand betritt sie ohne ausdrückliche Einladung."
"Wenn dem so wäre", entgegnete er in seinem akzentfreien Französisch, "dann müsste ich mich demütig vor Ihnen verneigen und Sie für mein ungebetenes Erscheinen um Verzeihung bitten." Er verbeugte sich. Eine anmutige Geste, bei der ihm sein schwarzes Haar ins Gesicht fiel. Als er sich wieder aufrichtete, strich er sich die Locken hinter die Ohren zurück, wobei ein langer Backenbart sichtbar wurde. Seine weißen Zähne blitzten auf, als er spöttisch fortfuhr: "Aber verraten Sie mir doch, wie Sie auf den Gedanken kommen, San Stefan würde Ihnen gehören."
"Weil meine Familie die Insel in Besitz genommen hat." Sie war nass bis auf die Haut, und die Fransen ihres langen Umschlagtuches klebten an ihren Waden, wohingegen er makellos gekleidet vor ihr stand, untadelige Manieren an den Tag legte und mit jedem Wort seiner Verachtung für sie Ausdruck verlieh. Allerdings kümmerte es sie wenig, was er von ihr dachte. Für sie zählte nur, was er in den nächsten Minuten tun würde, denn ihr Leben lag jetzt in seiner Hand.
"Gibt es eine Besitzurkunde, einen dauerhaften Pachtvertrag, irgendein Dokument, das Ihre Behauptung bestätigt?", fragte er. "Aber ich stehe Ihnen im Weg - bitte nach Ihnen, Mademoiselle." Dabei trat er einen Schritt zur Seite und bedeutete ihr, voranzugehen.
Sie schritt, das Tuch unter die Achseln geklemmt, so würdevoll wie möglich über den Sand. Die Nachmittagssonne und der harte Blick des Mannes, der ihr folgte, brannten auf ihren Schultern. Sie zog das Tuch noch höher und schüttelte ihr Haar, damit es ihr locker bis zur Taille fiel. Er würde aus der Haltung ihres Rückens nur so viel herauslesen, wie sie selbst es wünschte.
Im Palmenwäldchen herrschte Stille. Adélaïde, die sich dort im Schatten ausgeruht hatte, ließ sich nicht blicken, und auch von Bernard, der wie immer mit seinen Waffen ein Stück abseits auf dem Felsen gesessen und Wache gehalten hatte, war nichts zu hören und zu sehen.
Alle Sicherheitsvorkehrungen, die Teil ihres Insellebens waren, waren auch heute getroffen worden, hatten versagt gegen diesen Mann und wer immer ihn begleitet haben mochte. Sie fürchtete, Adélaïde leblos am Boden zwischen den Palmen vorzufinden. Aber dort war niemand, und auch ihre eigenen Kleider, die sie dort zurückgelassen hatte, waren verschwunden. Doch sie hatte keinen Schuss, nicht das leiseste Geräusch von der anderen Seite der hohen, bewaldeten Felsenkette gehört, die die Bucht von der Lagune trennte. Die Hängematte im Wäldchen hing schlaff zwischen zwei Bäumen, nur ein schwarzer Hut mit flacher Krempe lag darin, und auch in den Palmen, die die kleine Lichtung säumten, rührte sich nichts.
Sie drehte sich zu dem Fremden um. "Wo ist die Frau, die hier auf mich gewartet hat?"
"Ich habe sie heimgeschickt. Mit Ihrem Wachposten und einer Eskorte." Seine Stimme klang ruhig, und auch er selbst wirkte völlig gelassen, wie er da stand, ein Bein vor das andere gesetzt, die Hüfte leicht vorgeschoben, die Arme locker herabhängend. Kein Muskel seines Körpers schien angespannt.
"Ihre Worte können mich nicht beleidigen. Aber wenn Sie meinen Leuten etwas zu Leide getan haben, werden Sie dafür bezahlen."
Die schwarzen Augen öffneten sich weit und ließen einen Augenblick lang eine weiße Linie unter der Iris erkennen. "Beleidigen? Ich habe eine Dame niemals anders als mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt."
Die unverschämte Unterstellung, dass sie keine Dame war, fachte ihre Wut erneut an. "Bezeichnen Sie es vielleicht als Geste der Höflichkeit, meine Leute fortzuschaffen, meine Kleider zu stehlen und meine Privatsphäre zu missachten? Dann sollten Sie sich mitsamt Ihren zweifelhaften Manieren in die Gosse zurückscheren, aus der Sie gekommen sind!"
Jean nippte an seinem Rum. Er ärgerte sich, dass der Kapitän aus Unaufmerksamkeit oder zweifelhaften Beweggründen heraus in gar keiner Weise geholfen hatte, das verschwommene Bild klarer werden zu lassen: Hatte sich die Herrin der Insel aus ihrer Abgeschiedenheit hervorgewagt und war sechzig oder mehr Seemeilen gesegelt, nur um persönlich ein paar neue Männer anzuheuern?
"Was für Leute hat sie denn gesucht? Matrosen? Kanoniere? Schiffszimmerleute?"
Wieder zuckte Curtis die Achseln. "Wüsste nicht, wozu sie die brauchen sollte. Roncivals Brigg ist seit einem Jahr nicht mehr gesichtet worden, und ihr Kutter war voll bemannt, als er im Hafen anlegte. Aber sie hat einen Steinmetz angeheuert."
"Dann will sie die Befestigungsanlagen ausbessern und verstärken lassen", meinte Jean nachdenklich. "Es heißt, San Stefan hätte einen Hafen, um den viele die Roncivals beneiden würden, und ihr Hauptquartier wäre eine wahre Festung. Woher kommt eigentlich die Bezeichnung 'Hure von San Stefan'? Das höre ich zum ersten Mal. Soweit ich weiß, nannte man sie bisher nur Madame Ch'ing." Als Curtis verwirrt die Stirn runzelte, erklärte er: "Ein Spaß, Mann. Du hast doch sicher schon von Madame Ch'ing gehört - Zehntausende von Piraten stehen unter ihrem Kommando, sie beherrscht das gesamte Südchinesische Meer. Damit kann so leicht niemand konkurrieren. Roncival hatte selten mehr als zweihundert Männer in seinen Diensten, Teerjacken und Landratten zusammengenommen, und von denen dürfte mittlerweile nur noch ein kümmerlicher Rest auf San Stefan zurückgeblieben sein. Was hat es denn nun mit diesem seltsamen Spitznamen auf sich?"
Curtis trank einen Schluck Ale und leckte sich über die Lippen. "Man sagt, ihr Vater hätte ihre Erziehung in die Hand genommen, als sie noch blutjung war. Ihren ersten Bettgefährten hat er unter den besten jungen Männern seiner Mannschaft ausgewählt. Von da an suchte sie sich ihre Liebhaber selbst aus. Man sagt, sie könnte selbst den Dirnen in Havanna noch so manches beibringen."
"Das reicht." Jean zog seinen Stuhl näher an den Tisch heran. Curtis straffte sich, seine olivgrünen Augen flackerten erschrocken auf. "Verrate mir, was sie dir angeboten hat. Und dann erzähl mir alles, was du über San Stefan weißt."
Das abgelegene Korallenriff war nur auf wenigen Karten verzeichnet, und selbst die Hand voll Seefahrer, die darauf gestoßen war, konnte nicht genau bestimmen, ob es sich nun im Jamaica Channel oder in der Windward Passage befand. Selbst die, die es kannten, hatten immer wieder Mühe, es in der Vielzahl an unzähligen kleinen Inseln wiederzufinden. Es war, als müsse man einen Saphir aus einem Meer von Aquamarinen herauspicken, behaupteten sie stets, denn sie betrachteten dieses Riff als erlesenes Juwel. Es war vermutlich vulkanischen Ursprungs, von einem nahezu perfekten Ring aus Korallen umgeben, und auf einer Anhöhe hatte man ein befestigtes Herrenhaus aus grünlicher Lava errichtet, dem Muttergestein der Insel. Dahinter lag eine geschützte fruchtbare Ebene, die von einem Fluss bewässert wurde, der auf dem Gipfel entsprang und zu der palmengesäumten Lagune hinunterströmte. Die Insel war zwar klein, verfügte aber über einen Hafen, konnte sich selbst versorgen und lag an einem der am meisten befahrenen Schifffahrtswege der Karibik.
Die Bewohner von San Stefan, das ungefähr gleich weit vom Hammerhai Kuba, dem wie ein Seehund geformten Jamaika und dem klauenförmigen Haiti - dem ehemaligen Santo Domingo - entfernt lag, hatten seit jeher tiefes Misstrauen gegenüber den Kolonialregierungen von Spanien, England und Frankreich empfunden. Alle drei Länder hatten die Souveränität der Insel immer wieder infrage gestellt, was sie jedoch nicht daran gehindert hatte, mit den Familien, die während der letzten beiden Jahrhunderte dort gelebt hatten, Handel zu treiben und Abgaben von ihnen einzufordern. Seit neun Jahren, seit 1800, galt die Insel mehr oder weniger als zu Frankreich gehörig, und daher war Edouard Roncival von San Stefan mit einem Kaperbrief des Gouverneurs von Guadeloupe ausgestattet, der ihn zur Freibeuterei ermächtigte. Aber nun war dieser Kaperbrief erloschen, seit einem Jahr hatte niemand mehr Roncivals Schiffe gesichtet, und Roncival selbst war tot. San Stefan schlummerte im Blau des Ozeans wieder friedlich vor sich hin.
Doch obwohl seit Monaten kein Schiff mehr in den Hafen eingelaufen war, behielten die Einwohner das Meer scharf im Auge.
Die Wachposten waren auch an jenem schönen Nachmittag, einige Zeit nach der Unterhaltung zwischen Jean Laffite und Curtis auf Haiti, besetzt, an dem Roncivals Tochter in der kleinen Bucht badete, die man Anse des Lianes nannte oder in dem unmelodischen Englisch, das gleichfalls auf San Stefan gesprochen wurde, Creeper Cove.
Hier lag das Riff dem weißen Sandstrand der Insel am nächsten, und ein guter Schwimmer brauchte nur ein paar kräftige Züge durch das türkisfarbene Wasser, um die Korallen zu erreichen, zwischen denen sich leuchtend bunte Fische tummelten. In der Bucht, in der sich niemand sonst befand, ließ sich die junge, halb nackte Frau von den sacht anrollenden Wellen über das Riff tragen. Sie war nur mit einem weißen, um die Hüften geknoteten Tuch bekleidet und bestaunte mit weit geöffneten Augen den goldenen Schimmer, den die Sonne über das klare warme Wasser warf.
In ihren Ohren klang das kribbelnde, elektrisierende Knistern der Korallenorganismen um sie herum wider, das gelegentliche leise Schmatzen der kleinen Fische, die ihr Futter zwischen den Seeigeln fanden, und das lautere Knirschen der größeren, die Stücke aus den Korallen herausbrachen und dabei winzige schimmernde Partikel aufwirbelten. Sie ließ sich träge treiben, spähte jedes Mal, wenn sie beim Luftholen aufblickte, auf die See hinaus und öffnete in dem Moment, in dem sie mit dem Gesicht wieder in das Wasser eintauchte, weit die Augen, um die fremde Welt mit allen Sinnen in sich aufzunehmen; diesen Garten Eden unter Wasser, der ihr immer wieder neue Überraschungen bot - einen gelben Fisch mit orange gestreiftem Schwanz, den sie noch nie zuvor gesehen hatte, eine chartreusefarbene Seeanemone mit Armen, die winzigen Ringelnattern glichen, und die im Sand kaum erkennbaren bläulich gefärbten, zackenförmigen Umrisse einer riesigen Muschel.
Sie folgte einer Senke im Riff, die sie zum Strand zurückführte, und warf einen letzten Blick auf einen Schwarm blaugrüner Fische, der die gleiche Richtung eingeschlagen hatte. Dann rollte sie sich auf den Rücken und schloss die Augen. Ihr Haar umflutete ihre Schultern und trieb wie goldener Seetang auf den Wellen.
Müßig mit den Händen paddelnd, drehte sie sich so, dass ihre Zehen zum Strand wiesen, und grub sie dann in den Sand. Als sie sich mit noch immer geschlossenen Augen aufrichtete und den Kopf in den Nacken legte, kitzelten sie die lockigen Enden ihres schweren, an der Haut klebenden Haares wie eine feuchte Liebkosung am Rücken.
Sie schlug die Augen auf - und blickte direkt in die eines Mannes.
Er stand kaum einen Meter von ihr entfernt, eine hoch gewachsene Gestalt, die an dem menschenleeren Strand wie ein Totempfahl wirkte. Vor Schreck stockte ihr der Atem, trotzdem konnte sie den Blick nicht von ihm wenden, der wie durch Zauberei hierher gekommen schien.
Der Mann war ihr noch nie zuvor begegnet, denn wenn sie diese Augen nur ein einziges Mal gesehen hätte, hätte sie sie nie wieder vergessen - sie waren so schwarz und hart wie Jett. Die dichten Wimpern vermochten die schamlose Herausforderung nicht zu mildern, die in diesem Blick lag. Aber das Bad im Meer hatte ihr Wahrnehmungsvermögen geschärft, und so übertrug sich selbst die leiseste Regung des Fremden auf sie. Ihr entging nicht, dass sich seine Pupillen vor Verlangen geweitet hatten. Seine Lider flatterten leicht - mit diesem Angriff auf seine Sinne hatte er offenbar nicht gerechnet, obwohl er sie wohl schon eine Weile beobachtet und darauf gewartet hatte, dass sich dieser besondere Fisch in seinem Netz verfing. Sie bemerkte das kaum merkliche Zittern unter der sonnengebräunten Haut dort, wo sein weißes Hemd am Hals offen stand, und wusste instinktiv, dass ihr Anblick ihn völlig unvorbereitet getroffen hatte und für einen Moment die Rollen in seinem Spiel von Jäger und Gejagter vertauscht waren.
Dann besann sie sich. "Drehen Sie sich gefälligst um, verdammt noch mal!", fauchte sie empört.
Ein Anflug von Spott, gepaart mit Erstaunen, blitzte in den Augen des Fremden auf. "Was für eine freundliche Begrüßung unter zivilisierten Menschen, Madame", erwiderte er sarkastisch.
Sein Ton verschlug ihr die Sprache. Wut und Trotz hielten sie davon ab, ihre Brüste zu bedecken oder sich in das seichte Wasser zurücksinken zu lassen. Aber sie konnte nicht verhindern, dass sie vor Zorn zitterte, während sie sich bemühte, seinem Blick standzuhalten und gleichzeitig an ihm vorbei zum Palmenwäldchen zu spähen, an dessen Saum ihre Leute Wache gehalten hatten.
"Man sollte Sie wie einen Hund fortjagen dafür, dass Sie sich angeschlichen haben, ohne sich bemerkbar zu machen. Falls Sie noch einen Rest von Anstand haben, dann drehen Sie sich gefälligst um."
Der Mann wandte sich gemächlich um, was ihm gleichfalls Gelegenheit gab, den Strand mit den Augen abzusuchen. Dann drehte er den Kopf so, dass sie sein Profil sehen und er sie nach Belieben aus den Augenwinkeln heraus beobachten konnte. "Und wie verfahren Sie mit Hunden, Madame? Werfen Sie mit Steinen nach ihnen? Falls Sie nicht zufällig auf einem stehen, kann ich hier leider keine entdecken."
Sein 'Madame' klang wie eine Beleidigung.
"Mademoiselle", zischte sie, dann hielt sie inne. Furcht keimte in ihr auf. Sie war unbewaffnet, darauf hatte er sie gerade nachdrücklich hingewiesen. Rasch musterte sie ihn - er schien ebenfalls keine Waffe bei sich zu tragen, es sei denn, er hatte ein Messer in einem seiner Stiefel stecken.
Er trug weiche Schiffsstiefel, demnach war er in aller Eile an Land gegangen. Ein Eindringling, ungebeten. Unter seinem feinen Leinenhemd zeichneten sich muskulöse Schultern ab. In seinem Gürtel steckten weder ein Schwert noch eine Pistole, aber die gesamte Bucht lag still und verlassen da, und das konnte nur bedeuten, dass jemand kurz zuvor ihre Leute mit Waffengewalt überwältigt haben musste, während sie gebadet hatte.
"Was wir mit Hunden wie Ihnen machen?", schnaubte sie dann. "Wir binden ihnen eine Granate auf den Rücken!"
Der Fremde lachte kurz auf.
Ehe er eine weitere unverschämte Bemerkung von sich geben konnte, befahl sie schroff: "Treten Sie zur Seite."
Ihr Umschlagtuch lag direkt hinter seinem rechten Fuß. Es war verknüllt. Demnach hatte er es hochgehoben, um nachzuschauen, ob etwas darunter verborgen lag. Natürlich hatte er nichts gefunden. Das Bewusstsein ihrer völligen Wehrlosigkeit schlug wie eine Welle über ihr zusammen. Wie hatte sie nur so unvorsichtig sein können! Sie trat einen Schritt vor. Er hätte sich leicht auf dem Absatz umdrehen und sie packen können, aber es gelang ihr, das Tuch an sich zu reißen, es um sich zu schlingen und zum Wasser zurückzuweichen, ehe er herumfuhr, um sie erneut anzustarren. Wer war er? Wo kam er her? Aber sie würde ihm nicht die Befriedigung verschaffen, danach zu fragen.
"Dies ist meine Insel. Niemand betritt sie ohne ausdrückliche Einladung."
"Wenn dem so wäre", entgegnete er in seinem akzentfreien Französisch, "dann müsste ich mich demütig vor Ihnen verneigen und Sie für mein ungebetenes Erscheinen um Verzeihung bitten." Er verbeugte sich. Eine anmutige Geste, bei der ihm sein schwarzes Haar ins Gesicht fiel. Als er sich wieder aufrichtete, strich er sich die Locken hinter die Ohren zurück, wobei ein langer Backenbart sichtbar wurde. Seine weißen Zähne blitzten auf, als er spöttisch fortfuhr: "Aber verraten Sie mir doch, wie Sie auf den Gedanken kommen, San Stefan würde Ihnen gehören."
"Weil meine Familie die Insel in Besitz genommen hat." Sie war nass bis auf die Haut, und die Fransen ihres langen Umschlagtuches klebten an ihren Waden, wohingegen er makellos gekleidet vor ihr stand, untadelige Manieren an den Tag legte und mit jedem Wort seiner Verachtung für sie Ausdruck verlieh. Allerdings kümmerte es sie wenig, was er von ihr dachte. Für sie zählte nur, was er in den nächsten Minuten tun würde, denn ihr Leben lag jetzt in seiner Hand.
"Gibt es eine Besitzurkunde, einen dauerhaften Pachtvertrag, irgendein Dokument, das Ihre Behauptung bestätigt?", fragte er. "Aber ich stehe Ihnen im Weg - bitte nach Ihnen, Mademoiselle." Dabei trat er einen Schritt zur Seite und bedeutete ihr, voranzugehen.
Sie schritt, das Tuch unter die Achseln geklemmt, so würdevoll wie möglich über den Sand. Die Nachmittagssonne und der harte Blick des Mannes, der ihr folgte, brannten auf ihren Schultern. Sie zog das Tuch noch höher und schüttelte ihr Haar, damit es ihr locker bis zur Taille fiel. Er würde aus der Haltung ihres Rückens nur so viel herauslesen, wie sie selbst es wünschte.
Im Palmenwäldchen herrschte Stille. Adélaïde, die sich dort im Schatten ausgeruht hatte, ließ sich nicht blicken, und auch von Bernard, der wie immer mit seinen Waffen ein Stück abseits auf dem Felsen gesessen und Wache gehalten hatte, war nichts zu hören und zu sehen.
Alle Sicherheitsvorkehrungen, die Teil ihres Insellebens waren, waren auch heute getroffen worden, hatten versagt gegen diesen Mann und wer immer ihn begleitet haben mochte. Sie fürchtete, Adélaïde leblos am Boden zwischen den Palmen vorzufinden. Aber dort war niemand, und auch ihre eigenen Kleider, die sie dort zurückgelassen hatte, waren verschwunden. Doch sie hatte keinen Schuss, nicht das leiseste Geräusch von der anderen Seite der hohen, bewaldeten Felsenkette gehört, die die Bucht von der Lagune trennte. Die Hängematte im Wäldchen hing schlaff zwischen zwei Bäumen, nur ein schwarzer Hut mit flacher Krempe lag darin, und auch in den Palmen, die die kleine Lichtung säumten, rührte sich nichts.
Sie drehte sich zu dem Fremden um. "Wo ist die Frau, die hier auf mich gewartet hat?"
"Ich habe sie heimgeschickt. Mit Ihrem Wachposten und einer Eskorte." Seine Stimme klang ruhig, und auch er selbst wirkte völlig gelassen, wie er da stand, ein Bein vor das andere gesetzt, die Hüfte leicht vorgeschoben, die Arme locker herabhängend. Kein Muskel seines Körpers schien angespannt.
"Ihre Worte können mich nicht beleidigen. Aber wenn Sie meinen Leuten etwas zu Leide getan haben, werden Sie dafür bezahlen."
Die schwarzen Augen öffneten sich weit und ließen einen Augenblick lang eine weiße Linie unter der Iris erkennen. "Beleidigen? Ich habe eine Dame niemals anders als mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt."
Die unverschämte Unterstellung, dass sie keine Dame war, fachte ihre Wut erneut an. "Bezeichnen Sie es vielleicht als Geste der Höflichkeit, meine Leute fortzuschaffen, meine Kleider zu stehlen und meine Privatsphäre zu missachten? Dann sollten Sie sich mitsamt Ihren zweifelhaften Manieren in die Gosse zurückscheren, aus der Sie gekommen sind!"
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Autoren-Porträt von Cheryl Sawyer
Cheryl Sawyer wurde in Neuseeland geboren und reiste später quer durch ganz Europa. Sie hielt sich lange in Frankreich auf, wo sie auch studierte. Heute lebt sie in Sydney, Australien, und beschäftigt sich neben Opernbesprechungen und Wein- und Restaurantkritiken hauptsächlich mit dem Schreiben historischer Romane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Cheryl Sawyer
- 2004, Maße: 11,6 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442358760
- ISBN-13: 9783442358762
Kommentar zu "Die Korsarin"
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