Die Liebenden von Konstantinopel
Roman
Konstantinopel, 1599: Celia wird in den Harem des osmanischen Sultans verschleppt. Gegen ihren Willen erwählt er sie zur Favoritin. Ihr englischer Verlobter plant bereits die Befreiung. Sein geheimes Zeichen der Liebe ist ihre größte...
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Produktinformationen zu „Die Liebenden von Konstantinopel “
Konstantinopel, 1599: Celia wird in den Harem des osmanischen Sultans verschleppt. Gegen ihren Willen erwählt er sie zur Favoritin. Ihr englischer Verlobter plant bereits die Befreiung. Sein geheimes Zeichen der Liebe ist ihre größte Hoffnung.
"Katie Hickman entführt den Leser in ein verwunschenes Land. Ihr Roman ist wie ein Stückchen Türkischer Honig. Genießen Sie es!"
The Independent
"Katie Hickman entführt den Leser in ein verwunschenes Land. Ihr Roman ist wie ein Stückchen Türkischer Honig. Genießen Sie es!"
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Klappentext zu „Die Liebenden von Konstantinopel “
'Celia Lamprey, eine englische Kaufmannstochter, wird von Piraten entführt und in den Serail nach Konstantinopel verkauft. Trotz der prächtigen Umgebung kann sie ihre Vergangenheit nicht vergessen, wie es für eine Frau klug wäre, die im Harem glücklich werden will. Ihr Herz gehört ihrem Verlobten, der als Gesandter in der Stadt weilt und vor den Palastmauern auf sie wartet. Sein Befreiungsplan bringt Celia in höchste Gefahr. Vierhundert Jahre später entdeckt eine junge Frau in Oxford die dramatische Geschichte der beiden Liebenden. Elizabeth reist nach Istanbul. Dort trifft sie auf einen jungen Mann, der ihr die Welt der osmanischen Prinzen eröffnet.
Lese-Probe zu „Die Liebenden von Konstantinopel “
Die Liebenden von Konstantinopel von Katie HickmanWährend Hassan Aga noch in den ungewissen Gefilden zwischen Erinnerung und Tod verharrte, brach endlich über dem Goldenen Horn der Morgen an. Auf der anderen Seite des Horns, in einem Stadtteil, den man Pera nannte – dem Stadtviertel der Ausländer und Ungläubigen –, saß der Botschaftskoch John Carew auf der Mauer des Gartens der englischen Gesandtschaft und knackte Nüsse. Die Nacht war schwül und warm gewesen. Auf dem Mäuerchen sitzend, was ihm der Gesandte ausdrücklich verboten hatte, genoss Carew mit bloßem Oberkörper, was ebenfalls streng verboten war, die noch einigermaßen frische Morgenbrise. Vor ihm fiel das Gelände steil ab, wodurch er einen unverstellten Blick über Haine mit Mandel- und Aprikosenbäume hatte. Am Ufer konnte er das dichte Gewirr der hölzernen Hausboote ausmachen. Sie gehörten den reicheren Kaufleuten und den ausländischen Gesandten.
Obwohl der erste Gebetsruf für die Muselmanen schon vor einer Stunde erschollen war, herrschte auf dem Wasser und in der dahinterliegenden Stadt noch wenig Geschäftigkeit. Ein leichter Dunst, in den sich eine sehr zarte rosenfarbene Tönung mischte (eine Farbe, die nicht nur für den Sonnenaufgang in Konstantinopel typisch war, wie Carew festgestellt hatte, sondern auch noch genauso aussah wie die hier so geschätzte Rosenkonfitüre), lag über der Wasserfläche und dem anderen Ufer. Ein einzelnes kleines Kaik, das schmale Ruderboot des Bosporus, tauchte aus dem Dunst auf und bewegte sich gemächlich auf die Küste von Pera zu. Carew hörte das leise Eintauchen und Plätschern der Ruder und dann den Schrei der Seemöwen, die mit ihren weißgolden glänzenden Bäuchen im Morgenlicht über dem Boot kreisten.
Dann hob sich unvermittelt der Morgennebel vom
... mehr
gegenüberliegenden Ufer, und plötzlich lag der Sultanspalast mit seinen wie aus dunklem Papier ausgeschnittenen Zypressen, seinen Kuppeln, Minaretten und Türmchen vor ihm: eine verzauberte Stadt in Rosen- und Goldtönen, die wie von Dschinns getragen über dem dunstigen Gewässer zu schweben schien.
»Früh auf, Carew«, ertönte hinter ihm eine Stimme aus dem Garten, »oder hast du nicht geschlafen?«
»Mein Gebieter.« John Carew blieb ungerührt sitzen, grüßte in Richtung der Stimme und fuhr fort, Nüsse zu knacken.
Paul Pindar, der Sekretär des englischen Gesandten Sir Henry Lello, überlegte kurz, welche der Rügen, die ihm auf der Zunge lagen, er aussprechen sollte, verwarf sie jedoch allesamt. Wenn er in all den Jahren mit Carew eines gelernt hatte, dann dass man so besser nicht mit ihm umging – eine Erkenntnis, die er dem Gesandten nicht hatte nahebringen können und wohl auch nicht mehr begreiflich machen würde. Nach einem kurzen Blick auf das schlafende Haus schwang er sich stattdessen selbst auf die Mauer.
»Nimm eine Nuss.« Dass Paul die Augenbrauen kurz hob, schien Carew nicht zu bemerken, jedenfalls reagierte er nicht.
Paul betrachtete den Faulenzer nachdenklich: Das Haar hing ihm lockig und ungekämmt auf die Schultern, der Körper war schmal, aber sehnig und wohlproportioniert und voller unterdrückter Energie, wie ein gespannter Bogen. Paul beobachtete Carew oft bei der Arbeit und staunte über die Anmut und Präzision, mit der sich dieser noch in den beengtesten und heißesten Räumen bewegte. Eine blasse Narbe, das Ergebnis einer Prügelei, zog sich von einem Ohr über die Wange bis zum Mundwinkel. Eine Zeit lang saßen die beiden Männer in entspanntem Schweigen nebeneinander, einem Schweigen, das ihnen in den vielen Jahren ihrer ungewöhnlichen Freundschaft vertraut geworden war.
»Und was für Nüsse sind das?«, fragte Paul schließlich.
»Sie nennen sie ›pistach‹. Sieh nur, was für ein Grün, Paul!« Carew lachte auf. »Hast du schon jemals so viel Schönheit in einer simplen Nuss gesehen?«
»Wenn der Gesandte dich hier entdeckt, Carew, nachdem er ausdrücklich…«
»Von mir aus kann sich Lello aufhängen.«
»Vorher hängst du, mein Freund«, erwiderte Paul ruhig. »Das habe ich schon immer gesagt.«
»Er will, dass ich nicht mehr koche, wenigstens nicht in seinem Haus. Ich soll die Küche diesem plattfüßigen Fettkloß Cuthbert Bull überlassen – diesem ungehobelten Pavian, der nicht mal weiß, wie man bosnischen Kohl zubereitet…«
»Nun ja.« Paul nahm noch eine Nuss. »Du bist selbst schuld daran.«
»Weißt du, wie sie ihn nennen?«
»Nein«, sagte Paul. »Aber du wirst es mir sicher gleich unterbreiten.«
»›Grützkopf‹.«
Paul antwortete nicht. »Soll ich dir sagen, warum?«
»Danke, ich kann es mir denken.«
»Du lächelst, Sekretär Pindar.«
»Ich? Ich bin der ergebenste Diener seiner verehrten Exzellenz.«
»Sein Diener, aber an dir ist nichts Ergebenes, wie er sehr wohl bemerken würde, wenn er genug Verstand hätte.«
»Du weißt alles über Ergebenheit, nehme ich an.«
»Im Gegenteil, über dieses Thema weiß ich gar nichts, wie dir sehr wohl bekannt ist. Ich weiß allerdings alles über Diener.«
»Längst nicht genug, Carew. Mein Vater hat das in den vielen Jahren immer gesagt, in denen du bei ihm in Diensten standest – wenn ›Dienste‹ überhaupt das richtige Wort für deine Possen ist, was ich bezweifele«, sagte der Ältere mit milder Stimme. »Unser verehrter Gesandter hat damit jedenfalls ganz recht.«
»Ah, aber dein Vater hat mich geliebt.« Geschickt knackte Carew mit einer Hand die nächste Nuss. »Wenn Lello mir meine Küche nicht zurückgibt, soll er sich einen Strick nehmen. Hast du ihn an dem Morgen gesehen, als Thomas Dallam und seine Männer endlich die große Kiste geöffnet haben, und das wertvolle Geschenk war zerbrochen und verschimmelt? Unser Thomas – der für einen Kerl aus Lancashire gar nicht schlecht mit Worten umgehen kann – hat zu mir gesagt, und das ist wirklich eine Seltenheit, er hat gesagt, Sir Henry habe ausgesehen, als würde er einen Backstein scheißen.«
»Weißt du, manchmal gehst du wirklich zu weit, Carew.« Obwohl Pauls Tonfall immer noch milde war, verriet die Geste, mit der er eine Handvoll Nussschalen wegwarf, seine Gereiztheit. »Er ist Gesandter und deshalb gebührt ihm dein Respekt.«
»Er ist ein Kaufmann der Levante-Kompanie.«
»Er ist ein Gesandter der Königin.«
»Aber in allererster Linie ist er Kaufmann. Das wissen die Ausländer hier in Konstantinopel sehr wohl, vor allem die anderen Gesandten, der Bailo von Venedig und der Repräsentant Frankreichs,
und sie verachten uns deswegen.«
»Dann sind sie Narren«, versetzte Paul scharf. »Wir sind jetzt alle Kaufleute, da wir alle im Dienst der Ehrenwerten Kompanie stehen, und das gereicht uns nicht zur Schande. Im Gegenteil: Unser Schicksal – deines und meines und das Schicksal des ganzen Landes, merk dir das gut – hängt davon ab. Und diese Tatsache hat unserem Ansehen bei den Türken noch nie geschadet. Sie schätzen uns jetzt sogar mehr als früher.«
»Aber nur, wenn es für sie politisch von Nutzen ist.«
»Genau das ist es: von großem Nutzen«, bestätigte Paul entschieden. »Nicht nur für den Handel, der ihnen ebenso nutzt wie uns, sondern auch im Hinblick auf unseren gemeinsamen Feind Spanien. Sie versuchen vielleicht, uns gegen die Venezianer und die Franzosen auszuspielen, aber das ist eben nur ein Spiel. In Wirklichkeit brauchen sie uns genauso wie wir sie. Wusstest du, dass die Sultaninmutter, die Valide Sultan Safiye, die allem Anschein nach eine mächtige Frau ist – obwohl Lello das leider nie zugeben wird –, persönlich mit der Königin korrespondiert? Sie hat ihr bereits Geschenke zukommen lassen, wie umgekehrt wir ihr welche von der Königin mitgebracht haben, und sie wird es wieder tun, wie man mir sagt. Ich werde die Geschenke mitnehmen, wenn ich zurücksegle.«
»Wie kann jemand, der an diesem Ort eingeschlossen ist, Macht haben?« Carew deutete auf die Kuppeln und Turmspitzen am anderen Ufer der schimmernden Wasserfläche. »Der Großtürke selbst ist nur ein Gefangener, sagen unsere Janitscharen.«
Der frühmorgendliche Dunst hatte sich inzwischen vollständig aufgelöst, und ein gutes Dutzend Kaiks sowie einige größere Schiffe fuhren mit ihren Handelsgütern an der Küste entlang.
»Es heißt, dass Hunderte von Frauen dort leben, die alle Sklavinnen und Konkubinen des Sultans sind, und dass sie ihr Leben lang ihr Gesicht keinem anderen Mann zeigen dürfen«, fuhr Carew fort.
»Sicher, ihre Lebensweise gleicht nicht der unseren, aber vielleicht ist es auch nicht ganz genau so, wie wir es uns vorstellen.«
»Sie sagen noch etwas anderes über die Valide Sultan.« Carew wandte sich Paul zu. »Dass sie von einer großen Sympathie zu dem kultivierten Sekretär Pindar erfasst wurde, als er ihr die Geschenke der Königin überbrachte. Großer Gott!« Carews Augen funkelten.
»Grützkopf muss mehr als einen Backstein geschissen haben, als er das gehört hat.«
Unwillkürlich musste Paul lachen.
»Sag schon, Paul, wie sieht sie aus? Die Sultaninmutter, die Favoritin des alten Türken, des Sultans Murad. Man sagt, in ihrer Jugend sei sie so schön gewesen, dass er ihr über zwanzig Jahre lang treu blieb.«
»Ich habe sie nicht gesehen. Wir haben uns durch ein Gitterfenster unterhalten. Sie hat Italienisch mit mir gesprochen.«
»Ist sie Italienerin?«
»Nein, das glaube ich nicht.« Paul sah die schattenhafte Gestalt hinter dem Gitter wieder vor sich, die er, wie ein Priester im Beichtstuhl, mehr erspürt als gesehen hatte. Er erinnerte sich an ein starkes Parfüm, geheimnisvoll wie ein nächtlicher Garten, süß und erdig zugleich; an einen undeutlichen Schimmer von kostbarem Schmuck, und an die wunderbare, dunkle und samtige Stimme. »Sie spricht nicht wie eine gebürtige Italienerin«, sagte er, und fügte dann gedankenverloren hinzu: »aber ihre Stimme ist schöner als jede andere, die ich im Leben gehört habe.«
Stumm blickten die beiden Männer über das Wasser der Bucht hinweg auf die fernen, schwarzen Speerspitzen der Zypressen und die halb verborgenen Türme des Sultanspalasts. Plötzlich war es nicht länger möglich, den wahren Grund zu verschweigen, der sie am frühen Morgen in der Abgeschiedenheit des Gartens zusammengeführt hatte.
»Das Mädchen, Paul …«
»Nein.«
»Sie ist da drinnen, Paul.«
»Nein!«
»Nein? Ich weiß es!«
»Woher weißt du es?«
»Weil ich sie gesehen habe. Ich habe Celia mit eigenen Augen gesehen. «
»Unmöglich!« Paul packte Carew am Handgelenk und schüttelte ihn grob. »Celia Lamprey ist tot.«
»Ich sage dir, ich habe sie gesehen.«
»Du hast sie mit eigenen Augen gesehen? Ich steche dir diese Augen aus, Carew, wenn du mich anlügst.«
»Bei meinem Leben, Pindar. Sie war es.« Schweigen. »Frag Dallam. Er war bei mir.«
»Oh, keine Sorge, das werde ich tun.« Er ließ Carews Handgelenk los. »Aber hör gut zu, John, wenn irgendein Türke auch nur ein Sterbenswort von diesem Abenteuer erfährt, sind wir todgeweiht.«
»Früh auf, Carew«, ertönte hinter ihm eine Stimme aus dem Garten, »oder hast du nicht geschlafen?«
»Mein Gebieter.« John Carew blieb ungerührt sitzen, grüßte in Richtung der Stimme und fuhr fort, Nüsse zu knacken.
Paul Pindar, der Sekretär des englischen Gesandten Sir Henry Lello, überlegte kurz, welche der Rügen, die ihm auf der Zunge lagen, er aussprechen sollte, verwarf sie jedoch allesamt. Wenn er in all den Jahren mit Carew eines gelernt hatte, dann dass man so besser nicht mit ihm umging – eine Erkenntnis, die er dem Gesandten nicht hatte nahebringen können und wohl auch nicht mehr begreiflich machen würde. Nach einem kurzen Blick auf das schlafende Haus schwang er sich stattdessen selbst auf die Mauer.
»Nimm eine Nuss.« Dass Paul die Augenbrauen kurz hob, schien Carew nicht zu bemerken, jedenfalls reagierte er nicht.
Paul betrachtete den Faulenzer nachdenklich: Das Haar hing ihm lockig und ungekämmt auf die Schultern, der Körper war schmal, aber sehnig und wohlproportioniert und voller unterdrückter Energie, wie ein gespannter Bogen. Paul beobachtete Carew oft bei der Arbeit und staunte über die Anmut und Präzision, mit der sich dieser noch in den beengtesten und heißesten Räumen bewegte. Eine blasse Narbe, das Ergebnis einer Prügelei, zog sich von einem Ohr über die Wange bis zum Mundwinkel. Eine Zeit lang saßen die beiden Männer in entspanntem Schweigen nebeneinander, einem Schweigen, das ihnen in den vielen Jahren ihrer ungewöhnlichen Freundschaft vertraut geworden war.
»Und was für Nüsse sind das?«, fragte Paul schließlich.
»Sie nennen sie ›pistach‹. Sieh nur, was für ein Grün, Paul!« Carew lachte auf. »Hast du schon jemals so viel Schönheit in einer simplen Nuss gesehen?«
»Wenn der Gesandte dich hier entdeckt, Carew, nachdem er ausdrücklich…«
»Von mir aus kann sich Lello aufhängen.«
»Vorher hängst du, mein Freund«, erwiderte Paul ruhig. »Das habe ich schon immer gesagt.«
»Er will, dass ich nicht mehr koche, wenigstens nicht in seinem Haus. Ich soll die Küche diesem plattfüßigen Fettkloß Cuthbert Bull überlassen – diesem ungehobelten Pavian, der nicht mal weiß, wie man bosnischen Kohl zubereitet…«
»Nun ja.« Paul nahm noch eine Nuss. »Du bist selbst schuld daran.«
»Weißt du, wie sie ihn nennen?«
»Nein«, sagte Paul. »Aber du wirst es mir sicher gleich unterbreiten.«
»›Grützkopf‹.«
Paul antwortete nicht. »Soll ich dir sagen, warum?«
»Danke, ich kann es mir denken.«
»Du lächelst, Sekretär Pindar.«
»Ich? Ich bin der ergebenste Diener seiner verehrten Exzellenz.«
»Sein Diener, aber an dir ist nichts Ergebenes, wie er sehr wohl bemerken würde, wenn er genug Verstand hätte.«
»Du weißt alles über Ergebenheit, nehme ich an.«
»Im Gegenteil, über dieses Thema weiß ich gar nichts, wie dir sehr wohl bekannt ist. Ich weiß allerdings alles über Diener.«
»Längst nicht genug, Carew. Mein Vater hat das in den vielen Jahren immer gesagt, in denen du bei ihm in Diensten standest – wenn ›Dienste‹ überhaupt das richtige Wort für deine Possen ist, was ich bezweifele«, sagte der Ältere mit milder Stimme. »Unser verehrter Gesandter hat damit jedenfalls ganz recht.«
»Ah, aber dein Vater hat mich geliebt.« Geschickt knackte Carew mit einer Hand die nächste Nuss. »Wenn Lello mir meine Küche nicht zurückgibt, soll er sich einen Strick nehmen. Hast du ihn an dem Morgen gesehen, als Thomas Dallam und seine Männer endlich die große Kiste geöffnet haben, und das wertvolle Geschenk war zerbrochen und verschimmelt? Unser Thomas – der für einen Kerl aus Lancashire gar nicht schlecht mit Worten umgehen kann – hat zu mir gesagt, und das ist wirklich eine Seltenheit, er hat gesagt, Sir Henry habe ausgesehen, als würde er einen Backstein scheißen.«
»Weißt du, manchmal gehst du wirklich zu weit, Carew.« Obwohl Pauls Tonfall immer noch milde war, verriet die Geste, mit der er eine Handvoll Nussschalen wegwarf, seine Gereiztheit. »Er ist Gesandter und deshalb gebührt ihm dein Respekt.«
»Er ist ein Kaufmann der Levante-Kompanie.«
»Er ist ein Gesandter der Königin.«
»Aber in allererster Linie ist er Kaufmann. Das wissen die Ausländer hier in Konstantinopel sehr wohl, vor allem die anderen Gesandten, der Bailo von Venedig und der Repräsentant Frankreichs,
und sie verachten uns deswegen.«
»Dann sind sie Narren«, versetzte Paul scharf. »Wir sind jetzt alle Kaufleute, da wir alle im Dienst der Ehrenwerten Kompanie stehen, und das gereicht uns nicht zur Schande. Im Gegenteil: Unser Schicksal – deines und meines und das Schicksal des ganzen Landes, merk dir das gut – hängt davon ab. Und diese Tatsache hat unserem Ansehen bei den Türken noch nie geschadet. Sie schätzen uns jetzt sogar mehr als früher.«
»Aber nur, wenn es für sie politisch von Nutzen ist.«
»Genau das ist es: von großem Nutzen«, bestätigte Paul entschieden. »Nicht nur für den Handel, der ihnen ebenso nutzt wie uns, sondern auch im Hinblick auf unseren gemeinsamen Feind Spanien. Sie versuchen vielleicht, uns gegen die Venezianer und die Franzosen auszuspielen, aber das ist eben nur ein Spiel. In Wirklichkeit brauchen sie uns genauso wie wir sie. Wusstest du, dass die Sultaninmutter, die Valide Sultan Safiye, die allem Anschein nach eine mächtige Frau ist – obwohl Lello das leider nie zugeben wird –, persönlich mit der Königin korrespondiert? Sie hat ihr bereits Geschenke zukommen lassen, wie umgekehrt wir ihr welche von der Königin mitgebracht haben, und sie wird es wieder tun, wie man mir sagt. Ich werde die Geschenke mitnehmen, wenn ich zurücksegle.«
»Wie kann jemand, der an diesem Ort eingeschlossen ist, Macht haben?« Carew deutete auf die Kuppeln und Turmspitzen am anderen Ufer der schimmernden Wasserfläche. »Der Großtürke selbst ist nur ein Gefangener, sagen unsere Janitscharen.«
Der frühmorgendliche Dunst hatte sich inzwischen vollständig aufgelöst, und ein gutes Dutzend Kaiks sowie einige größere Schiffe fuhren mit ihren Handelsgütern an der Küste entlang.
»Es heißt, dass Hunderte von Frauen dort leben, die alle Sklavinnen und Konkubinen des Sultans sind, und dass sie ihr Leben lang ihr Gesicht keinem anderen Mann zeigen dürfen«, fuhr Carew fort.
»Sicher, ihre Lebensweise gleicht nicht der unseren, aber vielleicht ist es auch nicht ganz genau so, wie wir es uns vorstellen.«
»Sie sagen noch etwas anderes über die Valide Sultan.« Carew wandte sich Paul zu. »Dass sie von einer großen Sympathie zu dem kultivierten Sekretär Pindar erfasst wurde, als er ihr die Geschenke der Königin überbrachte. Großer Gott!« Carews Augen funkelten.
»Grützkopf muss mehr als einen Backstein geschissen haben, als er das gehört hat.«
Unwillkürlich musste Paul lachen.
»Sag schon, Paul, wie sieht sie aus? Die Sultaninmutter, die Favoritin des alten Türken, des Sultans Murad. Man sagt, in ihrer Jugend sei sie so schön gewesen, dass er ihr über zwanzig Jahre lang treu blieb.«
»Ich habe sie nicht gesehen. Wir haben uns durch ein Gitterfenster unterhalten. Sie hat Italienisch mit mir gesprochen.«
»Ist sie Italienerin?«
»Nein, das glaube ich nicht.« Paul sah die schattenhafte Gestalt hinter dem Gitter wieder vor sich, die er, wie ein Priester im Beichtstuhl, mehr erspürt als gesehen hatte. Er erinnerte sich an ein starkes Parfüm, geheimnisvoll wie ein nächtlicher Garten, süß und erdig zugleich; an einen undeutlichen Schimmer von kostbarem Schmuck, und an die wunderbare, dunkle und samtige Stimme. »Sie spricht nicht wie eine gebürtige Italienerin«, sagte er, und fügte dann gedankenverloren hinzu: »aber ihre Stimme ist schöner als jede andere, die ich im Leben gehört habe.«
Stumm blickten die beiden Männer über das Wasser der Bucht hinweg auf die fernen, schwarzen Speerspitzen der Zypressen und die halb verborgenen Türme des Sultanspalasts. Plötzlich war es nicht länger möglich, den wahren Grund zu verschweigen, der sie am frühen Morgen in der Abgeschiedenheit des Gartens zusammengeführt hatte.
»Das Mädchen, Paul …«
»Nein.«
»Sie ist da drinnen, Paul.«
»Nein!«
»Nein? Ich weiß es!«
»Woher weißt du es?«
»Weil ich sie gesehen habe. Ich habe Celia mit eigenen Augen gesehen. «
»Unmöglich!« Paul packte Carew am Handgelenk und schüttelte ihn grob. »Celia Lamprey ist tot.«
»Ich sage dir, ich habe sie gesehen.«
»Du hast sie mit eigenen Augen gesehen? Ich steche dir diese Augen aus, Carew, wenn du mich anlügst.«
»Bei meinem Leben, Pindar. Sie war es.« Schweigen. »Frag Dallam. Er war bei mir.«
»Oh, keine Sorge, das werde ich tun.« Er ließ Carews Handgelenk los. »Aber hör gut zu, John, wenn irgendein Türke auch nur ein Sterbenswort von diesem Abenteuer erfährt, sind wir todgeweiht.«
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Autoren-Porträt von Katie Hickman
Katie Hickman, Tochter einer Diplomatenfamilie, verbrachte die ersten fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens in verschiedenen Ländern fernab ihrer britischen Heimat. Heute lebt sie mit ihrer Familie in London.Maja Ueberle-Pfaff, geboren 1954 in Karlsruhe, Studium der Anglistik und Geschichte, Übersetzerin und Autorin, lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in der Nähe von Freiburg/Br.
Bibliographische Angaben
- Autor: Katie Hickman
- 2010, 397 Seiten, Maße: 12 x 18,9 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Ueberle-Pfaff, Maja
- Übersetzer: Maja Ueberle-Pfaff
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548281303
- ISBN-13: 9783548281308
Rezension zu „Die Liebenden von Konstantinopel “
»Ein äußerst unterhaltsamer Roman, vielschichtig und voller Leben. Das Konstantinopel des 16. Jahrhunderts entfaltet sich mit all seinen Farben, Düften und seiner beispiellosen Pracht.« Joanne Harris »Katie Hickman entführt den Leser in ein verwunschenes Land. Ihr Roman ist wie ein Stückchen Türkischer Honig. Genießen Sie es!« The Independent
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