Die Schule der Frauen
Wie wir die Familie neu erfinden
Wie wir die Familie neu erfinden. Emanzipation, Karriere und Pille: Die Lebenswirklichkeit der moderen Frau hat das traditionelle Familienkonzept in seinen Grundfesten erschüttert. Mit Kindern kommt die Moderne ins Stottern und ohne Kinder auch. In diesem...
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Produktinformationen zu „Die Schule der Frauen “
Wie wir die Familie neu erfinden. Emanzipation, Karriere und Pille: Die Lebenswirklichkeit der moderen Frau hat das traditionelle Familienkonzept in seinen Grundfesten erschüttert. Mit Kindern kommt die Moderne ins Stottern und ohne Kinder auch. In diesem Paradox leben wir, in diesem Paradox müssen wir uns einrichten. Wie wir das schaffen können, davon erzählt dieses Buch. Dass Kinder glücklich machen, steht dabei nicht zur Debatte. Wir sollten dem Glück nur offen in die Augen sehen. Denn die Zukunft hängt davon ab, neue soziale und familiäre Konzepte zu begründen.
Klappentext zu „Die Schule der Frauen “
Klartext zu Frauen, Kindern und KarriereMännchen, Weibchen, Nest und Nachwuchs, das ist der Gang der Welt seit Anbeginn. An den evolutionären Grundgesetzen kommt man ohne Folgen nicht vorbei. Die Natur rächt sich an der Moderne, den hemmungslosen Einsatz der Pille bestraft sie mit Engpässen in der Rentenfinanzierung. In den panischen Gebärkampagnen der letzten Monate werden Frauen einem enormen Druck ausgesetzt. Die emanzipierte, arbeitende Frau gerät in Misskredit. Dabei ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau eine wunderbare Sache, die nicht mehr zurückgenommen werden kann. Wir müssen sie verteidigen, auch wenn sie oft nicht funktioniert, wie insbesondere bei der Familiengründung. Mit Kindern kommt die Moderne ins Stottern und ohne Kinder auch. In diesem Paradox leben wir, in diesem Paradox müssen wir uns einrichten. Wie wir das schaffen können, davon erzählt dieses Buch. Dass Kinder glücklich machen, steht dabei nicht zur Debatte. Wir sollten dem Glück nur offen in die Augen sehen.
Klartext zu Frauen, Kindern und Karriere
Männchen, Weibchen, Nest und Nachwuchs, das ist der Gang der Welt seit Anbeginn. An den evolutionären Grundgesetzen kommt man ohne Folgen nicht vorbei. Die Natur rächt sich an der Moderne, den hemmungslosen Einsatz der Pille bestraft sie mit Engpässen in der Rentenfinanzierung. In den panischen Gebärkampagnen der letzten Monate werden Frauen einem enormen Druck ausgesetzt. Die emanzipierte, arbeitende Frau gerät in Misskredit. Dabei ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau eine wunderbare Sache, die nicht mehr zurückgenommen werden kann. Wir müssen sie verteidigen, auch wenn sie oft nicht funktioniert, wie insbesondere bei der Familiengründung. Mit Kindern kommt die Moderne ins Stottern und ohne Kinder auch. In diesem Paradox leben wir, in diesem Paradox müssen wir uns einrichten. Wie wir das schaffen können, davon erzählt dieses Buch. Dass Kinder glücklich machen, steht dabei nicht zur Debatte. Wir sollten dem Glück nur offen in die Augen sehen.
IRIS RADISCH - Eine der renommiertesten deutschen Journalistinnen über die Zukunft der Familie und die Rolle der Frau
Die Klagen nehmen kein Ende: Wir bekommen keine Kinder mehr, das System Familie kollabiert. Aber ist das wirklich schlimm? Die Antwort lautet: Nein! Der alten Heldenfamilie müssen wir keine Träne nachweinen, der Mutti-kocht-Vati-arbeitet-Ehe ganz sicher auch nicht.
Die Gebärkampagnen der letzten Monate sind Propaganda. Die Appelle an die jungen Frauen, Kinder in die Welt zu setzen, erzählen viel über männliche Planspiele und wenig über weibliche Wirklichkeit.
Die angepriesene Vereinbarkeit von Beruf und Kindern ist eine Schimäre. Da gibt es nämlich nichts zu vereinbaren. Da gibt es nur etwas zu addieren.
Dahin, wo wir herkommen, können wir nicht zurück. Da, wo wir sind, werden wir immer weniger. Wenn uns das stört, dann müssen wir unser Leben neu erfinden. Wir müssen vor allem überdenken, wie wir lieben.
Unsere Zukunft wird in einem nicht geringen Maße davon abhängen, ob es uns gelingt, neue soziale und familiäre Verbindlichkeiten zu begründen.
- Harte Wahrheiten und neue Perspektiven in der Debatte über die Zukunft der Familie und die Rolle der Frauen
- Mit sehr persönlichen Erfahrungen einer der erfolgreichsten Journalistinnen Deutschlands- Angriffslustig und polemisch - ein Buch, über das man sprechen wird
Männchen, Weibchen, Nest und Nachwuchs, das ist der Gang der Welt seit Anbeginn. An den evolutionären Grundgesetzen kommt man ohne Folgen nicht vorbei. Die Natur rächt sich an der Moderne, den hemmungslosen Einsatz der Pille bestraft sie mit Engpässen in der Rentenfinanzierung. In den panischen Gebärkampagnen der letzten Monate werden Frauen einem enormen Druck ausgesetzt. Die emanzipierte, arbeitende Frau gerät in Misskredit. Dabei ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau eine wunderbare Sache, die nicht mehr zurückgenommen werden kann. Wir müssen sie verteidigen, auch wenn sie oft nicht funktioniert, wie insbesondere bei der Familiengründung. Mit Kindern kommt die Moderne ins Stottern und ohne Kinder auch. In diesem Paradox leben wir, in diesem Paradox müssen wir uns einrichten. Wie wir das schaffen können, davon erzählt dieses Buch. Dass Kinder glücklich machen, steht dabei nicht zur Debatte. Wir sollten dem Glück nur offen in die Augen sehen.
IRIS RADISCH - Eine der renommiertesten deutschen Journalistinnen über die Zukunft der Familie und die Rolle der Frau
Die Klagen nehmen kein Ende: Wir bekommen keine Kinder mehr, das System Familie kollabiert. Aber ist das wirklich schlimm? Die Antwort lautet: Nein! Der alten Heldenfamilie müssen wir keine Träne nachweinen, der Mutti-kocht-Vati-arbeitet-Ehe ganz sicher auch nicht.
Die Gebärkampagnen der letzten Monate sind Propaganda. Die Appelle an die jungen Frauen, Kinder in die Welt zu setzen, erzählen viel über männliche Planspiele und wenig über weibliche Wirklichkeit.
Die angepriesene Vereinbarkeit von Beruf und Kindern ist eine Schimäre. Da gibt es nämlich nichts zu vereinbaren. Da gibt es nur etwas zu addieren.
Dahin, wo wir herkommen, können wir nicht zurück. Da, wo wir sind, werden wir immer weniger. Wenn uns das stört, dann müssen wir unser Leben neu erfinden. Wir müssen vor allem überdenken, wie wir lieben.
Unsere Zukunft wird in einem nicht geringen Maße davon abhängen, ob es uns gelingt, neue soziale und familiäre Verbindlichkeiten zu begründen.
- Harte Wahrheiten und neue Perspektiven in der Debatte über die Zukunft der Familie und die Rolle der Frauen
- Mit sehr persönlichen Erfahrungen einer der erfolgreichsten Journalistinnen Deutschlands- Angriffslustig und polemisch - ein Buch, über das man sprechen wird
Lese-Probe zu „Die Schule der Frauen “
Wenn wir in den letzten paar tausend Jahren unsere Bevölkerungszahl erhalten und sogar steigern konnten, so war das möglich, weil Frauen unterdrückt und benachteiligt wurden.Das ist ein Satz, der wehtut. Ein Satz, über den man lieber hinweggehen würde. Aber wir können ihm nicht ausweichen. Es hilft uns nichts, so zu tun, als wäre er nicht wahr, nur teilweise wahr, nur für wenige wahr, nicht für uns wahr. Es ist, wie es ist. Frauen haben dafür gesorgt, dass wir mehr und immer mehr geworden sind. Und sie haben dafür einen hohen Preis gezahlt.
Es war richtig und gut, diese Unterdrückung und Benachteiligung anzuprangern und sie so gut es ging zu beseitigen. Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist eine der großartigsten Errungenschaften des modernen Lebens. Doch auch sie hat einen Preis. Seitdem wir Frauen nicht mehr unterdrückt und weniger benachteiligt sind, hat der schmerzhafte Satz sich umgekehrt. Er lautet jetzt so: Wenn wir in den letzten paar Jahrzehnten unsere Bevölkerungszahl nicht erhalten und schon gar nicht steigern konnten, so liegt das daran, dass Frauen nicht mehr unterdrückt und weniger benachteiligt werden. Mit anderen Worten: Seitdem die Frauen den Preis für die Kinder nicht mehr zahlen wollen, gibt es immer weniger Kinder.
Und damit haben wir ein Problem. Männchen, Weibchen, Nest und Nachwuchs, das ist der Gang der Welt seit Anbeginn. Eine Gattung, die sich einfach nicht mehr fortpflanzt, hat es bisher noch nicht gegeben. Ohne Kinder verzichten wir auf eine der tiefsten und lebendigsten Erfahrungen, die
man im Leben machen kann. Ohne Kinder beenden wir die Kette der Generationen, der wir unser eigenes Leben verdanken. Was soll geschehen? Der Feminismus hat keine Antwort auf die Kinderfrage hinterlassen, das Patriarchat die falsche. Unser Glück und unsere Zukunft hängen davon ab, dass es eine andere Antwort gibt.
Ich habe drei Kinder und einen Beruf, und ich glaube nicht an einfache Lösungen. Im Gegenteil, ich glaube, dass uns
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jeder, der uns einfache Lösungen in Aussicht stellt, nicht ernst nimmt. Ich glaube vor allen Dingen nicht an die Lösung, uns Frauen angesichts der offensichtlichen Schwierigkeiten den Rückzug aus dem Arbeitsleben zu empfehlen. Die Frau als edle Wilde, fern von der Welt, wohlverwahrt zwischen Kochtöpfen und Bettlaken, mit dieser Idee ist der Patriarch in der "Schule der Frauen" bei Molière schon vor über dreihundert Jahren gescheitert. Natürlich steht es jeder Frau frei, etwas Derartiges noch einmal zu versuchen, aber wenn wir alle diesen Rückzug antreten, überlassen wir die Welt wieder den Männern und unsere Fähigkeiten und Begabungen bleiben ungenutzt.
Ich habe viele Jahre geglaubt, man muss es nur wollen, dann kann man alles haben, Kinder, Arbeit und Liebe. Glück ist zwar einerseits einfach Glückssache, aber andererseits eine Frage der Kraft. Und natürlich eine Frage der berühmten "Vereinbarkeit". Das glaube ich inzwischen alles nicht mehr. Irgendwann, vielleicht an einem frühen Winterabend im vollbesetzten Vorortzug, vielleicht eines Nachts vor dem Wäschetrockner, vielleicht eines Morgens im Dunkeln auf dem Weg zum Kindergarten, kommen die Zweifel: Läuft hier nicht alles grundsätzlich falsch? An diesem Punkt kommt die Moderne ins Stottern. Und eine neue Frage taucht auf: Was machen wir jetzt?
Darauf gibt es keine fertige Antwort. Wir müssen uns unsere Welt ansehen, in der etwas so Grundsätzliches wie die Fortpflanzung kaum noch Platz hat. Die Welt ohne Kinder, wie wir sie uns eingerichtet haben. Und die Welt mit Kindern, in der die Familien zerbrechen, auseinandergerissen werden und wir keine Zeit füreinander haben. Wir müssen uns unsere Biografien ansehen, die sich von ursprünglichen Lebenskreisläufen sehr weit entfernt haben. Und vor allem die Liebe, aus der nicht mehr viel folgt.
Unser Frauenleben ist eines der lebenswertesten seit Frauengedenken. Doch in der Kinderfrage stehen wir immer noch mit dem Rücken zur Wand. So kann es nicht bleiben.
1. Kapitel
Heldendämmerung
Die Männer haben hart gekämpft. Sie haben Gesetze geschaffen, Städte gebaut, Autobahnen und Atomkraftwerke. Sie haben Zeitungen gegründet und Geschirrspüler verkauft. Sie haben Faust I und II in mehreren tausend Varianten auf die Bühnen gebracht. Es fehlt nicht viel, und sie wären zum Mars geflogen. Die deutschen Männer sind Helden. Sie haben einen großartigen Wirtschaftssieg errungen: Das Land ist wieder aufgebaut. Es ist eines der reichsten der Erde geworden.
Nun kehren die neuen Sieger aus ihren Vorstandszentralen und Hauptquartieren zurück. Sie wollen sich zu Hause ihres Sieges freuen. Sie wollen sich zu ihren Frauen auf die Gartenbank setzen und ihren Kindern beim Spielen zusehen. Aber siehe da: Zu Hause steht die Wiege leer und die Frau ist arbeiten.
Der deutsche Mann sitzt allein auf seiner Gartenbank. Die Autos, die er gebaut hat, fahren, die Flugzeuge fliegen, die Glaspaläste funkeln in der Sonne. Aber niemand ist da, der sich mit ihm darüber freut. Niemand, der es erben wird. Der Held ist einsam.
Wir leben in dieser Zeit nach den großen Heldentaten der Nachkriegszeit: nach dem Wiederaufbau, nach der Wiedervereinigung, nach der industriellen, nach der sexuellen, nach der virtuellen und nach der gentechnologischen Revolution. Wir haben den Fortschritt gewollt, haben an ihn geglaubt und haben ihn bekommen. Noch nie ist eine Generation materiell so gesegnet gewesen wie die unsere. Noch nie haben Menschen in größerer Bequemlichkeit gelebt als wir.
Wir leben in einer Zeit des Jammerns, der Verlustängste und der Verunsicherung. Dennoch wissen wir: Noch reicher können wir kaum werden. Viel bequemer können wir es nicht mehr haben. Noch mehr Wohlstand, noch mehr Annehmlichkeiten sind nicht möglich. Und das, was uns jetzt noch fehlt, können wir uns nicht kaufen. Auch wenn es, außer zu Gott und dem Tod, zu allem eine Steigerungsform gibt, spüren wir: Die Lust auf mehr und immer mehr wird weniger. Wir werden zwar weiterhin immer mehr produzieren, alles Mögliche, Sony-Center, Kleinwagen und TV-Programme, neue Gesichtscremes, Hosenschnitte und Lifestyle-Magazine. Wir werden das Leben immer weiter verlängern. Wir werden uns vielleicht bald selbst verdoppeln. Aber auf eine Frage wissen wir keine Antwort: wozu es gut ist, immer nur mehr und noch mehr vom selben zu haben.
Mit dieser Frage bleiben wir im Büro allein. Seitdem wir diese Frage nicht mehr loswerden, fällt uns ein, dass nach dem Büro noch etwas kommen müsste.
Das, was die Helden gerne hätten, wenn sie abends zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Uhr abgekämpft aus ihren Schaltzentralen heraustaumeln, ist seit der Odyssee in etwa dasselbe: ein Zuhause, eine Frau und Kinder. Doch der Fortschritt will es, dass - seitdem es auf der Welt dank der Tatkraft des Mannes von allem immer mehr und mehr gibt - ausgerechnet davon immer weniger da ist. Jede dritte Ehe wird geschieden. Mehr als ein Drittel aller Frauen aus der gebildeten Mittelschicht bleibt ohne Kinder. Zu Hause liegen keine Bilderbücher auf dem Boden, zu Hause stolpert man nicht über Gummistiefel in allen Größen und Regenbogenfarben, zu Hause warten ein Bier und die freundliche Anne Will.
Es wird viel über Demografie gesprochen in diesen Zeiten. Überall heißt es: Die Deutschen sterben aus. Bald ist niemand mehr da, der unsere künstlichen Hüftgelenke, unsere Zahnprothesen und Krebstherapien im Alter bezahlen wird. Schlimmer noch: Es ist bald auch niemand mehr da, der unsere Faust-II-Inszenierungen noch zu schätzen weiß. Niemand mehr, der unsere Debatten weiterdebattiert, unsere Bücher versteht, unsere Museen besucht, unsere Armani-Anzüge aufträgt und in unseren Einfamilienhäusern wohnen will.
Das ist in der Tat sehr ärgerlich. Allerdings wissen wir seit rund vierzig Jahren, dass das so kommen wird. Seit den sechziger Jahren zeigt der demografische Kegel diese unschönen Dellen. Das große Gejammer um die fehlenden Kinder und die den Einzelnen nur noch lose um flatternden Familienbande, das seit einigen Jahren angestimmt wird, kommt spät. So spät, dass man der Populär-Demografie manchmal das mitgelieferte Entsetzen nicht glaubt. In solchen skeptischen Momenten denkt man: Die Untergangsstimmung hat andere Gründe als die Angst vor der Seniorenschwemme, die wir selber sein werden. Es geht nicht um den Generationenkrieg. Das sind nur Metaphern, mit denen Helden ihre Einsamkeit bevölkern. Ihre Einsamkeit und ihre Trauer. Und das ungute Gefühl, für die Siege der Nachkriegszeit in der Zukunft von niemandem mehr bewundert zu werden.
Die gebildete Frau lässt andere gebären
Niemand weiß, ob es wirklich so schlimm ist, wenn wir immer weniger werden. Wenn wir, wie vorausgesagt, im Jahr 2050 die Bevölkerungszahl von 1950 wieder erreicht haben werden. Weniger Menschen, heißt das nicht auch weniger Belastungen? Weniger Staus, weniger Autos, weniger Flugzeuge, weniger Müll, weniger Kranke, weniger Verbraucher, weniger Umweltverschmutzung. Mehr Platz, mehr Entspannung, mehr Ruhe, Wildschweine und Schafe auf den Autobahnen, frischere Luft und Sitzplätze im Intercity. Schweden ist schließlich ein herrliches Land, nicht zuletzt deswegen, weil es dort so wenig Schweden gibt. So kann man das sehen. Andere finden mit ihren Thesen vom drohenden Untergang des deutschen Landes reißenden Absatz. Einige wenige geben sich stoisch: Wir sind schließlich nicht die erste Hochkultur, die untergeht. Das späte Rom hatte auch schon Probleme mit der Geburtenrate. Da hatten die jungen kulturlosen, kinderreichen Barbaren leichtes Spiel.
So gesehen wiederholt sich die Geschichte. Auch wir werden immer weniger. Bald stehen die jungen, geburtenstarken Barbaren vor unserer Tür, um es sich in unseren gläsernen Konferenzräumen, auf unseren schwarzen Ledersesseln gemütlich zu machen und aus unseren italienischen Espressotassen zu trinken. Und wir haben ihnen nur noch wenig entgegenzusetzen. Im Gegenteil: Wir werden auf sie angewiesen sein. Welthistorisch betrachtet kann man sie nur hereinbitten. Irgendetwas wird sicher von uns übrig bleiben. Wie auch von den Römern etwas übrig geblieben ist. Vielleicht so etwas wie ein Germanum an höheren Schulen, ein bisschen Wolf Biermann im Nachtprogramm und Reich-Ranicki im Oberseminar. Ansonsten gilt: Wie gewonnen, so zerronnen. Auch in der Natur muss alles, was einmal groß und schön war, runzelig und alt werden und sterben. Jeder muss einmal Platz machen für den Nächsten. Warum soll es Hochkulturen anders ergehen als Bäumen oder Blumen?
Aber langsam. Mit dem Untergang von Hochkulturen soll man nicht scherzen. Auch die Leiden von Helden muss man ernst nehmen. Denn sie haben das Allerwichtigste verloren: den Grund für ihren grandiosen Wohlstandskampf. Nun suchen sie nach Schuldigen. Wie konnte es so weit kommen, dass etwas so Großartiges wie das deutsche Wirtschaftswunder keine Erben findet? Wer hat es versäumt, beizeiten Kinder in die Welt zu setzen? Wer hat das von Gott gestiftete Band zwischen Sex und Fortpflanzung zerschnitten? Wer hat sich seinem Herrn gleichgemacht? Wer hat plötzlich Hosen an und ein eigenes Konto bei der Deutschen Bank? Wer denkt wie ein Mann, also an sich selbst zuerst? Wer missachtet die von Gott gestiftete Arbeitsteilung? Natürlich wir. Die Frauen.
Wir sind schuld. Wir vierzig- und fünfzig- und sechzigjährigen Frauen, die wir alles Mögliche haben, Hunde, Katzen, Landhäuser in der Uckermark, Hosen von Versace, Fußbodenheizung, Zweisitzer und Zuchtrosen. Alles, aber keine Kinder. Meistens nicht. Je gebildeter, desto weniger. Je besser verdienender, desto noch weniger. Je gleichberechtigter, desto beinahe überhaupt nicht mehr. Kinder sind nüchtern und das heißt statistisch betrachtet inzwischen etwas für die niederen Stände. Hässlich gesagt: Kinder sind heutzutage im Großen und Ganzen etwas für die Dicken und Doofen. Wir, die gut ausgebildeten selbständigen Frauen lassen nicht mehr nur wie früher unsere Kinder, falls wir sie denn überhaupt haben, von der armen Unterschicht erziehen. Lieber noch lassen wir gebären. Und zwar die anderen Frauen. Die Frauen, die keinen beruflichen Erfolg haben, die, bei denen es nicht so sehr darauf ankommt, ob sie zu Hause Legosteine oder bei "Rossmann" Haarshampoos sortieren. Gerade diejenigen, die sich Kinder noch am ehesten leisten könnten, verzichten zunehmend auf diesen Luxus. Die Mühen der Kinderaufzucht überlässt die gebildete Frau dem Personal.
Kinderreiche und Kinderlose leben in getrennten Universen
Das ist natürlich nur eine Wahrheit. Es gibt auch andere Wahrheiten. Es gibt neben dem relativ kinderlosen Zentralgestirn auch noch andere Planeten. Ich habe den größten Teil meines Lebens auf einem ausgesprochen kinderreichen Planeten verbracht. Meine Eltern haben drei Kinder und acht Enkel. Meine Schwiegereltern haben vier Kinder und ebenfalls acht Enkel. Meine drei Töchter haben elf Cousinen, zwei Cousins, drei Tanten und zwei Onkel, vier Großeltern und diverse Großtanten und Großonkel. Das klingt nicht nur verwirrend, das ist verwirrend und sehr turbulent.
Wie jede kinderreiche Familie sind auch wir umgeben von kinderreichen Familien. Die Freundinnen meiner Töchter haben alle mindestens ein, meistens zwei und drei Geschwister, häufig von verschiedenen Vätern. Zwei meiner Freundinnen haben fünf Kinder, zwei andere haben vier, eine hat drei, selbst meine Freunde in der Hauptstadt haben noch zwei Kinder oder zumindest eines.
Das ist statistisch völlig unerheblich, offenbar sogar wirklichkeitsfremd. Und doch lässt sich daraus etwas ablesen: Wer Kinder hat, kennt Leute mit Kindern. Umgekehrt gilt dasselbe. Denn die Kinderreichen und die Kinderarmen leben inzwischen in zwei getrennten Universen, die sich kaum noch berühren.
Mein vergangenes Lebensjahrzehnt hat sich in übervollen Kinderläden abgespielt, in prallen Vorschulklassen, auf aus allen Nähten platzenden Einschulungsfeiern, auf ungezählten Kindergeburtstagen und auf Familienfeiern, bei denen kaum ein Erwachsener mehr zu Wort kam. Mein Leben ist bis heute voller Kinder, nicht nur im eigenen Haus, sondern auch rechts und links, bei meinen Geschwistern genauso wie bei meinen Freundinnen, auf dem Land, wo wir jetzt leben, genauso wie in der Vorstadt, in der wir einige Jahre verbracht haben.
Ohne die Bücher von Herwig Birg, Meinhard Miegel, Franz-Xaver Kaufmann, Elisabeth Beck-Gernsheim, Hans Bertram, Frank Schirrmacher und Paul Longman, ohne die immer panischer formulierten Gebärkampagnen in den deutschen Printmedien wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass irgendjemand in Deutschland zu wenig Kinder haben könnte.
Allerdings hätte ich misstrauisch werden können: Die vielen kinderreichen Mütter, die mich umgeben, machen alles Mögliche. Sie geben Reitstunden oder Reiki-Unterricht, sie entwerfen Theaterkostüme, sie arbeiten ein paar Stunden in einer Kulturinitiative oder ein paar Wochen auf einem Filmset, sie bieten Massage, Atemtherapie oder Yoga-Kurse an. Damit haben sie alle eines gemeinsam: Sie gehen keiner geregelten Arbeit nach. Und an dem Ort, an dem ich das tue, gibt es nur sehr wenige Frauen. Da fiel es nicht so auf, dass von diesen wenigen noch weniger Kinder haben und dass diese wenigen, die Kinder haben, natürlich auch nur wenige Kinder haben. Dabei ist es mit Händen zu greifen: Ganz offensichtlich gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Ausübung einer geregelten anspruchsvollen Arbeit und der Bereitschaft der Frauen, mehr als ein oder höchstens zwei Kinder zu bekommen.
Davon erzählen auch die Zahlen: Wer in Deutschland weiblich und voll berufstätig ist, bekommt selten Kinder. Je qualifizierter eine Frau ist, umso weniger Kinder bekommt sie. Es ist unbestreitbar: Kinder fehlen. Sie fehlen besonders in der gebildeten Mittelschicht, von der hier vor allen Dingen die Rede ist. Beinahe vierzig Prozent der Akademikerinnen bleiben kinderlos. Und all die, die nicht da sind, können auch nicht mehr ersetzt werden. Und die Ungeborenen fehlen uns nicht nur jetzt, in den Schulen, auf den Universitäten. Auch ihre nichtgeborenen Kinder werden uns fehlen, wenn wir alt sind und beim Pflegedienst anrufen, um eine Suppe zu ordern, die wir uns nicht mehr selber kochen können, und keiner da sein wird, der uns diese Suppe kochen will. Niemand da, der uns für das viele Geld, für unsere Erträge aus den zahlreichen Zusatz- und Privatversicherungen, die wir ängstlich angehäuft haben, dann helfen kann. Niemand, der uns in den Rollstuhl hilft, niemand, der uns gut zuredet, wenn uns Tag für Tag außer der Kaffeerunde an den Resopaltischen des Altersheims nichts mehr erwartet. So jedenfalls prognostizieren es die Schwarzseher. Die Schwarzseher vergessen allerdings, dass es auch heute schon nicht die Nachkömmlinge der deutschen Oberschicht sind, die in den Altersheimen die Suppen zubereiten und die Bettpfannen leeren. Es ist nicht die Tochter der Anwältin, die meine Kinder am Nachmittag hütet, und nicht der Sohn des Zahnarztes, der meine alte Mutter beim Einkauf begleitet. Ganz selbstverständlich haben wir uns daran gewöhnt, dass unser Badezimmer von einer Polin geputzt, unsere Kinder von einer Russin betreut, unsere Mutter von einem Türken unterstützt und unser Gärtchen von einem Albaner gepflegt wird. Die soziale Betreuung, die Kinder- und Altenpflege, die Haus- und Gartenarbeit, der gesamte ehemals weibliche Aufgabenkosmos ist, wo das bezahlt werden kann, längst in internationaler Hand.
Wer heute von Einwanderung spricht, muss vor allem von der Einwanderung in die weiblichen Welten sprechen. Denn noch vor einer Generation war es im Großen und Ganzen üblich, seine Kinder selbst zu hüten, seine alte Mutter selbst zu unterstützen und mit der ganzen Familie gemeinsam im Garten zu arbeiten. Auch heute soll das noch ab und zu vorkommen. In der demografisch scheinbar unaufhaltsam kollabierenden Oberschicht allerdings immer weniger. Wohlstand und Lebensstandard ermessen sich inzwischen unter anderem daran, in welchem Umfang man Haus- und Familienarbeit von Migranten aus der zweiten und dritten Welt ausführen lässt oder gar - der höchste, nahezu unbezahlbare Luxus - von deutschen Kräften. Das ist zweifellos ein Zuwachs an Komfort und Bequemlichkeit. Ein Freiheitsgewinn für uns Frauen. Häufig verschweigen wir, was uns dieser Gewinn gekostet hat.
Die Kernfamilie ist weiblich
Geschichte lässt sich in der eigenen Geschichte oft am besten verstehen. Ich überblicke in meiner Familie annähernd viereinhalb Generationen von Frauen. Meine Urgroßmutter war bereits berufstätig. Sie war Hebamme und musste mit dem Pferdewagen weit über Land fahren, wurde plötzlich mitten in der Nacht geholt und hat die Familie oft allein gelassen. Ihre beiden Töchter wurden sehr selbständig. Nach dem Ersten Weltkrieg ging meine Urgroßmutter mit ihren Töchtern nach Berlin, trennte sich von ihrem Mann und schickte die Mädchen auf eine Hauswirtschaftsschule. Aus beiden Mädchen sind selbstbewusste, schöne Frauen geworden.
Meine Großmutter wurde Kindermädchen in einer achtköpfigen Großbürgerfamilie. Sie ließ sich vom Hausherrn, einem konservativen Berliner Journalisten, schwängern, später heiraten und gründete mit ihm in Berlin eine schließlich siebenköpfige Familie, von der nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch der weibliche Kern übrig blieb. Mein Großvater - als Journalist übrigens ein unermüdlicher Propagandist der Familie als "Wiege der Nation" - starb in einem russischen Internierungslager. Für das "kriegswichtige" Studium der Söhne hatte der Vater noch gesorgt, sie besetzten fernab der Frauenwelt Professorenstühle und Amtssessel und schickten der Mutter ihre Publikationen und Reiseberichte nach Hause. Meine Großmutter wohnte mit ihrer Mutter und ihren Töchtern in einer riesigen Altberliner Wohnung am Schloss Bellevue und brachte als Trümmerfrau alle heil in die neue Zeit.Das ist für die Weltgeschichte und die Demografiefrage alles nicht weiter von Interesse. Dennoch lässt sich an dieser Familiengeschichte eine Menge ablesen. In der Hauptsache eines: Die Kernfamilie ist weiblich. Die Männer machen Krieg und Karriere und verlassen ihre Frauen und Kinder, wenn die große Geschichte, eine interessante Laufbahn oder ein schönes Kindermädchen sie lockt oder verschlingt.
Ich habe viele Jahre geglaubt, man muss es nur wollen, dann kann man alles haben, Kinder, Arbeit und Liebe. Glück ist zwar einerseits einfach Glückssache, aber andererseits eine Frage der Kraft. Und natürlich eine Frage der berühmten "Vereinbarkeit". Das glaube ich inzwischen alles nicht mehr. Irgendwann, vielleicht an einem frühen Winterabend im vollbesetzten Vorortzug, vielleicht eines Nachts vor dem Wäschetrockner, vielleicht eines Morgens im Dunkeln auf dem Weg zum Kindergarten, kommen die Zweifel: Läuft hier nicht alles grundsätzlich falsch? An diesem Punkt kommt die Moderne ins Stottern. Und eine neue Frage taucht auf: Was machen wir jetzt?
Darauf gibt es keine fertige Antwort. Wir müssen uns unsere Welt ansehen, in der etwas so Grundsätzliches wie die Fortpflanzung kaum noch Platz hat. Die Welt ohne Kinder, wie wir sie uns eingerichtet haben. Und die Welt mit Kindern, in der die Familien zerbrechen, auseinandergerissen werden und wir keine Zeit füreinander haben. Wir müssen uns unsere Biografien ansehen, die sich von ursprünglichen Lebenskreisläufen sehr weit entfernt haben. Und vor allem die Liebe, aus der nicht mehr viel folgt.
Unser Frauenleben ist eines der lebenswertesten seit Frauengedenken. Doch in der Kinderfrage stehen wir immer noch mit dem Rücken zur Wand. So kann es nicht bleiben.
1. Kapitel
Heldendämmerung
Die Männer haben hart gekämpft. Sie haben Gesetze geschaffen, Städte gebaut, Autobahnen und Atomkraftwerke. Sie haben Zeitungen gegründet und Geschirrspüler verkauft. Sie haben Faust I und II in mehreren tausend Varianten auf die Bühnen gebracht. Es fehlt nicht viel, und sie wären zum Mars geflogen. Die deutschen Männer sind Helden. Sie haben einen großartigen Wirtschaftssieg errungen: Das Land ist wieder aufgebaut. Es ist eines der reichsten der Erde geworden.
Nun kehren die neuen Sieger aus ihren Vorstandszentralen und Hauptquartieren zurück. Sie wollen sich zu Hause ihres Sieges freuen. Sie wollen sich zu ihren Frauen auf die Gartenbank setzen und ihren Kindern beim Spielen zusehen. Aber siehe da: Zu Hause steht die Wiege leer und die Frau ist arbeiten.
Der deutsche Mann sitzt allein auf seiner Gartenbank. Die Autos, die er gebaut hat, fahren, die Flugzeuge fliegen, die Glaspaläste funkeln in der Sonne. Aber niemand ist da, der sich mit ihm darüber freut. Niemand, der es erben wird. Der Held ist einsam.
Wir leben in dieser Zeit nach den großen Heldentaten der Nachkriegszeit: nach dem Wiederaufbau, nach der Wiedervereinigung, nach der industriellen, nach der sexuellen, nach der virtuellen und nach der gentechnologischen Revolution. Wir haben den Fortschritt gewollt, haben an ihn geglaubt und haben ihn bekommen. Noch nie ist eine Generation materiell so gesegnet gewesen wie die unsere. Noch nie haben Menschen in größerer Bequemlichkeit gelebt als wir.
Wir leben in einer Zeit des Jammerns, der Verlustängste und der Verunsicherung. Dennoch wissen wir: Noch reicher können wir kaum werden. Viel bequemer können wir es nicht mehr haben. Noch mehr Wohlstand, noch mehr Annehmlichkeiten sind nicht möglich. Und das, was uns jetzt noch fehlt, können wir uns nicht kaufen. Auch wenn es, außer zu Gott und dem Tod, zu allem eine Steigerungsform gibt, spüren wir: Die Lust auf mehr und immer mehr wird weniger. Wir werden zwar weiterhin immer mehr produzieren, alles Mögliche, Sony-Center, Kleinwagen und TV-Programme, neue Gesichtscremes, Hosenschnitte und Lifestyle-Magazine. Wir werden das Leben immer weiter verlängern. Wir werden uns vielleicht bald selbst verdoppeln. Aber auf eine Frage wissen wir keine Antwort: wozu es gut ist, immer nur mehr und noch mehr vom selben zu haben.
Mit dieser Frage bleiben wir im Büro allein. Seitdem wir diese Frage nicht mehr loswerden, fällt uns ein, dass nach dem Büro noch etwas kommen müsste.
Das, was die Helden gerne hätten, wenn sie abends zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Uhr abgekämpft aus ihren Schaltzentralen heraustaumeln, ist seit der Odyssee in etwa dasselbe: ein Zuhause, eine Frau und Kinder. Doch der Fortschritt will es, dass - seitdem es auf der Welt dank der Tatkraft des Mannes von allem immer mehr und mehr gibt - ausgerechnet davon immer weniger da ist. Jede dritte Ehe wird geschieden. Mehr als ein Drittel aller Frauen aus der gebildeten Mittelschicht bleibt ohne Kinder. Zu Hause liegen keine Bilderbücher auf dem Boden, zu Hause stolpert man nicht über Gummistiefel in allen Größen und Regenbogenfarben, zu Hause warten ein Bier und die freundliche Anne Will.
Es wird viel über Demografie gesprochen in diesen Zeiten. Überall heißt es: Die Deutschen sterben aus. Bald ist niemand mehr da, der unsere künstlichen Hüftgelenke, unsere Zahnprothesen und Krebstherapien im Alter bezahlen wird. Schlimmer noch: Es ist bald auch niemand mehr da, der unsere Faust-II-Inszenierungen noch zu schätzen weiß. Niemand mehr, der unsere Debatten weiterdebattiert, unsere Bücher versteht, unsere Museen besucht, unsere Armani-Anzüge aufträgt und in unseren Einfamilienhäusern wohnen will.
Das ist in der Tat sehr ärgerlich. Allerdings wissen wir seit rund vierzig Jahren, dass das so kommen wird. Seit den sechziger Jahren zeigt der demografische Kegel diese unschönen Dellen. Das große Gejammer um die fehlenden Kinder und die den Einzelnen nur noch lose um flatternden Familienbande, das seit einigen Jahren angestimmt wird, kommt spät. So spät, dass man der Populär-Demografie manchmal das mitgelieferte Entsetzen nicht glaubt. In solchen skeptischen Momenten denkt man: Die Untergangsstimmung hat andere Gründe als die Angst vor der Seniorenschwemme, die wir selber sein werden. Es geht nicht um den Generationenkrieg. Das sind nur Metaphern, mit denen Helden ihre Einsamkeit bevölkern. Ihre Einsamkeit und ihre Trauer. Und das ungute Gefühl, für die Siege der Nachkriegszeit in der Zukunft von niemandem mehr bewundert zu werden.
Die gebildete Frau lässt andere gebären
Niemand weiß, ob es wirklich so schlimm ist, wenn wir immer weniger werden. Wenn wir, wie vorausgesagt, im Jahr 2050 die Bevölkerungszahl von 1950 wieder erreicht haben werden. Weniger Menschen, heißt das nicht auch weniger Belastungen? Weniger Staus, weniger Autos, weniger Flugzeuge, weniger Müll, weniger Kranke, weniger Verbraucher, weniger Umweltverschmutzung. Mehr Platz, mehr Entspannung, mehr Ruhe, Wildschweine und Schafe auf den Autobahnen, frischere Luft und Sitzplätze im Intercity. Schweden ist schließlich ein herrliches Land, nicht zuletzt deswegen, weil es dort so wenig Schweden gibt. So kann man das sehen. Andere finden mit ihren Thesen vom drohenden Untergang des deutschen Landes reißenden Absatz. Einige wenige geben sich stoisch: Wir sind schließlich nicht die erste Hochkultur, die untergeht. Das späte Rom hatte auch schon Probleme mit der Geburtenrate. Da hatten die jungen kulturlosen, kinderreichen Barbaren leichtes Spiel.
So gesehen wiederholt sich die Geschichte. Auch wir werden immer weniger. Bald stehen die jungen, geburtenstarken Barbaren vor unserer Tür, um es sich in unseren gläsernen Konferenzräumen, auf unseren schwarzen Ledersesseln gemütlich zu machen und aus unseren italienischen Espressotassen zu trinken. Und wir haben ihnen nur noch wenig entgegenzusetzen. Im Gegenteil: Wir werden auf sie angewiesen sein. Welthistorisch betrachtet kann man sie nur hereinbitten. Irgendetwas wird sicher von uns übrig bleiben. Wie auch von den Römern etwas übrig geblieben ist. Vielleicht so etwas wie ein Germanum an höheren Schulen, ein bisschen Wolf Biermann im Nachtprogramm und Reich-Ranicki im Oberseminar. Ansonsten gilt: Wie gewonnen, so zerronnen. Auch in der Natur muss alles, was einmal groß und schön war, runzelig und alt werden und sterben. Jeder muss einmal Platz machen für den Nächsten. Warum soll es Hochkulturen anders ergehen als Bäumen oder Blumen?
Aber langsam. Mit dem Untergang von Hochkulturen soll man nicht scherzen. Auch die Leiden von Helden muss man ernst nehmen. Denn sie haben das Allerwichtigste verloren: den Grund für ihren grandiosen Wohlstandskampf. Nun suchen sie nach Schuldigen. Wie konnte es so weit kommen, dass etwas so Großartiges wie das deutsche Wirtschaftswunder keine Erben findet? Wer hat es versäumt, beizeiten Kinder in die Welt zu setzen? Wer hat das von Gott gestiftete Band zwischen Sex und Fortpflanzung zerschnitten? Wer hat sich seinem Herrn gleichgemacht? Wer hat plötzlich Hosen an und ein eigenes Konto bei der Deutschen Bank? Wer denkt wie ein Mann, also an sich selbst zuerst? Wer missachtet die von Gott gestiftete Arbeitsteilung? Natürlich wir. Die Frauen.
Wir sind schuld. Wir vierzig- und fünfzig- und sechzigjährigen Frauen, die wir alles Mögliche haben, Hunde, Katzen, Landhäuser in der Uckermark, Hosen von Versace, Fußbodenheizung, Zweisitzer und Zuchtrosen. Alles, aber keine Kinder. Meistens nicht. Je gebildeter, desto weniger. Je besser verdienender, desto noch weniger. Je gleichberechtigter, desto beinahe überhaupt nicht mehr. Kinder sind nüchtern und das heißt statistisch betrachtet inzwischen etwas für die niederen Stände. Hässlich gesagt: Kinder sind heutzutage im Großen und Ganzen etwas für die Dicken und Doofen. Wir, die gut ausgebildeten selbständigen Frauen lassen nicht mehr nur wie früher unsere Kinder, falls wir sie denn überhaupt haben, von der armen Unterschicht erziehen. Lieber noch lassen wir gebären. Und zwar die anderen Frauen. Die Frauen, die keinen beruflichen Erfolg haben, die, bei denen es nicht so sehr darauf ankommt, ob sie zu Hause Legosteine oder bei "Rossmann" Haarshampoos sortieren. Gerade diejenigen, die sich Kinder noch am ehesten leisten könnten, verzichten zunehmend auf diesen Luxus. Die Mühen der Kinderaufzucht überlässt die gebildete Frau dem Personal.
Kinderreiche und Kinderlose leben in getrennten Universen
Das ist natürlich nur eine Wahrheit. Es gibt auch andere Wahrheiten. Es gibt neben dem relativ kinderlosen Zentralgestirn auch noch andere Planeten. Ich habe den größten Teil meines Lebens auf einem ausgesprochen kinderreichen Planeten verbracht. Meine Eltern haben drei Kinder und acht Enkel. Meine Schwiegereltern haben vier Kinder und ebenfalls acht Enkel. Meine drei Töchter haben elf Cousinen, zwei Cousins, drei Tanten und zwei Onkel, vier Großeltern und diverse Großtanten und Großonkel. Das klingt nicht nur verwirrend, das ist verwirrend und sehr turbulent.
Wie jede kinderreiche Familie sind auch wir umgeben von kinderreichen Familien. Die Freundinnen meiner Töchter haben alle mindestens ein, meistens zwei und drei Geschwister, häufig von verschiedenen Vätern. Zwei meiner Freundinnen haben fünf Kinder, zwei andere haben vier, eine hat drei, selbst meine Freunde in der Hauptstadt haben noch zwei Kinder oder zumindest eines.
Das ist statistisch völlig unerheblich, offenbar sogar wirklichkeitsfremd. Und doch lässt sich daraus etwas ablesen: Wer Kinder hat, kennt Leute mit Kindern. Umgekehrt gilt dasselbe. Denn die Kinderreichen und die Kinderarmen leben inzwischen in zwei getrennten Universen, die sich kaum noch berühren.
Mein vergangenes Lebensjahrzehnt hat sich in übervollen Kinderläden abgespielt, in prallen Vorschulklassen, auf aus allen Nähten platzenden Einschulungsfeiern, auf ungezählten Kindergeburtstagen und auf Familienfeiern, bei denen kaum ein Erwachsener mehr zu Wort kam. Mein Leben ist bis heute voller Kinder, nicht nur im eigenen Haus, sondern auch rechts und links, bei meinen Geschwistern genauso wie bei meinen Freundinnen, auf dem Land, wo wir jetzt leben, genauso wie in der Vorstadt, in der wir einige Jahre verbracht haben.
Ohne die Bücher von Herwig Birg, Meinhard Miegel, Franz-Xaver Kaufmann, Elisabeth Beck-Gernsheim, Hans Bertram, Frank Schirrmacher und Paul Longman, ohne die immer panischer formulierten Gebärkampagnen in den deutschen Printmedien wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass irgendjemand in Deutschland zu wenig Kinder haben könnte.
Allerdings hätte ich misstrauisch werden können: Die vielen kinderreichen Mütter, die mich umgeben, machen alles Mögliche. Sie geben Reitstunden oder Reiki-Unterricht, sie entwerfen Theaterkostüme, sie arbeiten ein paar Stunden in einer Kulturinitiative oder ein paar Wochen auf einem Filmset, sie bieten Massage, Atemtherapie oder Yoga-Kurse an. Damit haben sie alle eines gemeinsam: Sie gehen keiner geregelten Arbeit nach. Und an dem Ort, an dem ich das tue, gibt es nur sehr wenige Frauen. Da fiel es nicht so auf, dass von diesen wenigen noch weniger Kinder haben und dass diese wenigen, die Kinder haben, natürlich auch nur wenige Kinder haben. Dabei ist es mit Händen zu greifen: Ganz offensichtlich gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Ausübung einer geregelten anspruchsvollen Arbeit und der Bereitschaft der Frauen, mehr als ein oder höchstens zwei Kinder zu bekommen.
Davon erzählen auch die Zahlen: Wer in Deutschland weiblich und voll berufstätig ist, bekommt selten Kinder. Je qualifizierter eine Frau ist, umso weniger Kinder bekommt sie. Es ist unbestreitbar: Kinder fehlen. Sie fehlen besonders in der gebildeten Mittelschicht, von der hier vor allen Dingen die Rede ist. Beinahe vierzig Prozent der Akademikerinnen bleiben kinderlos. Und all die, die nicht da sind, können auch nicht mehr ersetzt werden. Und die Ungeborenen fehlen uns nicht nur jetzt, in den Schulen, auf den Universitäten. Auch ihre nichtgeborenen Kinder werden uns fehlen, wenn wir alt sind und beim Pflegedienst anrufen, um eine Suppe zu ordern, die wir uns nicht mehr selber kochen können, und keiner da sein wird, der uns diese Suppe kochen will. Niemand da, der uns für das viele Geld, für unsere Erträge aus den zahlreichen Zusatz- und Privatversicherungen, die wir ängstlich angehäuft haben, dann helfen kann. Niemand, der uns in den Rollstuhl hilft, niemand, der uns gut zuredet, wenn uns Tag für Tag außer der Kaffeerunde an den Resopaltischen des Altersheims nichts mehr erwartet. So jedenfalls prognostizieren es die Schwarzseher. Die Schwarzseher vergessen allerdings, dass es auch heute schon nicht die Nachkömmlinge der deutschen Oberschicht sind, die in den Altersheimen die Suppen zubereiten und die Bettpfannen leeren. Es ist nicht die Tochter der Anwältin, die meine Kinder am Nachmittag hütet, und nicht der Sohn des Zahnarztes, der meine alte Mutter beim Einkauf begleitet. Ganz selbstverständlich haben wir uns daran gewöhnt, dass unser Badezimmer von einer Polin geputzt, unsere Kinder von einer Russin betreut, unsere Mutter von einem Türken unterstützt und unser Gärtchen von einem Albaner gepflegt wird. Die soziale Betreuung, die Kinder- und Altenpflege, die Haus- und Gartenarbeit, der gesamte ehemals weibliche Aufgabenkosmos ist, wo das bezahlt werden kann, längst in internationaler Hand.
Wer heute von Einwanderung spricht, muss vor allem von der Einwanderung in die weiblichen Welten sprechen. Denn noch vor einer Generation war es im Großen und Ganzen üblich, seine Kinder selbst zu hüten, seine alte Mutter selbst zu unterstützen und mit der ganzen Familie gemeinsam im Garten zu arbeiten. Auch heute soll das noch ab und zu vorkommen. In der demografisch scheinbar unaufhaltsam kollabierenden Oberschicht allerdings immer weniger. Wohlstand und Lebensstandard ermessen sich inzwischen unter anderem daran, in welchem Umfang man Haus- und Familienarbeit von Migranten aus der zweiten und dritten Welt ausführen lässt oder gar - der höchste, nahezu unbezahlbare Luxus - von deutschen Kräften. Das ist zweifellos ein Zuwachs an Komfort und Bequemlichkeit. Ein Freiheitsgewinn für uns Frauen. Häufig verschweigen wir, was uns dieser Gewinn gekostet hat.
Die Kernfamilie ist weiblich
Geschichte lässt sich in der eigenen Geschichte oft am besten verstehen. Ich überblicke in meiner Familie annähernd viereinhalb Generationen von Frauen. Meine Urgroßmutter war bereits berufstätig. Sie war Hebamme und musste mit dem Pferdewagen weit über Land fahren, wurde plötzlich mitten in der Nacht geholt und hat die Familie oft allein gelassen. Ihre beiden Töchter wurden sehr selbständig. Nach dem Ersten Weltkrieg ging meine Urgroßmutter mit ihren Töchtern nach Berlin, trennte sich von ihrem Mann und schickte die Mädchen auf eine Hauswirtschaftsschule. Aus beiden Mädchen sind selbstbewusste, schöne Frauen geworden.
Meine Großmutter wurde Kindermädchen in einer achtköpfigen Großbürgerfamilie. Sie ließ sich vom Hausherrn, einem konservativen Berliner Journalisten, schwängern, später heiraten und gründete mit ihm in Berlin eine schließlich siebenköpfige Familie, von der nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch der weibliche Kern übrig blieb. Mein Großvater - als Journalist übrigens ein unermüdlicher Propagandist der Familie als "Wiege der Nation" - starb in einem russischen Internierungslager. Für das "kriegswichtige" Studium der Söhne hatte der Vater noch gesorgt, sie besetzten fernab der Frauenwelt Professorenstühle und Amtssessel und schickten der Mutter ihre Publikationen und Reiseberichte nach Hause. Meine Großmutter wohnte mit ihrer Mutter und ihren Töchtern in einer riesigen Altberliner Wohnung am Schloss Bellevue und brachte als Trümmerfrau alle heil in die neue Zeit.Das ist für die Weltgeschichte und die Demografiefrage alles nicht weiter von Interesse. Dennoch lässt sich an dieser Familiengeschichte eine Menge ablesen. In der Hauptsache eines: Die Kernfamilie ist weiblich. Die Männer machen Krieg und Karriere und verlassen ihre Frauen und Kinder, wenn die große Geschichte, eine interessante Laufbahn oder ein schönes Kindermädchen sie lockt oder verschlingt.
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Autoren-Porträt von Iris Radisch
Iris Radisch, geb. 1959 in Berlin, arbeitet als Literaturredakteurin bei der Wochenzeitung 'Die Zeit'. Sie hielt Gastprofessuren in St. Louis und Göttingen und ist 2007 zum vierten Mal Vorsitzende der Klagenfurter Jury. Seit Herbst 2006 moderiert sie für das Schweizer Fernsehen und 3sat die Büchersendung 'Literaturclub'.
Bibliographische Angaben
- Autor: Iris Radisch
- 2007, 187 Seiten, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: DVA
- ISBN-10: 3421042586
- ISBN-13: 9783421042583
Rezension zu „Die Schule der Frauen “
"Ein Buch, das mit einer so leichten und oft so spitzen Feder geschrieben ist, dass man fast meinen könnte, Radisch habe sie sich von Hedwig Dohm ausgeliehen."
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