Felipolis
Katzendetektiv Francis ist hin und weg als er hört, für was das Vermögen der Katzendame Domino verwendet werden soll: Felipolis, einen Katzenstaat auf einer Südseeinsel. Doch schnell merkt Francis, dass Domino in Lebensgefahr ist. Und...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Felipolis “
Katzendetektiv Francis ist hin und weg als er hört, für was das Vermögen der Katzendame Domino verwendet werden soll: Felipolis, einen Katzenstaat auf einer Südseeinsel. Doch schnell merkt Francis, dass Domino in Lebensgefahr ist. Und da zeigt sich Francis liebend gerne als Beschützer.
Klappentext zu „Felipolis “
Der Tod kommt auf vier Pfoten ein neuer Fall für Kater FrancisJung, hübsch und reich Francis glaubt es kaum, als er die schöne Katzendame Domino trifft. Doch Domino ist in Gefahr: Seit sie ein enormes Vermögen von ihrem Frauchen geerbt hat, trachten ihr Katzen und Menschen nach dem Leben. Nur allzu gerne springt Francis als Beschützer ein und kommt einer unglaublichen Geschichte auf die Spur, an deren Ende Felipolis steht. Ein geheimer Katzenstaat ...
Ein Katzenparadies auf einer Südseeinsel Francis ist begeistert, als er erfährt, wofür das unglaubliche Erbe der Katzendame Domino eingesetzt werden soll. Doch schon bald erkennt der Detektiv im Pelzmantel, dass dieses edle Vorhaben nur zur Tarnung dient. Die Wahrheit will allerdings niemand hören: Zu verführerisch ist der Gedanke an einen eigenen Staat, für den so manche Katze töten würde. Kein Opfer scheint zu groß für Felipolis und wehe dem, der das nicht einsehen will ...
"Pirincci hat ein felines Paralleluniversum erschaffen. Wer sich darauf einlässt, wird mit Witz und Eleganz unterhalten." -- Die Welt
"Einer der ungewöhnlichsten Autoren dieser Zeit." -- Westdeutsche Allgemeine Zeitung
"Nach wie vor ein Genuss. Der neue Pirincci hat das Zeug zu einem soliden Wirtschafts- und Politthrilller." -- Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) über Felipolis
"Einer der ungewöhnlichsten Autoren dieser Zeit." -- Westdeutsche Allgemeine Zeitung
"Nach wie vor ein Genuss. Der neue Pirincci hat das Zeug zu einem soliden Wirtschafts- und Politthrilller." -- Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) über Felipolis
Lese-Probe zu „Felipolis “
Felipolis von Pirincci... mehr
Eine recht wunderliche Frage von meinesgleichen: Was ist Geld? Antwort: Der im Tauschhandel verwendete, flexible Wert von Grundbesitz, einer Ware, Dienstleistung, Idee oder sonstiger Arbeit in Form einer staatlich verbrieften Urkunde. Zu kompliziert? Ja sicher! Denn meinesgleichen hat mit Geld nichts am Hut. Warum auch? Meinesgleichen kann weder mit Tauschhandel noch mit seinen Konsequenzen, in welcher Gestalt auch immer, etwas anfangen. Wir nehmen die Welt, wie sie ist. Mehr oder weniger.
Für den Menschen jedoch ist Geld ein unerschöpflicher Quell unendlich vieler Optionen. Geld ist für ihn Existenzgrundlage, das Schmiermittel des alltäglichen Daseins, Sicherheit, Macht, Fetisch, vor allem aber der magische Humus, aus dem seine meisten und leidenschaftlichsten Wunschträume sprießen. Der Mensch nimmt die Welt nicht, wie sie ist. Lieber nimmt er das Geld.
Aber was ist, wenn es einmal zu der äußerst unwahrscheinlichen Situation kommt, dass seine Welt und die unserige sich ausgerechnet an der Schnittstelle Geld kreuzen? Tja, dann wird es erst recht kompliziert. Und wie man sich denken kann, sehr tragisch. Diese Art von Tragik sollte ich im wunderschönen Sommer dieses Jahres am eigenen Leibe erfahren, und während ich jetzt darüber grübele, komme ich immer noch nicht zu einem klaren Schluss, ob dafür der Mensch, meinesgleichen oder schlicht und einfach das seelenlose Geld verantwortlich war. Gott hat die Welt erschaffen, sagen die heiligen Bücher. Ich habe die komische Ahnung, dass es mit der Erschaffung der Welt erst so richtig mit der Erfindung des Geldes losgegangen ist. Und weiter ahne ich, dass sie wegen des Geldes auch irgendwann untergehen wird.
»Na sieh sich einer mal den Faulpelz an!«, hörte ich einen mir wohlbekannten Brummbass, der mich aus dem nachmittäglichen Dämmerschlaf herausriss. Ich lag in der Sphinxpositur auf den Rudimenten einer umgefallenen Begrenzungsmauer in den Hinterhofgärten der im Karree angeordneten Gründerstadthäuser unseres Viertels, ließ mir die Sonne auf den Schädel brennen und hatte einige Schwierigkeiten, zur Besinnung zu kommen. Halb befand ich mich immer noch in dem Traum, wo ich in einem bizarren Inka-Reich voller Mäuse und Ratten als Gottkönig angebetet wurde und man mir ständig lebendige Mäuse-und-Ratten-Opfer darbrachte, um nicht meinen Zorn auf sich zu ziehen. Um meine degenerierten Untertanen nicht zu desillusionieren, tat ich ihnen den Gefallen und fraß. Dabei schmeckten die Viecher wie den modernsten Brandschutzbestimmungen entsprechende Dachpappe.
Blaubart, der ewig beste Kumpel, schaute vom versengten Rasen streng zu mir auf. Er war ein steinalter Maine-Coon mit vor Urzeiten abgehacktem Schwanz, einer verkrüppelten Pfote und einem Gesicht wie das eines Crashtest-Dummys nach dreihundertvierzehn Crashtests. Daraus besonders hervorstechend das linke, ausgestochene Auge nunmehr in Gestalt einer Fleischhöhle. Sein verfilztes Fell trug die Originalfarben einer wochenalten Pizza Quattro Stagioni. »Und ich dachte immer, unsereiner ist besonders im Sommer aktiv. Scheiße ja!«
»Keine Sorge, Blaubart, ich habe alles unter Kontrolle«, sagte ich. »Mein Großhirn steht in direkter Verbindung mit einem amerikanischen Spionagesatelliten, der dieses Gebiet nach Kläffern scannt und bei jedem einzelnen nachprüft, ob für ihn auch die vorschriftsmäßige Kläffer-Steuer entrichtet wurde. Wenn nicht, setze ich mich sofort an den Rechner und erstatte eine anonyme Anzeige beim Finanzamt.«
»Ich piss mir gleich vor Lachen auf die Hinterpfoten. Offen gesagt waren früher selbst deine schlechten Witze besser, Francis. Ich meine, man muss sich allmählich für seine Rasse schämen, wenn man dich so beobachtet. Nur fressen, furzen und pennen ist ein bisschen wenig für einen Helden. Scheiße nein!«
Na wenn du wüsstest, dachte ich bei mir. Denn noch vor ein paar Stunden hatte ich tatsächlich den Helden spielen wollen. Natürlich einen komischen. Und natürlich erfolglos. Um genau zu sein, war das der eigentliche Grund, weswegen ich mich wie einst Jesus zur effi zienten Sinnsuche in die Einöde verzogen hatte - also etwa fünfzig Meter vom Fressnapf entfernt. Der Grund für die Sinnkrise war wie so oft das Weib! Genauer, ein bestimmtes Weib, das heißt, das schönste, liebreizendste, cleverste, allerdings auch das starrsinnigste Weib, das mir je untergekommen ist: Sancta. Ein silberblaues Fellwesen der Rasse Korat mit muskulösem Körper und einem gebogenen Rücken, den früheren Siam-Züchtungen sehr ähnlich. Herzförmiges Gesicht, wache opalgrüne Augen, Riesentrichter von Ohren, abgerundeter Schwanz, lange Beine und dermaßen feine, spitz zulaufende, changierende Fellhaare, als trüge sie immerzu einen Heiligenschein. Kurz, ein junges Paradiesgeschöpf, das sich jeder alte Sack wie ich zum Geburtstag wünscht.
Wir waren, wie man so sagt, ein Paar. Mit allen Ingredienzien, die dazugehören. Als da wären: unsterbliche Verliebtheit auf den abgebrochenen Säulen des Forum Romanum, dem Trümmer-Biotop, aus dem das heutige Rom hervorging, die Heimholung der Braut mittels nonverbalen Flehens an meinen Dosenöffner Gustav, und dann ein paar Jährchen tatsächlich paradiesische Zweisamkeit. Aber dann ... Bei Menschen ist »das verflixte siebte Jahr« ein stehender Begriff für das Phänomen des gegenseitigen Genervtseins unter Paaren, nachdem der Liebesrausch im Lauf der Zeit verlustig gegangen ist und das einstige Liebesobjekt sich als ein Stinknormalo mit all seinen Fehlern und schlechten Angewohnheiten entpuppt. Schlaue Wissenschaftler haben deprimierenderweise herausgefunden, dass das verflixte Jahr schon nach vier Jahren eintritt. Nun, wie es aussah, und ebenfalls deprimierenderweise, ging es bei meiner Rasse etwas schneller. Nein, nein, bitte nicht falsch verstehen, ich liebte sie immer noch. Und wie! Doch dieses ständige »Wo warst du wieder gewesen?«, »Wo kommst du zu so später Stunde noch her?«, »Du schenkst mir zu wenig Aufmerksamkeit« und »Ich habe genau gesehen, wie notgeil du diese Siamesin von gegenüber wieder angestarrt hast - lügen ist zwecklos!«, ging mir doch allmählich verstärkt auf die Nüsse. Nahm es da wunder, dass mein Blick, anstatt sich an Sanctas Grazie zu erfreuen, immer öfter nach innen ging, und zwar in Richtung Vergangenheit vor ihrem Auftauchen, wo ich als freier Mann tun und lassen konnte, wonach es mich gelüstete, ohne mir ständig als ein blinkendes Pünktchen auf einem femininen Radarschirm vorzukommen?
Zum Beispiel der letzte Streit. Nun ist ja allgemein bekannt, dass das Weib in Sachen Einfühlungsvermögen die Nase vorn hat, aber allzu oft dazu neigt, emotionstechnisch aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Ein Vorurteil aus muffigen Pascha-Zeiten? Mitnichten, wenn ich mir den Vormittag Revue passieren ließ. Ich wusste eigentlich gar nicht mehr so recht, was konkret zu der Explosion geführt hatte, die der gemeine Mensch als Beziehungskrach zu titulieren pflegt, wobei offenbar diese Dynamik auch auf unsereinen abgefärbt hat. Ach ja, jetzt erinnerte ich mich wieder: Es ging zunächst, um in der Mensch-Tier-Analogie zu bleiben, um einen Menschen. Nämlich um den vertrotteltsten, sozial ungeschicktesten und vielversprechendsten Anwärter für die Sendung ›Deutschland sucht den Superfettkloß‹. Raten Sie mal, um wen es sich dabei handelte. Richtig geraten: um den kugelrunden, fast glatzköpfigen professoralen Totalversager am Futtertrog eines der ödesten Wissenschaftsbetriebe, nämlich der Archäologie. Als mein »Herrchen« mag sich dieses knapp sechzigjährige, nur notdürftig als Homo sapiens verkleidete 130-Kilo-Zementsilo wohl brüsten. Allerdings meine ich mich zu erinnern, dass das Wort Herrchen erst in der Relation zu dem Wort Frauchen seine wahre Daseinsberechtigung erhält. Das letzte Frauchen im Eva-Kostüm jedoch, das er zu Gesicht bekommen hat, dürfte so um die Zeit der Kreuzzüge auf Erden gewandelt sein. Das heißt, wir sprechen hier von einem alkoholkranken Vielfraß, der eben dieses Elend mit kennerhaftem Rotwein-Gourmet-Getue zu kaschieren versucht, einem Vereinsamten, der in Archiven allein mit toten Kulturen kommuniziert, und von einem Liebesentwöhnten, der sein Zärtlichkeitsbedürfnis bei seinem Haustier ablädt. Kurzum, wir reden hier über Gustav.
»Wie kannst du so über ihn reden?«, zischte Sancta und hob ihren Kopf erbost aus dem Frühstück im Napf, das der Dicke uns wie jeden Morgen an der Schwelle zu der Toilette serviert hatte. Ich weiß, man spricht nicht mit vollem Maul. Dennoch hatte ich es mir nicht verkneifen können, während des Fressens ein paar abfällige, wiewohl auf höchstem ironischem Niveau angesiedelte Bemerkungen über Gustav zu machen. Als humoristische Aufmunterung für den beginnenden Tag sozusagen. »Also das geht mir inzwischen wirklich gegen den Strich, wie du immer wieder über diesen herzensguten Menschen herziehst. Würde ich dich nicht gut kennen, könnte ich dich glatt für bösartig halten, Francis. «
»Aber das bin ich doch auch, was Gustav angeht, liebe Sancta. Hast du schon einmal den Begriff Inselkoller gehört? Dann betrachte Gustav als eine Insel, was dir bestimmt nicht schwerfallen wird, da er den Umfang, das Gewicht und mit zunehmendem Alter in Bezug auf Körperbehaarung, insbesondere am Rücken, auch die Vegetation einer Insel besitzt. Und stell dir weiterhin vor, ich wäre der Robinson Crusoe, der seit Jahrzehnten auf dieser Insel gefangen ist. Ich meine, der Mann besitzt allen Ernstes Pornoheftchen von 1979 - und benutzt sie immer noch. Wenn das nicht zum Schießen ist!«
»Es ist unerträglich, wie du jemanden, der dich geradezu anbetet, so in den Schmutz ziehen kannst, Francis. Seitdem ich an deiner Seite bin, lästerst du über diesen engelsgleichen Menschen, als wäre er ein geistig minderbemittelter Pausenclown, der das unwahrscheinliche Glück gehabt hat, dich verwöhnen zu dürfen.«
»Es fällt mir schwer, dir zu widersprechen, Geliebte.«
»Schande über dich! Gustav gehört für mich zu den scharfsinnigsten und mitfühlendsten Geschöpfen dieses Planeten. Ich wünschte, seine Geschlechtsgenossinnen wüssten dies zu würdigen, damit er nicht ein Leben in Einsamkeit verbringen muss.«
»Und nicht nur diese wundervollen Attribute treffen auf ihn zu. Er ist wohl auch der Einzige auf diesem Planeten, der auf Spam-E-Mails bezüglich Penisverlängerung pflichtschuldigst antwortet: >Danke für Ihr Angebot, habe mich aufrichtig gefreut, doch bin ich gegenwärtig mit meiner Anatomie zufrieden (wenn auch nicht zur Gänze). Herzlichst Ihr ...‹ Und der jeden Tag an der Haustür steht und dem Postboten die Hand schüttelt, weil der so freundlich ist, ihm die Post zu bringen. Und der bei der Entrichtung der Steuer ans Finanzamt auf dem Überweisungsformular noch notiert: >Ich hoffe, Sie können mit der Summe einen guten Zweck erfüllen. Bitte teilen Sie mir mit, wenn Sie mehr brauchen.‹ Und sicher auch der Einzige, der schon einen Bandscheibenvorfall bekommt, wenn er sich bückt, um sich am Knie zu kratzen. Fürwahr, ein bewundernswürdiger Zeitgenosse.«
»So denkst du also in Wahrheit über die Hand, die dich füttert.« Sancta rümpfte die Nase, wie feine Damen es zu tun pflegen, wenn sie ihren ultimativen Abscheu zum Ausdruck bringen wollen. Es versteht sich von selbst, dass mein silberblaues Püppchen mit seinen grünen Hypnose-Augen in dieser Zicken-Pose besonders aufreizend aussah. Jedenfalls für einen Sabbergreis wie mich, der in jedem weiblichen Gestus etwas Aufreizendes zu entdecken vermag.
»Treue, geschweige denn Sympathie, gar Liebe scheinen Fremdworte für dich zu sein«, fuhr sie fort. »Doch der Fehler liegt offenkundig im System. Denn ich möchte nicht wissen, welches Bild in Wirklichkeit in deinem Hinterstübchen von mir existiert, geschweige denn, wie du bei deinen grenzdebilen Kumpeln wie Blaubart und Co. über mich ablästerst, wenn ihr unter euch seid.«
»Hä? Was ist das denn jetzt für eine beknackte Schlussfolgerung?« Mir war der Appetit vergangen. »Nur weil ich ein paar lustige Bemerkungen über Gustav mache, heißt das doch nicht, dass ich deiner überdrüssig geworden wäre.«
»Ach nein?« Sie reckte ihren grazilen Hals schwanengleich in die Höhe, ohne mich eines Blickes zu würdigen, und fächerte ihre Schnurrhaare auf. In der Regel bedeutete diese Geste: Ich möchte jetzt umschmeichelt werden. Wenn's weiter nichts war ...
»Aber nein, liebe Sancta. Natürlich ist Gustav für mich, wenn auch kein Freund im wortwörtlichen Sinne, so doch der treue Kampfgefährte in guten wie auch schlechten Zeiten. Den auf die Schippe zu nehmen betrachte ich allerdings als meine Pfl icht, so surreal, wie der Kerl ist. Und natürlich bleibst du meine Göttin auf ewig, wenn auch der Zahn der Zeit selbst an der größten Liebe nagt und ... «
»Wie bitte?« Die schneeweißen Schnurrhaare warfen plötzlich nach allen Seiten umherschießende Blitze, und sie fauchte mich frontal an.
»Nein, nein, da habe ich mich wohl unglücklich ausgedrückt«, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen. »Ich meinte, wenn man sich so umsieht, könnte man doch glatt auf den Gedanken kommen, dass unserer Rasse in Sachen Paarbindung recht schnell die Puste aus...«
»Jetzt endlich hast du dein wahres Gesicht gezeigt, Francis!« Sie haschte mit den ausgestreckten Krallen ihrer rechten Pfote nach mir.
Ich machte einen Angstbuckel mit stachelartig aufgerichteten Fellhaaren, zog die Schnurrhaare furchtsam nach hinten, formte mein Gesicht zu einem Keil und begann rückwärts zu kriechen.
»Endlich hast du die Maske fallen gelassen. Und hinter dieser Maske kommt kein anderer zum Vorschein als der handelsübliche Chauvi, der Liebe heuchelt und doch nur das eine will. All deine Liebesschwüre waren erstunken und erlogen mit starrem Blick auf das Verfallsdatum des Objekts der Begierde!«
»Über alles geliebte Sancta, was ist bloß in dich gefahren?« Ich vergewisserte mich, dass das Fenster über unseren erhitzten Köpfen offen stand. Halleluja! Gott, beziehungsweise in diesem Falle Gustav, hatte ein Einsehen mit mir gehabt. »Wie um alles in der Welt sind wir an dieses Thema geraten? Also, wenn du mich fragst, sollten wir uns erst einmal abkühlen und dann das Hirn wieder einschalten, wenn ... «
»Dich fragt keiner, und was dein Macho-Hirn anbelangt, empfehle ich dir, das von Lug und Trug verseuchte Ding besser für immer abgeschaltet zu lassen!«
Sprach's und katapultierte sich mit den Hinterpfoten und offenem Maul, in dem ihr Killergebiss respektheischend blitzte, geradewegs auf mich zu.
»Wir bringen diesen Gedankenaustausch ein andermal zu Ende«, entfuhr es mir, bevor stilettscharfe Krallen, dolchartige Reißzähne und der Rest der Kampfmaschine namens Sancta mein Fell in einen Pelzmantel verwandeln konnten, der in einen Häcksler geraten ist. Durch das offene Fenster schoss ich ins Freie, fest entschlossen, erst wieder heimzukehren, sobald fachkundige Psychiater meine Lebensabschnittspartnerin unter optimale Medikation gesetzt hatten.
Jetzt, das heißt Stunden im Komaschlaf später, lag ich immer noch auf dem Mauerrudiment im Nirgendwo der Gärten, sah hinter den Dächern die Apfelsinensonne allmählich herabschweben - und musste mir von Blaubart Mangel an Heldenhaftigkeit vorwerfen lassen. Echt schwer, dagegen anzuargumentieren, wenn man sich so sehr als Held fühlte wie ein Vogel Strauß als Pilot.
»Vielleicht hast du es noch nicht mitgekriegt, Blaubart, aber die Firma ›Heldentum & Co. KG‹ ist schon vor langer Zeit in Konkurs gegangen«, sagte ich und gähnte in die goldenen Farben des Spätnachmittages hinein. Die üble Sache mit Sancta wollte ich ihm lieber nicht auf die Nase binden. »Und ganz unter uns: Ich habe diese Klitsche schon immer für recht dubios gehalten.«
»Haha! Das kaufe ich dir nicht ab, du Clown. Es schmeichelt dir immer noch, wenn man dich als Helden bezeichnet. Frage mich allerdings inzwischen, mit welcher Berechtigung. Scheiße ja!« Blaubart hockte sich im Gras auf die Hinterpfoten und blickte mich durch sein heil gebliebenes Auge so verdrießlich an, als bereite ihm mein zugegebenermaßen auch nicht mehr so prickelnder Sarkasmus Übelkeit. Großer Gott, bahnte sich jetzt die nächste Beziehungskrise an? Dabei hätte ich mich mit meinem treuen Kumpel an diesem schönen Tag lieber über etwas anderes unterhalten. Über frühere Abenteuer zum Beispiel, über längst vergangene Dinge eben, über die zwei alte Trottel gewöhnlich zu reden und insbesondere zu lügen pflegten, bevor die Nacht kam und sie ihre müden Knochen wieder hübsch auf das Kissen ihres Dosenöffners schoben. Was wollte der Kerl überhaupt? Mit seinem hoffnungslos struppigen, keiner Farbe zuzuordnenden Fell, mit den an den Rändern angeknabberten Ohren, dem demolierten Gesicht und dem zur Hälfte abgebrochenen Reißzahn, der ihm einem abgewirtschafteten Vampir gleich aus dem Maul lugte, sah er aus wie die Titanic - und zwar im heutigen Zustand! Und der hatte noch die Frechheit, was vom Heldentum zu faseln. Man musste schon ein abnormal selbstbewusstes Schiff sein, wenn man mit seinem fetten Arsch seit achtundneunzig Jahren auf dem Seegrund lag und trotzdem den Untergang der Sitten in der aktuellen Seefahrt beklagte.
»Okay«, sagte ich. »Was sollte ich deiner Meinung nach Heldenhaftes anstellen, damit die Welt nicht untergeht, verehrter Freund?«
Blaubart machte ein ratloses Gesicht, sank auch mit den Vorderpfoten ins Gras und nahm so die für unseresgleichen typische Liegepose ein. »Ich weiß nicht«, erwiderte er. Es klang wie ein Geknurre. »Es gibt gerade so viel, was in der Gegend schief läuft. Gerade du solltest dich darum kümmern.« Er wandte den Blick dezent zur Seite, als sei ihm das, was er als Nächstes von sich geben wollte, peinlich. »Alle achten dich, Francis.«
»Ach, alle achten mich. Und wollen, dass ich ihre weltbewegenden Probleme für sie löse. Was ist passiert? Hat irgendein Schnucki aus unserer trauten Gemeinde sein französisches Futter, Sorte Fasan, heute nicht erhalten? Oder ist eine Demo gegen Vogelgezwitscher angesagt, bei der man einen glaubwürdigen Anführer braucht? Ich meine, warum bloß kommen alle zu mir, wenn hier etwas verkehrt läuft?«
»Das tun ja eben nicht alle, Francis, weil sie dich, wie ich schon sagte, achten. Das tue allein ich. Und so lange mein stinkfauler, großkotziger und selbstverliebter Freund noch geradeaus laufen kann, werde ich nicht aufhören, an seine Verantwortung zu appellieren. Bilde dir übrigens darauf bloß nichts ein. Das kostet mich so viel, wie einen hübschen Haufen hinterm Gebüsch zu legen.«
»Verstehe«, seufzte ich. »Um was geht es?«
Blaubart legte seinen Kopf nachdenklich auf die Vorderpfoten. Kreuz und quer verliefen die Narben darauf, ähnlich den Linien bei einem Schnittmuster, und schimmerten kahl und hell aus dem Fell hervor.
»Hab da was gehört«, sagte er. »Weiß nicht, ob alles bis in die letzte Einzelheit stimmt. Aber wenn es stimmt, dann ist es die bekloppteste Geschichte, die mir je untergekommen ist. Scheiße ja! Du kennst doch diese alte Protzvilla am Ende des Reviers. So groß, dass man denken könnte, sie habe einen eigenen Autobahnanschluss. Und der Garten so weitläufig wie der Stadtpark.«
Ja, ich wusste, wovon Blaubart sprach. Es handelte sich, soweit ich im Laufe der Jahre sporadisch unterrichtet worden war, um das Anwesen einer altehrwürdigen Industriellenfamilie, die es in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts in die Landschaft gesetzt hatte. Mittlerweile war der Klotz zu einer Art Konzernzentrale mutiert. Glaubte ich jedenfalls.
Copyright © Diana Verlag, München, 2010 in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Eine recht wunderliche Frage von meinesgleichen: Was ist Geld? Antwort: Der im Tauschhandel verwendete, flexible Wert von Grundbesitz, einer Ware, Dienstleistung, Idee oder sonstiger Arbeit in Form einer staatlich verbrieften Urkunde. Zu kompliziert? Ja sicher! Denn meinesgleichen hat mit Geld nichts am Hut. Warum auch? Meinesgleichen kann weder mit Tauschhandel noch mit seinen Konsequenzen, in welcher Gestalt auch immer, etwas anfangen. Wir nehmen die Welt, wie sie ist. Mehr oder weniger.
Für den Menschen jedoch ist Geld ein unerschöpflicher Quell unendlich vieler Optionen. Geld ist für ihn Existenzgrundlage, das Schmiermittel des alltäglichen Daseins, Sicherheit, Macht, Fetisch, vor allem aber der magische Humus, aus dem seine meisten und leidenschaftlichsten Wunschträume sprießen. Der Mensch nimmt die Welt nicht, wie sie ist. Lieber nimmt er das Geld.
Aber was ist, wenn es einmal zu der äußerst unwahrscheinlichen Situation kommt, dass seine Welt und die unserige sich ausgerechnet an der Schnittstelle Geld kreuzen? Tja, dann wird es erst recht kompliziert. Und wie man sich denken kann, sehr tragisch. Diese Art von Tragik sollte ich im wunderschönen Sommer dieses Jahres am eigenen Leibe erfahren, und während ich jetzt darüber grübele, komme ich immer noch nicht zu einem klaren Schluss, ob dafür der Mensch, meinesgleichen oder schlicht und einfach das seelenlose Geld verantwortlich war. Gott hat die Welt erschaffen, sagen die heiligen Bücher. Ich habe die komische Ahnung, dass es mit der Erschaffung der Welt erst so richtig mit der Erfindung des Geldes losgegangen ist. Und weiter ahne ich, dass sie wegen des Geldes auch irgendwann untergehen wird.
»Na sieh sich einer mal den Faulpelz an!«, hörte ich einen mir wohlbekannten Brummbass, der mich aus dem nachmittäglichen Dämmerschlaf herausriss. Ich lag in der Sphinxpositur auf den Rudimenten einer umgefallenen Begrenzungsmauer in den Hinterhofgärten der im Karree angeordneten Gründerstadthäuser unseres Viertels, ließ mir die Sonne auf den Schädel brennen und hatte einige Schwierigkeiten, zur Besinnung zu kommen. Halb befand ich mich immer noch in dem Traum, wo ich in einem bizarren Inka-Reich voller Mäuse und Ratten als Gottkönig angebetet wurde und man mir ständig lebendige Mäuse-und-Ratten-Opfer darbrachte, um nicht meinen Zorn auf sich zu ziehen. Um meine degenerierten Untertanen nicht zu desillusionieren, tat ich ihnen den Gefallen und fraß. Dabei schmeckten die Viecher wie den modernsten Brandschutzbestimmungen entsprechende Dachpappe.
Blaubart, der ewig beste Kumpel, schaute vom versengten Rasen streng zu mir auf. Er war ein steinalter Maine-Coon mit vor Urzeiten abgehacktem Schwanz, einer verkrüppelten Pfote und einem Gesicht wie das eines Crashtest-Dummys nach dreihundertvierzehn Crashtests. Daraus besonders hervorstechend das linke, ausgestochene Auge nunmehr in Gestalt einer Fleischhöhle. Sein verfilztes Fell trug die Originalfarben einer wochenalten Pizza Quattro Stagioni. »Und ich dachte immer, unsereiner ist besonders im Sommer aktiv. Scheiße ja!«
»Keine Sorge, Blaubart, ich habe alles unter Kontrolle«, sagte ich. »Mein Großhirn steht in direkter Verbindung mit einem amerikanischen Spionagesatelliten, der dieses Gebiet nach Kläffern scannt und bei jedem einzelnen nachprüft, ob für ihn auch die vorschriftsmäßige Kläffer-Steuer entrichtet wurde. Wenn nicht, setze ich mich sofort an den Rechner und erstatte eine anonyme Anzeige beim Finanzamt.«
»Ich piss mir gleich vor Lachen auf die Hinterpfoten. Offen gesagt waren früher selbst deine schlechten Witze besser, Francis. Ich meine, man muss sich allmählich für seine Rasse schämen, wenn man dich so beobachtet. Nur fressen, furzen und pennen ist ein bisschen wenig für einen Helden. Scheiße nein!«
Na wenn du wüsstest, dachte ich bei mir. Denn noch vor ein paar Stunden hatte ich tatsächlich den Helden spielen wollen. Natürlich einen komischen. Und natürlich erfolglos. Um genau zu sein, war das der eigentliche Grund, weswegen ich mich wie einst Jesus zur effi zienten Sinnsuche in die Einöde verzogen hatte - also etwa fünfzig Meter vom Fressnapf entfernt. Der Grund für die Sinnkrise war wie so oft das Weib! Genauer, ein bestimmtes Weib, das heißt, das schönste, liebreizendste, cleverste, allerdings auch das starrsinnigste Weib, das mir je untergekommen ist: Sancta. Ein silberblaues Fellwesen der Rasse Korat mit muskulösem Körper und einem gebogenen Rücken, den früheren Siam-Züchtungen sehr ähnlich. Herzförmiges Gesicht, wache opalgrüne Augen, Riesentrichter von Ohren, abgerundeter Schwanz, lange Beine und dermaßen feine, spitz zulaufende, changierende Fellhaare, als trüge sie immerzu einen Heiligenschein. Kurz, ein junges Paradiesgeschöpf, das sich jeder alte Sack wie ich zum Geburtstag wünscht.
Wir waren, wie man so sagt, ein Paar. Mit allen Ingredienzien, die dazugehören. Als da wären: unsterbliche Verliebtheit auf den abgebrochenen Säulen des Forum Romanum, dem Trümmer-Biotop, aus dem das heutige Rom hervorging, die Heimholung der Braut mittels nonverbalen Flehens an meinen Dosenöffner Gustav, und dann ein paar Jährchen tatsächlich paradiesische Zweisamkeit. Aber dann ... Bei Menschen ist »das verflixte siebte Jahr« ein stehender Begriff für das Phänomen des gegenseitigen Genervtseins unter Paaren, nachdem der Liebesrausch im Lauf der Zeit verlustig gegangen ist und das einstige Liebesobjekt sich als ein Stinknormalo mit all seinen Fehlern und schlechten Angewohnheiten entpuppt. Schlaue Wissenschaftler haben deprimierenderweise herausgefunden, dass das verflixte Jahr schon nach vier Jahren eintritt. Nun, wie es aussah, und ebenfalls deprimierenderweise, ging es bei meiner Rasse etwas schneller. Nein, nein, bitte nicht falsch verstehen, ich liebte sie immer noch. Und wie! Doch dieses ständige »Wo warst du wieder gewesen?«, »Wo kommst du zu so später Stunde noch her?«, »Du schenkst mir zu wenig Aufmerksamkeit« und »Ich habe genau gesehen, wie notgeil du diese Siamesin von gegenüber wieder angestarrt hast - lügen ist zwecklos!«, ging mir doch allmählich verstärkt auf die Nüsse. Nahm es da wunder, dass mein Blick, anstatt sich an Sanctas Grazie zu erfreuen, immer öfter nach innen ging, und zwar in Richtung Vergangenheit vor ihrem Auftauchen, wo ich als freier Mann tun und lassen konnte, wonach es mich gelüstete, ohne mir ständig als ein blinkendes Pünktchen auf einem femininen Radarschirm vorzukommen?
Zum Beispiel der letzte Streit. Nun ist ja allgemein bekannt, dass das Weib in Sachen Einfühlungsvermögen die Nase vorn hat, aber allzu oft dazu neigt, emotionstechnisch aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Ein Vorurteil aus muffigen Pascha-Zeiten? Mitnichten, wenn ich mir den Vormittag Revue passieren ließ. Ich wusste eigentlich gar nicht mehr so recht, was konkret zu der Explosion geführt hatte, die der gemeine Mensch als Beziehungskrach zu titulieren pflegt, wobei offenbar diese Dynamik auch auf unsereinen abgefärbt hat. Ach ja, jetzt erinnerte ich mich wieder: Es ging zunächst, um in der Mensch-Tier-Analogie zu bleiben, um einen Menschen. Nämlich um den vertrotteltsten, sozial ungeschicktesten und vielversprechendsten Anwärter für die Sendung ›Deutschland sucht den Superfettkloß‹. Raten Sie mal, um wen es sich dabei handelte. Richtig geraten: um den kugelrunden, fast glatzköpfigen professoralen Totalversager am Futtertrog eines der ödesten Wissenschaftsbetriebe, nämlich der Archäologie. Als mein »Herrchen« mag sich dieses knapp sechzigjährige, nur notdürftig als Homo sapiens verkleidete 130-Kilo-Zementsilo wohl brüsten. Allerdings meine ich mich zu erinnern, dass das Wort Herrchen erst in der Relation zu dem Wort Frauchen seine wahre Daseinsberechtigung erhält. Das letzte Frauchen im Eva-Kostüm jedoch, das er zu Gesicht bekommen hat, dürfte so um die Zeit der Kreuzzüge auf Erden gewandelt sein. Das heißt, wir sprechen hier von einem alkoholkranken Vielfraß, der eben dieses Elend mit kennerhaftem Rotwein-Gourmet-Getue zu kaschieren versucht, einem Vereinsamten, der in Archiven allein mit toten Kulturen kommuniziert, und von einem Liebesentwöhnten, der sein Zärtlichkeitsbedürfnis bei seinem Haustier ablädt. Kurzum, wir reden hier über Gustav.
»Wie kannst du so über ihn reden?«, zischte Sancta und hob ihren Kopf erbost aus dem Frühstück im Napf, das der Dicke uns wie jeden Morgen an der Schwelle zu der Toilette serviert hatte. Ich weiß, man spricht nicht mit vollem Maul. Dennoch hatte ich es mir nicht verkneifen können, während des Fressens ein paar abfällige, wiewohl auf höchstem ironischem Niveau angesiedelte Bemerkungen über Gustav zu machen. Als humoristische Aufmunterung für den beginnenden Tag sozusagen. »Also das geht mir inzwischen wirklich gegen den Strich, wie du immer wieder über diesen herzensguten Menschen herziehst. Würde ich dich nicht gut kennen, könnte ich dich glatt für bösartig halten, Francis. «
»Aber das bin ich doch auch, was Gustav angeht, liebe Sancta. Hast du schon einmal den Begriff Inselkoller gehört? Dann betrachte Gustav als eine Insel, was dir bestimmt nicht schwerfallen wird, da er den Umfang, das Gewicht und mit zunehmendem Alter in Bezug auf Körperbehaarung, insbesondere am Rücken, auch die Vegetation einer Insel besitzt. Und stell dir weiterhin vor, ich wäre der Robinson Crusoe, der seit Jahrzehnten auf dieser Insel gefangen ist. Ich meine, der Mann besitzt allen Ernstes Pornoheftchen von 1979 - und benutzt sie immer noch. Wenn das nicht zum Schießen ist!«
»Es ist unerträglich, wie du jemanden, der dich geradezu anbetet, so in den Schmutz ziehen kannst, Francis. Seitdem ich an deiner Seite bin, lästerst du über diesen engelsgleichen Menschen, als wäre er ein geistig minderbemittelter Pausenclown, der das unwahrscheinliche Glück gehabt hat, dich verwöhnen zu dürfen.«
»Es fällt mir schwer, dir zu widersprechen, Geliebte.«
»Schande über dich! Gustav gehört für mich zu den scharfsinnigsten und mitfühlendsten Geschöpfen dieses Planeten. Ich wünschte, seine Geschlechtsgenossinnen wüssten dies zu würdigen, damit er nicht ein Leben in Einsamkeit verbringen muss.«
»Und nicht nur diese wundervollen Attribute treffen auf ihn zu. Er ist wohl auch der Einzige auf diesem Planeten, der auf Spam-E-Mails bezüglich Penisverlängerung pflichtschuldigst antwortet: >Danke für Ihr Angebot, habe mich aufrichtig gefreut, doch bin ich gegenwärtig mit meiner Anatomie zufrieden (wenn auch nicht zur Gänze). Herzlichst Ihr ...‹ Und der jeden Tag an der Haustür steht und dem Postboten die Hand schüttelt, weil der so freundlich ist, ihm die Post zu bringen. Und der bei der Entrichtung der Steuer ans Finanzamt auf dem Überweisungsformular noch notiert: >Ich hoffe, Sie können mit der Summe einen guten Zweck erfüllen. Bitte teilen Sie mir mit, wenn Sie mehr brauchen.‹ Und sicher auch der Einzige, der schon einen Bandscheibenvorfall bekommt, wenn er sich bückt, um sich am Knie zu kratzen. Fürwahr, ein bewundernswürdiger Zeitgenosse.«
»So denkst du also in Wahrheit über die Hand, die dich füttert.« Sancta rümpfte die Nase, wie feine Damen es zu tun pflegen, wenn sie ihren ultimativen Abscheu zum Ausdruck bringen wollen. Es versteht sich von selbst, dass mein silberblaues Püppchen mit seinen grünen Hypnose-Augen in dieser Zicken-Pose besonders aufreizend aussah. Jedenfalls für einen Sabbergreis wie mich, der in jedem weiblichen Gestus etwas Aufreizendes zu entdecken vermag.
»Treue, geschweige denn Sympathie, gar Liebe scheinen Fremdworte für dich zu sein«, fuhr sie fort. »Doch der Fehler liegt offenkundig im System. Denn ich möchte nicht wissen, welches Bild in Wirklichkeit in deinem Hinterstübchen von mir existiert, geschweige denn, wie du bei deinen grenzdebilen Kumpeln wie Blaubart und Co. über mich ablästerst, wenn ihr unter euch seid.«
»Hä? Was ist das denn jetzt für eine beknackte Schlussfolgerung?« Mir war der Appetit vergangen. »Nur weil ich ein paar lustige Bemerkungen über Gustav mache, heißt das doch nicht, dass ich deiner überdrüssig geworden wäre.«
»Ach nein?« Sie reckte ihren grazilen Hals schwanengleich in die Höhe, ohne mich eines Blickes zu würdigen, und fächerte ihre Schnurrhaare auf. In der Regel bedeutete diese Geste: Ich möchte jetzt umschmeichelt werden. Wenn's weiter nichts war ...
»Aber nein, liebe Sancta. Natürlich ist Gustav für mich, wenn auch kein Freund im wortwörtlichen Sinne, so doch der treue Kampfgefährte in guten wie auch schlechten Zeiten. Den auf die Schippe zu nehmen betrachte ich allerdings als meine Pfl icht, so surreal, wie der Kerl ist. Und natürlich bleibst du meine Göttin auf ewig, wenn auch der Zahn der Zeit selbst an der größten Liebe nagt und ... «
»Wie bitte?« Die schneeweißen Schnurrhaare warfen plötzlich nach allen Seiten umherschießende Blitze, und sie fauchte mich frontal an.
»Nein, nein, da habe ich mich wohl unglücklich ausgedrückt«, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen. »Ich meinte, wenn man sich so umsieht, könnte man doch glatt auf den Gedanken kommen, dass unserer Rasse in Sachen Paarbindung recht schnell die Puste aus...«
»Jetzt endlich hast du dein wahres Gesicht gezeigt, Francis!« Sie haschte mit den ausgestreckten Krallen ihrer rechten Pfote nach mir.
Ich machte einen Angstbuckel mit stachelartig aufgerichteten Fellhaaren, zog die Schnurrhaare furchtsam nach hinten, formte mein Gesicht zu einem Keil und begann rückwärts zu kriechen.
»Endlich hast du die Maske fallen gelassen. Und hinter dieser Maske kommt kein anderer zum Vorschein als der handelsübliche Chauvi, der Liebe heuchelt und doch nur das eine will. All deine Liebesschwüre waren erstunken und erlogen mit starrem Blick auf das Verfallsdatum des Objekts der Begierde!«
»Über alles geliebte Sancta, was ist bloß in dich gefahren?« Ich vergewisserte mich, dass das Fenster über unseren erhitzten Köpfen offen stand. Halleluja! Gott, beziehungsweise in diesem Falle Gustav, hatte ein Einsehen mit mir gehabt. »Wie um alles in der Welt sind wir an dieses Thema geraten? Also, wenn du mich fragst, sollten wir uns erst einmal abkühlen und dann das Hirn wieder einschalten, wenn ... «
»Dich fragt keiner, und was dein Macho-Hirn anbelangt, empfehle ich dir, das von Lug und Trug verseuchte Ding besser für immer abgeschaltet zu lassen!«
Sprach's und katapultierte sich mit den Hinterpfoten und offenem Maul, in dem ihr Killergebiss respektheischend blitzte, geradewegs auf mich zu.
»Wir bringen diesen Gedankenaustausch ein andermal zu Ende«, entfuhr es mir, bevor stilettscharfe Krallen, dolchartige Reißzähne und der Rest der Kampfmaschine namens Sancta mein Fell in einen Pelzmantel verwandeln konnten, der in einen Häcksler geraten ist. Durch das offene Fenster schoss ich ins Freie, fest entschlossen, erst wieder heimzukehren, sobald fachkundige Psychiater meine Lebensabschnittspartnerin unter optimale Medikation gesetzt hatten.
Jetzt, das heißt Stunden im Komaschlaf später, lag ich immer noch auf dem Mauerrudiment im Nirgendwo der Gärten, sah hinter den Dächern die Apfelsinensonne allmählich herabschweben - und musste mir von Blaubart Mangel an Heldenhaftigkeit vorwerfen lassen. Echt schwer, dagegen anzuargumentieren, wenn man sich so sehr als Held fühlte wie ein Vogel Strauß als Pilot.
»Vielleicht hast du es noch nicht mitgekriegt, Blaubart, aber die Firma ›Heldentum & Co. KG‹ ist schon vor langer Zeit in Konkurs gegangen«, sagte ich und gähnte in die goldenen Farben des Spätnachmittages hinein. Die üble Sache mit Sancta wollte ich ihm lieber nicht auf die Nase binden. »Und ganz unter uns: Ich habe diese Klitsche schon immer für recht dubios gehalten.«
»Haha! Das kaufe ich dir nicht ab, du Clown. Es schmeichelt dir immer noch, wenn man dich als Helden bezeichnet. Frage mich allerdings inzwischen, mit welcher Berechtigung. Scheiße ja!« Blaubart hockte sich im Gras auf die Hinterpfoten und blickte mich durch sein heil gebliebenes Auge so verdrießlich an, als bereite ihm mein zugegebenermaßen auch nicht mehr so prickelnder Sarkasmus Übelkeit. Großer Gott, bahnte sich jetzt die nächste Beziehungskrise an? Dabei hätte ich mich mit meinem treuen Kumpel an diesem schönen Tag lieber über etwas anderes unterhalten. Über frühere Abenteuer zum Beispiel, über längst vergangene Dinge eben, über die zwei alte Trottel gewöhnlich zu reden und insbesondere zu lügen pflegten, bevor die Nacht kam und sie ihre müden Knochen wieder hübsch auf das Kissen ihres Dosenöffners schoben. Was wollte der Kerl überhaupt? Mit seinem hoffnungslos struppigen, keiner Farbe zuzuordnenden Fell, mit den an den Rändern angeknabberten Ohren, dem demolierten Gesicht und dem zur Hälfte abgebrochenen Reißzahn, der ihm einem abgewirtschafteten Vampir gleich aus dem Maul lugte, sah er aus wie die Titanic - und zwar im heutigen Zustand! Und der hatte noch die Frechheit, was vom Heldentum zu faseln. Man musste schon ein abnormal selbstbewusstes Schiff sein, wenn man mit seinem fetten Arsch seit achtundneunzig Jahren auf dem Seegrund lag und trotzdem den Untergang der Sitten in der aktuellen Seefahrt beklagte.
»Okay«, sagte ich. »Was sollte ich deiner Meinung nach Heldenhaftes anstellen, damit die Welt nicht untergeht, verehrter Freund?«
Blaubart machte ein ratloses Gesicht, sank auch mit den Vorderpfoten ins Gras und nahm so die für unseresgleichen typische Liegepose ein. »Ich weiß nicht«, erwiderte er. Es klang wie ein Geknurre. »Es gibt gerade so viel, was in der Gegend schief läuft. Gerade du solltest dich darum kümmern.« Er wandte den Blick dezent zur Seite, als sei ihm das, was er als Nächstes von sich geben wollte, peinlich. »Alle achten dich, Francis.«
»Ach, alle achten mich. Und wollen, dass ich ihre weltbewegenden Probleme für sie löse. Was ist passiert? Hat irgendein Schnucki aus unserer trauten Gemeinde sein französisches Futter, Sorte Fasan, heute nicht erhalten? Oder ist eine Demo gegen Vogelgezwitscher angesagt, bei der man einen glaubwürdigen Anführer braucht? Ich meine, warum bloß kommen alle zu mir, wenn hier etwas verkehrt läuft?«
»Das tun ja eben nicht alle, Francis, weil sie dich, wie ich schon sagte, achten. Das tue allein ich. Und so lange mein stinkfauler, großkotziger und selbstverliebter Freund noch geradeaus laufen kann, werde ich nicht aufhören, an seine Verantwortung zu appellieren. Bilde dir übrigens darauf bloß nichts ein. Das kostet mich so viel, wie einen hübschen Haufen hinterm Gebüsch zu legen.«
»Verstehe«, seufzte ich. »Um was geht es?«
Blaubart legte seinen Kopf nachdenklich auf die Vorderpfoten. Kreuz und quer verliefen die Narben darauf, ähnlich den Linien bei einem Schnittmuster, und schimmerten kahl und hell aus dem Fell hervor.
»Hab da was gehört«, sagte er. »Weiß nicht, ob alles bis in die letzte Einzelheit stimmt. Aber wenn es stimmt, dann ist es die bekloppteste Geschichte, die mir je untergekommen ist. Scheiße ja! Du kennst doch diese alte Protzvilla am Ende des Reviers. So groß, dass man denken könnte, sie habe einen eigenen Autobahnanschluss. Und der Garten so weitläufig wie der Stadtpark.«
Ja, ich wusste, wovon Blaubart sprach. Es handelte sich, soweit ich im Laufe der Jahre sporadisch unterrichtet worden war, um das Anwesen einer altehrwürdigen Industriellenfamilie, die es in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts in die Landschaft gesetzt hatte. Mittlerweile war der Klotz zu einer Art Konzernzentrale mutiert. Glaubte ich jedenfalls.
Copyright © Diana Verlag, München, 2010 in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Akif Pirinçci
Akif Pirinçci wurde 1959 in Istanbul geboren und wuchs in der Eifel auf. Mit seinem Katzenkrimi Felidae, der als Trickfilm auch das Kinopublikum eroberte, schrieb er sich in die Herzen einer internationalen Fangemeinde. Die folgenden Romane stürmten ebenfalls die Bestsellerlisten, wurden in viele Sprachen übersetzt und erzielten weltweit Millionenauflagen. Der Autor lebt in Bonn.
Bibliographische Angaben
- Autor: Akif Pirinçci
- 2010, 351 Seiten, Maße: 14,3 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Diana
- ISBN-10: 3453290976
- ISBN-13: 9783453290976
Rezension zu „Felipolis “
"Nach wie vor ein Genuss. Der neue Pirincci hat das Zeug zu einem soliden Wirtschafts- und Politthrilller."
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