Friedrich Schiller
''Es ist bei Schiller jedes Wort praktisch, und man kann ihn im Leben überall anwenden. Aber ihr kennt ihn nicht.''
Goethe
2005 jährt sich Friedrich Schillers Todestag zum 200. Mal.
Ein Anlass, einen der bedeutendsten deutschen Dichter in...
''Es ist bei Schiller jedes Wort praktisch, und man kann ihn im Leben überall anwenden. Aber ihr kennt ihn nicht.''
Goethe
2005 jährt sich Friedrich Schillers Todestag zum 200. Mal.
Ein Anlass, einen der bedeutendsten deutschen Dichter in diesem brandneu erschienenen Porträt (wieder) zu entdecken: sein Leben, seine Werke. Als typischer Vertreter der Klassik beschäftigte sich Schiller mit allen Bereichen des Wissens.von seinem Jura- und Medizin-Studium über seinen Durchbruch mit ''Die Räuber'' bis hin zum ''klassischen Weimar''.
Mit zahlreichen Abbildungen, Zeittafel und Auswahlbibliographie!
Friedrich Schiller (1759-1805) gilt neben Goethe als bedeutendster deutscher Dichter. Dramen wie ''Die Räuber'', ''Kabale und Liebe'' oder ''Don Carlos'' sind auch 200 Jahre nach Schillers Tod fester Bestandteil von Lektürekanon und Theaterspielplänen.
Friedrich Schiller (1759 1805) gilt neben Goethe als der deutsche Nationaldichter. Er studierte Jura, dann Medizin und wurde 1780 Regimentsmedikus in Stuttgart. Doch fühlte er sich mehr zum Schriftsteller berufen, begann Dramen und Gedichte zu schreiben und hatte mit der Uraufführung der Räuber großen Erfolg. Das herzogliche Verbot jeglicher poetischer Tätigkeit veranlasste ihn zur Flucht aus Stuttgart.
Schließlich wurde er Professor in Jena, begann einen intensiven Ideenaustausch mit Goethe und prägte mit ihm ab 1799 das "klassische Weimar". Das seiner Dichtung und seinen Schriften zugrunde liegende idealistische Denken wurde später als pathetisch empfunden; heute werden die Werke vielfach neu gedeutet, die Dramen inszenatorisch neu interpretiert.
FriedrichSchiller von Kurt Wölfel
LESEPROBE
Mannheim (1782-1785)
Mannheimer Enttäuschungen (1782)
Noch am Tag seiner Ankunft in Mannheim schreibt Schiller zweiBriefe nach Stuttgart. Der eine an den Intendanten der Karlsschule Seegerbittet um Fürsprache beim Herzog. Im anderen, an den Herzog selbst gerichtet,wird die scheinbare Eindeutigkeit des Inhalts von der Mehrdeutigkeit dessen, wasder Briefschreiber damit bezweckt, unterlaufen. Schiller beginnt mit einerziemlich abenteuerlichen Begründung seiner Flucht: »Von Verzweiflunggedrungen«, habe er diesen »schröklichen Weeg« ergriffen, um den Herzog »mitder Stimme eines Unglüklichen um gnädigstes Gehör für meine Vorstellungen«anflehen zu können. Am Ende zieht er dann alle Register pathetischer Rede,deren Meister er ist: »Diese einzige Hoffnung hält mich noch in meinerschröklichen Lage. Sollte sie mir fehlschlagen so wäre ich der ärmste Mensch,der verwiesen vom Herzen seines Fürsten, verbannt von den Seinigen wie einFlüchtling umherirren muß. Aber die erhabene Großmut meines Fürsten läßt michdas Gegentheil hoffen. [...] Ich erwarte die gnädigste Antwort mit zitternderHoffnung, ungedultig aus einem fremden Lande zu meinem Fürsten zu meinemVaterland zu eilen, der ich in tiefster Submission und aller Empfindung einesSohns gegen den zürnenden Vater ersterbe« (24.9.1782). Im Ernst denkt er wohlkaum an eine Rückkehr nach Stuttgart in den vormals doch so unerträglichenZustand, bezweckt ist wohl eher eine Besänftigung des Herzogs und die Abwendungeventueller Strafmaßnahmen, die sich gegen Schillers Familie bzw. gegen ihnselbst hätten richten können. Das Exempel der hinterhältigen GefangennahmeChristian Friedrich Daniel Schubarts (1739-1791), des schwäbischen Dichters,der als politischer Publizist den Ärger des Herzogs Carl Eugen erregte und vonihm seit 1777 gefangen gehalten wurde, war ihm bekannt genug, er hatte diesennoch von Stuttgart aus auf dem Hohenasperg, wo Schubart seit Jahren inFestungshaft saß, besucht. Und was die Ausmalung seines jammervollen Zustandsin der Fremde betrifft, so mögen hier augenblickliche Empfindung undDichterphantasie sich wechselseitig erregt haben. Mannheim zeigt sich ja in derTat nicht als das Paradies der dramatischen Muse, das ihn als derenLieblingskind aufzunehmen bereit ist. Er ist praktisch mittellos, und die Aussicht,zu Geld zu kommen, hat als einzige Versicherung ein Manuskript, das ermitgebracht hat: Sein zweites Trauerspiel >Fiesko<, mit dessen Annahmeund Aufführung in Mannheim er fest rechnet, und von dem er meint, mit ihm die>Räuber< weit übertroffen zu haben. Darin sollte er sich, jedenfalls soweites den Erfolg des Stückes anging, freilich irren. Als es im Januar 1784endlich, wiederum erst in umgearbeiteter Fassung, auf die Bühne kommt, wird esbereits nach drei Aufführungen abgesetzt.
Worin >Die Verschwörung des Fiesko zu Genua<allerdings in der Tat die >Räuber< übertrifft, ist die Lust, die der Helddes »republikanischen Trauerspiels« (so der Untertitel) der Phantasie desAutors bereitet: Souverän betreibt Fiesko das verwegene Spiel um dieHerrschaft, in dessen reißendem Verlauf ein Abglanz der Herrlichkeit des Heldenauch noch auf das Frevelhafte fällt. Schiller hat ihn mit aller Macht und Prachtder Rede begabt, und deren Farbenspiel reicht vom kalten, genauen Kalkül undder schneidenden Schärfe des sich erklärenden Willens bis zur triumphalenSelbstfeier und zum wilden, ja wüsten Rechten Fieskos mit der Nemesis, die ernicht erkennt, nicht anerkennt. »Es solte ein ganzes, groses Gemählde deswürkenden und gestürzten Ehrgeizes werden«, schreibt Schiller an Dalberg(16.11.1782). Das verrät, in welchem Maße der Held des Dramas aus dem Geist desAutors geboren und geformt ist. Fiesko, als tyrannenstürzender Freiheitsheldangetreten, wird vom »Ehrgeiz« getrieben, nur mehr nach eigener Herrschaft zutrachten. Und wenn zum »würkenden« der »gestürzte Ehrgeiz« hinzutritt undFiesko von der Rache des Prinzips »republikanische Tugend« eingeholt wird - inGestalt Verrinas, der es dem Helden gegenüber freilich nur bis zumPrinzipienreiter zu bringen vermag -, dann hat der Autor in seinem Drama, dasästhetisch doch ganz und gar von der amoralischen Größe des Helden lebt, auchnoch die Ansprüche der Moral untergebracht. Ein dramatischer Gewaltakt beendetdie Handlung, in der Machtphantasmen und moralisches Selbstüberwindungsgebot miteinanderkonkurrieren und sich wechselseitig für das andere ausgeben. Es istbezeichnend, dass Schiller den >Fiesko< fast fertig nach Mannheimmitbringt und sich nur über den Dramenschluss noch nicht im Klaren ist.Schließlich schreibt er dann zwei Schlüsse, einen für die Buchfassung und einenfür die Aufführung auf der Mannheimer Bühne. In jenem wird der Held derverletzten Tugend zum Opfer gebracht, in diesem schwingt er, als neuerHerrscher vom Volk anerkannt und gefeiert, in moralischer Selbstüberwindungsich auf den Gipfel einer noch größeren Größe und »schenkt« als Genuas»glücklichster Bürger« der Stadt die errungene Freiheit. Die Tugend darftriumphieren - aber unter der Bedingung, dass ihr Triumph das Werk Fieskos ist.»Ich möcht' mich einmal mit mir selbst zusammenhetzen nur um zu sehen, wer der Stärkereis, ich oder ich«, lässt Nestroy in seiner Travestie von Friedrich HebbelsDrama den Holofernes sagen. Dergleichen spukt auch Fiesko im Blut.
Von den ersten Tagen in Mannheim an ist seine persönlicheSicherheit die bedrängende Sorge Schillers und seiner Freunde. Befürchtet wirdseine gewaltsame Zurückholung nach Württemberg oder ein AuslieferungsverlangenCarl Eugens. Schillers Freunde empfehlen ihm, für eine Weile aus Mannheim zuverschwinden. Er macht sich, von Streicher treu begleitet, auf den Weg nachFrankfurt, zu Fuß, denn noch sind sie fast völlig mittellos. Streicher hatseine Mutter um die Überweisung eines größeren Geldbetrags dorthin gebeten;seine Absicht ist, nach Hamburg weiter zu reisen: Ein Plan, der in derErwartung gefasst wird, dass Dalberg nach seiner Rückkehr Schiller Hilfezukommen lassen würde, um die er brieflich von Frankfurt aus bittet. Es ist derBrief eines Menschen, der sich in der Ausweglosigkeit seiner Lage vorstelltund keine Alternative mehr weiß, außer dieser einen: »Schnelle Hilfe ist alleswas ich izt noch denken und wünschen kann.« (6.10.1782) Und da ist nurDalberg, von dem sie kommen könnte. Die Summe, um die er bittet, ist nicht gering,er will damit seine Stuttgarter Schulden tilgen und das Allernötigste fürseinen täglichen Unterhalt gewinnen. Als Gegenleistung verspricht er dieLieferung des theaterfertigen >Fiesko<, der damit im voraus vergütetsein soll. Er erhält eine ablehnende Antwort mit der Begründung, dass für eineAufführung des Dramas eine Umarbeitung erforderlich sei, ehe über Schillersfinanzielle Wünsche verhandelt werden könne. Streichers Erinnerungen hebenvoller Bewunderung hervor, mit welchem klaglosen Gleichmut Schiller auf das niederschlagendeSchreiben reagiert habe. (...)
© Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
Interview mitKurt Wölfel
Friedrich Schiller dürfte in keinem deutschenLehrplan fehlen. Wie würden Sie einem Schüler die Faszination erklären, die inLeben und Werk Schillers liegt?
Zum einen: Welcher "Schüler"ist gemeint - ein 12- oder ein 17-jähriger? Das modifiziert die Rezeptions-, Aufnahmefähigkeitund -bereitschaft beträchtlich. Zum anderen: Was meint "Faszination"?Ich möchte mich mit "Interesse" begnügen. Das - möglicherweise - vomWerk ausgehende ist eines, das von Schillers Leben ein anderes. Letzteresverbindet sich mit Schillers "Größe", jener menschlichen Eigenschaft,die hervortritt, wenn einer seinen so von Hindernissen und Beschwernissenbelasteten Lebensumständen und -bedingungen zum Trotz etwas, ein Werk,hervorgebracht hat, das das Prädikat "gewaltig" verdient. SchillersBewältigung dieser Hindernisse und Beschwernisse gehört von Anfang derGeschichte seines Ruhmes an zu den zentralen Kapiteln seiner Biografie. Und dasInteresse seines Werkes ließe sich einem "Schüler" gegenüber zum Beispielmittels des Satzes nahebringen, den der Mitschüler Scharffenstein aus den letzten Karlsschuljahren überlieferthat: "Wir wollen ein Buch machen, das aber absolut vom Schinder verbranntwerden muß." Diese Haltung und Gesinnung, derunbändige, provokante Wille, die Welt/Gesellschaft/Obrigkeit herauszufordern,der von den "Räubern" an seinen Niederschlag in Schillers Werkenfindet, sich modifiziert und doch untergründig bis zum Schluss fortdauert, dasdamit verbundene Widerspiel von Macht und Freiheit, von Caesar und Brutus, monarchischem Herrschaftstrieb und Bereitschaft zumTyrannensturz/-mord - das mag für einen Schüler schon interessant sein.
"Portrait" war vomVerlag vorgegeben (Reihe!), ebenso der Umfang (bis 194 Seiten). Das Buch sollteweder reine Biografie noch Werk-Monografie sein, aber doch auch eine Verbindungvon beidem. Das machte das Umfangdiktat zum Problem, dessen Lösung mir diemeisten Schwierigkeiten bereitete. Meiner Neigung zur erzählenden Darstellungdurfte ich nur eingeschränkt nachgeben, dafür kam meine andere Neigung zumessayistischen Schreiben der Sache entgegen. Bezüglich der Aufgabe, Biografieund Werkbeschreibung und -analyse zu verbinden, letztere in die Biografie zuintegrieren, schien mir die chronologische Darstellung sich am ehestenanzubieten - wobei der Umstand, dass Schillers "Leben" in den letztenanderthalb Jahrzehnten im Schreiben der "Werke" nahezu aufging, dazuführte, dass im letzten Viertel meines Buches die Folge der großen "klassischen"Dramen in ziemlichem Umfang die Stelle der Lebensgeschichte einnimmt.
Stuttgart, Jena, Weimar und andere Städte reklamieren"ihren" Schiller für sich. Der Aufbau Ihres Buches orientiert sich anseinen Wohnorten. Wer hat denn nun am ehesten einen "Anspruch" aufden großen Klassiker?
"Anspruch" hatkeine Lokalität auf Anteil an Rang und Bedeutung eines Individuums. Aber wennes um so etwas wie Zugehörigkeit` gehen soll, ist die Antwort: Schiller istSchwabe, von Geburt und zeitlebens, also gehört er zunächst einmal nachMarbach/Stuttgart. Dass er auch in die Geschichte der Städte Jena und Weimargehört, wenn es um deren Bedeutung als historische Zentren unserer nationalenKultur, unserer intellektuellen, literarisch-ästhetischen Geschichte geht,liegt auf der Hand.
Sie selbst sind Professor em. für Deutsche Literatur.Das Buch scheint sich aber nicht vorrangig an Studenten zu richten. WelcheLeser möchten Sie besonders ansprechen?
Als "Professor"lag mir daran, Vorlesungen zu halten, denen die Studenten gerne zuhörten; alsAutor daran, so zu schreiben, dass der Leser die Lektüre mit Vergnügen, ja Lustbetreiben kann. Und ich habe durchaus gemeint, auch für "Studenten"zu schreiben, deren "Bildungsstufe", wenn sie heute ihr Studiumbeginnen und absolvieren, ihnen so beträchtliche - oft kaum überwundene -Schwierigkeiten bereitet, die aktuelle fachwissenschaftlich-terminologischeSprache ihrer Lehrer zu verstehen. Und über diese besonderen Adressaten hinaus:Ich habe versucht, wenn nicht für den nur mehr problematisch existenten "Bildungsbürger",so doch für den im bildungsbürgerlichen Sinn interessierten Leser zu schreiben,für den Lesewilligen, also für einen, der sich die Fähigkeit und Neigungbewahrt hat, den Fernseher abzuschalten und nach einem Buch zu greifen. Dassoll heißen, für einen, dem die "Welt" nicht in ihrer bloßen Momentaneität aufgeht und der daher das Bedürfnis spürt,die eigene "Identität" dadurch zu erweitern, zu bereichern, dass ersich seines kulturellen Herkommens, seiner Geschichtlichkeit vergewissert.
Zum Schluss eine Empfehlung für die Leser: Welche vonSchillers Gedichten, Dramen oder Essays schätzen Sie am meisten?
Unter Schillers Gedichtenschätze ich am höchsten die "elegischen": "Das Glück", "Nänie"vor allem. Dazu das große, überwältigende "Zentralgedicht": "DasIdeal und das Leben". Dramen: "Wallenstein" und "Demetrius"-Fragment; außerdem habe ich eine alte Liebezum "Don Karlos". Zwischen Schillers großen Abhandlungen abschätzendzu unterscheiden fällt mir schwer. "Über naive und sentimentalischeDichtung" steht wohl im Vordergrund, dazu die "Ästhetische Erziehung"angesichts ihres bis heute unerloschenen, ja unaufgearbeitetenProblemreichtums. Aber mir ist die ganze Folge der Essays von "Anmuth und Würde" bis zu denen über das Erhabene einwichtiger und wertvoller Textbestand.
Die Fragen stellte Roland Große Holtforth,literaturtest.de.
- Autor: Kurt Wölfel
- 2004, 192 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, mit zahlreichen Abbildungen, Maße: 12,4 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Herausgegeben von Sulzer-Reichel, Martin
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423310162
- ISBN-13: 9783423310161
- Erscheinungsdatum: 01.11.2004
Neues Deutschland
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