Losgehen, um anzukommen
Die Faszination des Pilgerns. Vorw. v. Hape Kerkeling
Pilgerwandererungen sind heute populärer denn je. Wer sich auf den Weg zu den Stätten christlichen Glaubens macht, steht allerdings in einer langen Tradition. Hier sind die interessantesten Pilgerberichte der Geschichte: Faszinierende Texte von...
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Produktinformationen zu „Losgehen, um anzukommen “
Pilgerwandererungen sind heute populärer denn je. Wer sich auf den Weg zu den Stätten christlichen Glaubens macht, steht allerdings in einer langen Tradition. Hier sind die interessantesten Pilgerberichte der Geschichte: Faszinierende Texte von Ignatius Loyola bis zu Paulo Coelho.
Mit einem Vorwort von Hape Kerkeling.
Klappentext zu „Losgehen, um anzukommen “
Nie war das Wandern zu Gott so populär wie heute. Dabei steht, wer sich auf den Weg zu Stätten des christlichen Glaubens macht, in einer langen Tradition. Dieser Band versammelt die besten Pilgerberichte, von eindrucksvollen früheren Zeugnissen bis zu modernen Erzählungen, von Ignatius von Loyola über Franz Werfel bis zu Paulo Coelho, Matilde Asensi und Cees Nooteboom. Eingeleitet von Hape Kerkeling, dem Entertainer, Erfolgsautor und bekanntesten deutschen Pilger.
Lese-Probe zu „Losgehen, um anzukommen “
Losgehen um anzukommen herausgegebenvon Bettina Feldweg LESEPROBE
Sankt Pölten führt, dem Wiener, dem steirischen von der slowenischen Grenze über Graz und dem burgenländischen von Eisenstadt aus. Schließlich Lourdes, das dieses Jahr seinen 150. Geburtstag als Marienwallfahrts-Mekka feiert und wo Glaube und Aberglaube besonders nahe beieinanderliegen. 1858 hatte hier das damals 14-jährige Bauernmädchen Bernadette Soubirous 18 Erscheinungen – an der Stelle, an der sie auf Geheiß der Muttergottes im Boden nach einer Quelle grub, ist heute die Wunderquelle, deren Wasser Heilkräfte zugesprochen werden. In Frankreich gibt es aber durchaus auch noch weniger überlaufene Pilgerziele, etwa La Salette in den französischen Alpen, ebenfalls dank einer Marienerscheinung zum Wallfahrtsort geworden, oder auch Arssur-Formans, wo im frühen 19. Jahrhundert Johannes Maria Vianney tätig war, heute der Schutzpatron der Pfarrer.
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In Deutschland sind es vor allem die Marienwallfahrtsorte Altötting im östlichsten Oberbayern mit der Gnadenkapelle als Ziel – im 15. Jahrhundert soll die Muttergottes hier einen dreijährigen Buben, der im Bach ertrunken war, wieder zum Leben erweckt haben – und Kevelaer in Nordrhein-Westfalen. Auf deutschem Gebiet gibt es eine Vielfalt an Pilgerrouten zu entdecken, und ihre Zahl wächst laufend. Auch der deutsche Jakobsweg ist nicht einer, sondern ein ganzes Wegesystem. Und während die Jakobswege in Frankreich und Spanien seit dem Mittelalter verankert sind, sind die Wegstücke in Deutschland häufig Festlegungen neueren Datums. Bis heute werden immer wieder neue eröffnet, zum Beispiel 2003 der auf der mittelalterlichen Handelsstraße Via Regia verlaufende Ökumenische Pilgerweg oder der erst 2004 eingeweihte Bonifatius-Pilgerpfad. Im deutschsprachigen Raum ist so ein dichtes Netz an Jakobswegen entstanden: etwa von Breisach ins Burgund, von München zum Bodensee oder von Köln aus über Trier weiter nach Metz und hinein ins französische Zentralmassiv.
Wie mit den Pilgerwegen selbst, so verhält es sich auch mit der Pilgerliteratur: Die ersten einschlägigen Zeugnisse gehen zurück auf das Mittelalter, und bis heute kommen neue dazu. Eins der berühmtesten frühen Dokumente ist der sogenannte Codex Calixtinus, ein Pilgerführer aus dem 12. Jahrhundert, der lange Zeit irrtümlich Papst Calixt II. zugeschrieben wurde (daher auch sein Name), in Wirklichkeit aber wohl von dem französischen Gelehrten Aimeric Picaud stammt.
Was aber genau ist Pilgern? »Pilgern?! Das ist gleichzeitiges Beten und Laufen«, würden wohl streng gläubige Katholiken sagen. Sie betrachten es bis heute als reumütigen Bußgang zu Gott zur Vergebung ihrer irdischen Sünden.
Der oft atheistisch angehauchte und fitnessorientierte Mensch der Moderne sieht das Pilgern gerne als eine Art Wanderung zu sich selbst. Heute werden Pilgern und Wandern sogar vielfach gleichgesetzt. Denn Pilgerreisen und Wallfahrten vermitteln ebenfalls Spaß am Wandern, bieten körperliche Ertüchtigung und Naturverbundenheit (und damit eins der Urgefühle der deutschen Romantik) und verbinden diese mit spirituellen Aspekten, mit gläubiger Einkehr. Pilgern ist ja ein sowohl körperlich als auch geistig beanspruchendes Erlebnis. Genau genommen ist das Pilgern mit dem Wandern aber nur entfernt verwandt beziehungsweise geht wesentlich darüber hinaus. Denn das Pilgerziel kann man ja auch auf dem Esel, Pferd, Kamel, Fahrrad oder im klimatisierten Reisebus mit Minibar erreichen. Man kann sogar einen Teil des Wegs nach Jerusalem, Rom beziehungsweise Santiago segeln oder rudern. Aber wäre Rudern deshalb identisch mit Pilgern? Mitnichten.
Also: Pilgern ist nicht Wandern! Wandern bedeutet vor allem ruhiges Vorankommen; Pilgern ist ein bewegtes Innehalten. Wandern ist die äußerliche Unternehmung; Pilgern ist der innerliche Vorgang. Oder, anders ausgedrückt: Man wandert mit den Füßen, aber man pilgert mit dem Herzen! Während einer Bergwanderung kann einem so mancher kleine Stolperstein zu schaffen machen. Auf einer Wallfahrt sind es eher die inneren Hindernisse, die es zu überwinden gilt.
Wer sich auf eine Pilgerreise begibt, hat die erste, vielleicht die höchste Hürde schon genommen. Wer es wagt – eventuell sogar ganz ohne vertraute Begleitung –, aus seinem gewohnten Umfeld auszubrechen, hat den entscheidenden Schritt bereits getan und ist gedanklich quasi schon am Ziel seiner äußeren und vor allem inneren Reise angekommen.
Unsere kleinen Macken und Fehlerchen, die wir daheim über die Jahre sorgsam hegen und pflegen durften und die wir oft sogar schon zum Bestandteil unseres unveränderlichen Charakters verklärt haben, sodass sich die lieben Verwandten und verständnisvollen Freunde gezwungenermaßen an sie gewöhnt haben – »So isser nun mal!« –, verwandeln sich im Laufe des Pilgerwegs für uns und so manchen fremden Mitpilger in feuerspeiende Drachen, die es zu erledigen gilt. Denn weit kommt man mit diesen Verbildungen des Ichs, die wie kleine lästige Kieselsteinchen in einem ausgelatschten Turnschuh drücken, auf dem Weg nicht. Geschweige denn an sein Ende.
Demnach bedeutet Pilgern auch Veränderung und Erneuerung.
Veränderung! Das klingt für die meisten zunächst anstrengend und bedrohlich, aber die damit einhergehende Erneuerung lässt uns das Pilgerziel dann eben doch erreichen. Oft werden Pilgerreisen auch nach eben durchlittener und noch nicht völlig überstandener Krankheit angetreten. Bei mir spielte damals, als ich 2001 in die Stille hineinmarschierte, der Heilungsaspekt ebenfalls mit eine Rolle. Wer aber ernsthaft krank ist, sollte seine Reise auch abbrechen dürfen – nicht immer ist »Keep on running!« die Glücksformel …
Als Pilger geht es darum, Frieden mit sich zu schließen. Der innere Habicht beendet endgültig die Jagd auf die innere Feldmaus! Alle weiteren Friedensverträge mit der Welt, den Menschen und Gott ergeben sich ganz konsequent daraus.
Auch wenn der folgende Vergleich Sie jetzt vielleicht verschreckt – ich finde ihn so treffend, dass ich ihn bringen muss: Der Pilgerweg ist wie ein »radikaler und gottesfürchtiger Sozialist«, denn er macht die Menschen wirklich gleich. Alle laufen schwitzend und schnaufend die gleiche Strecke, schleppen ihr Päckchen, haben Durst und Hunger, können vor Schmerzen irgendwann nicht mehr weiter, ertragen sich selbst und ihre Umgebung kaum noch und sind früher oder später auf die Hilfe oder Gastfreundschaft eines Mitmenschen angewiesen! Für jeden stellt sich ein und dieselbe Herausforderung, aber es existieren so viele individuelle Arten, damit umzugehen, wie es Pilger gibt.
Pilgern ist: die Suche nach Gott! Und wer nach Gott sucht, wird unweigerlich über das eigene Ich stolpern!
So ist Pilgerliteratur sowohl ein Spiegel der körperlichen Strapazen als auch der spirituellen Erfahrungen. Die Vielfalt an spannenden Pilgerberichten, -erzählungen und -romanen kann das vorliegende Buch allenfalls annähernd abbilden. Es liefert Ihnen keine praktischen Tipps, es ist kein Pilgerführer – hier helfen Tourismuszentralen, Alpenvereine und, was den Jakobsweg angeht, die Jakobusgesellschaften weiter. Diese Sammlung will vielmehr Lust machen aufs Schmökern, Kennenlernen und Entdecken. Ich selbst bin auf einen Teil der Pilgerliteratur erst nach meiner Rückkehr vom Jakobsweg gestoßen, und entsprechend meiner eigenen Pilgererfahrung konzentriert sich meine Textauswahl auf christliche Wege, enthält also keine islamischen Pilgerberichte über die Hadsch nach Mekka oder buddhistische über die Kailash-Umrundung. Außerdem habe ich mich bis auf wenige Ausnahmen auf Schilderungen der Pilgerziele beschränkt, die heute noch eine große Rolle spielen, während manche berühmten Pilgerorte des Mittelalters wie etwa Aachen oder Trier hier außen vor sind. In erster Linie ging es mir um Texte über den heute wichtigsten Pilgerweg, den Jakobsweg nach Santiago de Compostela, der zugleich wohl auch literarisch am intensivsten aufbereitet ist. Wobei dieser Weg interessanterweise nicht nur Katholiken anzieht, sondern immer schon auch jede Menge andere Gläubige, die auf Vergebung von Sünden oder auf Wunder hoffen. Übrigens gab es schon sehr früh Vorläufer des »Promi-Pilgerns«, denn sowohl große Männer des Glaubens wie Franz von Assisi oder gekrönte Häupter wie Isabella I. von Portugal waren damals als Pilger unterwegs. Manche Reichen haben das Pilgern aber auch delegiert, das heißt sie zogen es vor, andere für sich pilgern zu lassen. Während Pilgern zwar nach wie vor eine anstrengende Angelegenheit ist, sind die Gefahren heute vergleichsweise gering. Früher hingegen zogen die klassischen Pilgerrouten auch viele Abenteurer und Kriminelle an. Vor allem für Frauen erforderte es daher besonderen Mut, ihrem Glauben zu folgen.
Wenn heute vom Jakobsweg die Rede ist, ist meist der von Saint-Jean-Pied-de-Port kommende 800 Kilometer lange Camino Francés gemeint, den auch ich 2001 quer durch Nordspanien nahm. Daneben aber gibt es eine unendliche Vielzahl von Jakobswegen: zum Beispiel die Route entlang der Via Podiensis, des Camino del Norte und des Camino Primitivo, des ältesten aller Jakobswege, den Golf von Biscaya entlang. Verehrt wird in Santiago de Compostela seit über 1000 Jahren die Grabstätte des Apostels Jakob, des »heiligen Jacobus« (Santiago); hier war im 9. Jahrhundert sein Grab entdeckt worden. Aus Judäa stammend, war Jacobus, der Sohn eines Fischers, gereist, um das Wort Jesu Christi in die Welt hinauszutragen und dadurch zur Verbreitung des Glaubens beizutragen. Er wurde von König Herodes verfolgt und mit dem Schwert hingerichtet. Nach seinem Märtyrertod brachten seine Freunde seinen Körper nach Galicien. Der Legende nach entging, als Jacobus’ Leichnam in Spanien an Land gebracht wurde, ein Ritter knapp dem Tod durch Ertrinken; als er gerettet wurde, war sein Körper mit Muscheln übersät. Daher ist die Muschel das Erkennungszeichen der Pilger auf dem Camino. Andere Legenden verweisen auf die Muschel als Trinkgefäß; ihnen zufolge haben frühe Pilger Wasser zum Trinken mit der Muschel geschöpft. Weitere wichtige Utensilien unterwegs sind der Wanderstab, der Pilgerausweis, »credencial« genannt, in dem man sich jede abgeleistete Etappe stempeln lässt, sowie die »compostela«, die persönliche Pilgerurkunde: Sie erhält, wer die letzten 100 Kilometer zu Fuß nach Santiago zurücklegt!
© Malik Verlag
Wie mit den Pilgerwegen selbst, so verhält es sich auch mit der Pilgerliteratur: Die ersten einschlägigen Zeugnisse gehen zurück auf das Mittelalter, und bis heute kommen neue dazu. Eins der berühmtesten frühen Dokumente ist der sogenannte Codex Calixtinus, ein Pilgerführer aus dem 12. Jahrhundert, der lange Zeit irrtümlich Papst Calixt II. zugeschrieben wurde (daher auch sein Name), in Wirklichkeit aber wohl von dem französischen Gelehrten Aimeric Picaud stammt.
Was aber genau ist Pilgern? »Pilgern?! Das ist gleichzeitiges Beten und Laufen«, würden wohl streng gläubige Katholiken sagen. Sie betrachten es bis heute als reumütigen Bußgang zu Gott zur Vergebung ihrer irdischen Sünden.
Der oft atheistisch angehauchte und fitnessorientierte Mensch der Moderne sieht das Pilgern gerne als eine Art Wanderung zu sich selbst. Heute werden Pilgern und Wandern sogar vielfach gleichgesetzt. Denn Pilgerreisen und Wallfahrten vermitteln ebenfalls Spaß am Wandern, bieten körperliche Ertüchtigung und Naturverbundenheit (und damit eins der Urgefühle der deutschen Romantik) und verbinden diese mit spirituellen Aspekten, mit gläubiger Einkehr. Pilgern ist ja ein sowohl körperlich als auch geistig beanspruchendes Erlebnis. Genau genommen ist das Pilgern mit dem Wandern aber nur entfernt verwandt beziehungsweise geht wesentlich darüber hinaus. Denn das Pilgerziel kann man ja auch auf dem Esel, Pferd, Kamel, Fahrrad oder im klimatisierten Reisebus mit Minibar erreichen. Man kann sogar einen Teil des Wegs nach Jerusalem, Rom beziehungsweise Santiago segeln oder rudern. Aber wäre Rudern deshalb identisch mit Pilgern? Mitnichten.
Also: Pilgern ist nicht Wandern! Wandern bedeutet vor allem ruhiges Vorankommen; Pilgern ist ein bewegtes Innehalten. Wandern ist die äußerliche Unternehmung; Pilgern ist der innerliche Vorgang. Oder, anders ausgedrückt: Man wandert mit den Füßen, aber man pilgert mit dem Herzen! Während einer Bergwanderung kann einem so mancher kleine Stolperstein zu schaffen machen. Auf einer Wallfahrt sind es eher die inneren Hindernisse, die es zu überwinden gilt.
Wer sich auf eine Pilgerreise begibt, hat die erste, vielleicht die höchste Hürde schon genommen. Wer es wagt – eventuell sogar ganz ohne vertraute Begleitung –, aus seinem gewohnten Umfeld auszubrechen, hat den entscheidenden Schritt bereits getan und ist gedanklich quasi schon am Ziel seiner äußeren und vor allem inneren Reise angekommen.
Unsere kleinen Macken und Fehlerchen, die wir daheim über die Jahre sorgsam hegen und pflegen durften und die wir oft sogar schon zum Bestandteil unseres unveränderlichen Charakters verklärt haben, sodass sich die lieben Verwandten und verständnisvollen Freunde gezwungenermaßen an sie gewöhnt haben – »So isser nun mal!« –, verwandeln sich im Laufe des Pilgerwegs für uns und so manchen fremden Mitpilger in feuerspeiende Drachen, die es zu erledigen gilt. Denn weit kommt man mit diesen Verbildungen des Ichs, die wie kleine lästige Kieselsteinchen in einem ausgelatschten Turnschuh drücken, auf dem Weg nicht. Geschweige denn an sein Ende.
Demnach bedeutet Pilgern auch Veränderung und Erneuerung.
Veränderung! Das klingt für die meisten zunächst anstrengend und bedrohlich, aber die damit einhergehende Erneuerung lässt uns das Pilgerziel dann eben doch erreichen. Oft werden Pilgerreisen auch nach eben durchlittener und noch nicht völlig überstandener Krankheit angetreten. Bei mir spielte damals, als ich 2001 in die Stille hineinmarschierte, der Heilungsaspekt ebenfalls mit eine Rolle. Wer aber ernsthaft krank ist, sollte seine Reise auch abbrechen dürfen – nicht immer ist »Keep on running!« die Glücksformel …
Als Pilger geht es darum, Frieden mit sich zu schließen. Der innere Habicht beendet endgültig die Jagd auf die innere Feldmaus! Alle weiteren Friedensverträge mit der Welt, den Menschen und Gott ergeben sich ganz konsequent daraus.
Auch wenn der folgende Vergleich Sie jetzt vielleicht verschreckt – ich finde ihn so treffend, dass ich ihn bringen muss: Der Pilgerweg ist wie ein »radikaler und gottesfürchtiger Sozialist«, denn er macht die Menschen wirklich gleich. Alle laufen schwitzend und schnaufend die gleiche Strecke, schleppen ihr Päckchen, haben Durst und Hunger, können vor Schmerzen irgendwann nicht mehr weiter, ertragen sich selbst und ihre Umgebung kaum noch und sind früher oder später auf die Hilfe oder Gastfreundschaft eines Mitmenschen angewiesen! Für jeden stellt sich ein und dieselbe Herausforderung, aber es existieren so viele individuelle Arten, damit umzugehen, wie es Pilger gibt.
Pilgern ist: die Suche nach Gott! Und wer nach Gott sucht, wird unweigerlich über das eigene Ich stolpern!
So ist Pilgerliteratur sowohl ein Spiegel der körperlichen Strapazen als auch der spirituellen Erfahrungen. Die Vielfalt an spannenden Pilgerberichten, -erzählungen und -romanen kann das vorliegende Buch allenfalls annähernd abbilden. Es liefert Ihnen keine praktischen Tipps, es ist kein Pilgerführer – hier helfen Tourismuszentralen, Alpenvereine und, was den Jakobsweg angeht, die Jakobusgesellschaften weiter. Diese Sammlung will vielmehr Lust machen aufs Schmökern, Kennenlernen und Entdecken. Ich selbst bin auf einen Teil der Pilgerliteratur erst nach meiner Rückkehr vom Jakobsweg gestoßen, und entsprechend meiner eigenen Pilgererfahrung konzentriert sich meine Textauswahl auf christliche Wege, enthält also keine islamischen Pilgerberichte über die Hadsch nach Mekka oder buddhistische über die Kailash-Umrundung. Außerdem habe ich mich bis auf wenige Ausnahmen auf Schilderungen der Pilgerziele beschränkt, die heute noch eine große Rolle spielen, während manche berühmten Pilgerorte des Mittelalters wie etwa Aachen oder Trier hier außen vor sind. In erster Linie ging es mir um Texte über den heute wichtigsten Pilgerweg, den Jakobsweg nach Santiago de Compostela, der zugleich wohl auch literarisch am intensivsten aufbereitet ist. Wobei dieser Weg interessanterweise nicht nur Katholiken anzieht, sondern immer schon auch jede Menge andere Gläubige, die auf Vergebung von Sünden oder auf Wunder hoffen. Übrigens gab es schon sehr früh Vorläufer des »Promi-Pilgerns«, denn sowohl große Männer des Glaubens wie Franz von Assisi oder gekrönte Häupter wie Isabella I. von Portugal waren damals als Pilger unterwegs. Manche Reichen haben das Pilgern aber auch delegiert, das heißt sie zogen es vor, andere für sich pilgern zu lassen. Während Pilgern zwar nach wie vor eine anstrengende Angelegenheit ist, sind die Gefahren heute vergleichsweise gering. Früher hingegen zogen die klassischen Pilgerrouten auch viele Abenteurer und Kriminelle an. Vor allem für Frauen erforderte es daher besonderen Mut, ihrem Glauben zu folgen.
Wenn heute vom Jakobsweg die Rede ist, ist meist der von Saint-Jean-Pied-de-Port kommende 800 Kilometer lange Camino Francés gemeint, den auch ich 2001 quer durch Nordspanien nahm. Daneben aber gibt es eine unendliche Vielzahl von Jakobswegen: zum Beispiel die Route entlang der Via Podiensis, des Camino del Norte und des Camino Primitivo, des ältesten aller Jakobswege, den Golf von Biscaya entlang. Verehrt wird in Santiago de Compostela seit über 1000 Jahren die Grabstätte des Apostels Jakob, des »heiligen Jacobus« (Santiago); hier war im 9. Jahrhundert sein Grab entdeckt worden. Aus Judäa stammend, war Jacobus, der Sohn eines Fischers, gereist, um das Wort Jesu Christi in die Welt hinauszutragen und dadurch zur Verbreitung des Glaubens beizutragen. Er wurde von König Herodes verfolgt und mit dem Schwert hingerichtet. Nach seinem Märtyrertod brachten seine Freunde seinen Körper nach Galicien. Der Legende nach entging, als Jacobus’ Leichnam in Spanien an Land gebracht wurde, ein Ritter knapp dem Tod durch Ertrinken; als er gerettet wurde, war sein Körper mit Muscheln übersät. Daher ist die Muschel das Erkennungszeichen der Pilger auf dem Camino. Andere Legenden verweisen auf die Muschel als Trinkgefäß; ihnen zufolge haben frühe Pilger Wasser zum Trinken mit der Muschel geschöpft. Weitere wichtige Utensilien unterwegs sind der Wanderstab, der Pilgerausweis, »credencial« genannt, in dem man sich jede abgeleistete Etappe stempeln lässt, sowie die »compostela«, die persönliche Pilgerurkunde: Sie erhält, wer die letzten 100 Kilometer zu Fuß nach Santiago zurücklegt!
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Autoren-Porträt von Bettina Feldweg
Bettina Feldweg, Jahrgang 1966, ist Historikerin und Germanistin und hat zahlreiche Reisen nach Asien und Afrika unternommen. Wenn sie nicht reist, arbeitet sie als Verlagslektorin, Übersetzerin und Herausgeberin in ihrer Heimatstadt München.
Bibliographische Angaben
- Autor: Bettina Feldweg
- 2009, 283 Seiten, Maße: 11,9 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Hrsg. v. Feldweg, Bettina
- Herausgegeben: Bettina Feldweg
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492257321
- ISBN-13: 9783492257329
Rezension zu „Losgehen, um anzukommen “
»Die Texte, die sich mit der Faszination des Pilgerns vom 14. Jahrhundert bis heute beschäftigen, zeigen, dass sich, abgesehen von der Verbesserung des Wegenetzes, gar nicht so viel geändert hat im Laufe der Jahrhunderte.« Der Spiegel . »Dieses Kompendium ist eine Art Fortsetzung des Bestsellers >Ich bin dann mal weg<.« Die Welt am Sonntag
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