Das Diabetiker Handbuch
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Mehr als 8 Millionen Zuckerkranke gibt es derzeit in Deutschland, darunter auch immer mehr Kinder und Jugendliche - Tendenz steigend. Viele glauben, die Diagnose „Diabetes" sei gleichbedeutend mit großen Einschränkungen für die weitere Zukunft. Dabei können auch Diabetiker ein ganz normales Leben führen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie über ihre Krankheit gut informiert sind und die ärztlichen Empfehlungen in ihrem Alltag konsequent umsetzen können.
Dieses Buch beantwortet nicht nur alle Fragen über Ursachen, Verlauf, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten, sondern gibt zusätzlich praktische Tipps und Hilfen, die das Leben mit Diabetes im Alltag erleichtern, sei es im Beruf, beim Autofahren, auf Reisen, beim Sport oder auch in speziellen Lebenssituationen, wie z.B. in der Schwangerschaft.
Dazu gehören vor allem Informationen zur richtigen Ernährung, zum notwendigen Maß an Bewegung und Entspannung, aber auch Anleitungen zur Stärkung der Abwehrkräfte und Optimierung der Organfunktionen. Darüber hinaus bietet dieser Ratgeber wertvolle Hinweise, wie sich Komplikationen und Folgeerkrankungen vermeiden lassen.
Vorwort
Diabetes mellitus in Deutschland - das ist eine Volkskrankheit und eine Problemkrankheit zugleich. Eine Volkskrankheit ist der Diabetes durch seine große Zahl: Nach einer von der Deutschen Diabetes-Stiftung am Weltdiabetestag 2012 vorgestellten Statistik sind mehr als zehn Millionen Bundesbürger an Diabetes erkrankt. Etwa drei Millionen davon wissen noch nichts von ihrer Krankheit. Und jedes Jahr erkranken rund 300 000 Deutsche neu daran. Die Zuckerkrankheit ist damit die mit Abstand häufigste Stoffwechselstörung überhaupt.
Eine Problemkrankheit ist der Diabetes wegen der vielen Unzulänglichkeiten in Diagnose und Therapie sowie im Umgang mit dem Leiden. Sie betreffen weniger die Minderheit der insulinpflichtigen Typ-1-Diabetiker, sondern viel mehr die große Mehrheit der Typ-2-Diabetiker mit dem - früher sogenannten - »Alterszucker «. An dieser Stelle möchte ich dafür nur Stichworte nennen, in den folgenden Kapiteln jedoch werde ich ausführlich auf diese Probleme eingehen.
Die Zuckerkrankheit wird in den meisten Fällen zu spät erkannt. In ihren Anfängen macht die Krankheit keinerlei spürbare Beschwerden. Wird endlich die Diagnose »Diabetes« gestellt, hat sie bereits bei etwa 60 Prozent der Patienten zu arteriosklerotischen Veränderungen in den Arterien von Herz, Gehirn und Beinen geführt und bei jeweils zehn bis 20 Prozent der Betroffenen zu Veränderungen des Augenhintergrunds beziehungsweise zu Nierenschäden.
Die Zuckerkrankheit wird in zu vielen Fällen nicht optimal behandelt. Es wird zu selten berücksichtigt, dass zumindest anfangs die meisten Patienten allein mit angepasster Ernährung und regelmäßiger Bewegung so gut wie gesund leben könnten. Allzu häufig werden einerseits blutdrucksenkende Tabletten zu früh verordnet, andererseits wird zu lange gezögert, Patienten auf Insulin umzustellen. Die große Zahl der schlecht eingestellten Diabetiker zahlt einen hohen Preis. Sie erkranken weitaus häufiger als andere Menschen an Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Durchblutungsstörungen der Beine, Sehstörungen und Nierenversagen, die ihre Lebensqualität wesentlich mindern und ihre Lebensdauer im Durchschnitt um 13 Jahre verkürzen.
Die Patienten selbst nehmen ihre Krankheit nicht ernst genug. Sie verharmlosen den Diabetes als »das bisschen Alterszucker« und leben weiterhin so unvernünftig wie zuvor. So hält sich etwa ein Drittel von ihnen nicht an die Empfehlungen zur Ernährung als Grundlage einer jeden Therapie.
Würden diese Missstände beseitigt oder zumindest eingeschränkt, wäre der Diabetes mellitus zwar nach wie vor nicht zu heilen, aber das Leben mit der Zuckerkrankheit könnte sehr viel besser sein, mit größerer Lebensqualität und längerer Lebensdauer. Sehr viel mehr Patienten könnten »so gut wie gesund« sein.
»So gut wie gesund« ist deshalb das erklärte Ziel von uns Ärzten am Schwarzwald MedicalResort Obertal in Baiersbronn bei der Behandlung von Patienten mit Diabetes. Um es zu erreichen, haben wir die »Diabetes-Metabol-Therapie« entwickelt. Sie beruht auf der Erfahrung, die in den mehr als 39 Jahren des Bestehens unserer Privatklinik für innere Medizin, Orthopädie und Naturheilverfahren gewonnen werden konnte. Und sie arbeitet nach dem Konzept der integrativen Medizin, der erfolgreichen Kombination von moderner Schulmedizin mit bewährten Naturheilverfahren. Dieses Konzept ermöglicht es, Diabetes mellitus optimal zu behandeln und seine Folgekrankheiten gezielt zu verhindern oder zumindest zu mindern. Die damit erreichte Absenkung des Blutzuckerspiegels, die Reduzierung oder der völlige Verzicht von Insulininjektionen und von Antidiabetika bedeutet für die Betroffenen eine wesentliche Steigerung der Lebensqualität. Die ständige Angst vor den Spätkomplikationen der Zuckerkrankheit erübrigt sich, Betroffene können wieder ein weitgehend normales Leben führen. Frühzeitig angewendet, kann die Diabetes-Metabol-Therapie sogar den Ausbruch der Zuckerkrankheit verhindern beziehungsweise um lange Zeit verzögern.
Dieses Buch berichtet umfassend und verständlich über die Diabetes-Metabol-Therapie - wie sie angewendet wird, wie sie wirkt und wie erfolgreich sie ist. Darüber hinaus informiert es über grundlegende Fakten wie Ursachen und Auslöser des Diabetes, über vielfältige Möglichkeiten der Vorbeugung und über zahlreiche Hilfestellungen für ein möglichst normales Leben mit der Zuckerkrankheit - unter anderem mit Schmankerlrezepten für Diabetiker, mit Tipps für Beruf und Reisen sowie mit Ratschlägen für Männer, die krankheitsbedingt unter Impotenz leiden und mit Empfehlungen, wie Frauen trotz Diabetes ein gesundes Kind bekommen können.
»So gut wie gesund« - das ist auch der Wunsch, den wohl alle Diabetiker haben. Dieses Buch zeigt eine große Chance, wie wir Ärzte ihn erfüllen können. Es liegt jedoch an den Patienten selbst, sie zu nutzen.
Dr. med. Irmgard Niestroj
1 Einleitung: Zuckerkrankheit - von vorgestern bis heute
Glauben auch Sie, dass die Zuckerkrankheit ein Wohlstandsleiden ist? Weit gefehlt. Der Diabetes ist keine Kehrseite der Moderne. Bereits seit dreieinhalbtausend Jahren ist diese Stoffwechselstörung bekannt. Vergleichsweise neu hingegen ist ihre weite Verbreitung. Die Zuckerkrankheit ist heute die häufigste Stoffwechselstörung überhaupt. Und die Zahl der Betroffenen steigt immer weiter an. Es ist sicher keine Übertreibung, beim Diabetes von einer Volkskrankheit zu sprechen.
Der früheste Hinweis auf das Leiden datiert aus dem Jahr 1552 v. Chr. und steht im »Papyrus Ebers«. Dieses Dokument wurde von dem deutschen Archäologen Georg Ebers (1837-1898) im oberägyptischen Luxor entdeckt. Die mehr als 20 Meter lange Rolle birgt ein »Buch über die Herstellung von Medizin für alle Teile des menschlichen Körpers«. Unter den Hunderten von Rezepten sind auch sechs gegen eine vermehrte Ausscheidung von Harn als charakteristischem Symptom der Zuckerkrankheit. Eine der dort aufgeführten Rezepturen: Weizengrütze mit Gummi, Ocker und Wasser gemischt. Hilfe dürfte sie dem Patienten wohl kaum gebracht haben.
Auch griechische und römische Ärzte der Antike oder früher Epochen in China und Indien haben Aufzeichnungen über den Diabetes hinterlassen. Eine der besten Beschreibungen aus jener Zeit stammt von dem Arzt Aretaios (ca. 81-138 n. Chr.) aus Kappadokien, einer Gebirgslandschaft im östlichen Kleinasien. Er schildert den Verlauf der unbehandelten Krankheit so: »Diabetes ist eine seltsame Erkrankung, die nicht sehr häufig unter den Menschen auftritt. Fleisch und Bein schmelzen zu Urin zusammen. Die Kranken hören niemals auf, Flüssigkeit abzugeben. Die Flut ist nicht zu stoppen, als ob eine Wasserleitung geöffnet worden wäre. Das Leben ist kurz, elend und schmerzvoll, der Durst unstillbar. Man kann sie weder davon abhalten, zu trinken, noch Wasser zu lassen. Wenn sie wirklich eine Zeit lang aufhören zu trinken, wird ihr Mund ausgedörrt und ihr Körper trocken. Ihre Eingeweide erscheinen wie vertrocknet. Die Kranken werden von Erbrechen, Unruhe und brennendem Durst gepeinigt, und nach kurzer Zeit sterben sie.«
Wie die Ursache des Diabetes erforscht wurde
Den Begriff »Diabetes« gab es also schon damals. Später wurde er durch den Zusatz »mellitus« ergänzt. Sinngemäß bedeutet die vollständige und heute allgemein übliche wissenschaftliche Bezeichnung »Diabetes mellitus« so viel wie »Durchlauf honigsüßen Urins«.
Über die Ursachen des Diabetes mellitus wurde jahrhundertelang nur gerätselt. So vermutete der in der Schweiz lebende Mediziner Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493-1541), der sich selbst Paracelsus nannte, den Grund für den unstillbaren Durst im »trockenen Salz Tartarus«. Er verordnete seinen Patienten strenge Hungerkuren dagegen.
Die grundlegend richtige Erkenntnis über den Zusammenhang zwischen Funktion der Bauchspeicheldrüse und dem Entstehen der Zuckerkrankheit gewannen erst Joseph Freiherr von Mering (1849-1908) und Oskar Minkowski (1858-1931), die an der Universität Straßburg forschten.
Zur Vorbereitung von Versuchen über die Resorption (Aufnahme) von Fett entfernten sie einem Hund die Bauchspeicheldrüse. Daraufhin änderte das einst stubenreine Tier sein Verhalten. Es entleerte nun seine Blase im Labor, und das in auffallend großen Mengen. »Einer momentanen Eingebung folgend, sammelte ich mit einer Pipette einige Kubikzentimeter des auf den Fußboden entleerten Urins und untersuchte ihn auf Zucker. Es gab eine sehr starke Reduktion (ein typisches chemisches Verhalten bestimmter Zucker) und ich konnte feststellen, dass er mehr als zehn Prozent Zucker enthielt«, erinnerte sich Oskar Minkowski an die entscheidende Idee.
Im »Centralblatt für klinische Medizin« vom 8. Juni 1889 veröffentlichten die Wissenschaftler als Resümee ihrer Versuche: »Nach Exstirpation (Entfernung) des Pankreas tritt bei Hunden ein Diabetes mellitus auf. Derselbe beginnt einige Zeit nach der Operation und dauert wochenlang ohne Unterbrechung bis zum Tod der Tiere. Außer hohem Zuckergehalt im Harn beobachtet man Polyurie (krankhaft vermehrte Harnausscheidung), großen Durst, Heißhunger sowie starke Abmagerung und große Hinfälligkeit trotz reichlicher Nahrungszufuhr« - ganz genauso verlief die Zuckerkrankheit bei den Patienten, die damals noch nicht mit Insulin behandelt werden konnten.
Wie das Insulin entdeckt wurde
An der Suche nach dem Hormon beteiligten sich Mediziner und Wissenschaftler aus der ganzen Welt. Über Jahrzehnte hinweg erlebten sie nichts als Rückschläge, wenngleich manche von ihnen dem Ziel sehr nahe kamen. Das gilt insbesondere für den Arzt Georg Ludwig Zuelzer vom Krankenhaus Berlin-Hasenheide. Bereits im Jahr 1908 gewann er aus der Bauchspeicheldrüse von Tieren ein Präparat, das den Urin diabetischer Tiere zuckerfrei machte. Allerdings war es durch Abbauprodukte von Eiweißstoffen verunreinigt. Als zuckerkranke Patienten damit behandelt wurden, sank zwar der Blutzuckerspiegel, dafür aber stieg die Körpertemperatur auf 41 Grad. Wegen dieser Nebenwirkungen und aus Furcht vor noch schlimmeren Folgen wurden die Versuche eingestellt.
Der große Durchbruch gelang schließlich dem Arzt Frederick Grant Banting (1891-1941) und dem Studenten Charles Herbert Best in Toronto (Kanada). Und zwar auf Anhieb. In der kurzen Zeit von Mai bis November 1921 konnten sie nicht nur an Hunden die innere Sekretion der Bauchspeicheldrüse und ihre Beteiligung an der Regulation des Blutzuckerspiegels nachweisen. Sie entwickelten zudem das grundlegende Verfahren, mit dem sich der blutzuckersenkende Wirkstoff in relativ großen Mengen aus den Bauchspeicheldrüsen von Kälbern und Rindern gewinnen ließ. Sie nannten ihn Insulin. Auch die weitere Entwicklung verlief ungewöhnlich schnell.
Im Januar 1922 wurde der erste Zuckerkranke mit Insulin behandelt. Es war Leonard Thompson, damals 14 Jahre alt und seit zwei Jahren an Diabetes erkrankt. Zum Zeitpunkt der Behandlung hatte die Krankheit bereits ihr letztes Stadium erreicht: Der Junge war bis auf die Knochen abgemagert und aus seinem Mund drang der stechend süßliche Geruch von Aceton. Die Behandlung mit Insulin bewirkte ein Wunder: Innerhalb weniger Stunden fiel der Blutzucker von 520 auf 120 mg/dl. Bereits nach den ersten Injektionen erging es Leonard Thompson besser, sein Blutzuckerspiegel normalisierte sich und er nahm wieder an Gewicht zu. Einige Jahre später verunglückte er mit dem Motorrad und starb kurz darauf an einer Lungenentzündung.
Schon ein Jahr später wurde die Entdeckung des Insulins als Voraussetzung für eine Therapie, der mittlerweile Millionen von Menschen ein längeres Leben verdanken, mit dem Nobelpreis für Medizin gewürdigt. Allerdings unterlief den Juroren ein peinlicher Fehler: Sie vergaben den Preis an Frederick Banting und seinen Chef John Macleod - Charles Herbert Best ging leer aus. Banting machte diesen Fehler wieder gut, indem er sein Preisgeld mit Best teilte.
Ihre Entdeckung hatte bereits damals ihren Siegeszug um die Welt begonnen. Immer mehr Ärzte behandelten zuckerkranke Patienten mit Insulin, das von Pharmafirmen aus den Bauchspeicheldrüsen von Tieren gewonnen wurde. Damals, so wurde geschätzt, waren 0,2 bis 0,3 Prozent der deutschen Bevölkerung an Diabetes erkrankt, heute sind es fast fünfzigmal so viel. Heute führen knapp zwei Millionen Patienten in Deutschland dank Insulin ein annähernd normales Leben, und zwar 300 000 Typ-1-Diabetiker, die es sich von Beginn ihrer Erkrankung an spritzen müssen, sowie mehr als 1,5 Millionen ältere Typ-2-Diabetiker, die im Verlauf ihrer Krankheit insulinabhängig geworden sind.
2 Energie fürs Leben:
Der Stoffwechsel des Zuckers
Die gute Nachricht vorweg: Zucker an sich ist nicht ungesund. Der Begriff »Zuckerkrankheit« wurde geprägt, weil bei diesem Leiden der Abbau und die Verwertung von Zucker im Körper gestört ist. Er soll also nicht etwa signalisieren, dass dieser Nährstoff per se eine Gefahr für die Gesundheit darstellt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Unser Organismus braucht Zucker als Nährstoff für verschiedene Aufgaben - es kommt jedoch auf das richtige Maß an. Dieses Kapitel informiert darüber, welche Arten von Zucker es gibt, warum sie für den Organismus so wichtig sind und wie sie im Stoffwechsel verarbeitet werden.
»Den« Zucker gibt es eigentlich gar nicht. Hinter dieser Bezeichnung verbergen sich gleich mehrere Stoffe, die allerdings große Ähnlichkeit miteinander haben. Sie alle gehören zu den Kohlenhydraten, einer weitverzweigten Nährstofffamilie, deren Mitglieder von herausragender Bedeutung für die menschliche Ernährung sind. Kohlenhydrate bilden nämlich einen der Dreh- und Angelpunkte im Energiestoffwechsel.
Zur Orientierung: Welche Arten von Zucker es gibt
Obwohl zu dieser Nährstoffgruppe eine ganze Reihe verschiedener Substanzen gehört, ist die Orientierung gar nicht so schwer, wenn man sie mit ein bisschen System ordnet. Einfachzucker sind die einfachsten und am wenigsten kompliziert aufgebauten Verbindungen unter den Kohlenhydraten. Die wichtigsten von ihnen heißen Glucose (Traubenzucker) und Fructose (Fruchtzucker). Sie schmecken süß und kommen, wie ihre Namen schon andeuten, in süßen Früchten vor. Der Organismus kann Einfachzucker sehr schnell und ohne besondere Verdauungsarbeit verwerten. Sie gelangen deshalb schon bald nach dem Verzehr ins Blut. Bei normaler Kost machen sie jedoch nur einen sehr kleinen Teil der insgesamt aufgenommenen Menge an Kohlenhydraten aus.
Zweifachzucker heißen deshalb so, weil ihre Moleküle aus jeweils zwei Einfachzuckern gebildet werden. Am bekanntesten ist der Rohr- beziehungsweise Rübenzucker (Saccharose), das als Haushaltszucker allen vertraute Süßungsmittel. Er entsteht durch den Zusammenschluss von Traubenzucker und Fruchtzucker. Wie die Einfachzucker ist Saccharose vom Organismus leicht abzubauen. Sie muss lediglich in ihre beiden Bestandteile aufgespalten werden. Entsprechende Enzymsysteme stehen zu diesem Zweck in der Schleimhaut des Darms bereit. Bei Experten steht der Wert der Saccharose als Nährstoff allerdings nicht allzu hoch im Kurs. Außer Energie liefert Zweifachzucker dem Körper nämlich so gut wie nichts, weder Mineralstoffe, noch Vitamine. Sie raten daher dringend zu einem sparsamen Verbrauch.
Vielfachzucker entstehen, wenn ungezählte - bis zu tausend - Einfachzucker zu langen Ketten miteinander verknüpft werden. Sie stellen also riesengroße Moleküle dar, die auch als »komplexe Kohlenhydrate« bezeichnet werden. Vom süßen Geschmack der Einfachzucker ist bei ihnen nichts mehr zu spüren. Er geht in der riesigen Molekülmasse buchstäblich unter.
Für die menschliche Ernährung am wichtigsten ist Stärke (Amylum), ein ausschließlich aus Glucosebausteinen bestehender Vielfachzucker. Man findet sie in vielen Lebensmitteln, zum Beispiel Reis, Nudeln, Brot oder anderen Backwaren, Kartoffeln und Hülsenfrüchten. Die Glucose aus einem derartigen Mammutmolekül zwecks Energiegewinnung zu »befreien«, bedeutet natürlich einen erheblichen Aufwand an Verdauungsarbeit. Um den Nährstoff komplett verwerten zu können, muss jede einzelne der vielen Hundert Bindungen zwischen den Glucosemolekülen gelöst werden.
Rein physiologisch gesehen ist dies jedoch von großem Vorteil. Stärkereiche Lebensmittel sättigen wesentlich besser und vor allem anhaltender. Es dauert eine Weile, bis der Hunger sich wieder meldet. So lässt sich der Appetit leichter zügeln, und überflüssige Pfunde sammeln sich weniger leicht an. Noch wichtiger aber: Aus Stärke gelangt die Glucose nicht - wie bei den Ein- und Zweifachzuckern - rasch ins Blut. Sie wird nach und nach freigesetzt, also über einen längeren Zeitraum hinweg. Es leuchtet ein, dass sich der Stoffwechsel auf einen solch allmählichen Zustrom von Glucose besser einstellen kann als auf ein schlagartiges Ansteigen des Blutzuckerspiegels. Stärke ist denn auch, wenn es um Empfehlungen für die Zufuhr an Kohlenhydraten geht, der unangefochtene Favorit.
Der Abbau von Zweifach- und Vielfachzucker erfolgt durch die Aktivität von Enzymen der Verdauungsdrüsen und des Darmepithels. Diese Amylasen und Glucosidasen spalten die Nährstoffe in Einfachzucker, sodass sie die Darmwand passieren können. Für die Aktivität der Enzyme sind die Vitamine B1 und Biotin von entscheidender Bedeutung.
Zur Information: Was Kohlenhydrate im Organismus tun
Die wesentliche Aufgabe der Kohlenhydrate ist das Bereitstellen von Energie für die Zellen. Eine besondere Rolle kommt dabei der Glucose zu. Blutzellen beispielsweise können ihren Energiebedarf nur durch Verbrennen dieses Einfachzuckers decken. Auch das Gehirn ist weitgehend auf Glucose angewiesen, es benötigt täglich rund 140 Gramm davon. Nur nach sehr langen Hungerphasen stellt sich der Gehirnstoffwechsel um und kann auch Ketone (Abbauprodukte von körpereigenem Fett) für die Gewinnung von Energie verwerten. Im Muskel, im Gehirn und in der Leber dienen Kohlenhydrate als Energiespeicher in Form von Glykogen; das ist ein aus Glucose aufgebauter Vielfachzucker, der auch als »tierische Stärke« bezeichnet wird. Kohlenhydrate bilden außerdem gemeinsam mit Eiweiß oder Fett Substanzen, die der Organismus für den Aufbau zum Beispiel der Zellmembranen und des Bindegewebes benötigt.
Copyright © Schwarzwald Medical Resort Obertal, 72270 Baiersbronn-Obertal
- Autor: DR.MED.IRMGARD NIESTROJ
- 320 Seiten, Maße: 13,5 x 20 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828943373
- ISBN-13: 9783828943377
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