Dark Christmas - Alex Cross
Alex Cross freut sich auf
frohe Weihnachten, doch die festliche Stimmung wird jäh unterbrochen: Erst durch eine Geiselnahme in Georgetown. Wenig später durch eine Terrordrohung, die Millionen Menschen in höchste
Gefahr bringt.
frohe Weihnachten, doch die festliche Stimmung wird jäh unterbrochen: Erst durch eine Geiselnahme in Georgetown. Wenig später durch eine Terrordrohung, die Millionen Menschen in höchste
Gefahr bringt.
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Weltbild Ausgabe
4.99 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Dark Christmas - Alex Cross “
Alex Cross freut sich auf
frohe Weihnachten, doch die festliche Stimmung wird jäh unterbrochen: Erst durch eine Geiselnahme in Georgetown. Wenig später durch eine Terrordrohung, die Millionen Menschen in höchste
Gefahr bringt.
frohe Weihnachten, doch die festliche Stimmung wird jäh unterbrochen: Erst durch eine Geiselnahme in Georgetown. Wenig später durch eine Terrordrohung, die Millionen Menschen in höchste
Gefahr bringt.
Klappentext zu „Dark Christmas - Alex Cross “
Gerade hat Nana Mama ihren berühmten Pekannusskuchen in den Ofen geschoben, die Kinder sind damit beschäftigt, den Baum zu schmücken, und Alex und seine Frau Bree wollen eben mit einem Glas selbstgemachtem Eierlikör die Feiertage einläuten, da zerstört ein Anruf der Metro Police Alex’ Hoffnung auf ein ruhiges Weihnachtsfest. In einem Privathaus in Georgetown hat eine Geiselnahme stattgefunden: Ein scheinbar geistesgestörter Mann bedroht seine Frau und seine Kinder mit einer Waffe. Jegliche Vermittlungsversuche der Polizei ignoriert er, die Situation steht kurz davor zu eskalieren. Doch die Feiertage halten für Alex Cross noch eine weitere Schreckensnachricht bereit, die die Sicherheitskräfte von Washington, D. C., in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Millionen von Menschen sind in Gefahr, und Alex Cross ist gezwungen, eine Entscheidung zu treffen, die genauso viele Leben retten wie beenden könnte – sein eigenes eingeschlossen.
Lese-Probe zu „Dark Christmas - Alex Cross “
DARK CHRISTMAS von Alex CrossAus dem Amerikanischen von Wolfgang Seidel
Prolog
Der Teufel an Heiligabend
1
Das kleine Seitenportal von St. Anthony war nicht verschlossen. Genau wie abgemacht. John Sampson und ich schlichen durch die schummrige Sakristei. In diesem Raum legen die Priester ihre Messgewänder an, und hier werden der Messwein, die Gesangbücher und die liturgischen Gewänder und Geräte verwahrt.
»Mein Lieber, ich will doch schwer hoffen, dass wir in der Kirche keinen Typen umlegen müssen«, flüsterte Sampson. »Deine Großmutter Nana würde mir deswegen mindestens mit Fegefeuer drohen.«
»Insbesondere dann, wenn es ausgerechnet heute Abend passiert.«
»Das ist nicht witzig, Alex.«
»Wer lacht denn hier, John? Wenn du an Heiligabend in einer Kirche jemanden umlegst und ich dich nicht davon abhalte, dann wird Nana Mama mich im Höllen- oder Fegefeuer direkt neben dich platzieren.«
Mittlerweile durchquerten wir einen kurzen, schmalen Flur, den direkten Zugang zur Apsis und damit zum Altar- raum. Am Ende des Gangs blieben wir stehen. Das einzige Licht in der Kirche kam von einigen flackernden Votivkerzen, ein paar elektrischen Leuchten hoch oben im Gewölbe und einer Kerze, die an Ketten von der Decke nahe beim Altar hing.
Alles in allem hielten sich vielleicht drei oder vier Leute in der Kirche auf. Eine ältere Frau, die ihren Rosenkranz betete, dessen Perlen aneinanderklickten, ein Obdachloser, der in der vordersten Bank eingenickt war, und ein alter Mann, der in einem Gebetbuch las und ab und zu vor sich hin fluchte. Ich sah mir jeden genau an.
... mehr
Dann trat eine junge Frau aus dem Beichtstuhl an der nahe gelegenen Seitenwand und hielt sich schluchzend einen langen gestreiften Schal vor die Nase. Sie trug einen Pelzmantel, der für hiesige Verhältnisse viel zu schick und zu teuer war. Der Priester eilte hinter ihr her. Pater Harris legte ihr die Hand auf die Schulter, geleitete sie zu den Kirchenbänken und kniete sich neben sie.
Pater Harris war ein ausgesprochen sympathischer Mann und ein hervorragender Priester. Er gehörte zu den Menschen, denen man immer gern einen Gefallen tut.
Ich betrachtete den schütteren Wandschmuck im Kirchenschiff. Seit meinem zehnten Lebensjahr ging ich in St. Anthony in die Kirche, aber ich konnte mich nicht erinnern, den Kirchenraum an Weihnachten jemals so kahl gesehen zu haben. Es wirkte regelrecht deprimierend.
Ich wartete, bis alle Anwesenden die Köpfe nach unten gebeugt hatten, ging rasch an den Altarstufen entlang und kniete neben der Treppe zu der mit Schnitzereien verzierten Kanzel nieder. Sampson, ein Mann so groß und stark wie ein Bär, verharrte nahe der Sakristei und kniete sich zwischen rot leuchtende Weihnachtssterne, die in Töpfen die Altarstufen hoch aufgereiht standen, dem Lesepult und den Sesseln für den Priester und die Messdiener hin.
Kurz darauf verabschiedete sich die junge Frau mit einem Nicken und verließ die Kirche. Pater Harris blieb noch einen Moment, schielte zu uns herüber und verschwand dann ebenfalls durch einen Seiteneingang.
In St. Anthony war es nun vollkommen still bis auf ein schwaches Pfeifen aus den Orgelregistern. Mit dem Rücken zu dem Kruzifix an der Rückwand des Altarraums zu knien kam mir nicht nur merkwürdig vor, sondern grundfalsch. Wenn ich es recht bedenke, bin ich wohl in den vergangenen fünfunddreißig Jahren einem Altar nicht mehr so nahe gewesen. Bestimmt nicht mehr, seit ich zu meiner Firmung an genau diesen Altar getreten bin; damals war ich zwölf.
Wir verharrten vorerst an Ort und Stelle und warteten ab, was passieren würde. Allerdings wussten wir, dass nur noch eine Stunde Zeit blieb. Um sechs Uhr würden die Priester und Mönche aus dem angeschlossenen kleinen Kloster hereinkommen, um die Kirche für die Mitternachtsmesse vorzubereiten.
Spätestens um sechs Uhr wäre diese kleine Überwachungsaktion also beendet. Anschließend konnte ich nach Hause gehen, um den Heiligabend und den anschließenden wohlverdienten Feiertag zusammen mit meiner Familie zu verbringen.
Man hat mich schon oft genug einen Zyniker genannt. Wenn man in meiner Branche arbeitet, bleibt einem nicht viel, wofür man sich voller Idealismus und positiver Zuversicht begeistern könnte. Mehrere Minuten verstrichen, immer deutlicher nahm ich den Weihrauchgeruch und den Tannennadelduft in der Kirche wahr und beobachtete die flackernden Kerzen vor der Krippe. Ich erinnerte mich an die Weihnachtsabende von früher. Es wirkte alles genauso wie damals; das Gefühl von unverbrüchlicher Beständigkeit hatte etwas Beruhigendes.
Ich spürte sogar, wie ich mich körperlich entspannte und dass ich anfing, mich auf wesentliche Dinge wie Demut und Dankbarkeit zu konzentrieren; Nana Mama hatte immer gesagt, sie wären der Schlüssel zu einem langen und erfüllten Leben. Da ich vor meiner Großmutter, die immerhin über neunzig war, mit ihrer robusten und vitalen Art sehr viel Respekt hatte, hörte ich genau hin, wenn sie von solchen Dingen sprach. Wie ich nun seitlich neben der Kanzel kniete, verdrängte ich all das Schreckliche, was ich im Laufe des gerade zu Ende gehenden Jahres hatte mit ansehen müssen, und dankte meinem Herrn und Erlöser für all die Segnungen, die er mir zuteilwerden ließ. Meine Frau. Meine Großmutter. Meine Kinder. Mein Beruf. Mein Leben.
Während ich über all dies nachdachte, kam ich mir schon etwas weniger abgefeimt vor, dankbar, wie gut es das Schicksal mit mir meinte. Ich habe ein gutes Leben. Sicherlich nicht perfekt, aber doch sehr gut. Und das können heutzutage nicht viele Menschen von sich behaupten und insbesondere nicht in dieser Zeit des Jahres.
Vielleicht hatte Nana Mama ganz recht. Ich sollte wirklich öfter in die Kirche gehen.
Sampson kniete unverdrossen inmitten all der Blumentöpfe mit Weihnachtssternen. Durch die Dunkelheit flüsterte er mir zu: »Ist das gemeint, wenn man davon spricht, dass sich Polizisten im Dschungel der Großstadt behaupten müssen?«
Ich schüttelte nur den Kopf. Es gibt nichts Besseres als einen schlechten Kalauer, wenn man sich bei so einer Observation in einer Kirche die Zeit vertreiben muss. Ich hörte ein klackerndes Geräusch und spähte um die Kanzel herum. Die alte Dame hatte ihren Rosenkranz fallen lassen. Sie langte über die Rücklehne der Kirchenbank vor ihr und klaubte ihn von der Sitzfläche wieder auf. Dann sah ich, wie jemand den Beichtstuhl verließ, der gleich neben demjenigen stand, aus dem die junge Frau im Pelzmantel getreten war.
Es handelte sich um einen jungen Mann, und er war sehr groß. Als wäre er tief ins Gebet versunken, schlich er in tief gebeugter Haltung den Mittelgang hinauf Richtung Hauptportal.
Das musste er sein.
Ich gab Samson ein Zeichen, und wir setzten uns in Bewegung, überwanden die Chorschranken und nahmen jeder einen Weg durch eines der beiden Seitenschiffe. Beide hielten wir die rechte Hand in der Manteltasche, die Finger am Abzug des Revolvers.
Die Zielperson trat durch das Portal in die Vorhalle und blieb beim Weihwasserbecken stehen. Er tauchte die linke Hand hinein und beließ sie dort. Die linke Hand in das Weihwasserbecken zu tauchen ist eigentlich ein Unding; das macht man nicht. Immer nur mit der rechten. Und man lässt die Finger auch nicht sekundenlang im Becken.
Nun sah ich das, was ich schon so halbwegs erwartet hatte. Während die Finger der linken Hand immer noch in das Weihwasserbecken getaucht waren, schüttelte er seinen rechten Arm, und aus seinem Jackenärmel glitt eine Brechstange in seine Hand.
Es war vorauszusehen, dass er sich noch einmal um blicken würde, bevor er die Sammelbüchsen für die Gemeinde und für die Wohltätigkeitsorganisation der Franziskaner aufbrechen würde. Daher ging ich hinter einer Säule in Deckung.
In dem Augenblick, als ich das Knirschen von Metall auf Metall hörte, schnippte ich mit den Fingern, zog meinen Revolver hervor und bewegte mich aus meiner Deckung. So ertappten wir vermutlich den gleichen Mann auf frischer Tat, der genau wie im Vorjahr erneut aufgetaucht war, um die Ärmsten der Armen frommer Spenden zu berauben. In der Kirche. An Heiligabend.
2
Pater Harris drehte in der Sakristei einen Schalter um, und sämtliche Lichter in St. Anthony gingen an. Der Mann stürmte davon, wobei er das Brecheisen wie einen Staffelstab bei einem Wettrennen mit der Hand umklammerte. Er zwängte sich durch das Kirchenportal und sprang die Stufen herab. Gerade fielen die ersten Schneeflocken des Jahres.
Sampson und ich waren ihm dicht auf den Fersen; noch bevor der Missetäter um die Ecke biegen konnte, hatten wir ihn praktisch eingeholt. Ich war als Erster an ihm dran und schlug ihm meine Faust wie einen Hammer zwischen die Schultern. Er taumelte und ging zu Boden. Sampson drückte ihm das Knie in den Rücken und legte ihm Handschellen an. Das alles hatte weniger als eine Minute gedauert.
Ich rollte ihn auf den Rücken, sah zu meinem Partner und meinte: »John, sag Fröhliche Weihnachten zu unserem alten Freund Latrell Lewis.«
»Sieh an, Lewis! Verfluchter Himmel!«, rief Sampson, doch als ihm einfiel, wie nahe wir immer noch an der Kirche waren, murmelte er: »Ach, tut mir leid.«
Latrell Lewis und mich verband eine ziemlich unheilige Geschichte. Es hatte vor fünf Jahren begonnen; da war er ein Kurier für eine der zweitrangigen Straßengangs von Columbia Heights. Sein Straßenname lautete Lit-Lat. Dieser armselige Vogel war so eingebildet, dass er meinte, was auf eigene Faust machen zu können, und dann wiederum so dumm, dass Sampson und ich ihn schon in der ersten Woche seines Alleingangs erwischten. Nachdem wir ihn ein zweites Mal geschnappt hatten, wurde Latrell zu einem Aufenthalt in sehr ländlicher Umgebung geschickt: in die Jessup-Besserungsanstalt des Bundesstaates Maryland, wo er achtzehn Monate verbringen durfte.
»Ich dachte, du bist noch eingesperrt, Lit-Lat«, sagte ich zu ihm.
»Vielleicht hast du noch nicht richtig zählen gelernt, Cross«, erwiderte er, »oder du solltest dir einen Kalender zulegen.«
Wir richteten Lewis wieder auf, sodass er stehen konnte. Er war ziemlich hibbelig, nicht nur wegen seines missglückten Bruchs, sondern auch, weil er Kokain oder Heroin genommen hatte, das er sich von dem Spendengeld der Kirchgänger besorgte. Aber das war mir jetzt egal. Ich bin zwar Psychologe, aber mir war nicht danach, eine Diagnose zu stellen und dem Mann eine kostenlose Beratung zukommen zu lassen.
»Na, komm schon, Bruder«, begann Lewis und spielte damit auf unser beider dunkle Hautfarbe an. »Heute ist Heiligabend. Da könntest du dich gegenüber einem Bruder mal ein bisschen barmherzig erweisen.«
»Das auf jeden Fall«, erwiderte ich. »Wir werden dir gegenüber genauso barmherzig sein wie du gegenüber der Kirche und den Menschen, die dieses Geld dringend für Essen und Obdach benötigen.«
Dann schoben wir ihn zu unserem Zivilstreifenwagen. Der Wind frischte auf. Die Temperatur sank schlagartig. Man konnte schon ahnen, dass für die Heilige Nacht ein richtiger Wintersturm bevorstand.
»Hör mal, Mann«, lamentierte Latrell. »Ihr müsst mich jetzt nicht in ein Scheiß-Polizeiauto stecken. Gerade an den Feiertagen, Mann, das wäre echt traurig. Ich brauchte das Geld, damit ich meinem Jungen was zu Weihnachten schenken kann. Ich gehöre selbst zu den Bedürftigen, Mann.«
Ich sah hinauf zu dem weißen Himmel. Dann blickte ich wieder diesen schäbigen Junkie an und sagte: »Du hast doch gar kein Kind. Und wenn du dein Geld nicht für Drogen rausschmeißen würdest, dann hättest du vielleicht auch was übrig. Aber weil Weihnachten ist, möchte ich nicht, dass du traurig bist, Latrell.«
Er sah mich an, und sein ganzer Gesichtsausdruck war so voller Hoffnung. »Aha!«
»Aber sicher! Weißt du was, auf dem ganzen Weg zum Poli zeirevier werden wir zusammen Weihnachtslieder singen, und du darfst dir das erste aussuchen.«
»Und damit du gleich Bescheid weißt: Am besten passt für dich ›Stille Nacht‹«, sagte Sampson, drückte ihn auf den Rücksitz und schlug die Wagentür zu.
Erstes Buch
Fröhliche Weihnachten, Alex
1
Man sagt, es sei ein gutes Omen, wenn es an Weihnachten schneit. Normalerweise gebe ich nicht viel auf derlei Volksweisheiten, doch wenn es stimmt, dann konnte man sich auf eines der besten und vielversprechendsten Weihnachtsfeste seit Langem freuen. Ein Sturmtief zog von den Carolinas her die Küste entlang in Richtung Nordosten, während sich gleichzeitig eine Kaltfront vom kanadischen Ontario her nach Süden vorschob - die besten Voraussetzungen für einen Monstersturm, wenn sich die beiden an der Ostküste vereinigten.
Sampson und ich lieferten Lewis auf dem Polizeirevier ab. Da bis übermorgen keine Vorführungen vor dem Haftrichter vorgesehen waren, sah es ganz danach aus, als würde unser Alle-Jahre-wieder-Opferstockräuber die Feiertage in einer Arrestzelle verbringen und dort auf den Weihnachtsmann warten.
Bis wir alle Formulare und Protokolle ausgefüllt hatten und endlich gehen konnten, war es acht Uhr abends.
»Fröhliche Weihnachten, Alex«, verabschiedete sich Sampson draußen.
»Wünsche ich dir auch, John. Was hältst du davon, wenn du morgen auf einen kleinen Weihnachtsumtrunk bei uns vorbeischaust?«
»Ich klär's mal mit Billie ab. Sie organisiert schließlich unser gesamtes Privatleben«, erwiderte Sampson.
Für den Weg nach Hause nahm ich ein Taxi. Als der Wagen durch die Vororte im District of Columbia fuhr, hatte ich Zeit, die Weihnachtsdekorationen an den Fenstern und in den Vorgärten der Häuser ausgiebig zu betrachten. Bis jetzt hatte sich die Geschwindigkeit, mit der der Schnee herabrieselte, nicht wesentlich verändert, im Gegensatz zu der Größe der Schneeflocken. Sie erreichten mittlerweile fast den Durchmesser von kleinen Münzen; es waren richtig dicke Flocken, und dadurch glich die ganze Gegend mittlerweile den Winterlandschaften, wie man sie aus den Schneekugeln kennt, die die Touristen am Bahnhof oder am Flughafen kaufen.
Als ich unser Haus in Southeast, Fifth Street, erreichte, war es halb neun. Der köstliche Duft von Pecan Pie zog durch sämtliche Stockwerke. Bei der Vorstellung an ein Stück von dem süßen Nusskuchen lief mir das Wasser im Mund zusammen. Bree und die Kinder waren noch damit beschäftigt, den Baum für den kommenden Tag zu schmücken. Er stand wie immer im Wohnzimmer vor dem Erkerfenster, das zur Straße hinausging. Und selbstverständlich kümmerte sich die Oberzeremonienmeisterin aller unserer Feiertage, Großmutter Nana Mama, um jedes kleine Detail.
»Häng nicht zwei grüne Kugeln zu nahe beieinander auf, Damon. Du könntest dir etwas mehr Mühe geben und ein bisschen Geschmack unter Beweis stellen«, kommentierte sie in oberlehrerhaftem Ton; schließlich war sie ja mal stellvertretende Schulrektorin.
Bree befestigte gerade eine ziemlich verblichene Bleistiftzeichnung der Weisen aus dem Morgenland an einem der Zweige. Der Familienlegende zufolge hatte ich das Bild gemalt, als ich noch in den Kindergarten ging, und Nana Mama zog es an Weihnachten unweigerlich immer wieder hervor.
»Sieh mal einer an, wer kommt denn da von draußen rein? Und noch dazu mitten aus einem Schneesturm?«, sagte Bree und begrüßte mich mit einem Kuss auf die Lippen. »Guten Abend, mein Schatz.«
Nana schaute absichtlich nicht in meine Richtung. Sie bemerkte nur beiläufig: »Alex, dürfen wir uns somit ein klein wenig Hoffnung machen, dass du an den Feiertagen tatsächlich ein paar Minuten für deine Familie opferst? Oder erwarten wir zu viel?«
Ich hätte so klug sein sollen, Nanas spitze Bemerkung zu überhören und ihr einfach einen Kuss zu geben, aber irgendwie lernte ich es nie. Sie verstand es allerdings auch wie sonst niemand, mich zu provozieren.
»Vielen Dank für die Blumen! Und noch dazu mit so einer schönen weihnachtlichen Schleife versehen«, sagte ich und begrüßte meine Tochter Jannie mit einer Umarmung sowie meinen Sohn Damon, der für die Weihnachtsfeiertage von seiner Prep School nach Hause gekommen war. Und schließlich noch Ava, ein Pflegekind von Nana, das sie erst kürzlich zu uns ins Haus gebracht hatte.
»Ich habe den Eindruck, dass du so langsam Vernunft annimmst, du Narr«, fuhr Nana fort.
»Also bitte, Nana. Als mich Pater Harris heute Morgen anrief, sagte er mir, du selbst hättest vorgeschlagen, dass ich dabei helfen soll, den Opferstockräuber zu fangen«, sagte ich. »Und nichts anderes habe ich getan.«
»Pater Harris hat das gesagt?«, wollte Nana wissen.
»Das hat er. Er entschuldigte sich, dass er mich nur ungern an Heiligabend belästigt, aber du hast ihm angeblich gesagt, das würde mir überhaupt nichts ausmachen. Dein Enkel würde das Geheimnis um diesen Räuber, der jedes Jahr an Heiligabend auftaucht, sicherlich im Handumdrehen lüften.«
»Na so was«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Man sollte nicht glauben, was für Geschichten sich so ein Priester ausdenkt. Und ausgerechnet Pater Harris. Aber so ist es halt, man steckt in den Menschen nie drin.« Sie griff in eine der Schachteln mit der Christbaumdekoration und wandte sich Ava zu. »Nimm das, meine Süße. Binde das Porzellanfigürchen vom Jesuskind am besten an einem der unteren Zweige fest. Sollte der Baum kippen, dann fällt es nicht so tief und zerbricht nicht so leicht.«
»Willst du damit behaupten, Pater Harris hätte mich an einem Heiligabend dreist angelogen, Nana?«
Sie zog die Stirn kraus und blinzelte zu mir hinüber. »Ich habe nur davon gesprochen, in welchem beklagenswerten Zustand sich diese Welt befindet, wenn ein Familienvater den Heiligabend nicht komplett bei den Seinen verbringen kann. Selbst so ein bedeutender und unabkömmlicher Kriminalbeamter sollte doch wenigstens am Abend vor dem Geburtstag Jesu bei seinen Angehörigen sein.«
Alle kicherten vor sich hin, als Nana mir ihre Lektion erteilte. Ich musste selbst ein Grinsen unterdrücken, und Nana ging es genauso.
»Ich find's blöd, dass Ali nicht hier ist«, meinte Jannie; sie sprach von meinem sechs Jahre alten Sohn.
»Da hast du recht«, erwiderte ich. »Aber seine Mutter feiert schließlich auch Weihnachten.«
»Bin gleich wieder da«, sagte Bree und verließ das Zimmer. Ich musste zugeben, dass der Baum inzwischen prachtvoll aussah, besonders vor dem Hintergrund der verschneiten Erkerfenster. Dann trat Bree mit einem großen Krug selbst gemachtem Eierpunsch wieder ins Wohnzimmer; das gehört bei uns ebenfalls traditionell zum vorweihnachtlichen Abend. In dem Eierpunsch schwammen lauter große Flocken Schlagsahne, bestreut mit geriebenem Muskat. In jedem Glas steckten wahrscheinlich tausend Kalorien. Bree stellte den Krug neben einem Teller mit Plätzchen ab, von denen jedes einzelne bestimmt auch für ein paar tausend Kalorien gut war. Aber egal, schließlich war Weihnachten. Ich gönnte mir von beidem zwei Mal. Damon fand im Radio einen Sender, der ausschließlich Weihnachtslieder spielte, und so konnte es nicht ausbleiben, dass der gute alte Nat King Cole uns mit seiner butterweichen Stimme damit tröstete, dass all unsere Sorgen alsbald vergessen sein würden. Auch wenn Nana sich immer noch nicht beruhigen konnte, weil ich an Heiligabend quasi noch dienstlich unterwegs gewesen war, konnten wir uns nun immerhin auf einen gemütlichen und sicherlich ganz zauberhaften Vorweihnachtsabend freuen.
Als im Radio das eher diskomäßige »All I Want for Christmas Is You« von Mariah Carey drankam, fingen Jannie, Ava und Bree an zu tanzen. Damon erzählte mir eine unglaubliche, aber wahre Geschichte, die sie gerade in seiner Schule lasen. Es ging um eine Expedition in den Amazonas-Regenwald, an der der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt nach dem Ende seiner Amtszeit gemeinsam mit seinem Sohn teilgenommen hatte. Dann klingelte mein Mobiltelefon.
Nicht einmal Mariah Careys leuchtende Stimme konnte verhindern, dass mit diesem Klingelton die fröhliche Stimmung im Wohnzimmer schlagartig erstarb.
Ich ließ den Kopf sinken, schaute niemandem in die Augen, ging in die Diele und drückte den Knopf. Der stellvertretende Polizeichef Allen Chivers war am Apparat. »Ich störe wohl bei der Familienfeier am Vorweihnachtsabend?«
»Allerdings.«
»Tut mir ehrlich leid, Alex, ich mache es nur äußerst ungern. Aber wir haben es hier gerade mit einer ganz üblen Sache zu tun bekommen. Eins von den Kalibern, mit denen eigentlich nur du wirklich zurechtkommst.«
Ich hörte mir eine geschlagene Minute lang an, worum es ging. Dabei lehnte ich meinen Kopf gegen die Wand und merkte schon, wie still es im ganzen Haus geworden war. »Okay«, sagte ich schließlich, »ich mach mich auf den Weg.«
Ich schaltete das Gerät aus und ging wieder hinein. Nana verdrehte die Augen. Die Kinder blickten zur Seite; in ihren Mienen konnte man lesen: »Jedes Jahr das gleiche Spiel.«
Bree schüttelte nur den Kopf und sagte: »Na, dann wären wir wieder so weit. Fröhliche Weihnachten, Alex Cross.«
2
Als ich durch die verlassenen Straßen von Washington fuhr, empfand ich den Schnee, der mir noch vor einer Stunde so weihnachtlich anheimelnd erschienen war, als kalt und abweisend. Es war einfach deprimierend, an so einem Abend Haus und Familie verlassen zu müssen, und ich konnte es gut verstehen, wenn sie deswegen aufgebracht waren und sich über mich ärgerten. Zum Teufel, ich war selbst aufgebracht und ärgerte mich über meinen Job.
Verdammt noch mal, dachte ich. An Heiligabend sollte es nur einen geben, der alle Hände voll zu tun hat. Und der trägt einen knallroten Anzug mit Bommelmütze. Verdammt - und der Weihnachtsmann soll mir ebenfalls den Buckel runterrutschen.
Als ich auf der Pennsylvania Avenue in den Washingtoner Stadtteil Georgetown hineinfuhr, fing es richtig an zu schneien. Vor mir bremste ein Bus unvermittelt auf einer gut einen Zentimeter hohen geschlossenen Decke aus Schneematsch. Auch ich geriet ins Rutschen und wäre um ein Haar hinten reingekracht. Die verflixten öffentlichen Angestellten der Straßenmeisterei feierten natürlich zu Hause bei ihren Familien. Die Schneepflüge können ja warten, oder?
Meine Scheibenwischer fingen an zu vereisen, als ich nach der Adresse in Northwest, Thirtiest Street Ausschau hielt. Dieser Teil der Stadt ist so ziemlich das genaue Gegenteil von der Gegend, in der ich lebe. Hier liegt das Land, wo Milch und Honig fließen, hier residieren Geld und Macht, und hier stehen die Villen, an denen man das alles unmittelbar ablesen kann.
Nummer 1314 war eine wunderschöne Stadtresidenz aus hellem Kalkstein, die leuchtete und funkelte wie der Weihnachtsbaum vor dem Weißen Haus. Aber man brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass fast alle Lichter von Polizeiautos, Fotoblitzen, Flutlichtern und TV-Scheinwerfern stammten. Ich parkte meinen Wagen, öffnete die Tür, sah den Schneematsch auf dem Boden und fluchte. Nach dem Anruf war ich so überstürzt und so stinksauer von zu Hause weggefahren, dass ich nicht daran gedacht hatte, ein Paar Snowboots mitzunehmen. Bis ich mich zum Absperrband um den Tatort vorgekämpft hatte, waren meine Knöchel durchgefroren, Eisstückchen und nasser Schnee schmolzen mittlerweile in meinen Halbschuhen.
Ich wies meine Dienstmarke vor, und der Wachmann an der Absperrung ließ mich passieren. Ich duckte mich unter dem Absperrband hindurch und ging als Erstes auf zwei große Einsatzwagen zu, die auf dem Rasen vor einem stattlichen Wohnhaus im klassizistischen Stil mit Ziegelwänden und cremeweißen Fenster- und Türumrahmungen samt kleinem Säulenportikus abgestellt waren. Eine der Wagentüren öffnete sich, und ein Mann mittleren Alters kam mir entgegen. Er trug einen grünen Skiparka und eine rote Wollmütze. Als wir voreinander standen, streifte er einen Handschuh ab und streckte mir seine etwas aufgedunsene Hand entgegen.
»Sie sind bestimmt Alex Cross?«
Ich hatte immer geglaubt, dass ich praktisch alle Polizisten im District of Columbia kenne, aber dieser Mann mit seinem von Sommersprossen übersäten Gesicht und einigen welligen rötlichen Haarsträhnen, die unter seiner Skimütze hervortraten, war mir völlig neu.
»Der bin ich«, antwortete ich und schüttelte ihm die Hand.
»Ich bin Detective Tom McGoey. Seit sechs Tagen bei der hiesigen Polizei. Ich stamme eigentlich aus Staten Island, New York.«
»Dann erst mal fröhliche Feiertage, Detective. Und willkommen in Washington. Ich habe bis jetzt lediglich eine äußerst knappe Zusammenfassung von Polizeichef Chivers am Telefon zu hören bekommen. Wollen Sie mir jetzt mal die ganze Geschichte erzählen?«
»Ist echt 'n ziemlich grauenvolles Weihnachtsgeschenk für Sie. Und für mich auch.«
Ich seufzte. »Das kann man wohl sagen. So viel ist mir schon klar geworden. Wie sehen die hässlichen Details aus?«
3
Wir krochen in seinen Einsatzwagen. McGoey stellte das Gebläse der Wagenheizung auf höchste Stufe und breitete die ganze Geschichte vor mir aus. Ein ziemlich grauenvolles Szenario, wie sich rasch herausstellte.
Mit viel Potenzial, sich zu einer echten Tragödie auszuwachsen.
Die schöne Stadtresidenz gehörte einst einem gewissen Henry Fowler, einem Spitzenanwalt, der schwere Zeiten durchgemacht hatte. Mittlerweile war dessen Exfrau Diana Alleinbesitzerin des Hauses, wo sie zusammen mit ihrem neuen Ehemann Dr. Barry Nicholson und ihren drei Kindern lebte, den elfjährigen Zwillingen Jeremy und Chloe sowie dem sechsjährigen Trey.
»Henry Fowler hält sie alle da drin fest«, erklärte McGoey. »Er ist bis an die Zähne bewaffnet und angeblich bereit, heute Nacht zu sterben.«
»Hält das Leben nicht immer wieder die schönsten Überraschungen parat?«, sagte ich.
»Und es kommt noch besser«, fuhr der Detective fort. »Melissa Brandywine ist auch da drin.« Er deutete die Straße entlang zu einem vergleichbaren und ähnlich repräsentativen Haus. »Die Frau des Kongressabgeordneten Michael Brandy wine aus Colorado ist eine Nachbarin.«
»Hat mir Chief Chivers vorhin schon am Telefon berichtet «, murmelte ich. Ich schloss die Augen und rieb mir über die Schläfen. »Wo ist er eigentlich? Ich meine, Brandywine?«
»Zusammen mit ihren beiden Kindern in Vail zum Ski- fahren. Sie warten darauf, dass sie nachkommt. Sie sollte heute Nachmittag abfliegen, machte aber den Fehler, ihrer Nachbarin und Freundin Diana vorher noch selbst gebackene Weihnachtsplätzchen vorbeibringen zu wollen.«
Es ist einfach kurios, in was für Situationen man durch eine harmlose, nett gemeinte nachbarschaftliche Geste in Washington geraten kann.
»Hat er eigentlich einen Grund angegeben, dieser Fowler? «
»Bisher hat er erst ein Mal mit uns geredet, aber das kam dabei nicht zur Sprache«, sagte McGoey. »Wir wüssten gar nicht, was da drinnen vorgeht, wenn Mrs. Brandywine nicht von der Toilette aus ihrem Mann eine SMS geschickt hätte.«
»Der Kongressabgeordnete hat demnach als Erster die Geiselnahme gemeldet?«
»Genau. Hat unsern Bossen echt Feuer unterm Hintern gemacht.«
Ich begann, in meinem Kopf den Ärger und die Frustration darüber, dass ich am Heiligabend von meiner Familie weg zu einem Einsatz gerufen worden war, zu verdrängen und mich auf die Aufgabe hier zu konzentrieren. »Erzählen Sie mir mehr über Fowler. Über seine Scheidung. Alles, was hier wichtig ist.«
»Die Zentrale ist heute Abend nicht gerade personell überbesetzt, daher haben wir noch keinen detaillierten Hintergrundbericht. Alles, was wir wissen, ist, dass die Fowlers vor zwei Jahren geschieden wurden. Sie hat die Scheidung eingereicht und hat sich innerhalb von zwei Monaten einen neuen Ehemann geangelt; vielleicht hatte sie ihn schon vorher an der Hand. Dann ging ihr Leben weiter wie gewohnt. Fowler war offensichtlich nicht so cool.«
»Wissen wir, über was für Waffen er verfügt?«
»O ja«, sagte McGoey und konsultierte sein Notizbuch.
»Bei dem einzigen Telefongespräch bisher gab er uns seine komplette Liste durch.«
Zu Fowlers Arsenal zählten angeblich zwei Glock-19-Pistolen. Die Glock 19 ist die Standardwaffe der Polizei in Washington, was bedeutet, dass ich natürlich auch eine bei mir trage. Der Vorteil der 19er ist, dass man neunzehn Schuss damit abgeben kann. Der Nachteil der 19er ist, dass man damit neunzehn Schuss abgeben kann. Fowler gab an, außerdem zwei Schrotflinten und zwei AR-15, also halb automatische Gewehre, dabeizuhaben, außerdem jeden Menge Munition. Immer alles paarweise, immer zwei von jedem Typ. Was hatte das zu bedeuten?
Ich notierte mir alles in mein Notizbuch und kritzelte dazu: »Lange und gründliche Vorbereitung.«
»War das alles?«, fragte ich.
»Soweit wir wissen, ja. Na ja, mit Ausnahme der Erdnussbutter- Marmelade-Sandwiches.«
Ich runzelte die Stirn und sagte: »Ist mir ehrlich gesagt neu, dass Erdnussbutter und Marmelade tödliche Waffen sein sollten.«
»Für manche schon. Beispielsweise für Fowlers jüngsten Sohn«, erklärte McGoey. »Er hat eine Erdnussallergie. Ein Bissen, und er hat nur noch zehn Minuten zu leben.«
4
Eine familieninterne Geiselnahme ist meiner Meinung nach die absolut schlimmste Herausforderung für jeden Einsatzleiter bei der Polizei. Diese Lektion habe ich schon vor sehr langer Zeit gelernt - um genau zu sein, als ich vierzehn Jahre alt war. Ein Kokainsüchtiger namens Willie Gonzales hatte in der gleichen Straße, wo ich damals mit Nana Mama wohnte, seine Familie als Geiseln genommen. Nachdem Gonzales zuerst seine schwangere Frau, dann seine beiden Töchter und zum Schluss sich selbst erschossen hatte, sah ich zufällig den Einsatzleiter, der mit ihm verhandelt hatte. Der Polizist saß heulend in seinem Wagen und trank einen Zug Jack Daniel's nach dem anderen direkt aus der Flasche.
Manchmal als Verhandlungsführer, meistens aber als psychologischer Berater, hatte ich ungefähr ein Dutzend Mal das Pech, in derartige Einsätze verwickelt zu sein. Ein Polizist, vor allem ein Kriminalbeamter, kann im Laufe seines Berufslebens mit den unterschiedlichsten Aufträgen und Einsätzen konfrontiert sein: Mal muss ein Terrorist mit einem gezielten Todesschuss ausgeschaltet werden; oder ein Kidnapping muss durch minutiöse Aufklärungsarbeit beendet werden; oder man hat es mit einem Serienkiller zu tun, der überlistet und überführt werden muss. Jeder dieser Einsätze kann einen Menschen an die Grenze der psychischen Belastbarkeit bringen.
Aber wenn es um Geiselnehmer geht, die eigene Familienmitglieder festhalten, besteht sehr leicht die Gefahr, dass man vom Wahnsinn überrollt wird. Im Allgemeinen ist der bewaffnete Täter - üblicherweise handelt es sich um einen besessenen Mann unter Drogeneinfluss wie Willie Gonzalez - schon so weit gegangen und so weit außer jeder Selbstkontrolle, dass ihm das Schicksal seiner Geiseln und sein eigenes zukünftiges Schicksal völlig egal sind. Er macht ihnen irgendwas zum Vorwurf. Er gibt sich selbst wegen irgendwas die Schuld. Er verdreht Tatsachen und kann die Gründe nicht verstehen, warum er sich in einer verzwickten Lage befindet. Man steckt in einem unlösbaren Dilemma; es kann auf jeder Seite nur Verlierer geben.
Kollegen, die bei Geiselnahmen als Verhandlungsführer agieren, sind natürlich intelligent und gut ausgebildet, trotzdem vollbringen wir selten so heroische Taten, wie man das von Filmen her kennt. Noch nie habe ich es selbst erlebt, dass ein Täter nur auf das gute und geschickte Zureden des Verhandlungsführers hin seine Waffe weggeworfen hat und mit erhobenen Händen rausgekommen ist. Das ist so wahrscheinlich wie der Gewinn der Redskins beim Football- Super- Bowl. Zwei oder drei Mal kann es vorkommen. Es liegt immerhin im Bereich des Möglichen. Aber die Wahrscheinlichkeit spricht eher dagegen.
Wir stiegen aus dem Wagen und gingen hinüber zu den Einsatz-Vans. McGoey sagte mir unterwegs, dass die Kollegen dort drin versuchten, Sprechkontakt mit Fowler herzustellen. Mittlerweile lagen schon zwei bis drei Zentimeter Schnee, und der Sturm wurde immer schlimmer. Ich fror sofort wieder an den Füßen.
»Könnte es sein, dass die in dem Einsatzwagen noch ein Paar Snowboots übrig haben?«
Der Detective blickte auf meine Halbschuhe hinunter und antwortete: »Wie gesagt: Ich bin hier erst seit sechs Tagen im Dienst.«
»Verstehe«, erwiderte ich. Es führt kein Weg dran vorbei:
Schnee und Kälte behagen mir einfach nicht. »Wem gehört eigentlich dieses Anwesen?«, fragte ich und deutete auf das klassizistische Haus, vor dem McGoeys Streifenwagen geparkt war.
»Dem Botschafter von Nigeria. Aber ich habe keine Ahnung, wie man dessen Namen ausspricht.«
»Dann kann sich der Botschafter von Nigeria ja etwas sehr Hübsches leisten.«
»Stimmt. Bei ihm daheim hungert das halbe Land, aber der Kerl hat eine Residenz mit sechs Schlafzimmern in Georgetown. Ich nehme an, er ist über die Feiertage ebenfalls verreist.«
»Vermutlich nach Abuja oder Lagos. Da war ich schon mal. Die reinste Hölle. Aber angesichts der Umstände hier, wäre ich heute Abend vielleicht doch lieber in Lagos.«
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Dann trat eine junge Frau aus dem Beichtstuhl an der nahe gelegenen Seitenwand und hielt sich schluchzend einen langen gestreiften Schal vor die Nase. Sie trug einen Pelzmantel, der für hiesige Verhältnisse viel zu schick und zu teuer war. Der Priester eilte hinter ihr her. Pater Harris legte ihr die Hand auf die Schulter, geleitete sie zu den Kirchenbänken und kniete sich neben sie.
Pater Harris war ein ausgesprochen sympathischer Mann und ein hervorragender Priester. Er gehörte zu den Menschen, denen man immer gern einen Gefallen tut.
Ich betrachtete den schütteren Wandschmuck im Kirchenschiff. Seit meinem zehnten Lebensjahr ging ich in St. Anthony in die Kirche, aber ich konnte mich nicht erinnern, den Kirchenraum an Weihnachten jemals so kahl gesehen zu haben. Es wirkte regelrecht deprimierend.
Ich wartete, bis alle Anwesenden die Köpfe nach unten gebeugt hatten, ging rasch an den Altarstufen entlang und kniete neben der Treppe zu der mit Schnitzereien verzierten Kanzel nieder. Sampson, ein Mann so groß und stark wie ein Bär, verharrte nahe der Sakristei und kniete sich zwischen rot leuchtende Weihnachtssterne, die in Töpfen die Altarstufen hoch aufgereiht standen, dem Lesepult und den Sesseln für den Priester und die Messdiener hin.
Kurz darauf verabschiedete sich die junge Frau mit einem Nicken und verließ die Kirche. Pater Harris blieb noch einen Moment, schielte zu uns herüber und verschwand dann ebenfalls durch einen Seiteneingang.
In St. Anthony war es nun vollkommen still bis auf ein schwaches Pfeifen aus den Orgelregistern. Mit dem Rücken zu dem Kruzifix an der Rückwand des Altarraums zu knien kam mir nicht nur merkwürdig vor, sondern grundfalsch. Wenn ich es recht bedenke, bin ich wohl in den vergangenen fünfunddreißig Jahren einem Altar nicht mehr so nahe gewesen. Bestimmt nicht mehr, seit ich zu meiner Firmung an genau diesen Altar getreten bin; damals war ich zwölf.
Wir verharrten vorerst an Ort und Stelle und warteten ab, was passieren würde. Allerdings wussten wir, dass nur noch eine Stunde Zeit blieb. Um sechs Uhr würden die Priester und Mönche aus dem angeschlossenen kleinen Kloster hereinkommen, um die Kirche für die Mitternachtsmesse vorzubereiten.
Spätestens um sechs Uhr wäre diese kleine Überwachungsaktion also beendet. Anschließend konnte ich nach Hause gehen, um den Heiligabend und den anschließenden wohlverdienten Feiertag zusammen mit meiner Familie zu verbringen.
Man hat mich schon oft genug einen Zyniker genannt. Wenn man in meiner Branche arbeitet, bleibt einem nicht viel, wofür man sich voller Idealismus und positiver Zuversicht begeistern könnte. Mehrere Minuten verstrichen, immer deutlicher nahm ich den Weihrauchgeruch und den Tannennadelduft in der Kirche wahr und beobachtete die flackernden Kerzen vor der Krippe. Ich erinnerte mich an die Weihnachtsabende von früher. Es wirkte alles genauso wie damals; das Gefühl von unverbrüchlicher Beständigkeit hatte etwas Beruhigendes.
Ich spürte sogar, wie ich mich körperlich entspannte und dass ich anfing, mich auf wesentliche Dinge wie Demut und Dankbarkeit zu konzentrieren; Nana Mama hatte immer gesagt, sie wären der Schlüssel zu einem langen und erfüllten Leben. Da ich vor meiner Großmutter, die immerhin über neunzig war, mit ihrer robusten und vitalen Art sehr viel Respekt hatte, hörte ich genau hin, wenn sie von solchen Dingen sprach. Wie ich nun seitlich neben der Kanzel kniete, verdrängte ich all das Schreckliche, was ich im Laufe des gerade zu Ende gehenden Jahres hatte mit ansehen müssen, und dankte meinem Herrn und Erlöser für all die Segnungen, die er mir zuteilwerden ließ. Meine Frau. Meine Großmutter. Meine Kinder. Mein Beruf. Mein Leben.
Während ich über all dies nachdachte, kam ich mir schon etwas weniger abgefeimt vor, dankbar, wie gut es das Schicksal mit mir meinte. Ich habe ein gutes Leben. Sicherlich nicht perfekt, aber doch sehr gut. Und das können heutzutage nicht viele Menschen von sich behaupten und insbesondere nicht in dieser Zeit des Jahres.
Vielleicht hatte Nana Mama ganz recht. Ich sollte wirklich öfter in die Kirche gehen.
Sampson kniete unverdrossen inmitten all der Blumentöpfe mit Weihnachtssternen. Durch die Dunkelheit flüsterte er mir zu: »Ist das gemeint, wenn man davon spricht, dass sich Polizisten im Dschungel der Großstadt behaupten müssen?«
Ich schüttelte nur den Kopf. Es gibt nichts Besseres als einen schlechten Kalauer, wenn man sich bei so einer Observation in einer Kirche die Zeit vertreiben muss. Ich hörte ein klackerndes Geräusch und spähte um die Kanzel herum. Die alte Dame hatte ihren Rosenkranz fallen lassen. Sie langte über die Rücklehne der Kirchenbank vor ihr und klaubte ihn von der Sitzfläche wieder auf. Dann sah ich, wie jemand den Beichtstuhl verließ, der gleich neben demjenigen stand, aus dem die junge Frau im Pelzmantel getreten war.
Es handelte sich um einen jungen Mann, und er war sehr groß. Als wäre er tief ins Gebet versunken, schlich er in tief gebeugter Haltung den Mittelgang hinauf Richtung Hauptportal.
Das musste er sein.
Ich gab Samson ein Zeichen, und wir setzten uns in Bewegung, überwanden die Chorschranken und nahmen jeder einen Weg durch eines der beiden Seitenschiffe. Beide hielten wir die rechte Hand in der Manteltasche, die Finger am Abzug des Revolvers.
Die Zielperson trat durch das Portal in die Vorhalle und blieb beim Weihwasserbecken stehen. Er tauchte die linke Hand hinein und beließ sie dort. Die linke Hand in das Weihwasserbecken zu tauchen ist eigentlich ein Unding; das macht man nicht. Immer nur mit der rechten. Und man lässt die Finger auch nicht sekundenlang im Becken.
Nun sah ich das, was ich schon so halbwegs erwartet hatte. Während die Finger der linken Hand immer noch in das Weihwasserbecken getaucht waren, schüttelte er seinen rechten Arm, und aus seinem Jackenärmel glitt eine Brechstange in seine Hand.
Es war vorauszusehen, dass er sich noch einmal um blicken würde, bevor er die Sammelbüchsen für die Gemeinde und für die Wohltätigkeitsorganisation der Franziskaner aufbrechen würde. Daher ging ich hinter einer Säule in Deckung.
In dem Augenblick, als ich das Knirschen von Metall auf Metall hörte, schnippte ich mit den Fingern, zog meinen Revolver hervor und bewegte mich aus meiner Deckung. So ertappten wir vermutlich den gleichen Mann auf frischer Tat, der genau wie im Vorjahr erneut aufgetaucht war, um die Ärmsten der Armen frommer Spenden zu berauben. In der Kirche. An Heiligabend.
2
Pater Harris drehte in der Sakristei einen Schalter um, und sämtliche Lichter in St. Anthony gingen an. Der Mann stürmte davon, wobei er das Brecheisen wie einen Staffelstab bei einem Wettrennen mit der Hand umklammerte. Er zwängte sich durch das Kirchenportal und sprang die Stufen herab. Gerade fielen die ersten Schneeflocken des Jahres.
Sampson und ich waren ihm dicht auf den Fersen; noch bevor der Missetäter um die Ecke biegen konnte, hatten wir ihn praktisch eingeholt. Ich war als Erster an ihm dran und schlug ihm meine Faust wie einen Hammer zwischen die Schultern. Er taumelte und ging zu Boden. Sampson drückte ihm das Knie in den Rücken und legte ihm Handschellen an. Das alles hatte weniger als eine Minute gedauert.
Ich rollte ihn auf den Rücken, sah zu meinem Partner und meinte: »John, sag Fröhliche Weihnachten zu unserem alten Freund Latrell Lewis.«
»Sieh an, Lewis! Verfluchter Himmel!«, rief Sampson, doch als ihm einfiel, wie nahe wir immer noch an der Kirche waren, murmelte er: »Ach, tut mir leid.«
Latrell Lewis und mich verband eine ziemlich unheilige Geschichte. Es hatte vor fünf Jahren begonnen; da war er ein Kurier für eine der zweitrangigen Straßengangs von Columbia Heights. Sein Straßenname lautete Lit-Lat. Dieser armselige Vogel war so eingebildet, dass er meinte, was auf eigene Faust machen zu können, und dann wiederum so dumm, dass Sampson und ich ihn schon in der ersten Woche seines Alleingangs erwischten. Nachdem wir ihn ein zweites Mal geschnappt hatten, wurde Latrell zu einem Aufenthalt in sehr ländlicher Umgebung geschickt: in die Jessup-Besserungsanstalt des Bundesstaates Maryland, wo er achtzehn Monate verbringen durfte.
»Ich dachte, du bist noch eingesperrt, Lit-Lat«, sagte ich zu ihm.
»Vielleicht hast du noch nicht richtig zählen gelernt, Cross«, erwiderte er, »oder du solltest dir einen Kalender zulegen.«
Wir richteten Lewis wieder auf, sodass er stehen konnte. Er war ziemlich hibbelig, nicht nur wegen seines missglückten Bruchs, sondern auch, weil er Kokain oder Heroin genommen hatte, das er sich von dem Spendengeld der Kirchgänger besorgte. Aber das war mir jetzt egal. Ich bin zwar Psychologe, aber mir war nicht danach, eine Diagnose zu stellen und dem Mann eine kostenlose Beratung zukommen zu lassen.
»Na, komm schon, Bruder«, begann Lewis und spielte damit auf unser beider dunkle Hautfarbe an. »Heute ist Heiligabend. Da könntest du dich gegenüber einem Bruder mal ein bisschen barmherzig erweisen.«
»Das auf jeden Fall«, erwiderte ich. »Wir werden dir gegenüber genauso barmherzig sein wie du gegenüber der Kirche und den Menschen, die dieses Geld dringend für Essen und Obdach benötigen.«
Dann schoben wir ihn zu unserem Zivilstreifenwagen. Der Wind frischte auf. Die Temperatur sank schlagartig. Man konnte schon ahnen, dass für die Heilige Nacht ein richtiger Wintersturm bevorstand.
»Hör mal, Mann«, lamentierte Latrell. »Ihr müsst mich jetzt nicht in ein Scheiß-Polizeiauto stecken. Gerade an den Feiertagen, Mann, das wäre echt traurig. Ich brauchte das Geld, damit ich meinem Jungen was zu Weihnachten schenken kann. Ich gehöre selbst zu den Bedürftigen, Mann.«
Ich sah hinauf zu dem weißen Himmel. Dann blickte ich wieder diesen schäbigen Junkie an und sagte: »Du hast doch gar kein Kind. Und wenn du dein Geld nicht für Drogen rausschmeißen würdest, dann hättest du vielleicht auch was übrig. Aber weil Weihnachten ist, möchte ich nicht, dass du traurig bist, Latrell.«
Er sah mich an, und sein ganzer Gesichtsausdruck war so voller Hoffnung. »Aha!«
»Aber sicher! Weißt du was, auf dem ganzen Weg zum Poli zeirevier werden wir zusammen Weihnachtslieder singen, und du darfst dir das erste aussuchen.«
»Und damit du gleich Bescheid weißt: Am besten passt für dich ›Stille Nacht‹«, sagte Sampson, drückte ihn auf den Rücksitz und schlug die Wagentür zu.
Erstes Buch
Fröhliche Weihnachten, Alex
1
Man sagt, es sei ein gutes Omen, wenn es an Weihnachten schneit. Normalerweise gebe ich nicht viel auf derlei Volksweisheiten, doch wenn es stimmt, dann konnte man sich auf eines der besten und vielversprechendsten Weihnachtsfeste seit Langem freuen. Ein Sturmtief zog von den Carolinas her die Küste entlang in Richtung Nordosten, während sich gleichzeitig eine Kaltfront vom kanadischen Ontario her nach Süden vorschob - die besten Voraussetzungen für einen Monstersturm, wenn sich die beiden an der Ostküste vereinigten.
Sampson und ich lieferten Lewis auf dem Polizeirevier ab. Da bis übermorgen keine Vorführungen vor dem Haftrichter vorgesehen waren, sah es ganz danach aus, als würde unser Alle-Jahre-wieder-Opferstockräuber die Feiertage in einer Arrestzelle verbringen und dort auf den Weihnachtsmann warten.
Bis wir alle Formulare und Protokolle ausgefüllt hatten und endlich gehen konnten, war es acht Uhr abends.
»Fröhliche Weihnachten, Alex«, verabschiedete sich Sampson draußen.
»Wünsche ich dir auch, John. Was hältst du davon, wenn du morgen auf einen kleinen Weihnachtsumtrunk bei uns vorbeischaust?«
»Ich klär's mal mit Billie ab. Sie organisiert schließlich unser gesamtes Privatleben«, erwiderte Sampson.
Für den Weg nach Hause nahm ich ein Taxi. Als der Wagen durch die Vororte im District of Columbia fuhr, hatte ich Zeit, die Weihnachtsdekorationen an den Fenstern und in den Vorgärten der Häuser ausgiebig zu betrachten. Bis jetzt hatte sich die Geschwindigkeit, mit der der Schnee herabrieselte, nicht wesentlich verändert, im Gegensatz zu der Größe der Schneeflocken. Sie erreichten mittlerweile fast den Durchmesser von kleinen Münzen; es waren richtig dicke Flocken, und dadurch glich die ganze Gegend mittlerweile den Winterlandschaften, wie man sie aus den Schneekugeln kennt, die die Touristen am Bahnhof oder am Flughafen kaufen.
Als ich unser Haus in Southeast, Fifth Street, erreichte, war es halb neun. Der köstliche Duft von Pecan Pie zog durch sämtliche Stockwerke. Bei der Vorstellung an ein Stück von dem süßen Nusskuchen lief mir das Wasser im Mund zusammen. Bree und die Kinder waren noch damit beschäftigt, den Baum für den kommenden Tag zu schmücken. Er stand wie immer im Wohnzimmer vor dem Erkerfenster, das zur Straße hinausging. Und selbstverständlich kümmerte sich die Oberzeremonienmeisterin aller unserer Feiertage, Großmutter Nana Mama, um jedes kleine Detail.
»Häng nicht zwei grüne Kugeln zu nahe beieinander auf, Damon. Du könntest dir etwas mehr Mühe geben und ein bisschen Geschmack unter Beweis stellen«, kommentierte sie in oberlehrerhaftem Ton; schließlich war sie ja mal stellvertretende Schulrektorin.
Bree befestigte gerade eine ziemlich verblichene Bleistiftzeichnung der Weisen aus dem Morgenland an einem der Zweige. Der Familienlegende zufolge hatte ich das Bild gemalt, als ich noch in den Kindergarten ging, und Nana Mama zog es an Weihnachten unweigerlich immer wieder hervor.
»Sieh mal einer an, wer kommt denn da von draußen rein? Und noch dazu mitten aus einem Schneesturm?«, sagte Bree und begrüßte mich mit einem Kuss auf die Lippen. »Guten Abend, mein Schatz.«
Nana schaute absichtlich nicht in meine Richtung. Sie bemerkte nur beiläufig: »Alex, dürfen wir uns somit ein klein wenig Hoffnung machen, dass du an den Feiertagen tatsächlich ein paar Minuten für deine Familie opferst? Oder erwarten wir zu viel?«
Ich hätte so klug sein sollen, Nanas spitze Bemerkung zu überhören und ihr einfach einen Kuss zu geben, aber irgendwie lernte ich es nie. Sie verstand es allerdings auch wie sonst niemand, mich zu provozieren.
»Vielen Dank für die Blumen! Und noch dazu mit so einer schönen weihnachtlichen Schleife versehen«, sagte ich und begrüßte meine Tochter Jannie mit einer Umarmung sowie meinen Sohn Damon, der für die Weihnachtsfeiertage von seiner Prep School nach Hause gekommen war. Und schließlich noch Ava, ein Pflegekind von Nana, das sie erst kürzlich zu uns ins Haus gebracht hatte.
»Ich habe den Eindruck, dass du so langsam Vernunft annimmst, du Narr«, fuhr Nana fort.
»Also bitte, Nana. Als mich Pater Harris heute Morgen anrief, sagte er mir, du selbst hättest vorgeschlagen, dass ich dabei helfen soll, den Opferstockräuber zu fangen«, sagte ich. »Und nichts anderes habe ich getan.«
»Pater Harris hat das gesagt?«, wollte Nana wissen.
»Das hat er. Er entschuldigte sich, dass er mich nur ungern an Heiligabend belästigt, aber du hast ihm angeblich gesagt, das würde mir überhaupt nichts ausmachen. Dein Enkel würde das Geheimnis um diesen Räuber, der jedes Jahr an Heiligabend auftaucht, sicherlich im Handumdrehen lüften.«
»Na so was«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Man sollte nicht glauben, was für Geschichten sich so ein Priester ausdenkt. Und ausgerechnet Pater Harris. Aber so ist es halt, man steckt in den Menschen nie drin.« Sie griff in eine der Schachteln mit der Christbaumdekoration und wandte sich Ava zu. »Nimm das, meine Süße. Binde das Porzellanfigürchen vom Jesuskind am besten an einem der unteren Zweige fest. Sollte der Baum kippen, dann fällt es nicht so tief und zerbricht nicht so leicht.«
»Willst du damit behaupten, Pater Harris hätte mich an einem Heiligabend dreist angelogen, Nana?«
Sie zog die Stirn kraus und blinzelte zu mir hinüber. »Ich habe nur davon gesprochen, in welchem beklagenswerten Zustand sich diese Welt befindet, wenn ein Familienvater den Heiligabend nicht komplett bei den Seinen verbringen kann. Selbst so ein bedeutender und unabkömmlicher Kriminalbeamter sollte doch wenigstens am Abend vor dem Geburtstag Jesu bei seinen Angehörigen sein.«
Alle kicherten vor sich hin, als Nana mir ihre Lektion erteilte. Ich musste selbst ein Grinsen unterdrücken, und Nana ging es genauso.
»Ich find's blöd, dass Ali nicht hier ist«, meinte Jannie; sie sprach von meinem sechs Jahre alten Sohn.
»Da hast du recht«, erwiderte ich. »Aber seine Mutter feiert schließlich auch Weihnachten.«
»Bin gleich wieder da«, sagte Bree und verließ das Zimmer. Ich musste zugeben, dass der Baum inzwischen prachtvoll aussah, besonders vor dem Hintergrund der verschneiten Erkerfenster. Dann trat Bree mit einem großen Krug selbst gemachtem Eierpunsch wieder ins Wohnzimmer; das gehört bei uns ebenfalls traditionell zum vorweihnachtlichen Abend. In dem Eierpunsch schwammen lauter große Flocken Schlagsahne, bestreut mit geriebenem Muskat. In jedem Glas steckten wahrscheinlich tausend Kalorien. Bree stellte den Krug neben einem Teller mit Plätzchen ab, von denen jedes einzelne bestimmt auch für ein paar tausend Kalorien gut war. Aber egal, schließlich war Weihnachten. Ich gönnte mir von beidem zwei Mal. Damon fand im Radio einen Sender, der ausschließlich Weihnachtslieder spielte, und so konnte es nicht ausbleiben, dass der gute alte Nat King Cole uns mit seiner butterweichen Stimme damit tröstete, dass all unsere Sorgen alsbald vergessen sein würden. Auch wenn Nana sich immer noch nicht beruhigen konnte, weil ich an Heiligabend quasi noch dienstlich unterwegs gewesen war, konnten wir uns nun immerhin auf einen gemütlichen und sicherlich ganz zauberhaften Vorweihnachtsabend freuen.
Als im Radio das eher diskomäßige »All I Want for Christmas Is You« von Mariah Carey drankam, fingen Jannie, Ava und Bree an zu tanzen. Damon erzählte mir eine unglaubliche, aber wahre Geschichte, die sie gerade in seiner Schule lasen. Es ging um eine Expedition in den Amazonas-Regenwald, an der der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt nach dem Ende seiner Amtszeit gemeinsam mit seinem Sohn teilgenommen hatte. Dann klingelte mein Mobiltelefon.
Nicht einmal Mariah Careys leuchtende Stimme konnte verhindern, dass mit diesem Klingelton die fröhliche Stimmung im Wohnzimmer schlagartig erstarb.
Ich ließ den Kopf sinken, schaute niemandem in die Augen, ging in die Diele und drückte den Knopf. Der stellvertretende Polizeichef Allen Chivers war am Apparat. »Ich störe wohl bei der Familienfeier am Vorweihnachtsabend?«
»Allerdings.«
»Tut mir ehrlich leid, Alex, ich mache es nur äußerst ungern. Aber wir haben es hier gerade mit einer ganz üblen Sache zu tun bekommen. Eins von den Kalibern, mit denen eigentlich nur du wirklich zurechtkommst.«
Ich hörte mir eine geschlagene Minute lang an, worum es ging. Dabei lehnte ich meinen Kopf gegen die Wand und merkte schon, wie still es im ganzen Haus geworden war. »Okay«, sagte ich schließlich, »ich mach mich auf den Weg.«
Ich schaltete das Gerät aus und ging wieder hinein. Nana verdrehte die Augen. Die Kinder blickten zur Seite; in ihren Mienen konnte man lesen: »Jedes Jahr das gleiche Spiel.«
Bree schüttelte nur den Kopf und sagte: »Na, dann wären wir wieder so weit. Fröhliche Weihnachten, Alex Cross.«
2
Als ich durch die verlassenen Straßen von Washington fuhr, empfand ich den Schnee, der mir noch vor einer Stunde so weihnachtlich anheimelnd erschienen war, als kalt und abweisend. Es war einfach deprimierend, an so einem Abend Haus und Familie verlassen zu müssen, und ich konnte es gut verstehen, wenn sie deswegen aufgebracht waren und sich über mich ärgerten. Zum Teufel, ich war selbst aufgebracht und ärgerte mich über meinen Job.
Verdammt noch mal, dachte ich. An Heiligabend sollte es nur einen geben, der alle Hände voll zu tun hat. Und der trägt einen knallroten Anzug mit Bommelmütze. Verdammt - und der Weihnachtsmann soll mir ebenfalls den Buckel runterrutschen.
Als ich auf der Pennsylvania Avenue in den Washingtoner Stadtteil Georgetown hineinfuhr, fing es richtig an zu schneien. Vor mir bremste ein Bus unvermittelt auf einer gut einen Zentimeter hohen geschlossenen Decke aus Schneematsch. Auch ich geriet ins Rutschen und wäre um ein Haar hinten reingekracht. Die verflixten öffentlichen Angestellten der Straßenmeisterei feierten natürlich zu Hause bei ihren Familien. Die Schneepflüge können ja warten, oder?
Meine Scheibenwischer fingen an zu vereisen, als ich nach der Adresse in Northwest, Thirtiest Street Ausschau hielt. Dieser Teil der Stadt ist so ziemlich das genaue Gegenteil von der Gegend, in der ich lebe. Hier liegt das Land, wo Milch und Honig fließen, hier residieren Geld und Macht, und hier stehen die Villen, an denen man das alles unmittelbar ablesen kann.
Nummer 1314 war eine wunderschöne Stadtresidenz aus hellem Kalkstein, die leuchtete und funkelte wie der Weihnachtsbaum vor dem Weißen Haus. Aber man brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass fast alle Lichter von Polizeiautos, Fotoblitzen, Flutlichtern und TV-Scheinwerfern stammten. Ich parkte meinen Wagen, öffnete die Tür, sah den Schneematsch auf dem Boden und fluchte. Nach dem Anruf war ich so überstürzt und so stinksauer von zu Hause weggefahren, dass ich nicht daran gedacht hatte, ein Paar Snowboots mitzunehmen. Bis ich mich zum Absperrband um den Tatort vorgekämpft hatte, waren meine Knöchel durchgefroren, Eisstückchen und nasser Schnee schmolzen mittlerweile in meinen Halbschuhen.
Ich wies meine Dienstmarke vor, und der Wachmann an der Absperrung ließ mich passieren. Ich duckte mich unter dem Absperrband hindurch und ging als Erstes auf zwei große Einsatzwagen zu, die auf dem Rasen vor einem stattlichen Wohnhaus im klassizistischen Stil mit Ziegelwänden und cremeweißen Fenster- und Türumrahmungen samt kleinem Säulenportikus abgestellt waren. Eine der Wagentüren öffnete sich, und ein Mann mittleren Alters kam mir entgegen. Er trug einen grünen Skiparka und eine rote Wollmütze. Als wir voreinander standen, streifte er einen Handschuh ab und streckte mir seine etwas aufgedunsene Hand entgegen.
»Sie sind bestimmt Alex Cross?«
Ich hatte immer geglaubt, dass ich praktisch alle Polizisten im District of Columbia kenne, aber dieser Mann mit seinem von Sommersprossen übersäten Gesicht und einigen welligen rötlichen Haarsträhnen, die unter seiner Skimütze hervortraten, war mir völlig neu.
»Der bin ich«, antwortete ich und schüttelte ihm die Hand.
»Ich bin Detective Tom McGoey. Seit sechs Tagen bei der hiesigen Polizei. Ich stamme eigentlich aus Staten Island, New York.«
»Dann erst mal fröhliche Feiertage, Detective. Und willkommen in Washington. Ich habe bis jetzt lediglich eine äußerst knappe Zusammenfassung von Polizeichef Chivers am Telefon zu hören bekommen. Wollen Sie mir jetzt mal die ganze Geschichte erzählen?«
»Ist echt 'n ziemlich grauenvolles Weihnachtsgeschenk für Sie. Und für mich auch.«
Ich seufzte. »Das kann man wohl sagen. So viel ist mir schon klar geworden. Wie sehen die hässlichen Details aus?«
3
Wir krochen in seinen Einsatzwagen. McGoey stellte das Gebläse der Wagenheizung auf höchste Stufe und breitete die ganze Geschichte vor mir aus. Ein ziemlich grauenvolles Szenario, wie sich rasch herausstellte.
Mit viel Potenzial, sich zu einer echten Tragödie auszuwachsen.
Die schöne Stadtresidenz gehörte einst einem gewissen Henry Fowler, einem Spitzenanwalt, der schwere Zeiten durchgemacht hatte. Mittlerweile war dessen Exfrau Diana Alleinbesitzerin des Hauses, wo sie zusammen mit ihrem neuen Ehemann Dr. Barry Nicholson und ihren drei Kindern lebte, den elfjährigen Zwillingen Jeremy und Chloe sowie dem sechsjährigen Trey.
»Henry Fowler hält sie alle da drin fest«, erklärte McGoey. »Er ist bis an die Zähne bewaffnet und angeblich bereit, heute Nacht zu sterben.«
»Hält das Leben nicht immer wieder die schönsten Überraschungen parat?«, sagte ich.
»Und es kommt noch besser«, fuhr der Detective fort. »Melissa Brandywine ist auch da drin.« Er deutete die Straße entlang zu einem vergleichbaren und ähnlich repräsentativen Haus. »Die Frau des Kongressabgeordneten Michael Brandy wine aus Colorado ist eine Nachbarin.«
»Hat mir Chief Chivers vorhin schon am Telefon berichtet «, murmelte ich. Ich schloss die Augen und rieb mir über die Schläfen. »Wo ist er eigentlich? Ich meine, Brandywine?«
»Zusammen mit ihren beiden Kindern in Vail zum Ski- fahren. Sie warten darauf, dass sie nachkommt. Sie sollte heute Nachmittag abfliegen, machte aber den Fehler, ihrer Nachbarin und Freundin Diana vorher noch selbst gebackene Weihnachtsplätzchen vorbeibringen zu wollen.«
Es ist einfach kurios, in was für Situationen man durch eine harmlose, nett gemeinte nachbarschaftliche Geste in Washington geraten kann.
»Hat er eigentlich einen Grund angegeben, dieser Fowler? «
»Bisher hat er erst ein Mal mit uns geredet, aber das kam dabei nicht zur Sprache«, sagte McGoey. »Wir wüssten gar nicht, was da drinnen vorgeht, wenn Mrs. Brandywine nicht von der Toilette aus ihrem Mann eine SMS geschickt hätte.«
»Der Kongressabgeordnete hat demnach als Erster die Geiselnahme gemeldet?«
»Genau. Hat unsern Bossen echt Feuer unterm Hintern gemacht.«
Ich begann, in meinem Kopf den Ärger und die Frustration darüber, dass ich am Heiligabend von meiner Familie weg zu einem Einsatz gerufen worden war, zu verdrängen und mich auf die Aufgabe hier zu konzentrieren. »Erzählen Sie mir mehr über Fowler. Über seine Scheidung. Alles, was hier wichtig ist.«
»Die Zentrale ist heute Abend nicht gerade personell überbesetzt, daher haben wir noch keinen detaillierten Hintergrundbericht. Alles, was wir wissen, ist, dass die Fowlers vor zwei Jahren geschieden wurden. Sie hat die Scheidung eingereicht und hat sich innerhalb von zwei Monaten einen neuen Ehemann geangelt; vielleicht hatte sie ihn schon vorher an der Hand. Dann ging ihr Leben weiter wie gewohnt. Fowler war offensichtlich nicht so cool.«
»Wissen wir, über was für Waffen er verfügt?«
»O ja«, sagte McGoey und konsultierte sein Notizbuch.
»Bei dem einzigen Telefongespräch bisher gab er uns seine komplette Liste durch.«
Zu Fowlers Arsenal zählten angeblich zwei Glock-19-Pistolen. Die Glock 19 ist die Standardwaffe der Polizei in Washington, was bedeutet, dass ich natürlich auch eine bei mir trage. Der Vorteil der 19er ist, dass man neunzehn Schuss damit abgeben kann. Der Nachteil der 19er ist, dass man damit neunzehn Schuss abgeben kann. Fowler gab an, außerdem zwei Schrotflinten und zwei AR-15, also halb automatische Gewehre, dabeizuhaben, außerdem jeden Menge Munition. Immer alles paarweise, immer zwei von jedem Typ. Was hatte das zu bedeuten?
Ich notierte mir alles in mein Notizbuch und kritzelte dazu: »Lange und gründliche Vorbereitung.«
»War das alles?«, fragte ich.
»Soweit wir wissen, ja. Na ja, mit Ausnahme der Erdnussbutter- Marmelade-Sandwiches.«
Ich runzelte die Stirn und sagte: »Ist mir ehrlich gesagt neu, dass Erdnussbutter und Marmelade tödliche Waffen sein sollten.«
»Für manche schon. Beispielsweise für Fowlers jüngsten Sohn«, erklärte McGoey. »Er hat eine Erdnussallergie. Ein Bissen, und er hat nur noch zehn Minuten zu leben.«
4
Eine familieninterne Geiselnahme ist meiner Meinung nach die absolut schlimmste Herausforderung für jeden Einsatzleiter bei der Polizei. Diese Lektion habe ich schon vor sehr langer Zeit gelernt - um genau zu sein, als ich vierzehn Jahre alt war. Ein Kokainsüchtiger namens Willie Gonzales hatte in der gleichen Straße, wo ich damals mit Nana Mama wohnte, seine Familie als Geiseln genommen. Nachdem Gonzales zuerst seine schwangere Frau, dann seine beiden Töchter und zum Schluss sich selbst erschossen hatte, sah ich zufällig den Einsatzleiter, der mit ihm verhandelt hatte. Der Polizist saß heulend in seinem Wagen und trank einen Zug Jack Daniel's nach dem anderen direkt aus der Flasche.
Manchmal als Verhandlungsführer, meistens aber als psychologischer Berater, hatte ich ungefähr ein Dutzend Mal das Pech, in derartige Einsätze verwickelt zu sein. Ein Polizist, vor allem ein Kriminalbeamter, kann im Laufe seines Berufslebens mit den unterschiedlichsten Aufträgen und Einsätzen konfrontiert sein: Mal muss ein Terrorist mit einem gezielten Todesschuss ausgeschaltet werden; oder ein Kidnapping muss durch minutiöse Aufklärungsarbeit beendet werden; oder man hat es mit einem Serienkiller zu tun, der überlistet und überführt werden muss. Jeder dieser Einsätze kann einen Menschen an die Grenze der psychischen Belastbarkeit bringen.
Aber wenn es um Geiselnehmer geht, die eigene Familienmitglieder festhalten, besteht sehr leicht die Gefahr, dass man vom Wahnsinn überrollt wird. Im Allgemeinen ist der bewaffnete Täter - üblicherweise handelt es sich um einen besessenen Mann unter Drogeneinfluss wie Willie Gonzalez - schon so weit gegangen und so weit außer jeder Selbstkontrolle, dass ihm das Schicksal seiner Geiseln und sein eigenes zukünftiges Schicksal völlig egal sind. Er macht ihnen irgendwas zum Vorwurf. Er gibt sich selbst wegen irgendwas die Schuld. Er verdreht Tatsachen und kann die Gründe nicht verstehen, warum er sich in einer verzwickten Lage befindet. Man steckt in einem unlösbaren Dilemma; es kann auf jeder Seite nur Verlierer geben.
Kollegen, die bei Geiselnahmen als Verhandlungsführer agieren, sind natürlich intelligent und gut ausgebildet, trotzdem vollbringen wir selten so heroische Taten, wie man das von Filmen her kennt. Noch nie habe ich es selbst erlebt, dass ein Täter nur auf das gute und geschickte Zureden des Verhandlungsführers hin seine Waffe weggeworfen hat und mit erhobenen Händen rausgekommen ist. Das ist so wahrscheinlich wie der Gewinn der Redskins beim Football- Super- Bowl. Zwei oder drei Mal kann es vorkommen. Es liegt immerhin im Bereich des Möglichen. Aber die Wahrscheinlichkeit spricht eher dagegen.
Wir stiegen aus dem Wagen und gingen hinüber zu den Einsatz-Vans. McGoey sagte mir unterwegs, dass die Kollegen dort drin versuchten, Sprechkontakt mit Fowler herzustellen. Mittlerweile lagen schon zwei bis drei Zentimeter Schnee, und der Sturm wurde immer schlimmer. Ich fror sofort wieder an den Füßen.
»Könnte es sein, dass die in dem Einsatzwagen noch ein Paar Snowboots übrig haben?«
Der Detective blickte auf meine Halbschuhe hinunter und antwortete: »Wie gesagt: Ich bin hier erst seit sechs Tagen im Dienst.«
»Verstehe«, erwiderte ich. Es führt kein Weg dran vorbei:
Schnee und Kälte behagen mir einfach nicht. »Wem gehört eigentlich dieses Anwesen?«, fragte ich und deutete auf das klassizistische Haus, vor dem McGoeys Streifenwagen geparkt war.
»Dem Botschafter von Nigeria. Aber ich habe keine Ahnung, wie man dessen Namen ausspricht.«
»Dann kann sich der Botschafter von Nigeria ja etwas sehr Hübsches leisten.«
»Stimmt. Bei ihm daheim hungert das halbe Land, aber der Kerl hat eine Residenz mit sechs Schlafzimmern in Georgetown. Ich nehme an, er ist über die Feiertage ebenfalls verreist.«
»Vermutlich nach Abuja oder Lagos. Da war ich schon mal. Die reinste Hölle. Aber angesichts der Umstände hier, wäre ich heute Abend vielleicht doch lieber in Lagos.«
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg
... weniger
Autoren-Porträt von James Patterson
James Patterson, geboren 1949, war Kreativdirektor bei einer großen amerikanischen Werbeagentur. Seine Thriller um den Kriminalpsychologen Alex Cross machten ihn zu einem der erfolgreichsten Bestsellerautoren der Welt. James Patterson lebt mit seiner Familie in Palm Beach und Westchester, N.Y. Weitere Informationen finden Sie auf www.jamespatterson.com.
Bibliographische Angaben
- Autor: James Patterson
- 2013, 1, 320 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3955690253
- ISBN-13: 9783955690250
Kommentare zu "Dark Christmas - Alex Cross"
0 Gebrauchte Artikel zu „Dark Christmas - Alex Cross“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4 von 5 Sternen
5 Sterne 9Schreiben Sie einen Kommentar zu "Dark Christmas - Alex Cross".
Kommentar verfassen