Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16
Ein Stephanie-Plum-Roman
Stephanie Plum und die Männer... Und das Chaos nimmt seinen Lauf!
Stephanie Plum erbt von ihrem Onkel Pip eine geheimnisvolle Flasche, die Glück bringen soll. Doch danach sieht es zunächst gar nicht aus: Cousin Vinnie,...
Stephanie Plum erbt von ihrem Onkel Pip eine geheimnisvolle Flasche, die Glück bringen soll. Doch danach sieht es zunächst gar nicht aus: Cousin Vinnie,...
Leider schon ausverkauft
Taschenbuch
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16 “
Stephanie Plum und die Männer... Und das Chaos nimmt seinen Lauf!
Stephanie Plum erbt von ihrem Onkel Pip eine geheimnisvolle Flasche, die Glück bringen soll. Doch danach sieht es zunächst gar nicht aus: Cousin Vinnie, Eigentümer von Vincent Plum Bail Bonds, wird wegen angeblicher Spielschulden von einem Gangster festgehalten. Zum Glück haben Stephanie und ihre Kolleginnen einige Erfahrung darin, wie man vermisste Personen aufspürt. Aber wie sollen sie an die 786.000 Dollar kommen, die nötig sind, um Vinnie auszulösen? Mal ehrlich: Stephanie liegt gar nicht so viel an ihrem Boss, aber sie liebt nun mal ihren Job, also muss etwas passieren. Und ausnahmsweise entpuppen sich Morelli und Ranger, die beiden Männer an ihrer Seite, als wahre Glücksfälle.
Stephanie Plum erbt von ihrem Onkel Pip eine geheimnisvolle Flasche, die Glück bringen soll. Doch danach sieht es zunächst gar nicht aus: Cousin Vinnie, Eigentümer von Vincent Plum Bail Bonds, wird wegen angeblicher Spielschulden von einem Gangster festgehalten. Zum Glück haben Stephanie und ihre Kolleginnen einige Erfahrung darin, wie man vermisste Personen aufspürt. Aber wie sollen sie an die 786.000 Dollar kommen, die nötig sind, um Vinnie auszulösen? Mal ehrlich: Stephanie liegt gar nicht so viel an ihrem Boss, aber sie liebt nun mal ihren Job, also muss etwas passieren. Und ausnahmsweise entpuppen sich Morelli und Ranger, die beiden Männer an ihrer Seite, als wahre Glücksfälle.
Klappentext zu „Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16 “
Stephanie Plum und die Männer ... Und das Chaos nimmt seinen Lauf!Stephanie Plum erbt von ihrem Onkel Pip eine geheimnisvolle Flasche, die Glück bringen soll. Doch danach sieht es zunächst gar nicht aus: Cousin Vinnie, Eigentümer von Vincent Plum Bail Bonds, wird wegen angeblicher Spielschulden von einem Gangster festgehalten. Zum Glück haben Stephanie und ihre Kolleginnen einige Erfahrung darin, wie man vermisste Personen aufspürt. Aber wie sollen sie an die 786.000 Dollar kommen, die nötig sind, um Vinnie auszulösen? Mal ehrlich: Stephanie liegt gar nicht so viel an ihrem Boss, aber sie liebt nun mal ihren Job, also muss etwas passieren. Und ausnahmsweise entpuppen sich Morelli und Ranger, die beiden Männer an ihrer Seite, als wahre Glücksfälle ...
Lese-Probe zu „Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16 “
Der Beste zum Kuss von Janet Evanovich1
Mein Onkel Pip ist gestorben und hat mir seine Glücksflasche hinterlassen. Ich sollte eigentlich froh darüber sein, denn meiner Grandma Mazur hat er seine dritten Zähne vermacht. Trotzdem weiß ich nicht so recht, was ich mit der Flasche anfangen soll. Einen Kaminsims, auf den ich sie stellen könnte, habe ich nämlich nicht. Ich heiße Stephanie Plum und wohne in einem mickrigen, kleinen Apartment am Stadtrand von Trenton, New Jersey. Die Wohnung teile ich mir mit meinem Hamster Rex, der auch keinen blassen Schimmer hat, was er mit der Flasche anstellen soll. Sie hat die Größe und Form einer Bierflasche. Das Glas ist rot und sieht aus, als wäre es mundgeblasen. Die Buddel ist nicht abgrundtief hässlich, zumindest Biertrinkern müsste sie gefallen, aber eine exotische Schönheit ist sie auch nicht gerade. Und bis jetzt hat sie mir nicht besonders viel Glück gebracht. Sie steht in der Küche auf der Arbeitsfläche zwischen Rex' Hamsterkäfig und der Plätzchen- dose, in der ich meine Waffe verwahre. Es war ein Montagmorgen Mitte Juni, Lula war bei mir. Sie holte mich ab, weil meine Schrottkarre kaputt war und ich irgendwie zur Arbeit kommen musste.
»Huch!«, machte Lula. »Was ist denn das für eine rote Flasche neben dem Hamsterkäfig?«
»Das ist meine Glücksflasche.«
»Aha, und was soll daran Glück bringen? Danach sieht sie mir aber nicht aus. Eher wie eins von diesen Nobelbieren, nur mit einem schicken Glaspfropfen obendrauf.«
»Die habe ich von Onkel Pip geerbt.«
... mehr
»Onkel Pip kenne ich noch«, sagte Lula. »Der war schon steinalt, oder? Hatte so ein fettes Geschwür auf der Stirn. Das war doch der Opa, der vor ein paar Wochen bei einem Gewitter aus dem Seniorenwohnheim marschiert ist, auf ein heruntergefallenes Stromkabel gepinkelt hat und dabei einen tödlichen Stromschlag versetzt bekam.«
»Jep. Das war Onkel Pip.«
Ich bin Kautionsdetektivin und arbeite für meinen Vetter Vinnie. Lula ist Büroangestellte, Fahrerin und Modepäpstin in einer Person. Mit Vorliebe stellt sie sich der Herausforderung, ihren voluminösen Körper in einen giftgrünen Stretch-Minirock der Größe 34 und ein Oberteil mit Leo- Print zu quetschen, und irgendwie kriegt sie das sogar hin. Lulas Haut ist schokobraun, das Haar diese Woche feuerrot, und ihre vorlaute Art macht sie zu einem hundertprozentigen Jersey Girl.
Ich bin ein paar Zentimeter größer, und wo Lulas Körper üppig wogt, bringe ich es nur auf 75B. Mein Kleidungsstil beschränkt sich auf enge Stretch-T-Shirts, Jeans und Sneakers. Meine Haut ist das Gegenteil von schokobraun, mein von Natur aus lockiges, schulterlanges Haar langweilig braun und oft zu einem Pferdschwanz nach hinten gebunden. Meine Augen sind blau, und so richtig auf den Putz zu hauen traue ich mich bis heute nicht.
Ich warf mir meine Tasche über die Schulter und schob Lula zur Tür. »Wir müssen los. Connie hat vor zehn Minuten angerufen, und sie war total durch den Wind.«
»Ja, und?«, gab Lula zurück. »Wann ist Connie denn mal nicht durch den Wind?«
Connie Rosolli ist die Büroleiterin der Kautionsagentur. Ich habe halb italienische, halb ungarische Vorfahren. Connie ist durch und durch Italienerin. Sie ist ein paar Jährchen älter als ich, hat mehr Haare und stets manikürte Hände. Ihr Schreibtisch ist strategisch vor Vinnies Tür platziert, um geprellte Buchmacher, Gerichtsboten, Nutten mit akutem Lippenherpes und die kranken Spinner auszubremsen, die unter dem Einfluss von irgendwelchen Suchtmitteln vom schnellen Geld träumen.
An einem verkehrsarmen Tag bin ich in zehn Minuten im Büro. Heute war mehr los auf der Straße. Lula brauchte zwanzig Minuten, um ihren roten Firebird über die Hamilton Avenue zu quälen. Vinnies Kautionsagentur liegt an der Hamilton, gleich nach dem Krankenhaus, zwischen einer Reinigung und einem Antiquariat. Der vordere Raum hat große Schaufenster, im hinteren Büro versteckt sich Vinnie, und hinter den Aktenschränken befindet sich Stauraum für so gut wie alles - von Waffen und Munition bis hin zu den George-Foreman-Grills, die so lange bei uns zwischengelagert werden, bis der Barbecue-Freak, dem das Zeug gehört, vor Gericht erscheint und sein Pfand zurückbekommt.
Lula parkte am Straßenrand, und wir stürzten in die Büroräume. Lula warf sich auf die braune Kunstledercouch an der Wand, ich setzte mich auf den orangefarbenen Plastikstuhl direkt vor Connies Schreibtisch. Die Tür zu Vinnies Büro stand offen, der Chef war nicht da.
»Was ist los?«, fragte ich Connie.
»Mickey Gritch hat sich Vinnie geschnappt. Gestern Abend auf der Stark Street, Ecke Thirteenth. Vinnie hatte die Hose gerade runtergelassen, muss ziemlich peinlich gewesen sein. Und soweit ich mir das zusammenreimen konnte, haben Gritch und zwei seiner Leute Vinnie unter Waffengewalt in einen Cadillac Escalade gezerrt und sind mit ihm abgehauen.«
»Die Ecke kenn ich«, sagte Lula. »Da arbeitet Maureen Brown. Früher hab ich viel mit ihr zu tun gehabt, als ich noch anschaffen ging. Maureen war nicht ganz so gut wie ich, aber sie war auch keine Billignutte.«
Bevor Lula anfing, bei Vinnie die Ablage zu machen, ist sie auf den Strich gegangen. Sie hatte einen holprigen Start ins Leben, aber sie reißt sich echt am Riemen, und wer weiß - vielleicht schafft sie es irgendwann sogar noch und wird Gouverneurin von New Jersey.
»Jedenfalls glaube ich, Vinnie hatte eine Pechsträhne beim Zocken. Er schuldet Mickey 786000 Mäuse«, sagte Connie.
»Wow!«, machte Lula. »Ganz schön viel Kohle.«
»Ein Teil davon sind Zinsen«, erklärte Connie. »Die sind vielleicht verhandelbar.«
So lange ich zurückdenken konnte, war Mickey Gritch Vinnies Buchmacher. Es war auch nicht das erste Mal, dass Vinnie seinem Bookie etwas schuldete, aber ich wüsste nicht, dass es schon mal so viel gewesen wäre.
»Mickey Gritch arbeitet jetzt für Bobby Sunflower«, warf Lula ein. »Mit dem legt man sich besser nicht an.«
»Glaubst du, er meint es wirklich ernst?«, fragte ich Connie.
»Die Zeiten sind hart, und Mickey will sein Geld haben«, erklärte sie. »Er ist zu oft geprellt worden, jetzt soll an Vinnie ein Exempel statuiert werden. Wenn er nicht bis Ende der Woche die Knete zusammenkratzt, bringen sie ihn um.«
»Bobby Sunflower fackelt nicht lange«, ergänzte Lula. »Er hat Jimmy Sanchez verschwinden lassen ... für immer. Und noch eine Menge Leute mehr, wie ich gehört habe.«
»Bist du schon bei der Polizei gewesen?«, fragte ich Connie.
»Die wollte ich erst einmal aus der Sache raushalten. Vinnies Schulden sind illegale Wettschulden. Und so wie ich unseren Chef kenne, kann es sein, dass ein Teil des Geldes aus der Firma stammt. Bis letztes Jahr gehörte die Agentur Vinnies Schwiegervater, aber dann wurden wir an eine Risikokapitalgesellschaft aus Trenton verkauft. Die wird nicht einverstanden sein, wenn Vinnie mit ihrem Geld herumzockt. Wenn das rauskommt, sind wir vielleicht alle unseren Job los.«
»Was ist denn mit Vinnies Schwiegervater?«, fragte Lula. »Ist doch stadtbekannt, dass der einen Haufen Geld hat. Außerdem könnte er Bobby Sunflower unter Druck setzen.«
Vinnies Schwiegervater ist Harry der Hammer. Solange Vinnie sich gegenüber Harrys Tochter Lucille anständig verhält, ist alles in Butter, aber ich schätze, Harry wird nicht gerade begeistert sein, wenn er erfährt, dass Vinnie geschnappt wurde, als er eine Nutte von der Stark Street bumste.
»Gritch war schon bei Harry. Der wird ganz bestimmt nicht das Geld für Vinnie zusammenkratzen, sondern ihn zu Tode prügeln, falls Vinnie das Ganze lebendig übersteht «, bemerkte Connie.
»Na, damit wäre das ja geklärt«, sagte Lula. »Dann heißt es wohl adiós,Vinnie. Ich persönlich könnte jetzt was von Cluck-in-a-Bucket zum Frühstück vertragen. Hat jemand Lust, einen Happen zu holen?«
»Wenn es keinen Vinnie mehr gibt, gibt es auch keine Kautionsagentur mehr«, erklärte Connie. »Ohne Kautionsagentur bekommen wir kein Geld. Und wenn wir kein Geld bekommen, gibt's auch nichts mehr von Cluck-ina- Bucket.«
»Das ist nicht gut«, sagte Lula. »Ich bin an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt. Cluck-in-a-Bucket ist einer meiner Hauptanlaufpunkte fürs Essen. Außerdem muss ich meine Rechnungen bezahlen. Und letzte Woche hab ich mir ein total geiles Paar Via Spigas geholt. Auf Pump, will ich sagen. Hab sie nur einmal angehabt, von daher könnte ich sie wohl zurückbringen. Obwohl... dann hätte ich keine Schuhe mehr zu meinem neuen roten Kleid, und wegen dem Kleid habe ich für Freitag extra ein Date gemacht. «
»Wir haben keine große Wahl«, sagte Connie. »Diese Sache müssen wir wohl selbst in die Hand nehmen.«
Vinnie war wie ein Schmarotzerpilz an meinem Stammbaum. Er war ein guter Kautionsmakler, doch in jeder anderen Hinsicht ein Kotzbrocken. Vinnie besaß den Körperbau eines Frettchens, schmal und offenbar ohne Knochen. Sein braunes Haar trug er nach hinten gegelt, seine Hosen zu eng, die Schuhe zu spitz, und von seinen schäbigen Hemdknöpfen ließ er zu viele offen. Dazu legte er zig Ringe, Ketten, Armbänder und gelegentlich auch einen Ohrring an. Er ging auf jede Wette ein, beschlief alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war, und hatte durchaus etwas übrig für schlüpfrige Abenteuer. Dennoch machte ich mir, ehrlich gesagt, Sorgen um Vinnie. Als es mir ziemlich dreckig ging und niemand mir Arbeit geben wollte, hat Vinnie mir geholfen. Okay, vorher hatte ich ihn erpressen müssen, aber letztendlich hat er mir diesen Job verschafft.
»Ich würde ja gerne helfen«, sagte ich, »aber so viel Geld habe ich nicht.«
Das war eine gewaltige Untertreibung. Ich hatte gar kein Geld. Mit meiner Miete war ich einen Monat im Rückstand, mein Wagen war Schrott, und der Hund meines Freundes hatte mein einziges Paar Turnschuhe gefressen. Die Bezeichnung »Freund« war etwas schwammig. Er heißt Joe Morelli, und ich weiß nicht genau, wie man unsere Beziehung beschreiben soll. Manchmal waren wir ziemlich sicher, dass es Liebe war, dann wieder glaubten wir, es sei Irrsinn. Morelli ist Zivilbulle in Trenton, er hat ein eigenes Haus, eine absolut schreckliche Oma, einen schlanken, durchtrainierten Körper und braune Augen, die mein Herz zum Aussetzen bringen können.
»Ich habe nicht von Geld geredet«, sagte Connie. »Du bist Kautionsdetektivin. Du treibst Leute auf. Du musst nichts weiter tun, als Vinnie aufzuspüren und herzubringen. «
»Oh nee. Nein, nein, nein. Keine gute Idee. Wir reden hier schließlich von Bobby Sunflower! Der ist ein absoluter Fiesling! Der wäre nicht gerade begeistert, wenn ich seine Geisel entführe.«
»He, Mädel«, sagte Lula. »Die lassen Vinnie die Luft raus, wenn du nichts unternimmst. Und du weißt ja wohl, was das heißt.«
»Keine Via Spigas mehr?«
»Darauf kannst du deinen Arsch verwetten.«
»Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll«, sagte ich.
»Du könntest mit Ranger anfangen«, schlug Lula vor. »Der weiß alles und hat eine Schwäche für dich.«
Ranger ist der zweite Mann in meinem Leben, und wenn ich gesagt habe, meine Beziehung zu Morelli sei schwer zu beschreiben, dann gibt es überhaupt keine Bezeichnung für meine Beziehung zu Ranger. Er war früher bei den Special Forces, ist jetzt Chef und Teilhaber einer Sicherheitsfirma und sieht umwerfend gut aus auf seine dunkle Latino-Art - Sex auf zwei Beinen. Ranger fährt teure schwarze Schlitten, trägt ausschließlich Schwarz und schläft nackt. Das weiß ich alles aus erster Hand. Außerdem weiß ich, dass dauerhafter Kontakt zu Ranger gefährlich ist. Er kann abhängig machen, und für ein katholisch erzogenes Mädchen wie mich ist das eine schlechte Abhängigkeit, da eine Eheschließung nicht Teil von Rangers Lebensplanung ist. Wenn man allerdings bedenkt, wie viele Feinde Ranger sich gemacht hat, gehört zu seiner Lebensplanung vielleicht nicht mal das Überleben.
»Hast du noch einen anderen Vorschlag als Ranger?«, fragte ich Lula.
»Klar. Ich hab jede Menge Vorschläge. Mickey Gritch ist leicht zu finden. Vinnie hat ihn in seiner Kartei. Ach was, Gritch hat bestimmt eine eigene Homepage und eine Facebook- Seite.«
»Weißt du, wo er wohnt? Wo er seine Geschäfte tätigt? Wo er Vinnie versteckt haben könnte?«
»Nein. Das weiß ich alles nicht«, erwiderte Lula. »He, wart mal kurz! Eins weiß ich doch. Ich weiß, wo er seine Geschäfte tätigt. Aus seinem Auto raus. Gritch fährt einen schwarzen Mercedes. Um das Kennzeichen rum hat er so eine rosa Ludenbeleuchtung. Manchmal sehe ich ihn auf dem Parkplatz neben dem 7-Eleven auf der Marble Street. Das liegt günstig, weil die Stadtverwaltung gleich um die Ecke ist. Wenn man den ganzen Tag im Amt sitzt, will man sich abends entweder die Kugel geben oder einen Wettschein kaufen.«
»Und Bobby Sunflower?«, wollte ich wissen.
»Wo der abhängt, weiß keiner. Der ist wie ein Phantom. Oder wie Rauch. Taucht auf und verschwindet wieder.«
»Wir könnten uns vielleicht vors 7-Eleven stellen und auf Gritch warten«, schlug ich vor.
»Moment mal«, sagte Connie. »Ich lasse ihn erst mal durch den Computer laufen. Wenn er ein Auto hat, kann ich euch sagen, wo er gemeldet ist.«
Die Leute stellen sich oft vor, dass Kautionsdetektive wie im Fernsehen Bösewichte durch enge Gassen jagen und mitten in der Nacht Türen eintreten. Ein paar Typen habe ich schon durch enge Gassen gejagt, aber die Kunst des Türeintretens habe ich noch nie beherrscht. Richtige Kautionsdetektive suchen hauptsächlich im Computer nach Personen, telefonieren herum und behaupten dabei, sie würden eine Umfrage durchführen oder Pizza ausliefern. Das Internet ist echt eine irre Erfindung. Connie hat Computerprogramme, mit deren Hilfe man das Zeugnis des Nachbarn aus der dritten Klasse einsehen kann.
»Von Gritch habe ich zwei Adressen«, sagte Connie. »Unter der einen wohnt er selbst, die andere ist die von seiner Schwester. Sie heißt Jean. Offenbar eine alleinerziehende Mutter. Arbeitet beim Straßenverkehrsamt. Auf Bobby Sunflower sind sechs Geschäftsadressen gemeldet. Ein Pfandleiher, eine Autowerkstatt, eine Waschanlage, ein Mietshaus auf der Stark Street, eine Oben-ohne-Bar und ein Beerdigungsinstitut.«
Übersetzt bedeutete das, dass Sunflower gestohlene Waren vertickte, gestohlene Autos ausschlachtete, Geld wusch, Frauen anschaffen ließ, und das Beerdigungsinstitut verfügte wahrscheinlich über ein Krematorium.
»Schätze mal, dass wir Vinnie davor bewahren müssen, Bobby Sunflowers Krematorium zu besuchen«, sagte Lula.
»Was ist mit meinen ganzen offenen Fällen?«, fragte ich Connie. »Letzte Woche hast du mir sechs Typen übergeben, die nicht vor Gericht erschienen sind. Und das waren nur die obersten Akten von einem großen Stapel. Ich kann nicht Vinnie suchen und gleichzeitig Verbrecher auftreiben. «
»Klar können wir das«, sagte Lula. »Die Hälfte von diesen Spinnern, die du suchst, hockt wahrscheinlich in Sunflowers Tittenbar. Ich würde sagen, wir beschatten sie ein bisschen, aber zuerst fahren wir zur Bäckerei. Ich habe meine Meinung geändert. Bin jetzt in der Stimmung für Donuts.«
Ich folgte Lula aus dem Büro, und drei Minuten später parkten wir draußen vor dem Tasty Pastry.
»Ich hol mir nur einen Donut«, erklärte Lula, als sie aus dem Firebird stieg. »Ich mach gerade eine neue Diät, bei der man von allem immer nur eins essen darf. Ich kann zum Beispiel eine Erbse essen. Oder eine Spargelstange. Oder ich kann ein ganzes Brot essen.«
Beim Betreten der Bäckerei verstummten wir und sogen den Geruch von süßemTeig und Puderzucker ein. Mit großen Augen betrachteten wir die Theken mit Kuchen und Törtchen, Plätzchen, Zimtschnecken, Donuts und Sahnecremegebäck.
»Ich weiß nicht, was ich will«, sagte Lula. »Wie soll ich mich da entscheiden? Das Angebot ist so was von groß, und ich darf nur einen Donut haben. Ich darf hier keinen Fehler machen. Das ist echt schwierig. Wenn ich den falschen Donut nehme, kann mir das den Rest des Tages verderben. «
Ich ließ mir meine Donuts einpacken und bezahlte schon mal. Lula konnte sich immer noch nicht entscheiden, deshalb ging ich nach draußen, um in der Morgensonne zu warten. Ich überlegte, welchen der beiden Donuts ich zuerst essen sollte, doch bevor ich zu einem Entschluss kam, rollte Morellis grüner Geländewagen heran und blieb vor mir stehen.
Morelli stieg aus und kam herüber. Sein schwarzes Haar legte sich im Nacken und über den Ohren in Locken, aber nicht mit Absicht, sondern weil er es nicht für nötig befunden hatte, rechtzeitig zum Friseur zu gehen. Er hatte Jeans und Turnschuhe an, dazu ein blaues Button-down-Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Mit seinen eins achtzig war er einen halben Kopf größer als ich, sprich, wenn er nah genug war, konnte er mir von oben ins Tanktop schielen.
»Bist du im Dienst?«, fragte ich.
»Ja. Ich fahr die Straße hoch und runter, was Bullen eben so tun.« Er hakte seinen Finger in meinen Ausschnitt und schaute hinein.
»Herrgott noch mal!«, sagte ich.
»Ist schon 'ne Weile her. Ich wollte nur gucken, ob noch alles an seinem Platz ist.«
»Du könntest vorher fragen!«
»Wenn ich errate, was in der Tüte ist, bekomme ich dann einen Donut ab?«
»Nein.«
»Du hast einen mit Vanillecreme und einen mit Gelee.«
Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Woher weißt du das?«
»Die holst du dir immer.«
Die Tür der Bäckerei wurde aufgestoßen, und Lula kam herausgestapft. »Alles klar«, sagte sie. »Jetzt bin ich so weit und kann Vinnie retten.« Als sie sah, dass Morelli neben mir stand, blieb sie abrupt stehen. »Ups.«
»Vinnie retten?«, fragte Morelli.
»Er ist irgendwie nicht aufzutreiben«, erklärte ich.
Morelli holte den Donut mit Vanillecreme aus der Tüte, biss die Hälfte ab und gab mir den Rest zurück. »Man hört, dass viele Leute alles andere als zufrieden mit Vinnie sind. Angeblich hat er einen Berg Schulden. Braucht ihr Hilfe?«
»Muss ich dafür Anzeige erstatten?«
»Nein, aber du müsstest mir den Rest des Donuts geben. «
»Danke für das Angebot. Ich glaube, ich versuch's erst mal auf eigene Faust, und gucke, was sich ergibt.«
Morelli gab mir einen kurzen Schmatzer und lief zurück zu seinem Wagen.
Ich sah, dass Lula zwei Tüten in der Hand hatte. »Ich dachte, du wolltest dir nur einen Donut holen.«
»Hab ich auch gemacht. Genau einen von jeder Sorte. Ich sage dir, das ist eine herrliche Diät.«
Wir setzten uns an den kleinen Tisch vor der Bäckerei und aßen unser Gebäck, während ich die Akten von Mickey Gritch und Bobby Sunflower überflog.
»Wir haben die Adressen von Gritch und seiner Schwester, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er Vinnie an einem von beiden Orten versteckt hat«, sagte ich. »Bleiben die Firmen von Bobby Sunflower. Der Pfandleiher ist auf der Market Street, die Waschanlage in Hamilton Township, der Rest auf der Stark Street. Fahren wir da mal vorbei und gucken, ob uns irgendwas anspringt.«
»Wir können auch als Erstes zur Waschanlage fahren«, meinte Lula. »Wenn die einen guten Eindruck macht, lasse ich dort meinen Firebird waschen.«
2
Bobby Sunflowers Waschanlage lag neben dem Figaroa Diner. Sie sah nicht so aus, als gäbe es dort viel Platz, um einen Kautionsmakler versteckt zu halten, aber sie warb mit bürstenloser Wäsche und persönlicher Handpflege, deshalb stellte Lula sich dort an.
»Weiß nicht, was ich von dieser Waschanlage halten soll«, sagte ich zu ihr. »Gefällt mir nicht, wie die Mitarbeiter hier aussehen.«
»Du meinst, weil sie mit der Zunge spielen und komische Knutschgeräusche machen?«
»Ja.« Und wegen der zahlreichen Piercings und Tattoos, wegen ihrer albernen Schlabberhosen und weil ich mir ziemlich sicher war, dass einer von ihnen einen Ständer hatte.
»Das sind doch nur harmlose Jungs«, sagte Lula.
Ich schaute in meiner Tasche nach, ob ich Pfefferspray oder den Elektroschocker dabeihatte.
Die Typen kamen auf uns zugeschlendert, und einer lehnte sich in Lulas offenes Fenster.
»He, Mutti«, sagte er. »Wir waschen dir das Auto so, wie's noch nie gewaschen wurde.«
»Das ist kein normales Auto«, sagte Lula. »Das ist mein Baby. Ich will anschließend keinen einzigen Kratzer im Lack sehen.«
»Wenn du lieb zu mir und meinen Kumpels bist, waschen wir dir dein Baby sogar mit der Hand.«
»Wie lieb muss ich denn sein?«, fragte Lula.
»Richtig lieb«, gab er zurück und grinste so breit, dass wir die künstlichen Diamanten in seinen verfaulten Zähnen sehen konnten.
»Das ist ja abartig«, sagte Lula. »Du musst mal etwas mehr Respekt an den Tag legen und dich wie ein Waschanlagenprofi benehmen. Und nimm den Kopf aus meinem Fenster!«
»Meine Kumpels und ich zeigen dir gleich mal, was wir so parat haben, vielleicht hast du dann etwas mehr Respekt. «
Lula zog ihre Glock aus der Handtasche und schob sie dem Jüngling ins Gesicht.
»Du hast noch zehn Sekunden, bevor ich dir die Nase wegpuste«, sagte sie.
»Jo, Alte!«, rief der Typ.
Alle nahmen Reißaus und stürzten davon. Lula drückte sechsmal ab und schaffte es, alle Männer aus kürzester Entfernung zu verfehlen.
»Hm«, machte sie, fuhr das Fenster hoch und verließ das Gelände. »Diese Knarren sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Unfassbar, dass ich keinen einzigen von diesen Pennern erwischt habe.«
Als Nächstes fuhren wir zum Pfandleiher. Lula parkte an der Straße, wir stiegen aus und sahen uns um. Über dem Geschäft war eine Wohnung, doch soweit wir wussten, gehörte sie nicht Sunflower. Ein Kommissionslager war rechts daneben, eine Pizzeria auf der anderen Seite.
»Sieht nicht gerade vielversprechend aus«, sagte ich zu Lula. »Aber ich gehe mal rein und gucke nach.«
»Wer bin ich heute?«, wollte sie wissen. »Der gute oder der schlechte Bulle?«
»Gar keiner. Wir sind keine Bullen. Wir schauen uns nur um und fahren dann wieder.«
»Null Problemo. Das kann ich. Ich bin super im Umschauen. «
Wir betraten das Geschäft. Lula ging zum Tresen, begutachtete den Schaukasten und rief den Pfandleiher zu sich.
»Also, ich brauch zwar kein Geld oder so, aber ich wollte mal wissen, wie viel ich für diesen Ring hier kriegen könnte«, sagte sie. »Sie können ja sehen, dass da in der Mitte ein Rubin ist und drum herum Diamantensplitter. Und die Fassung ist echt Gold.«
»Ist das ein echter Edelstein?«, fragte der Mann.
»Darauf können Sie einen lassen! Diesen Ring habe ich für gewisse Gefälligkeiten von einem Gentleman bekommen. Eigentlich hatte er ihn für seine Frau gekauft, aber dann fand er, dass ich ihn mehr verdient hätte.«
»Ich nehme an, Sie haben keinerlei Unterlagen darüber. Zum Beispiel ein Schätzgutachten?«
»Ein was?«
»Ich würde sagen, für den Ring könnte ich Ihnen fünfundvierzig geben.«
»Fünfundvierzigtausend?«, fragte Lula.
»Nein, fünfundvierzig Dollar. Herrje, sehe ich vielleicht aus wie ein Trottel?«
»Nö, Sie sehen ziemlich heiß aus«, sagte Lula und legte ihren Busen auf den Verkaufstresen. »Was haben Sie denn da im Hinterzimmer, mein Süßer?«
»Das ist kein Hinterzimmer. Nur ein Klo, auf das nicht mal ich mich setze.«
»Bringt hier nichts!«, sagte Lula, machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte aus dem Geschäft.
Zehn Minuten später standen wir mit laufendem Motor vor Sunflowers Autowerkstatt auf der unteren Stark Street. Es war ein einstöckiger Bau aus Hohlblocksteinen mit drei Toren, die sämtlich offen standen.
»Kann mir nicht vorstellen, dass sie Vinnie hier festhalten «, sagte ich zu Lula. »Hier laufen zu viele Leute herum, es ist auch nirgendwo Platz, um jemanden zu verstecken.«
Der nächste Halt war die Oben-ohne-Bar. Das Neonschild blinkte, und elektronische Tanzmusik wehte aus der geöffneten Tür. Ein Trinker in einem ausgeleierten weißen T-Shirt lehnte an der mit Graffiti beschmierten Wand und rauchte. Unter hängenden Augenlidern sah er zu uns hinüber, und Lula fuhr weiter.
»Da gibt's nur Ärger«, sagte sie.
Wir parkten vor dem Bestatter und starrten auf das Gebäude. Brauner Ziegelstein, zwei Etagen. Die oberen Fenster waren mit schwarzer Folie beklebt. Über der Tür war eine rot-schwarze Markise angebracht, auf der BEERDIGUNGSINSTITUT MELON geschrieben stand.
»Keine Ahnung, was deprimierender ist«, sagte Lula, »dieser öde Bestattungsladen oder eine Tittenbar am Morgen. «
»Vielleicht konnte man in der Bar frühstücken.«
»Daran hab ich nicht gedacht«, sagte Lula. »Dann hat sie wohl gewonnen.«
»Dieser Laden hier hat richtiges Geiselnehmerpotenzial. Ich würde ja reingehen und so tun, als wäre ich eine Kundin, aber ich sehe nicht so aus, als käme ich von hier.«
»Du meinst, weil du die einzige Weiße in der gesamten Straße bist, tot oder lebendig?«
»Genau.«
»Kann ich verstehen, aber ich gehe da auch nicht rein. Ich hasse Beerdigungsinstitute, und Tote hasse ich noch viel mehr. Ich krieg schon eine Gänsehaut, wenn ich hier nur sitze und dran denke.«
»Gut, dann machen wir das später. Gucken wir uns erst mal das Wohnhaus an.«
Das Mietshaus war einen halben Häuserblock entfernt und sah aus wie Disneys Tower of Terror. Es hatte vier Etagen, war schwarz vor Ruß und neigte sich leicht zur Seite.
»Heiliger Bimbam«, sagte Lula. Ihr fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Das Ding ist aber gruselig. In so einem Kasten würde Dracula wohnen, wenn er kein Geld hätte und Crack rauchen würde. Ich wette, da drin leben tollwütige Feldermäuse, Mörderschlangen und fette Spinnen so groß wie Untertassen.«
Ich fand, es sah aus, als fände man dort nur Verzweiflung, Irrsinn und kaputte Wasserleitungen. So oder so war es kein Ort, wo ich hingehen wollte. Leider war es ein guter Ort, um Vinnie zu verstecken.
»Wie ernst ist es uns damit, Vinnie zu finden?«, fragte ich Lula, ohne den Blick von dem unheimlichen Haus abwenden zu können.
»So wie ich es sehe, finden wir entweder Vinnie, oder ich stehe bald bei Cluck-in-a-Bucket an der Fritteuse. Nicht dass daran irgendwas falsch wäre, aber das ganze Fett in der Luft ist nicht gut für meine Frisur. Und was ist, wenn die schon jemanden für die Friteuse haben? Was ist, wenn ich keinen neuen Job finde und meine Via Spigas wieder bei mir abgeholt werden?«
Und was ist, wenn ich Vinnie nicht rechtzeitig helfen kann und er abgemurkst wird? Wie könnte ich damit leben?
Ich drückte die Kurzwahltaste für die Nummer von Rangers Handy.
Ranger meldete sich, und kurz herrschte Schweigen, als würde er mich am anderen Ende spüren, auf Entfernung meine Körpertemperatur und meinen Puls prüfen. »Babe«, sagte er schließlich.
»Kennst du das abgefuckte Mietshaus von Bobby Sunflower auf der Stark?«
»Ja. Ein paar Häuser weiter als das Bestattungsinstitut, das ihm ebenfalls gehört.«
»Genau. Ich gehe da jetzt rein, um nach jemandem zu suchen. Wenn du nicht spätestens in einer halben Stunde etwas von mir gehört hast, könntest du dann vielleicht jemanden zum Nachgucken schicken.«
»Ist das ein kluger Plan?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Solange dir das klar ist«, sagte Ranger. Damit legte er auf.
»Ich habe noch zwei Donuts«, sagte Lula. »Und die esse ich, bevor ich da reingehe, nur für den Fall, dass ich nicht wieder rauskomme.«
Ich wand mich aus dem Firebird. »Nimm sie mit! Wenn ich jetzt nicht gehe, traue ich mich am Ende gar nicht mehr.«
Die Haustür war angelehnt, sie öffnete sich auf einen schmalen dunklen Flur, der mit zahlreichen Gang-Symbolen besprüht war. Links führte eine Treppe hoch. Rechts hing eine Reihe Briefkästen. Ohne Namen. Die meisten waren offen und leer. Manche hatten gar keine Klappe. Die Botschaft war klar: Wer hier wohnte, bekam keine Post.
Zwei Türen waren zu sehen. Lula und ich lauschten daran. Nichts. Ich probierte die erste. Verschlossen. Hinter der zweiten Tür war eine Kellertreppe.
Lula schob den Kopf hinein. »Die Treppe geht runter, aber ich kann nix sehen. Kohlrabenschwarz da unten. Riecht auch nicht gerade angenehm.«
»Ich hör irgendwas kratzen«, bemerkte ich.
»Ja, kann ich auch hören. Quietscht irgendwie.«
Und dann kam ein Tsunami von Ratten die Treppe hochgerauscht und rollte über unsere Füße.
»Ratten!«, schrie Lula. »Ratten!«
Ich erstarrte, zu entsetzt, um mich bewegen zu können. Lula sprang herum, warf die Arme in die Luft, kreischte.
Die Ratten füllten den gesamten Flur, huschten durcheinander, flitzten umher.
»Mach sie tot! Tritt sie tot!«, rief Lula. »Hilfe! Polizei! Ruf sofort die Polizei!«
Ich riss ihr die Gebäcktüte aus der Hand und warf einen Donut aus der Haustür. Die Ratten sausten hinterher, und ich schlug die Tür hinter ihnen zu.
Lula ließ sich gegen die Wand sinken. »Sieht es aus, als hätte ich einen Herzinfarkt? Haben die mich gebissen? Habe ich Flöhe?« Sie nahm mir ihre Tüte wieder ab und schaute hinein. »Wenigstens hast du nicht den Gelee- Donut weggeworfen. Den hatte ich mir bis zum Schluss aufgehoben.«
Ich zog die Kellertür zu und nahm die Treppe nach oben. Im ersten Stock waren drei Türen. Zwei waren mit Brettern verrammelt. Nichts dahinter zu hören. Die Dritte stand offen, in der Einzimmerwohnung dahinter fanden sich weder Menschen noch Möbel, sondern nur Berge von Müll.
»Wenn wir hier fertig sind, gehe ich nach Hause und stelle mich unter die Dusche«, sagte Lula. »Ich habe das Gefühl, ich kriege Filzläuse.«
Auch im zweiten Stock gab es drei Türen, alle waren verschlossen. »Wir müssen uns was Cleveres einfallen lassen«, sagte ich zu Lula.
»Du meinst, dass ich zum Beispiel von Tür zu Tür gehen und für die Pfadfinder Plätzchen verkaufen könnte?«
»Genau.«
»Was ist, wenn Vinnie da drin ist und einer von Sunflowers Muskelmännern bewacht ihn? Dann schießen wir, ja?«
»Nur wenn wir müssen.«
Lula zog ihre Glock aus der Tasche und stopfte sie in ihren Hosenbund, hinten auf dem Rücken. Dann sah sie mich an. »Willst du deine nicht auch rausholen?«
»Ich habe keine dabei.«
»Was hast du denn dabei?«
»Haarspray.«
»Mit extra starkem Halt? Das muss ich eventuell mal benutzen, wenn wir hier fertig sind. Kommt drauf an, was wir heute Mittag vorhaben.«
Ich schlich ein paar Stufen nach unten und drückte mich gegen die Wand, das Haarspray einsatzbereit in der Hand. Sie klopfte an die erste Tür, sie öffnete sich, und ein schmieriger, fetter Typ mit trübem Blick stand im Rahmen. Er mochte um die fünfzig sein, musste sich dringend rasieren, dringend duschen und dringend weniger saufen.
»Ja?«, sagte er.
»Ich verkaufe Plätzchen für die Pfadfinder«, begann Lula und schaute an dem Dicken vorbei in die Wohnung.
»Sind Sie nicht 'n bisschen alt für die Pfadfinder?«
»Nicht dass Sie das was angeht, aber ich mache das für meine Nichte«, gab Lula zurück. »Sie hatte eine Magen Darm- Grippe und deshalb nicht genug verkauft, von daher unterstütze ich sie.«
»Was ist in der Tüte?«
»Das geht Sie auch nichts an. Kaufen Sie mir jetzt Plätzchen ab, oder was?«
Der Dicke griff nach Lulas Donut-Tüte, schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel um.
»He!«, rief Lula. »Geben Sie mir meine Tüte zurück!« Sie legte das Ohr an die Tür. »Die Tüte raschelt! Wenn der meinen Donut angrapscht, dann ...« Sie schlug gegen die Tür. »Gib mir meinen Donut zurück, sonst...!«
»Zu spät«, ertönte es von der anderen Seite. »Ist schon weg.«
»Ah ja, dann steck mal das hier weg«, rief Lula, förderte ihre Glock zutage und feuerte eine Salve ins Türblatt.
»Heilige Scheiße!«, schrie ich und stürzte zu ihr. »Hör auf damit! Du kannst nicht wegen eines Donuts eine Tür zusammenballern. Was, wenn der Typ stirbt?«
»Mist«, sagte Lula. »Hab keine Munition mehr.« Sie wühlte in ihrer Handtasche herum. »Irgendwo muss hier doch noch ein Magazin sein.«
Die Tür wurde aufgerissen, vor uns stand der Dicke und zog den Schlagbolzen von einer abgesägten Schrotflinte zurück. Er nahm uns ins Visier, und ich nebelte ihn mit Haarspray ein.
»Au!«, brüllte er und rieb sich die Augen. »Scheiße, brennt das!«
Lula und ich rasten die Stufen hinunter. Nach der ersten Treppe bogen wir um die Ecke und stießen mit zwei Mitarbeitern von Ranger zusammen, die nach oben wollten. Wir hatten so viel Schwung, dass sie ihr Gleichgewicht verloren. Alle vier polterten wir hinunter, bis wir übereinander im Eingangsflur landeten.
»Oh mein Gott!«, sagte ich und stand auf. »Tut mir leid.
Hatte nicht damit gerechnet, dass jemand die Treppe hochkommt. «
Ich kannte einen der beiden, er hieß Hal. War ein richtiger Schnuckel, mit einem Körper wie ein Stegosaurus.
»Ranger hat uns geschickt, wir sollten nach dir gucken«, sagte Hal. »Als wir ankamen, hörten wir Schüsse.«
»Dieser Penner hat meinen Gelee-Donut gegessen«, erklärte Lula. »Deshalb hab ich auf ihn angelegt.«
Hal schielte nach oben. »Wie schlimm sieht es aus? Sollen wir, nun ja, irgendwas für euch entsorgen?«
»Zum Beispiel eine Leiche?«, fragte ich zurück.
»Genau«, sagte Hal.
»Danke, aber das ist nicht nötig«, erklärte ich. »Lula hat durch die Tür geschossen, und der Spinner kam dann mit 'ner abgesägten Schrotflinte an.«
»Kapiert«, sagte Hal. »Ich geb's an Ranger weiter.«
Hal und sein Kollege stiegen in ihren glänzenden schwarzen Geländewagen. Lula und ich setzten uns in ihren Firebird, und wir fuhren los.
»Zu dumm, dass wir nicht in allen Wohnungen nachgucken konnten«, sagte Lula. »Weil, ich hatte nämlich so ein Gefühl bei dem Haus. Kann mir gut vorstellen, dassVinnie da versteckt wird.«
Das Mietshaus war für mich eine zu einfache Lösung. Ich kannte Bobby Sunflower zwar nicht persönlich, aber nach dem zu urteilen, was ich gehört hatte, war er nicht gerade ein Trottel. Wenn Bobby Sunflower wirklich hinter dieser Sache steckte, war Vinnie mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit nicht auf einem von Sunflowers Grundstücken. Solche Leute hatten ihre Finger in vielen Töpfen, und genau da war Vinnie meiner Meinung nach auch versteckt... in einem der vielen Töpfe.
»Und jetzt?«, fragte Lula.
»Setz mich bei Rangeman ab.«
3
Die Firma Rangeman sitzt in einem unauffälligen sechsstöckigen Gebäude an einer ruhigen Seitenstraße im Zentrum von Trenton. Wenn man nicht genau hinsieht, fällt die kleine Messingtafel neben der Tür gar nicht auf, die die schlichte Aufschrift RANGEMAN trägt. Kein anderes Schild weist auf die Firma hin. Rangers Privatgemächer befinden sich in der obersten Etage. Auf zwei weiteren Stockwerken sind die Wohnungen der Angestellten, und im Rest des Hauses ist seine Firma untergebracht, der Sicherheitsdienst Rangeman. Er bewacht Privathäuser und Gewerbeobjekte für Klienten, die ein hohes Sicherheitsbedürfnis haben. Außerdem übernimmt Rangeman gelegentlich Aufträge, bei denen Bodyguards gesucht sind, Tote aufgefunden werden und hin und wieder auch Leichen verschwinden müssen.
Als ich anfing, für meinen Cousin Vinnie zu arbeiten, unterstützte mich Ranger. Irgendwie ist er wohl immer noch mein Mentor, aber mittlerweile auch mein Freund, mein Beschützer, hin und wieder mein Arbeitgeber, und bei einer unvergesslichen Gelegenheit war er mein Liebhaber. Ich besitze einen elektronischen Schlüssel für die
© der deutschsprachigen Ausgabe 2012 by Wilhelm Goldmannverlag, München
»Onkel Pip kenne ich noch«, sagte Lula. »Der war schon steinalt, oder? Hatte so ein fettes Geschwür auf der Stirn. Das war doch der Opa, der vor ein paar Wochen bei einem Gewitter aus dem Seniorenwohnheim marschiert ist, auf ein heruntergefallenes Stromkabel gepinkelt hat und dabei einen tödlichen Stromschlag versetzt bekam.«
»Jep. Das war Onkel Pip.«
Ich bin Kautionsdetektivin und arbeite für meinen Vetter Vinnie. Lula ist Büroangestellte, Fahrerin und Modepäpstin in einer Person. Mit Vorliebe stellt sie sich der Herausforderung, ihren voluminösen Körper in einen giftgrünen Stretch-Minirock der Größe 34 und ein Oberteil mit Leo- Print zu quetschen, und irgendwie kriegt sie das sogar hin. Lulas Haut ist schokobraun, das Haar diese Woche feuerrot, und ihre vorlaute Art macht sie zu einem hundertprozentigen Jersey Girl.
Ich bin ein paar Zentimeter größer, und wo Lulas Körper üppig wogt, bringe ich es nur auf 75B. Mein Kleidungsstil beschränkt sich auf enge Stretch-T-Shirts, Jeans und Sneakers. Meine Haut ist das Gegenteil von schokobraun, mein von Natur aus lockiges, schulterlanges Haar langweilig braun und oft zu einem Pferdschwanz nach hinten gebunden. Meine Augen sind blau, und so richtig auf den Putz zu hauen traue ich mich bis heute nicht.
Ich warf mir meine Tasche über die Schulter und schob Lula zur Tür. »Wir müssen los. Connie hat vor zehn Minuten angerufen, und sie war total durch den Wind.«
»Ja, und?«, gab Lula zurück. »Wann ist Connie denn mal nicht durch den Wind?«
Connie Rosolli ist die Büroleiterin der Kautionsagentur. Ich habe halb italienische, halb ungarische Vorfahren. Connie ist durch und durch Italienerin. Sie ist ein paar Jährchen älter als ich, hat mehr Haare und stets manikürte Hände. Ihr Schreibtisch ist strategisch vor Vinnies Tür platziert, um geprellte Buchmacher, Gerichtsboten, Nutten mit akutem Lippenherpes und die kranken Spinner auszubremsen, die unter dem Einfluss von irgendwelchen Suchtmitteln vom schnellen Geld träumen.
An einem verkehrsarmen Tag bin ich in zehn Minuten im Büro. Heute war mehr los auf der Straße. Lula brauchte zwanzig Minuten, um ihren roten Firebird über die Hamilton Avenue zu quälen. Vinnies Kautionsagentur liegt an der Hamilton, gleich nach dem Krankenhaus, zwischen einer Reinigung und einem Antiquariat. Der vordere Raum hat große Schaufenster, im hinteren Büro versteckt sich Vinnie, und hinter den Aktenschränken befindet sich Stauraum für so gut wie alles - von Waffen und Munition bis hin zu den George-Foreman-Grills, die so lange bei uns zwischengelagert werden, bis der Barbecue-Freak, dem das Zeug gehört, vor Gericht erscheint und sein Pfand zurückbekommt.
Lula parkte am Straßenrand, und wir stürzten in die Büroräume. Lula warf sich auf die braune Kunstledercouch an der Wand, ich setzte mich auf den orangefarbenen Plastikstuhl direkt vor Connies Schreibtisch. Die Tür zu Vinnies Büro stand offen, der Chef war nicht da.
»Was ist los?«, fragte ich Connie.
»Mickey Gritch hat sich Vinnie geschnappt. Gestern Abend auf der Stark Street, Ecke Thirteenth. Vinnie hatte die Hose gerade runtergelassen, muss ziemlich peinlich gewesen sein. Und soweit ich mir das zusammenreimen konnte, haben Gritch und zwei seiner Leute Vinnie unter Waffengewalt in einen Cadillac Escalade gezerrt und sind mit ihm abgehauen.«
»Die Ecke kenn ich«, sagte Lula. »Da arbeitet Maureen Brown. Früher hab ich viel mit ihr zu tun gehabt, als ich noch anschaffen ging. Maureen war nicht ganz so gut wie ich, aber sie war auch keine Billignutte.«
Bevor Lula anfing, bei Vinnie die Ablage zu machen, ist sie auf den Strich gegangen. Sie hatte einen holprigen Start ins Leben, aber sie reißt sich echt am Riemen, und wer weiß - vielleicht schafft sie es irgendwann sogar noch und wird Gouverneurin von New Jersey.
»Jedenfalls glaube ich, Vinnie hatte eine Pechsträhne beim Zocken. Er schuldet Mickey 786000 Mäuse«, sagte Connie.
»Wow!«, machte Lula. »Ganz schön viel Kohle.«
»Ein Teil davon sind Zinsen«, erklärte Connie. »Die sind vielleicht verhandelbar.«
So lange ich zurückdenken konnte, war Mickey Gritch Vinnies Buchmacher. Es war auch nicht das erste Mal, dass Vinnie seinem Bookie etwas schuldete, aber ich wüsste nicht, dass es schon mal so viel gewesen wäre.
»Mickey Gritch arbeitet jetzt für Bobby Sunflower«, warf Lula ein. »Mit dem legt man sich besser nicht an.«
»Glaubst du, er meint es wirklich ernst?«, fragte ich Connie.
»Die Zeiten sind hart, und Mickey will sein Geld haben«, erklärte sie. »Er ist zu oft geprellt worden, jetzt soll an Vinnie ein Exempel statuiert werden. Wenn er nicht bis Ende der Woche die Knete zusammenkratzt, bringen sie ihn um.«
»Bobby Sunflower fackelt nicht lange«, ergänzte Lula. »Er hat Jimmy Sanchez verschwinden lassen ... für immer. Und noch eine Menge Leute mehr, wie ich gehört habe.«
»Bist du schon bei der Polizei gewesen?«, fragte ich Connie.
»Die wollte ich erst einmal aus der Sache raushalten. Vinnies Schulden sind illegale Wettschulden. Und so wie ich unseren Chef kenne, kann es sein, dass ein Teil des Geldes aus der Firma stammt. Bis letztes Jahr gehörte die Agentur Vinnies Schwiegervater, aber dann wurden wir an eine Risikokapitalgesellschaft aus Trenton verkauft. Die wird nicht einverstanden sein, wenn Vinnie mit ihrem Geld herumzockt. Wenn das rauskommt, sind wir vielleicht alle unseren Job los.«
»Was ist denn mit Vinnies Schwiegervater?«, fragte Lula. »Ist doch stadtbekannt, dass der einen Haufen Geld hat. Außerdem könnte er Bobby Sunflower unter Druck setzen.«
Vinnies Schwiegervater ist Harry der Hammer. Solange Vinnie sich gegenüber Harrys Tochter Lucille anständig verhält, ist alles in Butter, aber ich schätze, Harry wird nicht gerade begeistert sein, wenn er erfährt, dass Vinnie geschnappt wurde, als er eine Nutte von der Stark Street bumste.
»Gritch war schon bei Harry. Der wird ganz bestimmt nicht das Geld für Vinnie zusammenkratzen, sondern ihn zu Tode prügeln, falls Vinnie das Ganze lebendig übersteht «, bemerkte Connie.
»Na, damit wäre das ja geklärt«, sagte Lula. »Dann heißt es wohl adiós,Vinnie. Ich persönlich könnte jetzt was von Cluck-in-a-Bucket zum Frühstück vertragen. Hat jemand Lust, einen Happen zu holen?«
»Wenn es keinen Vinnie mehr gibt, gibt es auch keine Kautionsagentur mehr«, erklärte Connie. »Ohne Kautionsagentur bekommen wir kein Geld. Und wenn wir kein Geld bekommen, gibt's auch nichts mehr von Cluck-ina- Bucket.«
»Das ist nicht gut«, sagte Lula. »Ich bin an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt. Cluck-in-a-Bucket ist einer meiner Hauptanlaufpunkte fürs Essen. Außerdem muss ich meine Rechnungen bezahlen. Und letzte Woche hab ich mir ein total geiles Paar Via Spigas geholt. Auf Pump, will ich sagen. Hab sie nur einmal angehabt, von daher könnte ich sie wohl zurückbringen. Obwohl... dann hätte ich keine Schuhe mehr zu meinem neuen roten Kleid, und wegen dem Kleid habe ich für Freitag extra ein Date gemacht. «
»Wir haben keine große Wahl«, sagte Connie. »Diese Sache müssen wir wohl selbst in die Hand nehmen.«
Vinnie war wie ein Schmarotzerpilz an meinem Stammbaum. Er war ein guter Kautionsmakler, doch in jeder anderen Hinsicht ein Kotzbrocken. Vinnie besaß den Körperbau eines Frettchens, schmal und offenbar ohne Knochen. Sein braunes Haar trug er nach hinten gegelt, seine Hosen zu eng, die Schuhe zu spitz, und von seinen schäbigen Hemdknöpfen ließ er zu viele offen. Dazu legte er zig Ringe, Ketten, Armbänder und gelegentlich auch einen Ohrring an. Er ging auf jede Wette ein, beschlief alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war, und hatte durchaus etwas übrig für schlüpfrige Abenteuer. Dennoch machte ich mir, ehrlich gesagt, Sorgen um Vinnie. Als es mir ziemlich dreckig ging und niemand mir Arbeit geben wollte, hat Vinnie mir geholfen. Okay, vorher hatte ich ihn erpressen müssen, aber letztendlich hat er mir diesen Job verschafft.
»Ich würde ja gerne helfen«, sagte ich, »aber so viel Geld habe ich nicht.«
Das war eine gewaltige Untertreibung. Ich hatte gar kein Geld. Mit meiner Miete war ich einen Monat im Rückstand, mein Wagen war Schrott, und der Hund meines Freundes hatte mein einziges Paar Turnschuhe gefressen. Die Bezeichnung »Freund« war etwas schwammig. Er heißt Joe Morelli, und ich weiß nicht genau, wie man unsere Beziehung beschreiben soll. Manchmal waren wir ziemlich sicher, dass es Liebe war, dann wieder glaubten wir, es sei Irrsinn. Morelli ist Zivilbulle in Trenton, er hat ein eigenes Haus, eine absolut schreckliche Oma, einen schlanken, durchtrainierten Körper und braune Augen, die mein Herz zum Aussetzen bringen können.
»Ich habe nicht von Geld geredet«, sagte Connie. »Du bist Kautionsdetektivin. Du treibst Leute auf. Du musst nichts weiter tun, als Vinnie aufzuspüren und herzubringen. «
»Oh nee. Nein, nein, nein. Keine gute Idee. Wir reden hier schließlich von Bobby Sunflower! Der ist ein absoluter Fiesling! Der wäre nicht gerade begeistert, wenn ich seine Geisel entführe.«
»He, Mädel«, sagte Lula. »Die lassen Vinnie die Luft raus, wenn du nichts unternimmst. Und du weißt ja wohl, was das heißt.«
»Keine Via Spigas mehr?«
»Darauf kannst du deinen Arsch verwetten.«
»Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll«, sagte ich.
»Du könntest mit Ranger anfangen«, schlug Lula vor. »Der weiß alles und hat eine Schwäche für dich.«
Ranger ist der zweite Mann in meinem Leben, und wenn ich gesagt habe, meine Beziehung zu Morelli sei schwer zu beschreiben, dann gibt es überhaupt keine Bezeichnung für meine Beziehung zu Ranger. Er war früher bei den Special Forces, ist jetzt Chef und Teilhaber einer Sicherheitsfirma und sieht umwerfend gut aus auf seine dunkle Latino-Art - Sex auf zwei Beinen. Ranger fährt teure schwarze Schlitten, trägt ausschließlich Schwarz und schläft nackt. Das weiß ich alles aus erster Hand. Außerdem weiß ich, dass dauerhafter Kontakt zu Ranger gefährlich ist. Er kann abhängig machen, und für ein katholisch erzogenes Mädchen wie mich ist das eine schlechte Abhängigkeit, da eine Eheschließung nicht Teil von Rangers Lebensplanung ist. Wenn man allerdings bedenkt, wie viele Feinde Ranger sich gemacht hat, gehört zu seiner Lebensplanung vielleicht nicht mal das Überleben.
»Hast du noch einen anderen Vorschlag als Ranger?«, fragte ich Lula.
»Klar. Ich hab jede Menge Vorschläge. Mickey Gritch ist leicht zu finden. Vinnie hat ihn in seiner Kartei. Ach was, Gritch hat bestimmt eine eigene Homepage und eine Facebook- Seite.«
»Weißt du, wo er wohnt? Wo er seine Geschäfte tätigt? Wo er Vinnie versteckt haben könnte?«
»Nein. Das weiß ich alles nicht«, erwiderte Lula. »He, wart mal kurz! Eins weiß ich doch. Ich weiß, wo er seine Geschäfte tätigt. Aus seinem Auto raus. Gritch fährt einen schwarzen Mercedes. Um das Kennzeichen rum hat er so eine rosa Ludenbeleuchtung. Manchmal sehe ich ihn auf dem Parkplatz neben dem 7-Eleven auf der Marble Street. Das liegt günstig, weil die Stadtverwaltung gleich um die Ecke ist. Wenn man den ganzen Tag im Amt sitzt, will man sich abends entweder die Kugel geben oder einen Wettschein kaufen.«
»Und Bobby Sunflower?«, wollte ich wissen.
»Wo der abhängt, weiß keiner. Der ist wie ein Phantom. Oder wie Rauch. Taucht auf und verschwindet wieder.«
»Wir könnten uns vielleicht vors 7-Eleven stellen und auf Gritch warten«, schlug ich vor.
»Moment mal«, sagte Connie. »Ich lasse ihn erst mal durch den Computer laufen. Wenn er ein Auto hat, kann ich euch sagen, wo er gemeldet ist.«
Die Leute stellen sich oft vor, dass Kautionsdetektive wie im Fernsehen Bösewichte durch enge Gassen jagen und mitten in der Nacht Türen eintreten. Ein paar Typen habe ich schon durch enge Gassen gejagt, aber die Kunst des Türeintretens habe ich noch nie beherrscht. Richtige Kautionsdetektive suchen hauptsächlich im Computer nach Personen, telefonieren herum und behaupten dabei, sie würden eine Umfrage durchführen oder Pizza ausliefern. Das Internet ist echt eine irre Erfindung. Connie hat Computerprogramme, mit deren Hilfe man das Zeugnis des Nachbarn aus der dritten Klasse einsehen kann.
»Von Gritch habe ich zwei Adressen«, sagte Connie. »Unter der einen wohnt er selbst, die andere ist die von seiner Schwester. Sie heißt Jean. Offenbar eine alleinerziehende Mutter. Arbeitet beim Straßenverkehrsamt. Auf Bobby Sunflower sind sechs Geschäftsadressen gemeldet. Ein Pfandleiher, eine Autowerkstatt, eine Waschanlage, ein Mietshaus auf der Stark Street, eine Oben-ohne-Bar und ein Beerdigungsinstitut.«
Übersetzt bedeutete das, dass Sunflower gestohlene Waren vertickte, gestohlene Autos ausschlachtete, Geld wusch, Frauen anschaffen ließ, und das Beerdigungsinstitut verfügte wahrscheinlich über ein Krematorium.
»Schätze mal, dass wir Vinnie davor bewahren müssen, Bobby Sunflowers Krematorium zu besuchen«, sagte Lula.
»Was ist mit meinen ganzen offenen Fällen?«, fragte ich Connie. »Letzte Woche hast du mir sechs Typen übergeben, die nicht vor Gericht erschienen sind. Und das waren nur die obersten Akten von einem großen Stapel. Ich kann nicht Vinnie suchen und gleichzeitig Verbrecher auftreiben. «
»Klar können wir das«, sagte Lula. »Die Hälfte von diesen Spinnern, die du suchst, hockt wahrscheinlich in Sunflowers Tittenbar. Ich würde sagen, wir beschatten sie ein bisschen, aber zuerst fahren wir zur Bäckerei. Ich habe meine Meinung geändert. Bin jetzt in der Stimmung für Donuts.«
Ich folgte Lula aus dem Büro, und drei Minuten später parkten wir draußen vor dem Tasty Pastry.
»Ich hol mir nur einen Donut«, erklärte Lula, als sie aus dem Firebird stieg. »Ich mach gerade eine neue Diät, bei der man von allem immer nur eins essen darf. Ich kann zum Beispiel eine Erbse essen. Oder eine Spargelstange. Oder ich kann ein ganzes Brot essen.«
Beim Betreten der Bäckerei verstummten wir und sogen den Geruch von süßemTeig und Puderzucker ein. Mit großen Augen betrachteten wir die Theken mit Kuchen und Törtchen, Plätzchen, Zimtschnecken, Donuts und Sahnecremegebäck.
»Ich weiß nicht, was ich will«, sagte Lula. »Wie soll ich mich da entscheiden? Das Angebot ist so was von groß, und ich darf nur einen Donut haben. Ich darf hier keinen Fehler machen. Das ist echt schwierig. Wenn ich den falschen Donut nehme, kann mir das den Rest des Tages verderben. «
Ich ließ mir meine Donuts einpacken und bezahlte schon mal. Lula konnte sich immer noch nicht entscheiden, deshalb ging ich nach draußen, um in der Morgensonne zu warten. Ich überlegte, welchen der beiden Donuts ich zuerst essen sollte, doch bevor ich zu einem Entschluss kam, rollte Morellis grüner Geländewagen heran und blieb vor mir stehen.
Morelli stieg aus und kam herüber. Sein schwarzes Haar legte sich im Nacken und über den Ohren in Locken, aber nicht mit Absicht, sondern weil er es nicht für nötig befunden hatte, rechtzeitig zum Friseur zu gehen. Er hatte Jeans und Turnschuhe an, dazu ein blaues Button-down-Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Mit seinen eins achtzig war er einen halben Kopf größer als ich, sprich, wenn er nah genug war, konnte er mir von oben ins Tanktop schielen.
»Bist du im Dienst?«, fragte ich.
»Ja. Ich fahr die Straße hoch und runter, was Bullen eben so tun.« Er hakte seinen Finger in meinen Ausschnitt und schaute hinein.
»Herrgott noch mal!«, sagte ich.
»Ist schon 'ne Weile her. Ich wollte nur gucken, ob noch alles an seinem Platz ist.«
»Du könntest vorher fragen!«
»Wenn ich errate, was in der Tüte ist, bekomme ich dann einen Donut ab?«
»Nein.«
»Du hast einen mit Vanillecreme und einen mit Gelee.«
Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Woher weißt du das?«
»Die holst du dir immer.«
Die Tür der Bäckerei wurde aufgestoßen, und Lula kam herausgestapft. »Alles klar«, sagte sie. »Jetzt bin ich so weit und kann Vinnie retten.« Als sie sah, dass Morelli neben mir stand, blieb sie abrupt stehen. »Ups.«
»Vinnie retten?«, fragte Morelli.
»Er ist irgendwie nicht aufzutreiben«, erklärte ich.
Morelli holte den Donut mit Vanillecreme aus der Tüte, biss die Hälfte ab und gab mir den Rest zurück. »Man hört, dass viele Leute alles andere als zufrieden mit Vinnie sind. Angeblich hat er einen Berg Schulden. Braucht ihr Hilfe?«
»Muss ich dafür Anzeige erstatten?«
»Nein, aber du müsstest mir den Rest des Donuts geben. «
»Danke für das Angebot. Ich glaube, ich versuch's erst mal auf eigene Faust, und gucke, was sich ergibt.«
Morelli gab mir einen kurzen Schmatzer und lief zurück zu seinem Wagen.
Ich sah, dass Lula zwei Tüten in der Hand hatte. »Ich dachte, du wolltest dir nur einen Donut holen.«
»Hab ich auch gemacht. Genau einen von jeder Sorte. Ich sage dir, das ist eine herrliche Diät.«
Wir setzten uns an den kleinen Tisch vor der Bäckerei und aßen unser Gebäck, während ich die Akten von Mickey Gritch und Bobby Sunflower überflog.
»Wir haben die Adressen von Gritch und seiner Schwester, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er Vinnie an einem von beiden Orten versteckt hat«, sagte ich. »Bleiben die Firmen von Bobby Sunflower. Der Pfandleiher ist auf der Market Street, die Waschanlage in Hamilton Township, der Rest auf der Stark Street. Fahren wir da mal vorbei und gucken, ob uns irgendwas anspringt.«
»Wir können auch als Erstes zur Waschanlage fahren«, meinte Lula. »Wenn die einen guten Eindruck macht, lasse ich dort meinen Firebird waschen.«
2
Bobby Sunflowers Waschanlage lag neben dem Figaroa Diner. Sie sah nicht so aus, als gäbe es dort viel Platz, um einen Kautionsmakler versteckt zu halten, aber sie warb mit bürstenloser Wäsche und persönlicher Handpflege, deshalb stellte Lula sich dort an.
»Weiß nicht, was ich von dieser Waschanlage halten soll«, sagte ich zu ihr. »Gefällt mir nicht, wie die Mitarbeiter hier aussehen.«
»Du meinst, weil sie mit der Zunge spielen und komische Knutschgeräusche machen?«
»Ja.« Und wegen der zahlreichen Piercings und Tattoos, wegen ihrer albernen Schlabberhosen und weil ich mir ziemlich sicher war, dass einer von ihnen einen Ständer hatte.
»Das sind doch nur harmlose Jungs«, sagte Lula.
Ich schaute in meiner Tasche nach, ob ich Pfefferspray oder den Elektroschocker dabeihatte.
Die Typen kamen auf uns zugeschlendert, und einer lehnte sich in Lulas offenes Fenster.
»He, Mutti«, sagte er. »Wir waschen dir das Auto so, wie's noch nie gewaschen wurde.«
»Das ist kein normales Auto«, sagte Lula. »Das ist mein Baby. Ich will anschließend keinen einzigen Kratzer im Lack sehen.«
»Wenn du lieb zu mir und meinen Kumpels bist, waschen wir dir dein Baby sogar mit der Hand.«
»Wie lieb muss ich denn sein?«, fragte Lula.
»Richtig lieb«, gab er zurück und grinste so breit, dass wir die künstlichen Diamanten in seinen verfaulten Zähnen sehen konnten.
»Das ist ja abartig«, sagte Lula. »Du musst mal etwas mehr Respekt an den Tag legen und dich wie ein Waschanlagenprofi benehmen. Und nimm den Kopf aus meinem Fenster!«
»Meine Kumpels und ich zeigen dir gleich mal, was wir so parat haben, vielleicht hast du dann etwas mehr Respekt. «
Lula zog ihre Glock aus der Handtasche und schob sie dem Jüngling ins Gesicht.
»Du hast noch zehn Sekunden, bevor ich dir die Nase wegpuste«, sagte sie.
»Jo, Alte!«, rief der Typ.
Alle nahmen Reißaus und stürzten davon. Lula drückte sechsmal ab und schaffte es, alle Männer aus kürzester Entfernung zu verfehlen.
»Hm«, machte sie, fuhr das Fenster hoch und verließ das Gelände. »Diese Knarren sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Unfassbar, dass ich keinen einzigen von diesen Pennern erwischt habe.«
Als Nächstes fuhren wir zum Pfandleiher. Lula parkte an der Straße, wir stiegen aus und sahen uns um. Über dem Geschäft war eine Wohnung, doch soweit wir wussten, gehörte sie nicht Sunflower. Ein Kommissionslager war rechts daneben, eine Pizzeria auf der anderen Seite.
»Sieht nicht gerade vielversprechend aus«, sagte ich zu Lula. »Aber ich gehe mal rein und gucke nach.«
»Wer bin ich heute?«, wollte sie wissen. »Der gute oder der schlechte Bulle?«
»Gar keiner. Wir sind keine Bullen. Wir schauen uns nur um und fahren dann wieder.«
»Null Problemo. Das kann ich. Ich bin super im Umschauen. «
Wir betraten das Geschäft. Lula ging zum Tresen, begutachtete den Schaukasten und rief den Pfandleiher zu sich.
»Also, ich brauch zwar kein Geld oder so, aber ich wollte mal wissen, wie viel ich für diesen Ring hier kriegen könnte«, sagte sie. »Sie können ja sehen, dass da in der Mitte ein Rubin ist und drum herum Diamantensplitter. Und die Fassung ist echt Gold.«
»Ist das ein echter Edelstein?«, fragte der Mann.
»Darauf können Sie einen lassen! Diesen Ring habe ich für gewisse Gefälligkeiten von einem Gentleman bekommen. Eigentlich hatte er ihn für seine Frau gekauft, aber dann fand er, dass ich ihn mehr verdient hätte.«
»Ich nehme an, Sie haben keinerlei Unterlagen darüber. Zum Beispiel ein Schätzgutachten?«
»Ein was?«
»Ich würde sagen, für den Ring könnte ich Ihnen fünfundvierzig geben.«
»Fünfundvierzigtausend?«, fragte Lula.
»Nein, fünfundvierzig Dollar. Herrje, sehe ich vielleicht aus wie ein Trottel?«
»Nö, Sie sehen ziemlich heiß aus«, sagte Lula und legte ihren Busen auf den Verkaufstresen. »Was haben Sie denn da im Hinterzimmer, mein Süßer?«
»Das ist kein Hinterzimmer. Nur ein Klo, auf das nicht mal ich mich setze.«
»Bringt hier nichts!«, sagte Lula, machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte aus dem Geschäft.
Zehn Minuten später standen wir mit laufendem Motor vor Sunflowers Autowerkstatt auf der unteren Stark Street. Es war ein einstöckiger Bau aus Hohlblocksteinen mit drei Toren, die sämtlich offen standen.
»Kann mir nicht vorstellen, dass sie Vinnie hier festhalten «, sagte ich zu Lula. »Hier laufen zu viele Leute herum, es ist auch nirgendwo Platz, um jemanden zu verstecken.«
Der nächste Halt war die Oben-ohne-Bar. Das Neonschild blinkte, und elektronische Tanzmusik wehte aus der geöffneten Tür. Ein Trinker in einem ausgeleierten weißen T-Shirt lehnte an der mit Graffiti beschmierten Wand und rauchte. Unter hängenden Augenlidern sah er zu uns hinüber, und Lula fuhr weiter.
»Da gibt's nur Ärger«, sagte sie.
Wir parkten vor dem Bestatter und starrten auf das Gebäude. Brauner Ziegelstein, zwei Etagen. Die oberen Fenster waren mit schwarzer Folie beklebt. Über der Tür war eine rot-schwarze Markise angebracht, auf der BEERDIGUNGSINSTITUT MELON geschrieben stand.
»Keine Ahnung, was deprimierender ist«, sagte Lula, »dieser öde Bestattungsladen oder eine Tittenbar am Morgen. «
»Vielleicht konnte man in der Bar frühstücken.«
»Daran hab ich nicht gedacht«, sagte Lula. »Dann hat sie wohl gewonnen.«
»Dieser Laden hier hat richtiges Geiselnehmerpotenzial. Ich würde ja reingehen und so tun, als wäre ich eine Kundin, aber ich sehe nicht so aus, als käme ich von hier.«
»Du meinst, weil du die einzige Weiße in der gesamten Straße bist, tot oder lebendig?«
»Genau.«
»Kann ich verstehen, aber ich gehe da auch nicht rein. Ich hasse Beerdigungsinstitute, und Tote hasse ich noch viel mehr. Ich krieg schon eine Gänsehaut, wenn ich hier nur sitze und dran denke.«
»Gut, dann machen wir das später. Gucken wir uns erst mal das Wohnhaus an.«
Das Mietshaus war einen halben Häuserblock entfernt und sah aus wie Disneys Tower of Terror. Es hatte vier Etagen, war schwarz vor Ruß und neigte sich leicht zur Seite.
»Heiliger Bimbam«, sagte Lula. Ihr fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Das Ding ist aber gruselig. In so einem Kasten würde Dracula wohnen, wenn er kein Geld hätte und Crack rauchen würde. Ich wette, da drin leben tollwütige Feldermäuse, Mörderschlangen und fette Spinnen so groß wie Untertassen.«
Ich fand, es sah aus, als fände man dort nur Verzweiflung, Irrsinn und kaputte Wasserleitungen. So oder so war es kein Ort, wo ich hingehen wollte. Leider war es ein guter Ort, um Vinnie zu verstecken.
»Wie ernst ist es uns damit, Vinnie zu finden?«, fragte ich Lula, ohne den Blick von dem unheimlichen Haus abwenden zu können.
»So wie ich es sehe, finden wir entweder Vinnie, oder ich stehe bald bei Cluck-in-a-Bucket an der Fritteuse. Nicht dass daran irgendwas falsch wäre, aber das ganze Fett in der Luft ist nicht gut für meine Frisur. Und was ist, wenn die schon jemanden für die Friteuse haben? Was ist, wenn ich keinen neuen Job finde und meine Via Spigas wieder bei mir abgeholt werden?«
Und was ist, wenn ich Vinnie nicht rechtzeitig helfen kann und er abgemurkst wird? Wie könnte ich damit leben?
Ich drückte die Kurzwahltaste für die Nummer von Rangers Handy.
Ranger meldete sich, und kurz herrschte Schweigen, als würde er mich am anderen Ende spüren, auf Entfernung meine Körpertemperatur und meinen Puls prüfen. »Babe«, sagte er schließlich.
»Kennst du das abgefuckte Mietshaus von Bobby Sunflower auf der Stark?«
»Ja. Ein paar Häuser weiter als das Bestattungsinstitut, das ihm ebenfalls gehört.«
»Genau. Ich gehe da jetzt rein, um nach jemandem zu suchen. Wenn du nicht spätestens in einer halben Stunde etwas von mir gehört hast, könntest du dann vielleicht jemanden zum Nachgucken schicken.«
»Ist das ein kluger Plan?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Solange dir das klar ist«, sagte Ranger. Damit legte er auf.
»Ich habe noch zwei Donuts«, sagte Lula. »Und die esse ich, bevor ich da reingehe, nur für den Fall, dass ich nicht wieder rauskomme.«
Ich wand mich aus dem Firebird. »Nimm sie mit! Wenn ich jetzt nicht gehe, traue ich mich am Ende gar nicht mehr.«
Die Haustür war angelehnt, sie öffnete sich auf einen schmalen dunklen Flur, der mit zahlreichen Gang-Symbolen besprüht war. Links führte eine Treppe hoch. Rechts hing eine Reihe Briefkästen. Ohne Namen. Die meisten waren offen und leer. Manche hatten gar keine Klappe. Die Botschaft war klar: Wer hier wohnte, bekam keine Post.
Zwei Türen waren zu sehen. Lula und ich lauschten daran. Nichts. Ich probierte die erste. Verschlossen. Hinter der zweiten Tür war eine Kellertreppe.
Lula schob den Kopf hinein. »Die Treppe geht runter, aber ich kann nix sehen. Kohlrabenschwarz da unten. Riecht auch nicht gerade angenehm.«
»Ich hör irgendwas kratzen«, bemerkte ich.
»Ja, kann ich auch hören. Quietscht irgendwie.«
Und dann kam ein Tsunami von Ratten die Treppe hochgerauscht und rollte über unsere Füße.
»Ratten!«, schrie Lula. »Ratten!«
Ich erstarrte, zu entsetzt, um mich bewegen zu können. Lula sprang herum, warf die Arme in die Luft, kreischte.
Die Ratten füllten den gesamten Flur, huschten durcheinander, flitzten umher.
»Mach sie tot! Tritt sie tot!«, rief Lula. »Hilfe! Polizei! Ruf sofort die Polizei!«
Ich riss ihr die Gebäcktüte aus der Hand und warf einen Donut aus der Haustür. Die Ratten sausten hinterher, und ich schlug die Tür hinter ihnen zu.
Lula ließ sich gegen die Wand sinken. »Sieht es aus, als hätte ich einen Herzinfarkt? Haben die mich gebissen? Habe ich Flöhe?« Sie nahm mir ihre Tüte wieder ab und schaute hinein. »Wenigstens hast du nicht den Gelee- Donut weggeworfen. Den hatte ich mir bis zum Schluss aufgehoben.«
Ich zog die Kellertür zu und nahm die Treppe nach oben. Im ersten Stock waren drei Türen. Zwei waren mit Brettern verrammelt. Nichts dahinter zu hören. Die Dritte stand offen, in der Einzimmerwohnung dahinter fanden sich weder Menschen noch Möbel, sondern nur Berge von Müll.
»Wenn wir hier fertig sind, gehe ich nach Hause und stelle mich unter die Dusche«, sagte Lula. »Ich habe das Gefühl, ich kriege Filzläuse.«
Auch im zweiten Stock gab es drei Türen, alle waren verschlossen. »Wir müssen uns was Cleveres einfallen lassen«, sagte ich zu Lula.
»Du meinst, dass ich zum Beispiel von Tür zu Tür gehen und für die Pfadfinder Plätzchen verkaufen könnte?«
»Genau.«
»Was ist, wenn Vinnie da drin ist und einer von Sunflowers Muskelmännern bewacht ihn? Dann schießen wir, ja?«
»Nur wenn wir müssen.«
Lula zog ihre Glock aus der Tasche und stopfte sie in ihren Hosenbund, hinten auf dem Rücken. Dann sah sie mich an. »Willst du deine nicht auch rausholen?«
»Ich habe keine dabei.«
»Was hast du denn dabei?«
»Haarspray.«
»Mit extra starkem Halt? Das muss ich eventuell mal benutzen, wenn wir hier fertig sind. Kommt drauf an, was wir heute Mittag vorhaben.«
Ich schlich ein paar Stufen nach unten und drückte mich gegen die Wand, das Haarspray einsatzbereit in der Hand. Sie klopfte an die erste Tür, sie öffnete sich, und ein schmieriger, fetter Typ mit trübem Blick stand im Rahmen. Er mochte um die fünfzig sein, musste sich dringend rasieren, dringend duschen und dringend weniger saufen.
»Ja?«, sagte er.
»Ich verkaufe Plätzchen für die Pfadfinder«, begann Lula und schaute an dem Dicken vorbei in die Wohnung.
»Sind Sie nicht 'n bisschen alt für die Pfadfinder?«
»Nicht dass Sie das was angeht, aber ich mache das für meine Nichte«, gab Lula zurück. »Sie hatte eine Magen Darm- Grippe und deshalb nicht genug verkauft, von daher unterstütze ich sie.«
»Was ist in der Tüte?«
»Das geht Sie auch nichts an. Kaufen Sie mir jetzt Plätzchen ab, oder was?«
Der Dicke griff nach Lulas Donut-Tüte, schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel um.
»He!«, rief Lula. »Geben Sie mir meine Tüte zurück!« Sie legte das Ohr an die Tür. »Die Tüte raschelt! Wenn der meinen Donut angrapscht, dann ...« Sie schlug gegen die Tür. »Gib mir meinen Donut zurück, sonst...!«
»Zu spät«, ertönte es von der anderen Seite. »Ist schon weg.«
»Ah ja, dann steck mal das hier weg«, rief Lula, förderte ihre Glock zutage und feuerte eine Salve ins Türblatt.
»Heilige Scheiße!«, schrie ich und stürzte zu ihr. »Hör auf damit! Du kannst nicht wegen eines Donuts eine Tür zusammenballern. Was, wenn der Typ stirbt?«
»Mist«, sagte Lula. »Hab keine Munition mehr.« Sie wühlte in ihrer Handtasche herum. »Irgendwo muss hier doch noch ein Magazin sein.«
Die Tür wurde aufgerissen, vor uns stand der Dicke und zog den Schlagbolzen von einer abgesägten Schrotflinte zurück. Er nahm uns ins Visier, und ich nebelte ihn mit Haarspray ein.
»Au!«, brüllte er und rieb sich die Augen. »Scheiße, brennt das!«
Lula und ich rasten die Stufen hinunter. Nach der ersten Treppe bogen wir um die Ecke und stießen mit zwei Mitarbeitern von Ranger zusammen, die nach oben wollten. Wir hatten so viel Schwung, dass sie ihr Gleichgewicht verloren. Alle vier polterten wir hinunter, bis wir übereinander im Eingangsflur landeten.
»Oh mein Gott!«, sagte ich und stand auf. »Tut mir leid.
Hatte nicht damit gerechnet, dass jemand die Treppe hochkommt. «
Ich kannte einen der beiden, er hieß Hal. War ein richtiger Schnuckel, mit einem Körper wie ein Stegosaurus.
»Ranger hat uns geschickt, wir sollten nach dir gucken«, sagte Hal. »Als wir ankamen, hörten wir Schüsse.«
»Dieser Penner hat meinen Gelee-Donut gegessen«, erklärte Lula. »Deshalb hab ich auf ihn angelegt.«
Hal schielte nach oben. »Wie schlimm sieht es aus? Sollen wir, nun ja, irgendwas für euch entsorgen?«
»Zum Beispiel eine Leiche?«, fragte ich zurück.
»Genau«, sagte Hal.
»Danke, aber das ist nicht nötig«, erklärte ich. »Lula hat durch die Tür geschossen, und der Spinner kam dann mit 'ner abgesägten Schrotflinte an.«
»Kapiert«, sagte Hal. »Ich geb's an Ranger weiter.«
Hal und sein Kollege stiegen in ihren glänzenden schwarzen Geländewagen. Lula und ich setzten uns in ihren Firebird, und wir fuhren los.
»Zu dumm, dass wir nicht in allen Wohnungen nachgucken konnten«, sagte Lula. »Weil, ich hatte nämlich so ein Gefühl bei dem Haus. Kann mir gut vorstellen, dassVinnie da versteckt wird.«
Das Mietshaus war für mich eine zu einfache Lösung. Ich kannte Bobby Sunflower zwar nicht persönlich, aber nach dem zu urteilen, was ich gehört hatte, war er nicht gerade ein Trottel. Wenn Bobby Sunflower wirklich hinter dieser Sache steckte, war Vinnie mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit nicht auf einem von Sunflowers Grundstücken. Solche Leute hatten ihre Finger in vielen Töpfen, und genau da war Vinnie meiner Meinung nach auch versteckt... in einem der vielen Töpfe.
»Und jetzt?«, fragte Lula.
»Setz mich bei Rangeman ab.«
3
Die Firma Rangeman sitzt in einem unauffälligen sechsstöckigen Gebäude an einer ruhigen Seitenstraße im Zentrum von Trenton. Wenn man nicht genau hinsieht, fällt die kleine Messingtafel neben der Tür gar nicht auf, die die schlichte Aufschrift RANGEMAN trägt. Kein anderes Schild weist auf die Firma hin. Rangers Privatgemächer befinden sich in der obersten Etage. Auf zwei weiteren Stockwerken sind die Wohnungen der Angestellten, und im Rest des Hauses ist seine Firma untergebracht, der Sicherheitsdienst Rangeman. Er bewacht Privathäuser und Gewerbeobjekte für Klienten, die ein hohes Sicherheitsbedürfnis haben. Außerdem übernimmt Rangeman gelegentlich Aufträge, bei denen Bodyguards gesucht sind, Tote aufgefunden werden und hin und wieder auch Leichen verschwinden müssen.
Als ich anfing, für meinen Cousin Vinnie zu arbeiten, unterstützte mich Ranger. Irgendwie ist er wohl immer noch mein Mentor, aber mittlerweile auch mein Freund, mein Beschützer, hin und wieder mein Arbeitgeber, und bei einer unvergesslichen Gelegenheit war er mein Liebhaber. Ich besitze einen elektronischen Schlüssel für die
© der deutschsprachigen Ausgabe 2012 by Wilhelm Goldmannverlag, München
... weniger
Autoren-Porträt von Janet Evanovich
Evanovich, JanetJanet Evanovich, die unangefochtene Meisterin turbulenter Komödien und Erfinderin der äußerst erfolgreichen Stephanie-Plum-Reihe, stammt aus New Jersey, und lebt heute in New Hampshire. Mit jedem ihrer Romane stürmt die mehrfach ausgezeichnete Autorin in den USA die Bestsellerlisten.
Bibliographische Angaben
- Autor: Janet Evanovich
- 2013, 320 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Fischer, Andrea
- Übersetzer: Andrea Fischer
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442475007
- ISBN-13: 9783442475001
- Erscheinungsdatum: 18.11.2013
Kommentare zu "Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16"
0 Gebrauchte Artikel zu „Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16".
Kommentar verfassen