Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen
Gibt es eine unsterbliche Seele?
Professor Günter Ewald, Naturwissenschaftler und Philosoph, wagt sich an eine völlig neue Interpretation von Nahtoderfahrungen und Auferstehungsglauben: Gibt es eine unsterbliche Seele? Aktuelle Ansätze in Hirnforschung und Quantenphysik...
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Produktinformationen zu „Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen “
Professor Günter Ewald, Naturwissenschaftler und Philosoph, wagt sich an eine völlig neue Interpretation von Nahtoderfahrungen und Auferstehungsglauben: Gibt es eine unsterbliche Seele? Aktuelle Ansätze in Hirnforschung und Quantenphysik lassen die christliche Hoffnung auf Auferstehung neu begründen.
Klappentext zu „Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen “
Gibt es so etwas wie eine unsterbliche Seele?Nicht nur Theologen, auch viele Medizinerund Naturwissenschaftler sind dieser Meinung.Tatsächlich weist die Erforschung sogenannterNahtoderfahrungen über ein reindiesseitiges Menschenbild hinaus und wirddabei durch die Quantenphysik unterstützt.Günter Ewald hat für sein aktuelles Buch neueNahtodberichte gesammelt und erklärt anschaulichdie wissenschaftlichen Hintergründeeiner erstaunlichen, auch in ihren religiösenFolgerungen bedeutsamen Entwicklung.
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Lese-Probe zu „Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen “
Auf den Spuren der Nahtoderfahrungen von Günter EwaldEinleitung
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„Und es gibt doch eine unsterbliche Seele!" So könnte man im Boulevardstil eine These formulieren, der wir auf seriösem Weg mit wissenschaftlichem Rüstzeug nachspüren möchten. In einer „aufgeklärten" Welt, in der sogar viele Theologen den alten Begriff als nicht mehr unserem Denken zumutbar erachten, melden sich ausgerechnet Mediziner und Naturwissenschaftler - denen man entgegenzukommen glaubte - zu Wort und reden von einem Bewusstsein, das sich vom Körper zu lösen vermag, oder in traditioneller Sprache von der unsterblichen Seele. Gibt es sie wirklich, und was können wir über sie sagen? Fliegt sie im Tod dem Körper davon wie ein Vogel und wird sie dabei auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, wie der Heidelberger Professor für Medizintechnik, Markolf Niemz, meint? So einfach ist es wohl nicht. Aber etwas Neues liegt in der Luft. Ein neues Verstehen von Mensch und Welt - lange vorbereitet durch die Quantenphysik - scheint nun endlich um sich zu greifen.
Einer der Anlässe und Grundlage für die neue Betrachtungsweise sind sogenannte Nahtoderfahrungen. Seit Raimond Moody 1975 in seinem Weltbestseller Leben nach dem Tod diesen Begriff geprägt hat, befasste sich zwar eine Anzahl Forscher damit. Es gab viele Einzelergebnisse. Aber der „Mainstream" der naturalistisch geprägten biologischen und medizinischen Wissenschaften konnte damit nicht umgelenkt werden.1 Das scheint sich nun zu ändern. Ein Markstein ist die Veröffentlichung einer Studie des niederländischen Kardiologen van Lommel in der angesehenen Medizinzeitschrift The Lancet im Jahr 2001. Anhand zahlreicher Aussagen von wiederbelebten Patienten über Erlebnisse bei Herzstillstand und deren Überprüfung wird wissenschaftlich plausibel, dass es Bewusstseinsvorgänge gibt, die nicht hirnbiologisch zustande kommen. Das ist ein Tabubruch mit unabsehbaren Konsequenzen.
Van Lommel hat diese Konsequenzen innerhalb des Rahmens verfolgt, in dem sie zu suchen sind: innerhalb eines durch die sogenannte Quantenphysik veränderten Welt-und Menschenbildes. Sein 2009 in Deutsch erschienenes Buch Endloses Bewusstsein. Neue medizinische Fakten zur Nahtoderfahrung ist ein erster umfassender Entwurf - mit Haken und äsen im quantentheoretischen Teil. Wir wollen mit einfachen Worten einige Grundüberlegungen darstellen und alternativ weiterführen. - Für diejenigen, die sich nicht mit einer oberflächlichen Rede von der quantenphysikalisch erweiterten Wirklichkeit zufriedengeben möchten, bohren wir - mit anschaulichen Hilfsmitteln - etwas tiefer (es kann überlesen werden). Ferner stellen wir eine Beziehung her zu dem aufschlussreichen Dialog, den Mitte des vorigen Jahrhunderts der Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli mit dem analytischen Psychologen Carl Gustav Jung geführt hat.
Wir belassen es aber nicht bei wissenschaftlichen Überlegungen. Die praktische Relevanz von Nahtoderfahrungen für diejenigen, die sie erleben, und für die, auf die sie ausstrahlen, ist außerordentlich. Sie birgt einen Schatz erneuerter und in spirituelle Weiten geöffneter Lebensauffassung, der nur langsam vom „Mainstream" der Menschen mit mäßigem religiösen Interesse entdeckt wird. Wegen seiner „Natürlichkeit" erweckt er sogar Misstrauen bei manchen Menschen, die weltanschaulich festgelegt sind. Hier sind viele konkrete Stimmen hilfreich, denen wir in einer Dokumentation von 25 neuen, original deutschsprachigen, mir zugesandten Erfahrungsberichten Raum geben. Von ausgesprochen pädagogischer Relevanz ist die Beobachtung, dass viele Kinder Nahtoderfahrungen haben und in Bedrängnis geraten, weil sie kein Verständnis finden für das, was sie darüber erzählen. Wir widmen dem ein eigenes Kapitel, ebenso wie dem Nachbargebiet der Begegnung mit Verstorbenen.
Praxis und theoretische Fundierung gehören letztlich wieder zusammen. Sie sind auch in unserem täglichen Leben nicht mehr voneinander zu trennen, schon gar nicht in unserer „wissenschaftsgläubigen" Welt. Denken durchdringt das Erleben, ist oft Voraussetzung, wenn man nicht leichtgläubig diversen Angeboten der Daseinsgestaltung folgen will. Das betrifft auch den religiösen Bereich. Wissenschaft dient aber nicht nur der kritischen Prüfung. Sie kann, wie wir am Beispiel der unsterblichen Seele zeigen möchten, auch neue Wege aufzeigen, uns ermutigen, in Neuland vorzudringen. Glaube ist nicht durch Wissenschaft ersetzbar. Aber die Zusammenschau beider birgt, wenn es um Nahtoderfahrungen und Seele geht, eine besondere Faszination.
I. Phänomene
1. Die Van-Lommel-Studie über Wiederbelebungen
Nahtoderfahrungen, wie sie seit Moodys Buch Leben nach dem Tod (1975) vielfach diskutiert wurden, sind nicht allgemein Sterbeerlebnisse, sondern Extremerfahrungen besonderer Art. Sie brauchen nicht einmal in - wirklicher oder psychologischer - Todesnähe zu geschehen, wenngleich sie im Umfeld des Todes besondere Bedeutung gewinnen. Allgemein definiert man sie durch bestimmte Merkmale, unter denen die folgenden deutlich hervorstechen:
- Außerkörpererfahrungen oder Schwebeerlebnisse, bei denen meist der eigene Körper von oben wahrgenommen wird, zusammen mit der Umgebung, etwa in einem OP Ärzte und Schwestern samt medizinischem Gerät.
- Tunnel-Licht-Erfahrungen, innerhalb derer sich der Erlebende durch einen dunklen, oft röhrenförmigen Bereich hindurch auf ein ungewöhnliches Licht zubewegt, das als Träger von Liebe und Geborgenheit empfunden wird.
- In diesem Licht Begegnung mit verstorbenen Freunden oder Verwandten, manchmal auch mit unbestimmten Lichtgestalten.
- Wahrnehmung eines Lebenspanoramas, in dem detailgenau und im Zeitraffertempo Szenen aus dem bisherigen Leben zu sehen sind.
- Enttäuschung über eine plötzliche Rückkehr in den - oft kranken - Leib; langfristig aber mehr verständnisvolles Engagement für andere Menschen und Glaube an ein Leben nach dem Tod.
- Hinzu kommen Farbwahrnehmungen, die Vision schöner Landschaften, Wahrnehmung einer Grenze oder Hören wunderbarer Musik und noch andere Erfahrungen.
- Schreckenserlebnisse treten ebenfalls auf, sind jedoch selten und oft vorübergehend.
Diese kennzeichnenden Merkmale sind prinzipiell unabhängig von Alter, Geschlecht, Rasse, Kultur und Religion, wenn sie davon auch in der Ausgestaltung beeinflusst werden. Sie kommen nicht alle in jedem Nahtoderlebnis vor. Je mehr von ihnen auftreten, desto „tiefer" ist die Nahtoderfahrung, wie man sagt. Weltweit hat man Tausende von Berichten derartiger Erlebnisse gesammelt.
Der niederländische Kardiologe Pim van Lommel, geboren 1943, hatte derartige Berichte zur Kenntnis genommen, als er sich 1986 einmal aktiv um die Kernfrage kümmerte, ob derartige Berichte nur subjektive, traumartige Erlebnisse wiedergeben oder ob da vielleicht doch etwas „Objektives" dran ist. Zunächst erkundigte er sich zwei Jahre lang in seiner Sprechstunde bei Patienten, die wiederbelebt worden waren, nach entsprechenden Erfahrungen. Er war überrascht, dass zwölf von fünfzig Befragten ihm teils intensive und sehr bewegende Berichte gaben.
Trotzdem: Wenn auch die Schilderungen überzeugend und glaubwürdig waren, reichten sie nicht für wissenschaftliche Schlussfolgerungen aus. Um zu solchen zu gelangen, bot sich aber gerade für Kardiologen ein Weg an: Befragungen von Wiederbelebten unmittelbar nach der Reanimation und Vergleich der Aussagen mit nachprüfbarem Geschehen im OP oder am Unfallort.
Van Lommel gelang es, eine Anzahl von Kollegen, Mitarbeitern und Psychologen zu gewinnen, mit denen er ein gut ausgearbeitetes Projekt in Gang setzen konnte. Zehn Kliniken in Arnheim und Umgebung beteiligten sich daran.
„Im Laufe von vier Jahren", so van Lommel, „von 1988 bis 1992, konnten wir konsekutiv 344 Patienten mit insgesamt 509 erfolgreichen Reanimationen in die Studie aufnehmen. Alle Patienten in unserer Studie waren zeitweilig klinisch tot gewesen. Als klinischen Tod definiert man die Phase der Bewusstlosigkeit, zu der es bei einem Herzstillstand oder einem akuten Herzinfarkt infolge unzureichender Durchblutung des Gehirns, eines Kreislaufzusammenbruchs und/oder eines Atemstillstandes kommt. Wenn in diesem Zustand keine Reanimation eingeleitet wird, tritt nach fünf bis zehn Minuten eine irreversible Schädigung der Gehirnzellen ein, und der Patient wird unweigerlich sterben. "2
Unter diesen Patienten fand man 62, die von einer Nahtoderfahrung berichteten, 41 davon mit mittlerer bis ausgeprägter Tiefe. Die weitere Befragung führte man auch bei ebenso vielen der übrigen Patienten mit vergleichbaren Lebensdaten als Kontrollgruppe durch. Überdies interviewte man nach zwei und nach acht Jahren die dann noch lebenden Befragten, um ein Bild von den Rückerinnerungen und auch den Lebensveränderungen zu gewinnen.
Die Ergebnisse der Untersuchung - man nennt sie heute kurz die Van-Lommel-Studie - waren derart beeindruckend hinsichtlich Inhalt und methodischer Durchführung, dass die renommierte Medizinzeitschrift The Lancet sie 2001 publizierte. Was den Inhalt angeht, bedeutete das eine Ungeheuerlichkeit. Denn hier wurde der Nachweis vorgestellt, dass es ein vom Gehirn unabhängiges menschliches Bewusstsein gibt, strikt entgegengesetzt dem in der klassischen Medizin üblichen „naturalistischen" Weltbild.
Vergegenwärtigen wir uns einige weitere der wichtigsten Aussagen der Studie:
Von den 62 Befragten mit Nahtoderfahrung hatten 15, also etwa jeder vierte, das genannte Merkmal einer Außerkörpererfahrung, das sich für die Leib-Seele-Frage als besonders bedeutsam erweist. 19 bewegten sich durch einen „Tunnel", 14 kommunizierten mit Gestalten im Licht und zwanzig begegneten verstorbenen Freunden oder Angehörigen. Acht erfuhren eine Lebensrückschau. Auch andere Merkmale waren vertreten: Besonders viele, nämlich 18, nahmen eine himmlische Landschaft wahr. Niemand schilderte eine Furcht einflößende oder schlechte Erfahrung.
Bei erneuten Befragungen der Überlebenden nach zwei und acht Jahren ging es neben einer kontrollierenden Wiederholung früherer Fragen vor allem um die Langzeitwirkung der Nahtoderlebnisse. Man erkundigte sich nach Veränderungen in den sozialen und religiösen Anschauungen sowie Verhaltensweisen. Hier spielte die Kontrollgruppe eine besondere Rolle, da ja das Erlebnis eines Herzstillstandes und der Wiederbelebung selbst einschneidende Veränderungen im Verhältnis zum Leben erwarten ließen. Das bestätigte sich auch; der Unterschied lag jedoch im Umfang. So waren nach zwei (acht) Jahren 42% (78%) der Befragen mit Nahtoderlebnis der Meinung, dass sie vermehrt „eigene Gefühle zeigen", von den anderen 16% (58%). Entsprechend war das Verhältnis bei der Frage „liebevoller, empathischer" 52% (68%) zu 25% (50%), bei „mehr Einsicht in den Sinn des Lebens" 52% (57%) zu 33% (66%!) und bei stärkerem „Glauben an ein Leben nach dem Tod" 36% (42%) zu 16% (16 %).3
Einschneidender als die zahlenmäßigen Aussagen ist indessen die Tatsache selbst, dass Patienten aus der Phase des Herzstillstandes heraus berichteten, was sie sahen und erlebten. Kann man bei nachträglichen Erzählungen noch Fantasie oder falsche Erinnerung vermuten, so bestand hier die Möglichkeit, Behauptungen konkret nachzuprüfen. Besonders eindrucksvoll ist folgendes Beispiel, das wir in den Worten eines aktiven Pflegers wiedergeben:
„Während der Nachtschicht liefert der Rettungswagen einen 44 Jahre alten, bereits bläulich-violett verfärbten, komatösen Mann auf der kardiologischen Station ein. Passanten hatten ihn etwa eine Stunde zuvor in einem Park gefunden und bisher lediglich mit Herzmassage begonnen. Nach seiner Ankunft im Krankenhaus wird er mit Beutel und Maske beatmet, erhält Herzmassage und wird defibrilliert. Als ich die Beatmung übernehme und den Patienten intubieren will, fällt mir auf, dass er noch ein künstliches Gebiss trägt. Vor der Intubation entferne ich den oberen Teil der Prothese und lege sie auf den Instrumentenwagen. In der Zwischenzeit setzen wir die Maßnahmen zur erweiterten Reanimation fort. Nach etwa anderthalb Stunden hat der Patient zwar wieder einen ausreichend stabilen Herzrhythmus und Blutdruck, er wird aber noch beatmet ... Eine Woche später, bei der Medikamentenausgabe, begegne ich dem Patienten, der gerade auf die Kardiologie verlegt wurde, wieder. Als er mich sieht, sagt er: ,Oh, dieser Pfleger weiß, wo mein Gebiss liegt ... Sie waren doch dabei, als ich ins Krankenhaus kam, und haben mir das Gebiss aus dem Mund genommen und es auf einen Wagen gelegt, auf dem alle möglichen Flaschen standen. Er hatte so eine ausziehbare Schublade, und in die haben Sie meine Zähne gelegt. ‘"4
Wie der Patient M. noch weiter erzählte, hatte er alles in einem Schwebeerlebnis von oben, unter der Zimmerdecke schwebend, beobachtet. Die Angaben stimmten genau. - Hier sind wir bei dem vielleicht gravierendsten Punkt der Van-Lommel-Studie: Man konnte sowohl feststellen, dass das Außerkörpererlebnis sich während des Herzstillstandes vollzog, wie auch die Angaben des Patienten genau überprüfen.
An diesem Beispiel entzündete sich eine Diskussion, die illustriert, wie das Ringen um ein neues Menschenbild mit wissenschaftlicher Schärfe geführt wird. Es erscheint lohnenswert, ihr ein eigenes Kapitel zu widmen, ehe wir mit den allgemeinen Betrachtungen fortfahren.
2. Die Geschichte mit dem künstlichen Gebiss
Die in den USA erscheinende Zeitschrift Journal of Near-Death Studies ist ein seriöses Organ, wohl das führende hinsichtlich Berichterstattung und wissenschaftlicher Diskussion über die Szenerie der Nahtoderfahrungen. Sie veröffentlichte im Jahr 2008 einen Beitrag des Niederländers R. H. Smit über die genaueren Umstände und den Ablauf der Wiederbelebung des Patienten M., wie er im vorigen Kapitel geschildert wurde. Insbesondere erzählte darin der Pfleger „TG" in einem Interview, wie er vom Kopfende des Patienten aus die Reanimation durchführte, einschließlich der Geschichte mit dem herausgenommenen künstlichen Gebiss. - Ein in den Niederlanden arbeitender australischer Anästhesist, G. M. Woerlee, selbst in Reanimationen erfahren, reagierte vehement in einer Skeptiker-Zeitschrift und interpretierte die Argumente von Smit so, dass eine hirnbiologische Erklärung dafür herauskam, warum Patient M. während des Herzstillstandes die Einzelheiten der Herausnahme seines künstlichen Gebisses wahrnehmen und später schildern konnte. Ein Kernpunkt seiner Argumentation besagte Folgendes: Wie dargelegt, wurde bei der Reanimation eine Beatmungsmaschine benutzt. Es ist bekannt, dass bei dem hierbei wieder einsetzenden Blutfluss das Bewusstsein in Anfängen wiederkehren kann, noch ehe das Herz wieder zu schlagen beginnt. Patient M. konnte also sehr wohl die Herausnahme des künstlichen Gebisses und dessen Lagerung im Instrumentenwagen in ganz gewöhnlicher Weise wahrgenommen haben.
...
© 2011 Butzon & Bercker GmbH
„Und es gibt doch eine unsterbliche Seele!" So könnte man im Boulevardstil eine These formulieren, der wir auf seriösem Weg mit wissenschaftlichem Rüstzeug nachspüren möchten. In einer „aufgeklärten" Welt, in der sogar viele Theologen den alten Begriff als nicht mehr unserem Denken zumutbar erachten, melden sich ausgerechnet Mediziner und Naturwissenschaftler - denen man entgegenzukommen glaubte - zu Wort und reden von einem Bewusstsein, das sich vom Körper zu lösen vermag, oder in traditioneller Sprache von der unsterblichen Seele. Gibt es sie wirklich, und was können wir über sie sagen? Fliegt sie im Tod dem Körper davon wie ein Vogel und wird sie dabei auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, wie der Heidelberger Professor für Medizintechnik, Markolf Niemz, meint? So einfach ist es wohl nicht. Aber etwas Neues liegt in der Luft. Ein neues Verstehen von Mensch und Welt - lange vorbereitet durch die Quantenphysik - scheint nun endlich um sich zu greifen.
Einer der Anlässe und Grundlage für die neue Betrachtungsweise sind sogenannte Nahtoderfahrungen. Seit Raimond Moody 1975 in seinem Weltbestseller Leben nach dem Tod diesen Begriff geprägt hat, befasste sich zwar eine Anzahl Forscher damit. Es gab viele Einzelergebnisse. Aber der „Mainstream" der naturalistisch geprägten biologischen und medizinischen Wissenschaften konnte damit nicht umgelenkt werden.1 Das scheint sich nun zu ändern. Ein Markstein ist die Veröffentlichung einer Studie des niederländischen Kardiologen van Lommel in der angesehenen Medizinzeitschrift The Lancet im Jahr 2001. Anhand zahlreicher Aussagen von wiederbelebten Patienten über Erlebnisse bei Herzstillstand und deren Überprüfung wird wissenschaftlich plausibel, dass es Bewusstseinsvorgänge gibt, die nicht hirnbiologisch zustande kommen. Das ist ein Tabubruch mit unabsehbaren Konsequenzen.
Van Lommel hat diese Konsequenzen innerhalb des Rahmens verfolgt, in dem sie zu suchen sind: innerhalb eines durch die sogenannte Quantenphysik veränderten Welt-und Menschenbildes. Sein 2009 in Deutsch erschienenes Buch Endloses Bewusstsein. Neue medizinische Fakten zur Nahtoderfahrung ist ein erster umfassender Entwurf - mit Haken und äsen im quantentheoretischen Teil. Wir wollen mit einfachen Worten einige Grundüberlegungen darstellen und alternativ weiterführen. - Für diejenigen, die sich nicht mit einer oberflächlichen Rede von der quantenphysikalisch erweiterten Wirklichkeit zufriedengeben möchten, bohren wir - mit anschaulichen Hilfsmitteln - etwas tiefer (es kann überlesen werden). Ferner stellen wir eine Beziehung her zu dem aufschlussreichen Dialog, den Mitte des vorigen Jahrhunderts der Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli mit dem analytischen Psychologen Carl Gustav Jung geführt hat.
Wir belassen es aber nicht bei wissenschaftlichen Überlegungen. Die praktische Relevanz von Nahtoderfahrungen für diejenigen, die sie erleben, und für die, auf die sie ausstrahlen, ist außerordentlich. Sie birgt einen Schatz erneuerter und in spirituelle Weiten geöffneter Lebensauffassung, der nur langsam vom „Mainstream" der Menschen mit mäßigem religiösen Interesse entdeckt wird. Wegen seiner „Natürlichkeit" erweckt er sogar Misstrauen bei manchen Menschen, die weltanschaulich festgelegt sind. Hier sind viele konkrete Stimmen hilfreich, denen wir in einer Dokumentation von 25 neuen, original deutschsprachigen, mir zugesandten Erfahrungsberichten Raum geben. Von ausgesprochen pädagogischer Relevanz ist die Beobachtung, dass viele Kinder Nahtoderfahrungen haben und in Bedrängnis geraten, weil sie kein Verständnis finden für das, was sie darüber erzählen. Wir widmen dem ein eigenes Kapitel, ebenso wie dem Nachbargebiet der Begegnung mit Verstorbenen.
Praxis und theoretische Fundierung gehören letztlich wieder zusammen. Sie sind auch in unserem täglichen Leben nicht mehr voneinander zu trennen, schon gar nicht in unserer „wissenschaftsgläubigen" Welt. Denken durchdringt das Erleben, ist oft Voraussetzung, wenn man nicht leichtgläubig diversen Angeboten der Daseinsgestaltung folgen will. Das betrifft auch den religiösen Bereich. Wissenschaft dient aber nicht nur der kritischen Prüfung. Sie kann, wie wir am Beispiel der unsterblichen Seele zeigen möchten, auch neue Wege aufzeigen, uns ermutigen, in Neuland vorzudringen. Glaube ist nicht durch Wissenschaft ersetzbar. Aber die Zusammenschau beider birgt, wenn es um Nahtoderfahrungen und Seele geht, eine besondere Faszination.
I. Phänomene
1. Die Van-Lommel-Studie über Wiederbelebungen
Nahtoderfahrungen, wie sie seit Moodys Buch Leben nach dem Tod (1975) vielfach diskutiert wurden, sind nicht allgemein Sterbeerlebnisse, sondern Extremerfahrungen besonderer Art. Sie brauchen nicht einmal in - wirklicher oder psychologischer - Todesnähe zu geschehen, wenngleich sie im Umfeld des Todes besondere Bedeutung gewinnen. Allgemein definiert man sie durch bestimmte Merkmale, unter denen die folgenden deutlich hervorstechen:
- Außerkörpererfahrungen oder Schwebeerlebnisse, bei denen meist der eigene Körper von oben wahrgenommen wird, zusammen mit der Umgebung, etwa in einem OP Ärzte und Schwestern samt medizinischem Gerät.
- Tunnel-Licht-Erfahrungen, innerhalb derer sich der Erlebende durch einen dunklen, oft röhrenförmigen Bereich hindurch auf ein ungewöhnliches Licht zubewegt, das als Träger von Liebe und Geborgenheit empfunden wird.
- In diesem Licht Begegnung mit verstorbenen Freunden oder Verwandten, manchmal auch mit unbestimmten Lichtgestalten.
- Wahrnehmung eines Lebenspanoramas, in dem detailgenau und im Zeitraffertempo Szenen aus dem bisherigen Leben zu sehen sind.
- Enttäuschung über eine plötzliche Rückkehr in den - oft kranken - Leib; langfristig aber mehr verständnisvolles Engagement für andere Menschen und Glaube an ein Leben nach dem Tod.
- Hinzu kommen Farbwahrnehmungen, die Vision schöner Landschaften, Wahrnehmung einer Grenze oder Hören wunderbarer Musik und noch andere Erfahrungen.
- Schreckenserlebnisse treten ebenfalls auf, sind jedoch selten und oft vorübergehend.
Diese kennzeichnenden Merkmale sind prinzipiell unabhängig von Alter, Geschlecht, Rasse, Kultur und Religion, wenn sie davon auch in der Ausgestaltung beeinflusst werden. Sie kommen nicht alle in jedem Nahtoderlebnis vor. Je mehr von ihnen auftreten, desto „tiefer" ist die Nahtoderfahrung, wie man sagt. Weltweit hat man Tausende von Berichten derartiger Erlebnisse gesammelt.
Der niederländische Kardiologe Pim van Lommel, geboren 1943, hatte derartige Berichte zur Kenntnis genommen, als er sich 1986 einmal aktiv um die Kernfrage kümmerte, ob derartige Berichte nur subjektive, traumartige Erlebnisse wiedergeben oder ob da vielleicht doch etwas „Objektives" dran ist. Zunächst erkundigte er sich zwei Jahre lang in seiner Sprechstunde bei Patienten, die wiederbelebt worden waren, nach entsprechenden Erfahrungen. Er war überrascht, dass zwölf von fünfzig Befragten ihm teils intensive und sehr bewegende Berichte gaben.
Trotzdem: Wenn auch die Schilderungen überzeugend und glaubwürdig waren, reichten sie nicht für wissenschaftliche Schlussfolgerungen aus. Um zu solchen zu gelangen, bot sich aber gerade für Kardiologen ein Weg an: Befragungen von Wiederbelebten unmittelbar nach der Reanimation und Vergleich der Aussagen mit nachprüfbarem Geschehen im OP oder am Unfallort.
Van Lommel gelang es, eine Anzahl von Kollegen, Mitarbeitern und Psychologen zu gewinnen, mit denen er ein gut ausgearbeitetes Projekt in Gang setzen konnte. Zehn Kliniken in Arnheim und Umgebung beteiligten sich daran.
„Im Laufe von vier Jahren", so van Lommel, „von 1988 bis 1992, konnten wir konsekutiv 344 Patienten mit insgesamt 509 erfolgreichen Reanimationen in die Studie aufnehmen. Alle Patienten in unserer Studie waren zeitweilig klinisch tot gewesen. Als klinischen Tod definiert man die Phase der Bewusstlosigkeit, zu der es bei einem Herzstillstand oder einem akuten Herzinfarkt infolge unzureichender Durchblutung des Gehirns, eines Kreislaufzusammenbruchs und/oder eines Atemstillstandes kommt. Wenn in diesem Zustand keine Reanimation eingeleitet wird, tritt nach fünf bis zehn Minuten eine irreversible Schädigung der Gehirnzellen ein, und der Patient wird unweigerlich sterben. "2
Unter diesen Patienten fand man 62, die von einer Nahtoderfahrung berichteten, 41 davon mit mittlerer bis ausgeprägter Tiefe. Die weitere Befragung führte man auch bei ebenso vielen der übrigen Patienten mit vergleichbaren Lebensdaten als Kontrollgruppe durch. Überdies interviewte man nach zwei und nach acht Jahren die dann noch lebenden Befragten, um ein Bild von den Rückerinnerungen und auch den Lebensveränderungen zu gewinnen.
Die Ergebnisse der Untersuchung - man nennt sie heute kurz die Van-Lommel-Studie - waren derart beeindruckend hinsichtlich Inhalt und methodischer Durchführung, dass die renommierte Medizinzeitschrift The Lancet sie 2001 publizierte. Was den Inhalt angeht, bedeutete das eine Ungeheuerlichkeit. Denn hier wurde der Nachweis vorgestellt, dass es ein vom Gehirn unabhängiges menschliches Bewusstsein gibt, strikt entgegengesetzt dem in der klassischen Medizin üblichen „naturalistischen" Weltbild.
Vergegenwärtigen wir uns einige weitere der wichtigsten Aussagen der Studie:
Von den 62 Befragten mit Nahtoderfahrung hatten 15, also etwa jeder vierte, das genannte Merkmal einer Außerkörpererfahrung, das sich für die Leib-Seele-Frage als besonders bedeutsam erweist. 19 bewegten sich durch einen „Tunnel", 14 kommunizierten mit Gestalten im Licht und zwanzig begegneten verstorbenen Freunden oder Angehörigen. Acht erfuhren eine Lebensrückschau. Auch andere Merkmale waren vertreten: Besonders viele, nämlich 18, nahmen eine himmlische Landschaft wahr. Niemand schilderte eine Furcht einflößende oder schlechte Erfahrung.
Bei erneuten Befragungen der Überlebenden nach zwei und acht Jahren ging es neben einer kontrollierenden Wiederholung früherer Fragen vor allem um die Langzeitwirkung der Nahtoderlebnisse. Man erkundigte sich nach Veränderungen in den sozialen und religiösen Anschauungen sowie Verhaltensweisen. Hier spielte die Kontrollgruppe eine besondere Rolle, da ja das Erlebnis eines Herzstillstandes und der Wiederbelebung selbst einschneidende Veränderungen im Verhältnis zum Leben erwarten ließen. Das bestätigte sich auch; der Unterschied lag jedoch im Umfang. So waren nach zwei (acht) Jahren 42% (78%) der Befragen mit Nahtoderlebnis der Meinung, dass sie vermehrt „eigene Gefühle zeigen", von den anderen 16% (58%). Entsprechend war das Verhältnis bei der Frage „liebevoller, empathischer" 52% (68%) zu 25% (50%), bei „mehr Einsicht in den Sinn des Lebens" 52% (57%) zu 33% (66%!) und bei stärkerem „Glauben an ein Leben nach dem Tod" 36% (42%) zu 16% (16 %).3
Einschneidender als die zahlenmäßigen Aussagen ist indessen die Tatsache selbst, dass Patienten aus der Phase des Herzstillstandes heraus berichteten, was sie sahen und erlebten. Kann man bei nachträglichen Erzählungen noch Fantasie oder falsche Erinnerung vermuten, so bestand hier die Möglichkeit, Behauptungen konkret nachzuprüfen. Besonders eindrucksvoll ist folgendes Beispiel, das wir in den Worten eines aktiven Pflegers wiedergeben:
„Während der Nachtschicht liefert der Rettungswagen einen 44 Jahre alten, bereits bläulich-violett verfärbten, komatösen Mann auf der kardiologischen Station ein. Passanten hatten ihn etwa eine Stunde zuvor in einem Park gefunden und bisher lediglich mit Herzmassage begonnen. Nach seiner Ankunft im Krankenhaus wird er mit Beutel und Maske beatmet, erhält Herzmassage und wird defibrilliert. Als ich die Beatmung übernehme und den Patienten intubieren will, fällt mir auf, dass er noch ein künstliches Gebiss trägt. Vor der Intubation entferne ich den oberen Teil der Prothese und lege sie auf den Instrumentenwagen. In der Zwischenzeit setzen wir die Maßnahmen zur erweiterten Reanimation fort. Nach etwa anderthalb Stunden hat der Patient zwar wieder einen ausreichend stabilen Herzrhythmus und Blutdruck, er wird aber noch beatmet ... Eine Woche später, bei der Medikamentenausgabe, begegne ich dem Patienten, der gerade auf die Kardiologie verlegt wurde, wieder. Als er mich sieht, sagt er: ,Oh, dieser Pfleger weiß, wo mein Gebiss liegt ... Sie waren doch dabei, als ich ins Krankenhaus kam, und haben mir das Gebiss aus dem Mund genommen und es auf einen Wagen gelegt, auf dem alle möglichen Flaschen standen. Er hatte so eine ausziehbare Schublade, und in die haben Sie meine Zähne gelegt. ‘"4
Wie der Patient M. noch weiter erzählte, hatte er alles in einem Schwebeerlebnis von oben, unter der Zimmerdecke schwebend, beobachtet. Die Angaben stimmten genau. - Hier sind wir bei dem vielleicht gravierendsten Punkt der Van-Lommel-Studie: Man konnte sowohl feststellen, dass das Außerkörpererlebnis sich während des Herzstillstandes vollzog, wie auch die Angaben des Patienten genau überprüfen.
An diesem Beispiel entzündete sich eine Diskussion, die illustriert, wie das Ringen um ein neues Menschenbild mit wissenschaftlicher Schärfe geführt wird. Es erscheint lohnenswert, ihr ein eigenes Kapitel zu widmen, ehe wir mit den allgemeinen Betrachtungen fortfahren.
2. Die Geschichte mit dem künstlichen Gebiss
Die in den USA erscheinende Zeitschrift Journal of Near-Death Studies ist ein seriöses Organ, wohl das führende hinsichtlich Berichterstattung und wissenschaftlicher Diskussion über die Szenerie der Nahtoderfahrungen. Sie veröffentlichte im Jahr 2008 einen Beitrag des Niederländers R. H. Smit über die genaueren Umstände und den Ablauf der Wiederbelebung des Patienten M., wie er im vorigen Kapitel geschildert wurde. Insbesondere erzählte darin der Pfleger „TG" in einem Interview, wie er vom Kopfende des Patienten aus die Reanimation durchführte, einschließlich der Geschichte mit dem herausgenommenen künstlichen Gebiss. - Ein in den Niederlanden arbeitender australischer Anästhesist, G. M. Woerlee, selbst in Reanimationen erfahren, reagierte vehement in einer Skeptiker-Zeitschrift und interpretierte die Argumente von Smit so, dass eine hirnbiologische Erklärung dafür herauskam, warum Patient M. während des Herzstillstandes die Einzelheiten der Herausnahme seines künstlichen Gebisses wahrnehmen und später schildern konnte. Ein Kernpunkt seiner Argumentation besagte Folgendes: Wie dargelegt, wurde bei der Reanimation eine Beatmungsmaschine benutzt. Es ist bekannt, dass bei dem hierbei wieder einsetzenden Blutfluss das Bewusstsein in Anfängen wiederkehren kann, noch ehe das Herz wieder zu schlagen beginnt. Patient M. konnte also sehr wohl die Herausnahme des künstlichen Gebisses und dessen Lagerung im Instrumentenwagen in ganz gewöhnlicher Weise wahrgenommen haben.
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Autoren-Porträt von Günter Ewald
Günter Ewald, Dr. rer. nat., 1929-2015; Studium der Mathematik, Physik, Chemie und Philosophie; bis zu seiner Emeritierung 1994 Professor für Mathematik in den USA und in Bochum; Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu Tod und Auferstehung aus naturwissenschaftlicher Sicht.
Bibliographische Angaben
- Autor: Günter Ewald
- 2011, 5. Aufl., 176 Seiten, Maße: 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Butzon & Bercker
- ISBN-10: 3766615440
- ISBN-13: 9783766615442
- Erscheinungsdatum: 27.09.2011
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