Berlusconi Zampano
zu begünstigen. In schwieriger Recherchearbeit haben die...
zu begünstigen. In schwieriger Recherchearbeit haben die Autoren zahlreiche Weggefährten Berlusconis ausfindig gemacht. Hier präsentieren sie ein Psychogramm des italienischen Tango-corrupti-Strippenziehers: sein Werdegang, seine Kontakte zur Mafia und zur Geheimloge P2, sein Firmengeflecht... Das packende Bild einer mitunter grotesken Persönlichkeit.
Wie kann es sein, dass ein Mann, der sein Amt vorwiegend dazu missbraucht, um seine eigenen Wirtschafts- und Finanzinteressen zu begünstigen, der am längsten amtierende Ministerpräsident Italiens geworden ist?
In schwieriger Recherchearbeit haben die Autoren zahlreiche Weggenossen von SB ausfindig gemacht und präsentieren hier ein Psychogramm des italienischen Tango-corrupti-Strippenziehers. Sie schildern Berlusconis Werdegang, beschreiben seine Freunde und seine Kontakte zur Mafia und zur Geheimloge P2. Staunend erfahren wir düstere Details von Berlusconis unaufhaltsamem wirtschaftlichen Expansionskurs, verbunden mit dem Erwerb kommerzieller Fernsehsender in Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland. Ein eigenes Kapitel widmet sich seinem europaweiten Einfluss, seiner Zusammenarbeit mit Leo Kirch und seiner Verstrickung in Geldwäschesysteme in der Schweiz. Mit einem vom Forbes Magazine geschätzten Privatvermögen in Höhe von 12 Milliarden Euro (2004: 10 Milliarden) gehört Berlusconi heute zu den 50 Reichsten der Welt. Seine Mediengruppe Mediaset kontrolliert direkt oder indirekt 70 % der italienischen Medien.
'Berlusconi Zampano' - ein erschreckendes Buch? Ja! Aber auch eine erheiternde Lektüre. Denn die persönlichen Charakterzüge des charismatischen Hauptdarstellers würden einer Opera buffa durchaus zur Ehre gereichen. Das Bild eines Mannes entsteht, der sich für den Größten hält: den größten Politiker, Wirtschaftsmagnaten, Sänger, Entertainer, Schauspieler, Charmeur und Liebhaber.
Wie kann es sein, dass in Italien ein Ministerpräsident regiert, der wegen Meineides bereits rechtskräftig verurteilt ist, dem die Staatsanwaltschaft heute Bilanzfälschung und Steuerhinterziehung vorwirft? Dieses Buch berichtet auf der Basis präziser Recherchen über Berlusconis Werdegang und seine Freunde, sein internationales Firmengeflecht und sein Medienimperium. Auch seine erstaunliche Persönlichkeit kommt zur Sprache, sein Charis
ma, sein Machtstreben, nicht zuletzt auch sein übersteigertes Selbst- und Sendungsbewusstsein, das mitunter witzigere Blüten treibt als jede Politsatire.
"'Berlusconi Zampano' ist kein chronologisch, sondern ein thematisch geordnetes Werk. Zeitsprünge, aber auch all die Verbindungen und Verstrickungen machen es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Aber genau so ist ja auch das 'System Berlusconi' organisiert!" - . Fränkischer Tag
Berlusconi Zampano von Udo Gümpel und Ferruccio Pinotti mit DalbertHallenstein
LESEPROBE
Vorwort
Europa schaut gelangweilt weg, während in Italien dieDemokratie
in Gefahr geraten ist. Und wie weit der Schaden durch
eine andere Regierung noch behoben werden kann, istangesichts
seines Ausmaßes offen: Zu tief sind die Wunden, die unter
Berlusconi ins soziale und politische Gewebe des Landes
geschnitten worden sind. Ein Mann und seine unbedingtentschlossene
Gefolgschaft haben es auf eine Weise verändert, die
ein böses Omen für die Entwicklung der Demokratie auf dem
ganzen Kontinent ist. Dabei hat es an warnenden Stimmen
nicht gefehlt - aber passiert ist nichts.
Zwei Grundpfeiler einer modernen Demokratie des 21.Jahrhunderts
stehen im Italien, das von Berlusconi verformt worden
ist, nicht mehr gerade. Nach fünf Jahren seiner Herrschaft
wird zwar niemand verhaftet, weil er auf der Straße Parolengegen
die Regierung ruft, aber der Zugang zu den Massenmedien
ist auf eine beispiellose Art reglementiert.
Es gibt keine andere Demokratie auf der Welt, in welcher der
Regierungschef gleichzeitig Eigentümer der wichtigstenprivaten
Medien ist und das Staatsfernsehen per Regierungsmehrheit
nicht nur kontrolliert, sondern dirigiert - neben seinen
großen direkten und indirekten Beteiligungen an Finanzdienstleistern,
Banken und Versicherungen, selbst an der italienischen
Zentralbank ist Berlusconi über die Capitalia-Bank
beteiligt. Eine freie Presse ist jedoch die Grundlage einermodernen
Demokratie. Sie muss das von den Mächtigen unkontrollierbare
Korrektiv sein, unabhängig von Wirtschaft, Politik
und Staat. So das Ideal - aber Italien ist davon so weitabgekommen,
dass es in diesem spezifischen Punkt zum Outsider
in Westeuropa wurde. In Italien ist die Presse in ihrerübergro-
ßen Mehrheit nicht mehr frei im herkömmlichen demokratischen
Sinne, vor allem auch nicht das Fernsehen, die wichtigste
Informationsquelle der Italiener. Die Beobachter außerhalb
des Landes sollten sich allerdings keine Illusionen machen:
Die Konzentration im Medienbereich auch in anderen Ländern
Europas ist im Jahre 2006 schon längst so weit, dass die
Schwelle zur vorherrschenden Medien- und Meinungsmacht
schnell erreicht und überschritten wird.
Die freie Meinungsbildung beruht auf dem uneingeschränkten
Zugang zu unterschiedlichen Informationsquellen.
In Italien wird dieser Zugang extrem eingeschränkt, weil
die von neun Zehnteln der Bevölkerung genutzten Medien der
Kontrolle eines Mannes und seiner auf ihn eingeschworenen
Gefolgsleute unterliegen. Das Internet ist noch frei - abervergleichsweise
wenige Italiener informieren sich bei fremdsprachigen
Quellen.
Ein zweiter Eckpfeiler der Demokratie ist eine unabhängige
Justiz. Nach fünf Jahren Berlusconi-»Reformen« ist diesederart
zurechtgestutzt worden im Sinne der Interessen desRegierungschefs,
dass es wohl einfacher gewesen wäre, man hätte
stattdessen gleich nur ein einziges Statut erlassen:»Berlusconi
steht über dem Gesetz, egal, was auch immer er tut.« Nur das
war der Sinn aller Abänderungen der Strafgesetze, derVerkürzung
der Verjährungsfristen, der »Reformen«, die die Justiz
Italiens von den gemeinsamen Werten Europas meilenweit
entfernt haben.
Dass Italien nach den Jahren des furiosen Wachstums, nach
der Rückkehr ins Herz Europas unter Romano Prodi, das
Schlusslicht der wirtschaftlichen Entwicklung wurde, einLand,
das die Investoren meiden - auch dies ist ein Ergebnis derBerlusconi-
Regierung.
In der Weltwirtschaft braucht man Verlässlichkeit gerade
der Zahlenwerke, mit denen Unternehmen eingeschätzt werden
können: In der Folge des Enron-Skandals haben die USA
zum Beispiel die Strafen für Bilanzfälschung deutlichherauf-
gesetzt. Ganz anders hat sich Italien entwickelt, dort istdie Fälschung
einer Bilanz unter Berlusconi beinah zum Kavaliersdelikt
geworden.
Es ist ein seltsames Land, dieses Italien unter Berlusconi.Da
beschließen die treuen Gefolgsleute des Regierungschefs ein
Mediengesetz, das eine reguläre staatliche Ausschreibung der
Sendefrequenzen annulliert - weil einer der drei SenderBerlusconis
diesen öffentlichen Wettbewerb nicht gewonnen hat,
sondern ein Outsider. Es ist fast wie im Wilden Westen: Eswird
zwar nicht geschossen, aber man beschließt absurde,peinliche
und offenkundig verfassungswidrige Gesetze. Bevor die Klagen
auf Verfassungswidrigkeit dann durch die Instanzen gegangen
sind, sind mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte ins
Land gezogen. So lange aber gilt das Unrecht - und wird,
scheints, von allen akzeptiert. Wie ebenjener legalisierteDiebstahl
der Fernsehfrequenzen - gegen den sich seinerzeit auch
nicht der Protest der Opposition erhob.
Da beschließt die Regierung, einen digitalen Fernsehdecoder
zu fördern, und vergibt einen Zuschuss von 130 Millionen
Euro - den schließlich eine Firma des Bruders von Berlusconi
erhält. Daneben gibt es andere Begünstigte. Hat sichdaraufhin
ein Proteststurm im Lande erhoben? Die Menschen sind müde,
oder sie wissen vielfach nicht, dass man schon nachWeißrussland
gehen muss, um eine ähnliche Macht des Regierungschefs
über Volk und Parlament zu finden.
Schon einmal in der jüngeren Geschichte Italiens hat eine
kleine, aber entschlossene Gruppe von Personen das Land
überraschend schnell in den Griff bekommen. Darüber sind
sich die Historiker heute einig: Im faschistischen Italiengab es
wenige Faschisten, noch weniger Antifaschisten, dafür abereine
große Masse an willigen Mitläufern. Als der italienische
Diktator Benito Mussolini 1931 von allen Universitätslehrern
den Treueid auf den Faschismus verlangte, hoffte er,obgleich
die große Masse der Professoren gar nicht Parteimitgliederwaren,
trotzdem auf eine Mehrheit. Es sollte mehr als das sein:
Von den abstimmungsberechtigten 1848 Professoren stimmten
nur zwölf nicht für ihn.
Es war der ungeheure Sog der Macht, der die allermeisten
Italiener damals dazu brachte, sich dem Diktatorbereitwillig
unterzuordnen. Nach dem Sieg der Alliierten blieben die 1836
Professoren, die für Mussolini gestimmt hatten, auf ihren
Hochstühlen sitzen - viele werden ihren Kindern vonheroischen
Aktionen des Widerstandes, zumindest von »innerer
Opposition« erzählt haben, werden die eigene Rolle alsStützen
des Regimes kleingeredet, sich eine neue Biographiezurechtgelegt
haben, wie es der Historiker Gianni Oliva treffendbeschrieb,
der von einer »grauen Linie« der Kontinuität zwischen
der damaligen Mehrheit und dem heutigen Italien gesprochen
hat, der Kontinuität einer Unterordnung, der bravenGefolgsamkeit.
Unter der Oberfläche des heutigen Italien liegen in weiten
Bereichen noch immer die Grundstrukturen der faschistischen
Gesellschaft. Die erste und augenfälligste ist dabei, dassdie
Parteien in Italien nicht vom Körper des Staates getrenntsind,
dem Parteipolitiker steht nicht ein Staatsdiener derRepublik
gegenüber. Beide, die Parteien und der Staat, sind organisch
verschmolzene Einheiten, die nur partiell in Konfliktgeraten
können, sich aber immer wieder finden werden. Es ist kein
Verhältnis von Gleichberechtigten, es ist die Partei, diedas
Kommando führt, der sich der Staatsangestellte bereitwillig
unterordnet, deren Mitgliedschaft er erwirbt, um derenGunsterweise
er buhlt, die ihn befördert, begünstigt, ihm die Privilegien
zuordnet. Ein italienischer Staatsdiener, welcher der
Mehrheitspartei in seinem Zuständigkeitsbereich - Gemeinde,
Provinz, Region oder Staat - offen widerspricht, muss wohl
noch geboren werden. So hat die abfällige Beschreibung des
Systems der politischen Macht im Nachkriegsitalien als cattocomunismo
den Kern durchaus getroffen: Die Großparteien waren
in ihren jeweiligen Einflussbereichen absolute Herrscher,
ungeachtet der scheinbaren Unterschiedlichkeit ihrer gekrön-
ten oder virtuellen Oberhäupter, hier der Papst alsspiritueller
Orientierungspunkt und das Hauptquartier derChristdemokraten
an der Piazza del Gesù als realer Anlaufpunkt - oder der
einbalsamierte Lenin als Referenz und der Kreml alsWeisungsgeber.
Tatsächlich ist das Primat der Politik südlich der Alpenungebrochen.
In den ersten Nachkriegsjahren war der staatlich
geplante Wiederaufbau Italiens, die von Staatsfirmendurchgesetzte
Industrialisierung des Südens, ein augenscheinlicher
Pluspunkt, weil sie Arbeitsplätze schuf. Darauf kam esdamals
an. Bis heute zahlt Italien dafür die Zeche: mit einemineffizienten
Wirtschaftssystem, mit dem Niedergang der großen
Industrie, mit dem Ende der italienischen Chemie und der
Autoindustrie. Die staatliche Förderung hat tote Firmen über
Jahrzehnte am Tropf gehalten, die im rauen Wind desWeltmarkts
schon viel früher untergegangen wären, wenn Italiens
Wirtschaftssystem in Wirklichkeit nicht halb sozialistisch,halb
katholisch gewesen wäre. Berlusconi, der gegen den cattocomunismo
gern Stimmung macht, vergisst dabei nur zu gern, dass
er selbst einer der großen Nutznießer dieser Verschmelzung
von Parteiinteressen mit dem Staate war: Ohne dieUnterstützung
der Sozialisten von Bettino Craxi, die den Staatsapparat
unterwandert hatten wie keine andere Partei, wäre er nie der
Fernsehmagnat geworden, der er im Jahre 2006 ist.
Wenn es eine Unzahl von Gesetzen gibt, die keine Anwendung
finden, dann liegt das am Mangel an Staatsdienern imeigentlichen
Sinne. Die Angestellten der Staatsverwaltung dienen
nicht dem Staate, sondern dem Manne, der sie in den
Staatsdienst gehievt hat, dem Rudelführer - diesem Manne ist
die Dankbarkeit geschuldet, nicht dem Staat.
Die Freiheit der Staatsdiener besteht auch im heutigenItalien
ganz wesentlich darin, sich diesen Anführer der eigenen
Gruppe, mithin die Mitgliedskarte, aussuchen zu dürfen - wen
man zum eigenen Rudelführer erwählt, ist ganz unwesentlich.
Alle Organisationen funktionieren nach den gleichen Mustern
der Machteroberung und -ausübung. Ohne capo zu sein -das
ist, wie nackt auf dem Flur zu stehen.
Wobei Berlusconi bei der Eroberung der Schaltstellen der
Macht im großen und verzweigten Staatsapparat Italiens neue
Maßstäbe gesetzt hat. Eine derart schnell gewachsene undkapillare
Kontrolle in allen Ganglien der Macht hat vor ihm nur
Mussolini ausgeübt.
Der Einzelne hat keine wirkliche Entscheidungsbefugnis -
das ist das Prinzip. Nehmen wir das Fernsehen. Nicht»Chefredakteure
«, »Dienst habende Redakteure« oder sonst welche
Träger hoch klingender Titel entscheiden im Fernsehen, obein
Bericht gesendet wird oder nicht - oder mit welchem Text.
Nein, es ist immer der Intendant des Senders, dem auch die
kleinsten Probleme vorgelegt werden. Nur die Vertrautesten,
die schon im Voraus wissen, was »oben« gedacht wird, nehmen
sich die kleine Freiheit. Aber die müssen schon mindestensdie
Tochter des Chefs geheiratet haben, sonst trauen auch siesich
nicht. Alle anderen zaudern, wollen sich rückversichern,fragen
nach oben, warten ab, entscheiden erst einmal, nicht zuentscheiden.
Denn die Partei ist der Garant des Einzelnen, und sie
allein entscheidet. Das ist die DNS staatlicherOrganisation.
Nur vor diesem Hintergrund wird begreiflich, dass selbst
der mächtigste und berühmteste Fernsehjournalist Italiens,
der Anchorman des Fernsehprogramms RAI 1, Bruno Vespa,
jemand, der nun wirklich Unabhängigkeit demonstrieren
könnte, einst ganz offen aussprach, dass sein politischerHerausgeber
(leditore di riferimento) die DemocraziaCristiana sei -
und das, obwohl nicht die Partei ihn bezahlte, sondern das
staatliche Fernsehen. Aber selbst der Journalist Nummer eins
brauchte einen Garanten, der ihn »schützte«, dem gegenüber
er sich als zugehörig erklärt. Es hat sich nichts geändert,es ist
im Prinzip wie im kalabresischen Bergdorf, wo die alten,noch
immer in Schwarz gekleideten Frauen fragen: »Zu wem gehörst
du?« Man gehört zu jemandem, man ist jemandes Untertan,
Gefolgsmann, nicht Herr. ()
© Riemann Verlag
Übersetzung: der im Originaltext italienischen undenglischen Teile von Elisabeth Liebl
- Autoren: Udo Gümpel , Ferruccio Pinotti
- 2006, 1, 598 Seiten, Maße: 14,5 x 21,9 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: Riemann
- ISBN-10: 3570500713
- ISBN-13: 9783570500712
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Berlusconi Zampano".
Kommentar verfassen