Besser so als anders
Das Leben kommt schneller, als man denkt
Eine Innenarchitektin, die eindeutig zu viel Zeit auf dem Sofa ihres Therapeuten verbringt. Eine Castingfrau, die für den Mann ihres Lebens noch die perfekte Besetzung sucht. Und ein chaotischer...
Eine Innenarchitektin, die eindeutig zu viel Zeit auf dem Sofa ihres Therapeuten verbringt. Eine Castingfrau, die für den Mann ihres Lebens noch die perfekte Besetzung sucht. Und ein chaotischer...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Besser so als anders “
Das Leben kommt schneller, als man denkt
Eine Innenarchitektin, die eindeutig zu viel Zeit auf dem Sofa ihres Therapeuten verbringt. Eine Castingfrau, die für den Mann ihres Lebens noch die perfekte Besetzung sucht. Und ein chaotischer Bibliothekar, der für seinen kranken Hund fast alles tut, aber zu einer Frau noch nie »Ich liebe dich« gesagt hat.
Was passiert, wenn diese drei am Hochzeitswochenende ihrer besten Freundin beschließen, ihr Leben umzukrempeln, erzählt die bekannte Kolumnistin Meredith Goldstein mit Charme und Witz in ihrem scharfsinnigen und unwiderstehlich komischen Romandebüt.
Früher war alles leichter. Obwohl - wenn Hannah zurückdenkt an ihre Studienzeit und an das schmerzliche Ende der Beziehung zu Tom, ihrer großen Liebe, muss sie sich eingestehen, dass das Leben auch damals schon verdammt kompliziert war. Wie gut, dass sie Freunde an ihrer Seite haben wird, wenn sie Tom am Wochenende auf der Hochzeit ihrer besten Freundin Bee wiedersieht. Doch Rob und Vicki haben ganz eigene Probleme. Als Rob wegen seiner kranken Hündin Liz den Flieger verpasst und Vicki, deprimiert von ihrem Job als Innenarchitektin einer Supermarktkette, mit Bees alleinstehendem Onkel Joe auf der Hochzeitsfeier auftaucht, scheint Hannah mal wieder ganz auf sich gestellt zu sein. Höchste Zeit für eine radikale Veränderung! Und die kommt schneller, als die drei Freunde ahnen ...
Eine Innenarchitektin, die eindeutig zu viel Zeit auf dem Sofa ihres Therapeuten verbringt. Eine Castingfrau, die für den Mann ihres Lebens noch die perfekte Besetzung sucht. Und ein chaotischer Bibliothekar, der für seinen kranken Hund fast alles tut, aber zu einer Frau noch nie »Ich liebe dich« gesagt hat.
Was passiert, wenn diese drei am Hochzeitswochenende ihrer besten Freundin beschließen, ihr Leben umzukrempeln, erzählt die bekannte Kolumnistin Meredith Goldstein mit Charme und Witz in ihrem scharfsinnigen und unwiderstehlich komischen Romandebüt.
Früher war alles leichter. Obwohl - wenn Hannah zurückdenkt an ihre Studienzeit und an das schmerzliche Ende der Beziehung zu Tom, ihrer großen Liebe, muss sie sich eingestehen, dass das Leben auch damals schon verdammt kompliziert war. Wie gut, dass sie Freunde an ihrer Seite haben wird, wenn sie Tom am Wochenende auf der Hochzeit ihrer besten Freundin Bee wiedersieht. Doch Rob und Vicki haben ganz eigene Probleme. Als Rob wegen seiner kranken Hündin Liz den Flieger verpasst und Vicki, deprimiert von ihrem Job als Innenarchitektin einer Supermarktkette, mit Bees alleinstehendem Onkel Joe auf der Hochzeitsfeier auftaucht, scheint Hannah mal wieder ganz auf sich gestellt zu sein. Höchste Zeit für eine radikale Veränderung! Und die kommt schneller, als die drei Freunde ahnen ...
Klappentext zu „Besser so als anders “
Das Leben kommt schneller, als man denkt<br /><br />Eine Innenarchitektin, die eindeutig zu viel Zeit auf dem Sofa ihres Therapeuten verbringt. Eine Castingfrau, die für den Mann ihres Lebens noch die perfekte Besetzung sucht. Und ein chaotischer Bibliothekar, der für seinen kranken Hund fast alles tut, aber zu einer Frau noch nie »Ich liebe dich« gesagt hat.<br /><br />Was passiert, wenn diese drei am Hochzeitswochenende ihrer besten Freundin beschließen, ihr Leben umzukrempeln, erzählt die bekannte Kolumnistin Meredith Goldstein mit Charme und Witz in ihrem scharfsinnigen und unwiderstehlich komischen Romandebüt.<br /><br />Früher war alles leichter. Obwohl - wenn Hannah zurückdenkt an ihre Studienzeit und an das schmerzliche Ende der Beziehung zu Tom, ihrer großen Liebe, muss sie sich eingestehen, dass das Leben auch damals schon verdammt kompliziert war. Wie gut, dass sie Freunde an ihrer Seite haben wird, wenn sie Tom am Wochenende auf der Hochzeit ihrer besten Freundin Bee wiedersieht. Doch Rob und Vicki haben ganz eigene Probleme. Als Rob wegen seiner kranken Hündin Liz den Flieger verpasst und Vicki, deprimiert von ihrem Job als Innenarchitektin einer Supermarktkette, mit Bees alleinstehendem Onkel Joe auf der Hochzeitsfeier auftaucht, scheint Hannah mal wieder ganz auf sich gestellt zu sein. Höchste Zeit für eine radikale Veränderung! Und die kommt schneller, als die drei Freunde ahnen ...<br /><br />
Lese-Probe zu „Besser so als anders “
Besser so als anders von Meredith Goldstein Aus dem Amerikanischen von Christiane Winkler
Beth Eleanor Evans, die Braut, war neunundzwanzig Jahre alt, schlank, hatte Sommersprossen und rotblondes Haar und wurde aufgrund ihrer Initialen von allen nur Bee genannt. Im Moment stand sie vor einer weißen Tafel, die sie an diesem Morgen in einem Baumarkt gekauft hatte.
Die Tafel gehörte zu den Utensilien, die man sonst im Hörsaal einer Universität oder im Konferenzraum eines Tagungshotels fand. Doch an diesem dunstigen Mittwoch Ende September im Haus ihrer Eltern im historischen Städtchen Ellicott in Maryland diente sie Bee dazu, letzte Änderungen am Ablauf ihrer Hochzeit vorzunehmen, dem teuersten Fest, das der Tower Gardens Country Club in diesem Herbst veranstalten würde.
Bee war seit über einer Stunde damit beschäftigt, Kreise, Quadrate, Namen und Nummern auf der Tafel zu vermerken, weshalb diese auch eher wie der Strategieentwurf für ein Footballspiel aussah oder wie eine Schultafel aus dem Film Good Will Hunting, auf der jemand eine komplizierte Gleichung für Matt Damon niedergeschrieben hatte. In Wahrheit prangte auf ihr jedoch eine Sitzordnung - Bees letzte Aufgabe, bevor die zahlreichen Familienmitglieder zu ihrer weniger als achtundvierzig Stunden entfernten Hochzeit anreisen würden.
Bee strich sich eine lose Haarsträhne hinter das rechte Ohr und beugte sich nervös vor. Auf der Tafel waren dreißig Kreise mit jeweils einer Zahl darin zu sehen; von jedem Kreis gingen strahlenförmig Linien ab, auf denen die Namen von Paaren standen.
... mehr
»Cousin Wesley und Frau Katie«, stand auf einer, »Mr Barocas (Dads Arbeitskollege) und Frau Yvonne«, stand auf einer anderen Linie. »Jimmy Fee und Freundin«, »Mr und Mrs Rodman (Nachbarn)«. »Ed und Elaine Ryan (Steuerberater)«, »Dr. Weihong Zheng und Ehemann (Kinderärztin)«.
Am rechten oberen Tafelrand stand in leuchtend roten Großbuchstaben noch eine Namensliste: »Hannah Martin, Rob Nutley, Nancy MacGowan, Vicki Clifford, Joe Evans.« Über die Namen hatte Bee in der gleichen leuchtend roten Schrift das Wort »SINGLES« geschrieben. Sie waren die einzigen Gäste, die auf ihrer Zusage zu Bees Hochzeit keine Begleitung angegeben hatten, und nun waren sie die einzigen, die Bee noch nicht platziert hatte.
Nicht dass Bee Vorbehalte gehabt hätte, Alleinstehende einzuladen, doch sie hatte jedem Gast die Möglichkeit zugestehen wollen, eine Begleitperson mitzubringen. Trotzdem wollten diese Singles offenbar allein kommen. Bee konnte das nicht verstehen.
Als sie selbst noch Single gewesen war, hatte sie es den Bräuten immer übel genommen, wenn sie eingeladen wurde, aber niemanden mitbringen durfte, weil sie keinen festen Freund hatte. Deshalb hatte Bee sich geschworen, bei ihrer eigenen Hochzeit jedem eine Einladung zu schicken, auf die man eine Begleitperson eintragen konnte. Sie würde niemanden zwingen, allein zu kommen.
Fast alle Geladenen hatten Bees Angebot auch angenommen. Nur ebendiese Singles nicht, die Bees Ansicht nach nicht nur auf ihrer Tafel, sondern auch im Leben herrenlose Wesen waren. Zwei Singles waren als streitsüchtig bekannt. Zwei andere berüchtigt dafür, dass sie Bee einmal öffentlich blamiert hatten. Eine Singlefrau war eine Freundin der Familie des Bräutigams, die Bee nicht kannte, die aber den Ruf hatte, eine eingefleischte Einzelgängerin zu sein.
Bees Hochzeitsplanerin, die sich einen Namen gemacht hatte, weil sie bereits für die Hochzeitsfestivitäten der Tochter eines Expräsidenten verantwortlich gewesen war, hatte beim ersten Treffen einen prüfenden Blick auf Bees Gästeliste geworfen und dann zu ihr gesagt: »Egal, wen Sie einladen, Singles wird es immer geben. Sie müssen sich auf eine ungerade Zahl gefasst machen. Und ganz egal, wie Sie es drehen und wenden, mit den Singles geht immer irgendetwas schief.«
Bee strich sich mit dem rechten Handrücken über die Augenbrauen - einer ihrer bevorzugten Ticks - und sah prüfend die Kreise und Linien an, die sie an ein Puzzle erinnerten. Fünf Gäste hatten noch keinen Platz. Und jeder dieser Gäste hatte seine ganz persönlichen Bedürfnisse. Darum waren viele Tische auch tabu. Beispielsweise durfte man keinen Single in die Nähe seines Expartners setzen. Und jemand, der leicht ausfällig wurde, durfte keinesfalls neben verklemmten Verwandten sitzen - zu Letzteren zählten Bees Familienmitglieder.
Während Bee in Gedanken Namen und Tische verschob, hörte sie, wie ihre Mutter hinter ihr den Raum betrat.
»Du kreist ja noch immer um diese fünf«, sagte Donna Evans, seufzte theatralisch und trat neben Bee an den Esstisch.
Donna trug ein graues Trägerhemd mit der Aufschrift »breathe« quer über der Brust, wobei das kleine b und das letzte e direkt über ihren hervorstechenden Brustwarzen lagen. Die dazu passende Yogahose reichte ihr bis knapp über die Knie. Sie trug ihre blond gefärbten Locken, die den exakt gleichen Farbton wie die Haare ihrer Tochter hatten, zu einem strengen Knoten nach hinten gebunden.
»Jetzt bring es endlich hinter dich und trage sie einfach auf den freien Plätzen ein«, sagte Donna, als Bee sie ansah und hilflos die Arme herabhängen ließ. »Liebling, die Leute werden sowieso die meiste Zeit tanzen.«
Donna stieß einen weiteren entnervten Seufzer aus und schob sich an ihrer Tochter vorbei, um einen besseren Blick auf die Tafel und die Liste der Singles zu haben. Missmutig blickte sie ein paar Sekunden auf die Namen, dann schnappte sie sich den Markierstift vom Tisch und fing an, auf der Tafel herumzukritzeln. Sie schrieb Vicki Cliffords und Rob Nutleys Namen auf eine leere Linie neben die Namen der Brüder und Cousins des Bräutigams. Danach notierte sie Hannah Martins Namen in kleinen Buchstaben oberhalb des Tischkreises, an dem Bees Freunde von der juristischen Fakultät nebst Ehegatten saßen.
»Wir stellen einfach noch einen Stuhl dazu«, sagte Donna, bevor Bee einwenden konnte, dass der Tisch doch schon voll besetzt sei. »Der Partyservice kann neun Stühle an einem Tisch für acht Personen unterbringen.« Dann betrachtete Donna die andere Seite der Tafel und notierte die zwei letzten Singlenamen: Sie trug Joe Evans und Nancy MacGowan am Tisch der Kanzleipartner von Bees Vater und deren Frauen ein.
»Wenn ihr zwei noch länger vor dieser Tafel steht«, brüllte Bees Vater Richard Evans jetzt aus dem Nebenzimmer, »schmeiße ich sie in die Mülltonne, das schwöre ich euch! Soll sich doch jeder hinsetzen, wo er will!«
Ergeben wandte Bee sich von der Tafel ab. »Na gut, dann eben so«, sagte sie zu ihrer Mutter, die den Markierstift wieder hingelegt und mit quietschenden Turnschuhen über den Holzboden zurück in die Küche gegangen war.
»Mom«, rief Bee hinter ihr her.
»Ja?«
»Ich habe Hunger«, sagte Bee ein wenig zu leise, als fürchtete sie, ihre Mutter könnte sie tatsächlich hören.
»Iss was Leichtes«, zischte Donna aus dem Nebenzimmer. »Und etwas Natriumarmes! Das Kleid gibt keinen Zentimeter mehr nach.«
Bee drehte sich um und warf einen letzten Blick auf die roten Namen oben auf der Tafel. Sie war so froh, dass sie Matt hatte und nie wieder allein sein müsste. Kurz und voller Hoffnung fragte sie sich, ob sich das Leben ihrer Singles wohl jemals ändern würde - ob Hannah, Rob, Nancy, Vicki und Joe irgendwann einmal Namen sein würden, die sich problemlos auf einer Sitzordnung platzieren ließen.
Dann dachte sie an ihre nächste salzarme Mahlzeit und verzog das Gesicht. Sie streckte den Arm aus und wischte die Liste der Singles mit einem kleinen Schwamm von der Tafel.
Hannah
Darf ich ganz ehrlich zu dir sein?«, wandte sich Dawn in lautem Flüsterton an Hannah, während sie eine halb gerauchte Zigarette in der rechten und eine Packung Haarklammern in der linken Hand hielt.
Hannah hatte gelernt, dass Dawn auf diese Frage keine Antwort erwartete. Nach ein paar Tagen in der Gesellschaft von Bees altkluger Trauzeugin wusste Hannah, dass Dawn fast jeden ihrer Sätze mit dieser theatralisch geäußerten Einleitung begann. Nur selten hatten diese vier Worte etwas mit dem Satz zu tun, der danach folgte. Und nur selten war Dawn an Ehrlichkeit interessiert.
»Es ist nichts Schlimmes«, fuhr Dawn fort, als sie Hannahs skeptischen Blick bemerkte, wobei sie das Wort »Schlimmes« in die Länge zog. »Ich frage mich nur, ob du dich nicht ein wenig mehr schminken solltest, bevor es heute losgeht. Die anderen Mädchen und ich tragen alle Eyeliner.« Dabei riss Dawn die Augen auf, um ihrer Aussage mehr Nachdruck zu verleihen. »Mir ist aufgefallen, dass du keinen trägst. Ich weiß nicht, ob du schon bemerkt hast, dass die Augen mit Eyeliner viel größer wirken. Besonders auf Fotos. Du hast doch wunderschöne blaue Augen, und ich möchte einfach verhindern, dass du auf den Fotos total in den Hintergrund trittst.«
Hannahs Nase war mindestens einen halben Meter von Dawns Mund entfernt, trotzdem überwältigte sie Dawns Atem, der nach Nikotin und Caesar Salad stank. Als Dawn eine weitere Rauchwolke ausstieß, zuckte Hannah zurück.
Hannah war es nicht gewohnt, dass man in ihrer Gegenwart rauchte. Die meisten ihrer Freunde hatten schon vor Jahren damit aufgehört, nachdem in New York das Rauchverbot eingeführt worden war. In ihrem Bekanntenkreis gab es noch ein paar Gelegenheitsraucher, die sich ab und zu auf Hausdächern oder Terrassen in Brooklyn eine Zigarette anzündeten. Ab November war es einfach zu ungemütlich, draußen zu rauchen.
Die Gesellschaft der vielen Südstaatler, die zu Bees Hochzeit angereist waren, erinnerte Hannah wieder einmal daran, dass sie das Glück hatte, in einer Stadt zu leben, in der Raucher praktisch überall ausgegrenzt wurden. Matts Familienmitglieder aus Raleigh und Durham waren allesamt schamlose Kettenraucher. Einige von ihnen arbeiteten sogar bei Philip Morris. Es überraschte Hannah ein wenig, dass eine Perfektionistin wie Dawn sich keine Gedanken darüber machte, dass ihr Kleid und ihr Haar nach Rauch stinken könnten. Aber vermutlich spielte das keine Rolle, wenn sowieso alles nach Rauch stank. Überall hing der Geruch nach Zigaretten in der Luft, und nur Hannah schien sich daran zu stören.
Dawn zog ein letztes Mal an ihrem Stummel, und Hannah trat in Erwartung der Rauchwolke sogleich einen Schritt zurück. Selbst in diesem weitläufigen Turm mit den hohen Räumen schien Dawns Rauch allgegenwärtig zu sein und in verräterischen kleinen Wölkchen unter der Deckenbeleuchtung zu schweben.
Im obersten Stockwerk des Country-Club-Turms gab es zwei aneinandergrenzende Räume, in denen Hannah, Dawn und die anderen Brautjungfern sich auf die Zeremonie vorbereiteten. Die Feierlichkeiten waren draußen im Garten geplant und sollten vor einem weißen Zelt stattfinden, das für den Empfang aufgestellt worden war. Es gab auch einen Plan B, für den Fall, dass es regnete - dann würde die Zeremonie kürzer gestaltet und im Speisesaal des Clubs abgehalten werden -, doch der würde vermutlich nicht zum Einsatz kommen. Es war ein herrlicher Septembertag und noch so warm, dass man keine Jacke brauchte.
Das historische Schloss aus Klinkermauern, in dem sich nun die engsten Freunde und Angehörigen der Braut verschönerten, gehörte zum alten Teil des Country Clubs, der an der Chesapeake Bay lag und als eine Institution in Annapolis galt. Er stand nur Mitgliedern offen und bot auf mehr als hundert Morgen Land Möglichkeiten zum Golfen, zum Tontaubenschießen und für andere Vergnügungen, denen die Wohlhabenden sich am Wochenende gern hingaben. Für Hannah wirkte der neugotische Turm, von dem der Tower Gardens Country Club seinen Namen hatte, als habe man ihn geradewegs aus einem Märchen herbeigezaubert. Seine hohe, zylindrische Form, die geweißte Fassade mit den bunten Glasfenstern, durch die man auf die gepflegten Grünanlagen blickte, auf denen sich schon bald die Gäste tummeln würden - all dies trug dazu bei, dass sich Hannah wie Rapunzel vorkam. Zumindest fühlte sie sich genauso eingeschlossen. Wäre das ein Film, dachte sie, denn ihren Beruf als Casting-Chefin vergaß sie auch in ihrer Freizeit nie, würde ihre Rolle der gefangen gehaltenen Brautjungfer von einer nicht zu perfekten und dennoch liebenswerten Newcomerin gespielt werden. Oder noch besser von einer echten Hollywood-Größe, die für ihren finsteren Blick berühmt war. »Kristen Stewart zum Beispiel«, flüsterte Hannah sich selbst zu, während sie aus ihrem Turmverlies spähte. Doch letztendlich entschied sie sich für Emily Blunt, weil sie fand, dass sie mit ihren neunundzwanzig Jahren vermutlich zu alt war, um von irgendeinem Twilight-Star verkörpert zu werden.
Trauzeugin Dawn würde von Reese Witherspoon gespielt, da musste sie gar nicht lange überlegen. Dawn hatte ein engelsgleiches Gesicht, das von einem blonden Bob umrahmt wurde. Sie sprach mit einem Südstaatenakzent, der besonders schrill klang, wenn sie Befehle erteilte. Hannah fragte sich einen Augenblick, ob Reese Witherspoon sich wohl dazu überreden ließe, in einem Film zu rauchen.
Eine von Hannahs Lieblingsbeschäftigungen war das imaginäre Casting von Schauspielern ohne Rücksicht auf das Budget. Im wirklichen Leben hatte sie bisher nur Erfahrungen mit Independent-Filmen gesammelt, in denen die Hauptdarsteller weniger als zweihunderttausend Dollar verdienten. Bei einem derart begrenzten Budget musste Hannah kreativ sein und ständig nach jungen Talenten Ausschau halten. Deshalb sehnte sie sich nach einer Gelegenheit, einmal einen Film zu besetzen, der es ihr ermöglichen würde, jene Stars zu engagieren, für die sie seit Jahren schwärmte.
Und jetzt stand sie tatsächlich kurz davor, einen solchen Auftrag an Land zu ziehen! Fast den ganzen Morgen hatte Hannah wie eine Besessene ihr Handy kontrolliert, immer in der Hoffnung, etwas, nur irgendetwas, von Natalie Portmans Agentin zu hören, die heute Hannahs berufliches Schicksal in den Händen hielt. Hannah hatte dafür gekämpft, die Schauspielerin für eine Rolle in einem neuen Independent Film zu gewinnen, dessen niedriges Budget ihrer Meinung nach durch das oscarreife Drehbuch wettgemacht wurde. Ließe Natalie sich tatsächlich für den Film unter Vertrag nehmen, würden sich auch Hannahs berufliche Aussichten ändern. Der Film - und damit auch Hannah - würde international große Aufmerksamkeit erregen. Neue Produzenten würden der Regisseurin mehr Geld zuschießen, und Natalie Portman könnte diesen Film in eine Art Little Miss Sunshine verwandeln, ebenfalls ein Film, der billig produziert, aber weltweit beachtet worden war.
Und die Chancen, dass Natalie zusagen würde, standen nicht schlecht! Ihre Agentin schien optimistisch. Natalie hatte anscheinend das Drehbuch gelesen, und es hatte ihr gefallen, außerdem fand sie es gut, dass eine Frau Regie führte. In einer Mail, die die Agentin an Hannah weitergeleitet hatte, hatte Natalie das Drehbuch sogar als hinreißend bezeichnet. Doch da war immer noch die schwierige Frage der Zeitplanung.
»Sie ist jetzt erst mal vier volle Monate ausgebucht, um eine Fortsetzung abzudrehen«, hatte die junge Assistentin Hannah vor zwei Tagen wissen lassen, bevor diese in den Zug nach Baltimore gesprungen und zu Bees Hochzeit gefahren war. Die Assistentin hatte Hannahs bohrende Anrufe abgefangen, war regelrecht zu ihrem Spitzel geworden und hatte ihr immer wieder SMS geschrieben, sobald ihre Chefin sich irgendwie zu dem Projekt äußerte.
»Ich brauche sie ja nur zwanzig Tage«, flehte Hannah die Assistentin an, als könnte diese irgendetwas entscheiden. »Sie hat doch während der Dreharbeiten sicher zwanzig arbeitsfreie Tage! Ich meine, ihre Figur befindet sich die Hälfte des Films doch auf einem anderen Planeten, oder? Gibt es denn da keine Drehpause?« Hannah ärgerte es ungemein, dass Teil zwei eines teuren Blockbusters ihren kleinen Qualitätsfilm gefährdete.
»Hören Sie, Natalie möchte den Film wirklich gern machen, ich bin mir sicher, dass sie etwas aushandeln werden«, sagte die Assistentin.
»Wann, meinen Sie denn, kann ich mit einer Antwort rechnen?«, fragte Hannah, während sie Unterwäsche zusammenrollte und in die Seitentasche ihres Koffers stopfte.
»Vor nächster Woche sollten Sie nicht mit einer endgültigen Antwort rechnen, aber vermutlich erfahre ich schon Samstag etwas. Da gibt die Agentur eine große Party, und wenn Natalie die Rolle angenommen haben sollte, wird meine Chefin bei jedem damit angeben. Ich schicke Ihnen sofort eine Nachricht, wenn ich was höre.«
»Danke, danke, danke! Ich bin am Samstag auf einer Hochzeit, sollte ich also Natalie Portman für diesen Film bekommen, würde ich es gern meinen Freunden erzählen. Und vielleicht auch ein oder zwei Exfreunden.«
»Das kann ich so was von verstehen«, sagte die Assistentin und klang fast ein wenig zu mitfühlend.
Nun war es bereits Samstagnachmittag, und bislang war keine Nachricht eingegangen. Nicht einmal von Hannahs engster Freundin Vicki, die versprochen hatte, sich gleich zu melden, sobald sie in Annapolis angekommen war.
Bees Hochzeitsplanerin, die, wie Hannah beschlossen hatte, in ihrem imaginären, superteuren Hochzeitsfilm mit Bonnie Hunt aus Jerry Maguire - Spiel des Lebens und Im Dutzend billiger besetzt werden sollte, hatte Bee und ihren Brautjungfern klargemacht, dass sie sich, sobald sie in ihre Kleider geschlüpft waren, bis zur Trauung nicht mehr aus dem Turm rühren durften.
Im größeren der beiden Turmzimmer gab es einen Fernseher, eine Sofagarnitur aus Samt in Wedgwood-Blau und ein ziemlich großes Badezimmer mit zwei Ganzkörperspiegeln - es gebe also keinen triftigen Grund, nach draußen zu gehen, hatte die Hochzeitsplanerin gesagt und dabei Hannah angesehen, als könne sie ihre Gedanken lesen. Die Planerin hatte weiter erklärt, dass um Punkt fünf Uhr, wenn alle Gäste sich gesetzt hätten, die Brautjungfern den Turm verlassen, die Wendeltreppe hinabsteigen und sich jeweils bei einem Trauzeugen unterhaken sollten - Bee natürlich bei ihrem Vater. Dann würden sie gemeinsam den Pfad oder besser gesagt den sich windenden Kiesweg, der ebenso antik und gepflegt wirkte wie das übrige Areal, entlangschreiten.
Die Trauung begann zwar erst in etwa einer Stunde, doch Dawn reihte bereits jetzt im größeren der beiden Zimmer auf dem Beistelltischchen ihre Kosmetikartikel auf. Die Art und Weise, wie sie das tat, erinnerte Hannah an die penible Ordnung der Utensilien bei ihrem Zahnarzt. Dawn sortierte ihre Schönheitsprodukte der Größe nach: Der dünne Eyelinerstift lag neben der Wimperntusche, daneben ein Döschen Rouge und wieder daneben eine Lidschattenpalette.
Hannah überlegte, ob sie sich noch eine halbe Stunde vor der ganzen Make-up-Prozedur drücken könnte. Ihr Kleid hatte sie bereits an, und sie wollte den ganzen Schminkzirkus so lange wie möglich hinauszögern. Sie trat zu einem Fenster des Turms und rieb sich das Genick, sodass die Perlenkette sich in ihren Hals presste. Sie zog an dem durchsichtigen Träger ihres BHs, der unangenehm an ihrem Nacken scheuerte. Noch nie hatte sie ein so aufwendiges Wäschestück getragen - ein gepolstertes Stützgerät, das alle Brautjungfern extra für diesen Anlass bestellen mussten. Hannah hatte die anderen Frauen beobachtet, wie sie mühelos und ohne Hilfe in ihre ausgefallenen BHs geschlüpft waren. Ihr war völlig schleierhaft gewesen, wie sie selbst in dieses Ding kommen sollte. Sobald das Grüppchen die Turmzimmer erreicht hatte, hatten Bee und Dawn Hannah geholfen, sich in die Vorrichtung zu zwängen, deren Träger sich zweimal am Rücken kreuzten und dann mit einem eckigen Metallclip direkt über dem Rückgrat geschlossen wurde.
»Muss der denn so eng sitzen?«, hatte Hannah gejammert, als Bee den BH festmachte.
Noch bevor Bee hatte antworten können, war die strenge Dawn schon mit einem missbilligenden Blick auf Hannahs Brüste vorgeprescht. »Wenn er zu locker sitzt, kippst du aus dem Kleid, Süße. Du quillst ja jetzt schon fast heraus.«
Schon zweimal hatte Hannah Rob aus ihrem Gefängnisturm angerufen und gehofft, er könne sie bezüglich des BHs, des bevorstehenden Gangs die Wendeltreppe hinab und Natalie Portman beruhigen. Sie ging davon aus, dass die Chancen auf eine gute Nachricht schwanden, je mehr Zeit verging. Rob hätte eigentlich auch zur Hochzeit kommen sollen. Er hatte auf die Einladung hin fest zugesagt, doch nun bediente er wieder alle Klischees des rücksichtslosen und verantwortungslosen Hallodris, die über ihn kursierten. Hannah war fest davon ausgegangen, dass Rob ihr dieses Wochenende zur Seite stehen würde, und jetzt hatte sie nur noch Vicki, die in letzter Zeit kaum jemandem eine Stütze gewesen war.
Hannah hielt noch immer ihren BlackBerry umklammert, starrte aus dem Fenster und dann auf das Display, auf dem stand, dass sie einen Anruf von Rob verpasst hatte. Sie drückte die Rückruftaste und spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog, als sie zum dritten Mal an diesem Tag Robs Nummer aufleuchten sah. Ihr Magen schlug einen Salto, als Rob schließlich dranging und gleich zu lachen begann.
»Lach nicht, ich brauche dich hier!«, flüsterte Hannah so laut, dass Dawn ihr einen missbilligenden Blick vom Sofa aus zuwarf. »Bitte, Rob, hier sind überall Frauen, die mich mit Eyeliner bedrohen! Kannst du denn nicht irgendwie doch noch in einen Flieger springen? Du könntest noch vor Ende des Empfangs hier sein. Ich übernehme die Hälfte der Kosten, egal wie hoch sie sind!«
»Ich liebe es, wenn du bettelst, aber die Antwort lautet Nein, meine Liebe, ich kann von Austin nicht weg.« Rob machte eine Pause und fügte dann nachdenklich hinzu: »Es ist nicht wegen des Geldes, irgendwas stimmt heute mit Liz nicht. Ich kann sie nicht allein zu Hause lassen.«
»Na gut. Vielleicht rufe ich dich später noch mal an«, sagte Hannah und legte auf, bevor er etwas sagen konnte. Die Erkenntnis, dass Rob seine Meinung nicht mehr ändern würde, ließ sie in sich zusammensacken.
Hannah schlenderte vom Fenster weg zu Dawn, die mittlerweile ihr Gesicht gepudert hatte. Es wirkte nun um zwei Farbtöne dunkler. Sie setzte sich neben Bees Trauzeugin, strich nervös über die Tasten ihres BlackBerrys und überprüfte in kurzen Abständen das Display.
Aus dem Augenwinkel konnte Hannah das Nebenzimmer sehen, in dem Bee stand und die Falten ihres maßgeschneiderten Kleides glatt strich, das immer noch auf dem Kleiderbügel hing. Es war blütenweiß und schulterfrei - das muschelförmige Mieder erinnerte Hannah an eine Nixe -, dazu besaß es eine Schleppe, die sich fächerartig ausbreitete. Vor Monaten hatte Bee noch zu Hannah gesagt, sie hoffe, in das einfache Chiffonbrautkleid ihrer Mutter zu passen, das Donna seit über dreißig Jahren in einem blütenweißen Kleidersack in ihrem Schrank aufbewahrte. Doch als sie es anprobieren wollte, war der Reißverschluss nicht zugegangen. Donna trug seit ewigen Zeiten Kleidergröße 34, und obwohl Bee während ihrer Zeit am College alles darangesetzt hatte, ebenfalls ihre Größe 34 beizubehalten, musste sie sich jetzt mit Kleidergröße 36 zufriedengeben.
Im Moment trug Bee nur ihre weiße Spitzenunterwäsche, einen trägerlosen BH und eine feine Strumpfhose mit Miedereinsatz, der ihre Taille um zweieinhalb Zentimeter schlanker aussehen ließ. Die Strumpfhose ließ ihren Nabel durchscheinen. Ihr Haar war zu Zöpfen geflochten und zu einem Kranz hochgesteckt, was auf Hannah entsetzlich unbequem und unangemessen streng wirkte.
Hannah liebte Bees rotblonde Locken, vor allem wenn sie ihr offen und locker über die Schultern fielen. Sie konnte nicht verstehen, weshalb Bräute ihr Haar immer so umständlich hochsteckten. Hannah musste dann immer an den Anblick der Verstorbenen bei der Totenwache denken: zu stark geschminkt und für alle jene, die ihnen nahegestanden hatten, kaum wiederzuerkennen.
Jackie und Lisa, die zwei anderen Brautjungfern, standen mit geglättetem Haar und wie Hannah in einer schwarzen Robe neben Bee. Sie überlegten, wie sie Bee am besten in das Kleid zwängen konnten, ohne es dabei zu zerknittern oder ihre fürstliche Frisur zu zerstören.
»Am besten sie steigt einfach rein«, schlug Lisa gerade in ihrem üblichen schüchternen Tonfall vor.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012 by Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
»Cousin Wesley und Frau Katie«, stand auf einer, »Mr Barocas (Dads Arbeitskollege) und Frau Yvonne«, stand auf einer anderen Linie. »Jimmy Fee und Freundin«, »Mr und Mrs Rodman (Nachbarn)«. »Ed und Elaine Ryan (Steuerberater)«, »Dr. Weihong Zheng und Ehemann (Kinderärztin)«.
Am rechten oberen Tafelrand stand in leuchtend roten Großbuchstaben noch eine Namensliste: »Hannah Martin, Rob Nutley, Nancy MacGowan, Vicki Clifford, Joe Evans.« Über die Namen hatte Bee in der gleichen leuchtend roten Schrift das Wort »SINGLES« geschrieben. Sie waren die einzigen Gäste, die auf ihrer Zusage zu Bees Hochzeit keine Begleitung angegeben hatten, und nun waren sie die einzigen, die Bee noch nicht platziert hatte.
Nicht dass Bee Vorbehalte gehabt hätte, Alleinstehende einzuladen, doch sie hatte jedem Gast die Möglichkeit zugestehen wollen, eine Begleitperson mitzubringen. Trotzdem wollten diese Singles offenbar allein kommen. Bee konnte das nicht verstehen.
Als sie selbst noch Single gewesen war, hatte sie es den Bräuten immer übel genommen, wenn sie eingeladen wurde, aber niemanden mitbringen durfte, weil sie keinen festen Freund hatte. Deshalb hatte Bee sich geschworen, bei ihrer eigenen Hochzeit jedem eine Einladung zu schicken, auf die man eine Begleitperson eintragen konnte. Sie würde niemanden zwingen, allein zu kommen.
Fast alle Geladenen hatten Bees Angebot auch angenommen. Nur ebendiese Singles nicht, die Bees Ansicht nach nicht nur auf ihrer Tafel, sondern auch im Leben herrenlose Wesen waren. Zwei Singles waren als streitsüchtig bekannt. Zwei andere berüchtigt dafür, dass sie Bee einmal öffentlich blamiert hatten. Eine Singlefrau war eine Freundin der Familie des Bräutigams, die Bee nicht kannte, die aber den Ruf hatte, eine eingefleischte Einzelgängerin zu sein.
Bees Hochzeitsplanerin, die sich einen Namen gemacht hatte, weil sie bereits für die Hochzeitsfestivitäten der Tochter eines Expräsidenten verantwortlich gewesen war, hatte beim ersten Treffen einen prüfenden Blick auf Bees Gästeliste geworfen und dann zu ihr gesagt: »Egal, wen Sie einladen, Singles wird es immer geben. Sie müssen sich auf eine ungerade Zahl gefasst machen. Und ganz egal, wie Sie es drehen und wenden, mit den Singles geht immer irgendetwas schief.«
Bee strich sich mit dem rechten Handrücken über die Augenbrauen - einer ihrer bevorzugten Ticks - und sah prüfend die Kreise und Linien an, die sie an ein Puzzle erinnerten. Fünf Gäste hatten noch keinen Platz. Und jeder dieser Gäste hatte seine ganz persönlichen Bedürfnisse. Darum waren viele Tische auch tabu. Beispielsweise durfte man keinen Single in die Nähe seines Expartners setzen. Und jemand, der leicht ausfällig wurde, durfte keinesfalls neben verklemmten Verwandten sitzen - zu Letzteren zählten Bees Familienmitglieder.
Während Bee in Gedanken Namen und Tische verschob, hörte sie, wie ihre Mutter hinter ihr den Raum betrat.
»Du kreist ja noch immer um diese fünf«, sagte Donna Evans, seufzte theatralisch und trat neben Bee an den Esstisch.
Donna trug ein graues Trägerhemd mit der Aufschrift »breathe« quer über der Brust, wobei das kleine b und das letzte e direkt über ihren hervorstechenden Brustwarzen lagen. Die dazu passende Yogahose reichte ihr bis knapp über die Knie. Sie trug ihre blond gefärbten Locken, die den exakt gleichen Farbton wie die Haare ihrer Tochter hatten, zu einem strengen Knoten nach hinten gebunden.
»Jetzt bring es endlich hinter dich und trage sie einfach auf den freien Plätzen ein«, sagte Donna, als Bee sie ansah und hilflos die Arme herabhängen ließ. »Liebling, die Leute werden sowieso die meiste Zeit tanzen.«
Donna stieß einen weiteren entnervten Seufzer aus und schob sich an ihrer Tochter vorbei, um einen besseren Blick auf die Tafel und die Liste der Singles zu haben. Missmutig blickte sie ein paar Sekunden auf die Namen, dann schnappte sie sich den Markierstift vom Tisch und fing an, auf der Tafel herumzukritzeln. Sie schrieb Vicki Cliffords und Rob Nutleys Namen auf eine leere Linie neben die Namen der Brüder und Cousins des Bräutigams. Danach notierte sie Hannah Martins Namen in kleinen Buchstaben oberhalb des Tischkreises, an dem Bees Freunde von der juristischen Fakultät nebst Ehegatten saßen.
»Wir stellen einfach noch einen Stuhl dazu«, sagte Donna, bevor Bee einwenden konnte, dass der Tisch doch schon voll besetzt sei. »Der Partyservice kann neun Stühle an einem Tisch für acht Personen unterbringen.« Dann betrachtete Donna die andere Seite der Tafel und notierte die zwei letzten Singlenamen: Sie trug Joe Evans und Nancy MacGowan am Tisch der Kanzleipartner von Bees Vater und deren Frauen ein.
»Wenn ihr zwei noch länger vor dieser Tafel steht«, brüllte Bees Vater Richard Evans jetzt aus dem Nebenzimmer, »schmeiße ich sie in die Mülltonne, das schwöre ich euch! Soll sich doch jeder hinsetzen, wo er will!«
Ergeben wandte Bee sich von der Tafel ab. »Na gut, dann eben so«, sagte sie zu ihrer Mutter, die den Markierstift wieder hingelegt und mit quietschenden Turnschuhen über den Holzboden zurück in die Küche gegangen war.
»Mom«, rief Bee hinter ihr her.
»Ja?«
»Ich habe Hunger«, sagte Bee ein wenig zu leise, als fürchtete sie, ihre Mutter könnte sie tatsächlich hören.
»Iss was Leichtes«, zischte Donna aus dem Nebenzimmer. »Und etwas Natriumarmes! Das Kleid gibt keinen Zentimeter mehr nach.«
Bee drehte sich um und warf einen letzten Blick auf die roten Namen oben auf der Tafel. Sie war so froh, dass sie Matt hatte und nie wieder allein sein müsste. Kurz und voller Hoffnung fragte sie sich, ob sich das Leben ihrer Singles wohl jemals ändern würde - ob Hannah, Rob, Nancy, Vicki und Joe irgendwann einmal Namen sein würden, die sich problemlos auf einer Sitzordnung platzieren ließen.
Dann dachte sie an ihre nächste salzarme Mahlzeit und verzog das Gesicht. Sie streckte den Arm aus und wischte die Liste der Singles mit einem kleinen Schwamm von der Tafel.
Hannah
Darf ich ganz ehrlich zu dir sein?«, wandte sich Dawn in lautem Flüsterton an Hannah, während sie eine halb gerauchte Zigarette in der rechten und eine Packung Haarklammern in der linken Hand hielt.
Hannah hatte gelernt, dass Dawn auf diese Frage keine Antwort erwartete. Nach ein paar Tagen in der Gesellschaft von Bees altkluger Trauzeugin wusste Hannah, dass Dawn fast jeden ihrer Sätze mit dieser theatralisch geäußerten Einleitung begann. Nur selten hatten diese vier Worte etwas mit dem Satz zu tun, der danach folgte. Und nur selten war Dawn an Ehrlichkeit interessiert.
»Es ist nichts Schlimmes«, fuhr Dawn fort, als sie Hannahs skeptischen Blick bemerkte, wobei sie das Wort »Schlimmes« in die Länge zog. »Ich frage mich nur, ob du dich nicht ein wenig mehr schminken solltest, bevor es heute losgeht. Die anderen Mädchen und ich tragen alle Eyeliner.« Dabei riss Dawn die Augen auf, um ihrer Aussage mehr Nachdruck zu verleihen. »Mir ist aufgefallen, dass du keinen trägst. Ich weiß nicht, ob du schon bemerkt hast, dass die Augen mit Eyeliner viel größer wirken. Besonders auf Fotos. Du hast doch wunderschöne blaue Augen, und ich möchte einfach verhindern, dass du auf den Fotos total in den Hintergrund trittst.«
Hannahs Nase war mindestens einen halben Meter von Dawns Mund entfernt, trotzdem überwältigte sie Dawns Atem, der nach Nikotin und Caesar Salad stank. Als Dawn eine weitere Rauchwolke ausstieß, zuckte Hannah zurück.
Hannah war es nicht gewohnt, dass man in ihrer Gegenwart rauchte. Die meisten ihrer Freunde hatten schon vor Jahren damit aufgehört, nachdem in New York das Rauchverbot eingeführt worden war. In ihrem Bekanntenkreis gab es noch ein paar Gelegenheitsraucher, die sich ab und zu auf Hausdächern oder Terrassen in Brooklyn eine Zigarette anzündeten. Ab November war es einfach zu ungemütlich, draußen zu rauchen.
Die Gesellschaft der vielen Südstaatler, die zu Bees Hochzeit angereist waren, erinnerte Hannah wieder einmal daran, dass sie das Glück hatte, in einer Stadt zu leben, in der Raucher praktisch überall ausgegrenzt wurden. Matts Familienmitglieder aus Raleigh und Durham waren allesamt schamlose Kettenraucher. Einige von ihnen arbeiteten sogar bei Philip Morris. Es überraschte Hannah ein wenig, dass eine Perfektionistin wie Dawn sich keine Gedanken darüber machte, dass ihr Kleid und ihr Haar nach Rauch stinken könnten. Aber vermutlich spielte das keine Rolle, wenn sowieso alles nach Rauch stank. Überall hing der Geruch nach Zigaretten in der Luft, und nur Hannah schien sich daran zu stören.
Dawn zog ein letztes Mal an ihrem Stummel, und Hannah trat in Erwartung der Rauchwolke sogleich einen Schritt zurück. Selbst in diesem weitläufigen Turm mit den hohen Räumen schien Dawns Rauch allgegenwärtig zu sein und in verräterischen kleinen Wölkchen unter der Deckenbeleuchtung zu schweben.
Im obersten Stockwerk des Country-Club-Turms gab es zwei aneinandergrenzende Räume, in denen Hannah, Dawn und die anderen Brautjungfern sich auf die Zeremonie vorbereiteten. Die Feierlichkeiten waren draußen im Garten geplant und sollten vor einem weißen Zelt stattfinden, das für den Empfang aufgestellt worden war. Es gab auch einen Plan B, für den Fall, dass es regnete - dann würde die Zeremonie kürzer gestaltet und im Speisesaal des Clubs abgehalten werden -, doch der würde vermutlich nicht zum Einsatz kommen. Es war ein herrlicher Septembertag und noch so warm, dass man keine Jacke brauchte.
Das historische Schloss aus Klinkermauern, in dem sich nun die engsten Freunde und Angehörigen der Braut verschönerten, gehörte zum alten Teil des Country Clubs, der an der Chesapeake Bay lag und als eine Institution in Annapolis galt. Er stand nur Mitgliedern offen und bot auf mehr als hundert Morgen Land Möglichkeiten zum Golfen, zum Tontaubenschießen und für andere Vergnügungen, denen die Wohlhabenden sich am Wochenende gern hingaben. Für Hannah wirkte der neugotische Turm, von dem der Tower Gardens Country Club seinen Namen hatte, als habe man ihn geradewegs aus einem Märchen herbeigezaubert. Seine hohe, zylindrische Form, die geweißte Fassade mit den bunten Glasfenstern, durch die man auf die gepflegten Grünanlagen blickte, auf denen sich schon bald die Gäste tummeln würden - all dies trug dazu bei, dass sich Hannah wie Rapunzel vorkam. Zumindest fühlte sie sich genauso eingeschlossen. Wäre das ein Film, dachte sie, denn ihren Beruf als Casting-Chefin vergaß sie auch in ihrer Freizeit nie, würde ihre Rolle der gefangen gehaltenen Brautjungfer von einer nicht zu perfekten und dennoch liebenswerten Newcomerin gespielt werden. Oder noch besser von einer echten Hollywood-Größe, die für ihren finsteren Blick berühmt war. »Kristen Stewart zum Beispiel«, flüsterte Hannah sich selbst zu, während sie aus ihrem Turmverlies spähte. Doch letztendlich entschied sie sich für Emily Blunt, weil sie fand, dass sie mit ihren neunundzwanzig Jahren vermutlich zu alt war, um von irgendeinem Twilight-Star verkörpert zu werden.
Trauzeugin Dawn würde von Reese Witherspoon gespielt, da musste sie gar nicht lange überlegen. Dawn hatte ein engelsgleiches Gesicht, das von einem blonden Bob umrahmt wurde. Sie sprach mit einem Südstaatenakzent, der besonders schrill klang, wenn sie Befehle erteilte. Hannah fragte sich einen Augenblick, ob Reese Witherspoon sich wohl dazu überreden ließe, in einem Film zu rauchen.
Eine von Hannahs Lieblingsbeschäftigungen war das imaginäre Casting von Schauspielern ohne Rücksicht auf das Budget. Im wirklichen Leben hatte sie bisher nur Erfahrungen mit Independent-Filmen gesammelt, in denen die Hauptdarsteller weniger als zweihunderttausend Dollar verdienten. Bei einem derart begrenzten Budget musste Hannah kreativ sein und ständig nach jungen Talenten Ausschau halten. Deshalb sehnte sie sich nach einer Gelegenheit, einmal einen Film zu besetzen, der es ihr ermöglichen würde, jene Stars zu engagieren, für die sie seit Jahren schwärmte.
Und jetzt stand sie tatsächlich kurz davor, einen solchen Auftrag an Land zu ziehen! Fast den ganzen Morgen hatte Hannah wie eine Besessene ihr Handy kontrolliert, immer in der Hoffnung, etwas, nur irgendetwas, von Natalie Portmans Agentin zu hören, die heute Hannahs berufliches Schicksal in den Händen hielt. Hannah hatte dafür gekämpft, die Schauspielerin für eine Rolle in einem neuen Independent Film zu gewinnen, dessen niedriges Budget ihrer Meinung nach durch das oscarreife Drehbuch wettgemacht wurde. Ließe Natalie sich tatsächlich für den Film unter Vertrag nehmen, würden sich auch Hannahs berufliche Aussichten ändern. Der Film - und damit auch Hannah - würde international große Aufmerksamkeit erregen. Neue Produzenten würden der Regisseurin mehr Geld zuschießen, und Natalie Portman könnte diesen Film in eine Art Little Miss Sunshine verwandeln, ebenfalls ein Film, der billig produziert, aber weltweit beachtet worden war.
Und die Chancen, dass Natalie zusagen würde, standen nicht schlecht! Ihre Agentin schien optimistisch. Natalie hatte anscheinend das Drehbuch gelesen, und es hatte ihr gefallen, außerdem fand sie es gut, dass eine Frau Regie führte. In einer Mail, die die Agentin an Hannah weitergeleitet hatte, hatte Natalie das Drehbuch sogar als hinreißend bezeichnet. Doch da war immer noch die schwierige Frage der Zeitplanung.
»Sie ist jetzt erst mal vier volle Monate ausgebucht, um eine Fortsetzung abzudrehen«, hatte die junge Assistentin Hannah vor zwei Tagen wissen lassen, bevor diese in den Zug nach Baltimore gesprungen und zu Bees Hochzeit gefahren war. Die Assistentin hatte Hannahs bohrende Anrufe abgefangen, war regelrecht zu ihrem Spitzel geworden und hatte ihr immer wieder SMS geschrieben, sobald ihre Chefin sich irgendwie zu dem Projekt äußerte.
»Ich brauche sie ja nur zwanzig Tage«, flehte Hannah die Assistentin an, als könnte diese irgendetwas entscheiden. »Sie hat doch während der Dreharbeiten sicher zwanzig arbeitsfreie Tage! Ich meine, ihre Figur befindet sich die Hälfte des Films doch auf einem anderen Planeten, oder? Gibt es denn da keine Drehpause?« Hannah ärgerte es ungemein, dass Teil zwei eines teuren Blockbusters ihren kleinen Qualitätsfilm gefährdete.
»Hören Sie, Natalie möchte den Film wirklich gern machen, ich bin mir sicher, dass sie etwas aushandeln werden«, sagte die Assistentin.
»Wann, meinen Sie denn, kann ich mit einer Antwort rechnen?«, fragte Hannah, während sie Unterwäsche zusammenrollte und in die Seitentasche ihres Koffers stopfte.
»Vor nächster Woche sollten Sie nicht mit einer endgültigen Antwort rechnen, aber vermutlich erfahre ich schon Samstag etwas. Da gibt die Agentur eine große Party, und wenn Natalie die Rolle angenommen haben sollte, wird meine Chefin bei jedem damit angeben. Ich schicke Ihnen sofort eine Nachricht, wenn ich was höre.«
»Danke, danke, danke! Ich bin am Samstag auf einer Hochzeit, sollte ich also Natalie Portman für diesen Film bekommen, würde ich es gern meinen Freunden erzählen. Und vielleicht auch ein oder zwei Exfreunden.«
»Das kann ich so was von verstehen«, sagte die Assistentin und klang fast ein wenig zu mitfühlend.
Nun war es bereits Samstagnachmittag, und bislang war keine Nachricht eingegangen. Nicht einmal von Hannahs engster Freundin Vicki, die versprochen hatte, sich gleich zu melden, sobald sie in Annapolis angekommen war.
Bees Hochzeitsplanerin, die, wie Hannah beschlossen hatte, in ihrem imaginären, superteuren Hochzeitsfilm mit Bonnie Hunt aus Jerry Maguire - Spiel des Lebens und Im Dutzend billiger besetzt werden sollte, hatte Bee und ihren Brautjungfern klargemacht, dass sie sich, sobald sie in ihre Kleider geschlüpft waren, bis zur Trauung nicht mehr aus dem Turm rühren durften.
Im größeren der beiden Turmzimmer gab es einen Fernseher, eine Sofagarnitur aus Samt in Wedgwood-Blau und ein ziemlich großes Badezimmer mit zwei Ganzkörperspiegeln - es gebe also keinen triftigen Grund, nach draußen zu gehen, hatte die Hochzeitsplanerin gesagt und dabei Hannah angesehen, als könne sie ihre Gedanken lesen. Die Planerin hatte weiter erklärt, dass um Punkt fünf Uhr, wenn alle Gäste sich gesetzt hätten, die Brautjungfern den Turm verlassen, die Wendeltreppe hinabsteigen und sich jeweils bei einem Trauzeugen unterhaken sollten - Bee natürlich bei ihrem Vater. Dann würden sie gemeinsam den Pfad oder besser gesagt den sich windenden Kiesweg, der ebenso antik und gepflegt wirkte wie das übrige Areal, entlangschreiten.
Die Trauung begann zwar erst in etwa einer Stunde, doch Dawn reihte bereits jetzt im größeren der beiden Zimmer auf dem Beistelltischchen ihre Kosmetikartikel auf. Die Art und Weise, wie sie das tat, erinnerte Hannah an die penible Ordnung der Utensilien bei ihrem Zahnarzt. Dawn sortierte ihre Schönheitsprodukte der Größe nach: Der dünne Eyelinerstift lag neben der Wimperntusche, daneben ein Döschen Rouge und wieder daneben eine Lidschattenpalette.
Hannah überlegte, ob sie sich noch eine halbe Stunde vor der ganzen Make-up-Prozedur drücken könnte. Ihr Kleid hatte sie bereits an, und sie wollte den ganzen Schminkzirkus so lange wie möglich hinauszögern. Sie trat zu einem Fenster des Turms und rieb sich das Genick, sodass die Perlenkette sich in ihren Hals presste. Sie zog an dem durchsichtigen Träger ihres BHs, der unangenehm an ihrem Nacken scheuerte. Noch nie hatte sie ein so aufwendiges Wäschestück getragen - ein gepolstertes Stützgerät, das alle Brautjungfern extra für diesen Anlass bestellen mussten. Hannah hatte die anderen Frauen beobachtet, wie sie mühelos und ohne Hilfe in ihre ausgefallenen BHs geschlüpft waren. Ihr war völlig schleierhaft gewesen, wie sie selbst in dieses Ding kommen sollte. Sobald das Grüppchen die Turmzimmer erreicht hatte, hatten Bee und Dawn Hannah geholfen, sich in die Vorrichtung zu zwängen, deren Träger sich zweimal am Rücken kreuzten und dann mit einem eckigen Metallclip direkt über dem Rückgrat geschlossen wurde.
»Muss der denn so eng sitzen?«, hatte Hannah gejammert, als Bee den BH festmachte.
Noch bevor Bee hatte antworten können, war die strenge Dawn schon mit einem missbilligenden Blick auf Hannahs Brüste vorgeprescht. »Wenn er zu locker sitzt, kippst du aus dem Kleid, Süße. Du quillst ja jetzt schon fast heraus.«
Schon zweimal hatte Hannah Rob aus ihrem Gefängnisturm angerufen und gehofft, er könne sie bezüglich des BHs, des bevorstehenden Gangs die Wendeltreppe hinab und Natalie Portman beruhigen. Sie ging davon aus, dass die Chancen auf eine gute Nachricht schwanden, je mehr Zeit verging. Rob hätte eigentlich auch zur Hochzeit kommen sollen. Er hatte auf die Einladung hin fest zugesagt, doch nun bediente er wieder alle Klischees des rücksichtslosen und verantwortungslosen Hallodris, die über ihn kursierten. Hannah war fest davon ausgegangen, dass Rob ihr dieses Wochenende zur Seite stehen würde, und jetzt hatte sie nur noch Vicki, die in letzter Zeit kaum jemandem eine Stütze gewesen war.
Hannah hielt noch immer ihren BlackBerry umklammert, starrte aus dem Fenster und dann auf das Display, auf dem stand, dass sie einen Anruf von Rob verpasst hatte. Sie drückte die Rückruftaste und spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog, als sie zum dritten Mal an diesem Tag Robs Nummer aufleuchten sah. Ihr Magen schlug einen Salto, als Rob schließlich dranging und gleich zu lachen begann.
»Lach nicht, ich brauche dich hier!«, flüsterte Hannah so laut, dass Dawn ihr einen missbilligenden Blick vom Sofa aus zuwarf. »Bitte, Rob, hier sind überall Frauen, die mich mit Eyeliner bedrohen! Kannst du denn nicht irgendwie doch noch in einen Flieger springen? Du könntest noch vor Ende des Empfangs hier sein. Ich übernehme die Hälfte der Kosten, egal wie hoch sie sind!«
»Ich liebe es, wenn du bettelst, aber die Antwort lautet Nein, meine Liebe, ich kann von Austin nicht weg.« Rob machte eine Pause und fügte dann nachdenklich hinzu: »Es ist nicht wegen des Geldes, irgendwas stimmt heute mit Liz nicht. Ich kann sie nicht allein zu Hause lassen.«
»Na gut. Vielleicht rufe ich dich später noch mal an«, sagte Hannah und legte auf, bevor er etwas sagen konnte. Die Erkenntnis, dass Rob seine Meinung nicht mehr ändern würde, ließ sie in sich zusammensacken.
Hannah schlenderte vom Fenster weg zu Dawn, die mittlerweile ihr Gesicht gepudert hatte. Es wirkte nun um zwei Farbtöne dunkler. Sie setzte sich neben Bees Trauzeugin, strich nervös über die Tasten ihres BlackBerrys und überprüfte in kurzen Abständen das Display.
Aus dem Augenwinkel konnte Hannah das Nebenzimmer sehen, in dem Bee stand und die Falten ihres maßgeschneiderten Kleides glatt strich, das immer noch auf dem Kleiderbügel hing. Es war blütenweiß und schulterfrei - das muschelförmige Mieder erinnerte Hannah an eine Nixe -, dazu besaß es eine Schleppe, die sich fächerartig ausbreitete. Vor Monaten hatte Bee noch zu Hannah gesagt, sie hoffe, in das einfache Chiffonbrautkleid ihrer Mutter zu passen, das Donna seit über dreißig Jahren in einem blütenweißen Kleidersack in ihrem Schrank aufbewahrte. Doch als sie es anprobieren wollte, war der Reißverschluss nicht zugegangen. Donna trug seit ewigen Zeiten Kleidergröße 34, und obwohl Bee während ihrer Zeit am College alles darangesetzt hatte, ebenfalls ihre Größe 34 beizubehalten, musste sie sich jetzt mit Kleidergröße 36 zufriedengeben.
Im Moment trug Bee nur ihre weiße Spitzenunterwäsche, einen trägerlosen BH und eine feine Strumpfhose mit Miedereinsatz, der ihre Taille um zweieinhalb Zentimeter schlanker aussehen ließ. Die Strumpfhose ließ ihren Nabel durchscheinen. Ihr Haar war zu Zöpfen geflochten und zu einem Kranz hochgesteckt, was auf Hannah entsetzlich unbequem und unangemessen streng wirkte.
Hannah liebte Bees rotblonde Locken, vor allem wenn sie ihr offen und locker über die Schultern fielen. Sie konnte nicht verstehen, weshalb Bräute ihr Haar immer so umständlich hochsteckten. Hannah musste dann immer an den Anblick der Verstorbenen bei der Totenwache denken: zu stark geschminkt und für alle jene, die ihnen nahegestanden hatten, kaum wiederzuerkennen.
Jackie und Lisa, die zwei anderen Brautjungfern, standen mit geglättetem Haar und wie Hannah in einer schwarzen Robe neben Bee. Sie überlegten, wie sie Bee am besten in das Kleid zwängen konnten, ohne es dabei zu zerknittern oder ihre fürstliche Frisur zu zerstören.
»Am besten sie steigt einfach rein«, schlug Lisa gerade in ihrem üblichen schüchternen Tonfall vor.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012 by Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Meredith Goldstein
Meredith Goldstein wurde in New Jersey geboren, wuchs in Maryland auf und studierte an der Syracuse University. Für den Boston Globe verfasst sie die beliebte Ratgeberkolumne Love Letters . Sie lebt in Roxbury, Massachusetts.
Bibliographische Angaben
- Autor: Meredith Goldstein
- 2012, 286 Seiten, Maße: 13,5 x 20,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Winkler, Christiane
- Übersetzer: Christiane Winkler
- Verlag: Diana
- ISBN-10: 3453291425
- ISBN-13: 9783453291423
Rezension zu „Besser so als anders “
"Meredith Goldstein seziert das Single-Leben und schickt einen schrägen Typ und zwei noch schrägere Frauen durch den Parcours der Liebe. Schön turbulent!"
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