Bis du erwachst
Roman
Lena liegt nach einem Unfall im Koma. Ihre beiden Schwestern sind von nun an immer an ihrer Seite. Und dabei stellen sie fest, wie wenig sie eigentlich von Lena wissen. Und wer ist dieser heimliche Verehrer? Dann passiert plötzlich ein Wunder.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Bis du erwachst “
Lena liegt nach einem Unfall im Koma. Ihre beiden Schwestern sind von nun an immer an ihrer Seite. Und dabei stellen sie fest, wie wenig sie eigentlich von Lena wissen. Und wer ist dieser heimliche Verehrer? Dann passiert plötzlich ein Wunder.
Klappentext zu „Bis du erwachst “
Das Leben ist ein Geschenk. Man muss es nur auspacken.Nach einem schweren Unfall liegt Lena im Koma. Ihre Schwestern - die arbeitslose Millie und Karrierefrau Cara - lassen alles stehen und liegen, um ihr beizustehen.
Im Krankenhaus, an Lenas Bett, kommen die beiden sich wieder näher. Und müssen feststellen: Sie kennen ihre Schwester kaum. Als ein heimlicher Verehrer von Lena auftaucht, beginnen die Schwestern sie in einem ganz neuen Licht zu sehen ...
"Eine Geschichte voller Rührung, Hoffnung und Lebensweisheiten." (Siegener Zeitung)
DAS Leben IST EIN Geschenk.
MAN MUSS ES NUR AUSPACKEN.
Nach einem schweren Unfall liegt Lena im Koma. Ihre Schwestern - die arbeitslose Millie und Karrierefrau Cara - lassen alles stehen und liegen, um ihr beizustehen. Im Krankenhaus, an Lenas Bett, kommen die beiden sich wieder näher. Und müssen feststellen: Sie kennen ihre Schwester kaum.
Als ein heimlicher Verehrer von Lena auftaucht, beginnen die Schwestern sie in einem ganz neuen Licht zu sehen ...
"Eine Geschichte voller Rührung, Hoffnung und Lebensweisheiten." -- SIEGENER ZEITUNG
MAN MUSS ES NUR AUSPACKEN.
Nach einem schweren Unfall liegt Lena im Koma. Ihre Schwestern - die arbeitslose Millie und Karrierefrau Cara - lassen alles stehen und liegen, um ihr beizustehen. Im Krankenhaus, an Lenas Bett, kommen die beiden sich wieder näher. Und müssen feststellen: Sie kennen ihre Schwester kaum.
Als ein heimlicher Verehrer von Lena auftaucht, beginnen die Schwestern sie in einem ganz neuen Licht zu sehen ...
"Eine Geschichte voller Rührung, Hoffnung und Lebensweisheiten." -- SIEGENER ZEITUNG
Lese-Probe zu „Bis du erwachst “
Bis du erwachst von Lola Jaye Prolog
... mehr
Ich hatte Mühe, mein Mittagessen bei mir zu behalten, während ich in der Tür stand und zusah, wie der Mann, den ich doch liebte, mit einer anderen Frau Sex hatte. In mir brodelte ein ganzer Kessel voller Gefühle, bis ich begriff, dass das, was ich da sah, wirklich passierte. Mir passierte. Mit meinem Freund und einer Frau, der ich vertraut hatte. Wenn es nur möglich gewesen wäre, die Zeit zurückzudrehen, zwanzig Minuten vielleicht. Da hatte ich im Café auf der anderen Straßenseite gesessen, mir ein Riesenstück Schokoladenkuchen schmecken lassen und vor mich hingeträumt. Ehrlich gesagt, hatte ich fast den ganzen Tag vor mich hingeträumt - wenn ich nicht gerade dar über nachgedacht hatte, was sich in meinem Leben alles grundlegend ändern musste. Hier stand ich nun und schaute der oscarreifen Pornodarstellung meines Freundes zu, und all meine Zukunftspläne lösten sich in Hoffnungslosigkeit auf. Ich tastete in meiner Gesäßtasche nach meinem Notizbuch und dem gelben Puschelstift, aber ich zitterte zu sehr. Mir entglitt die halbleere Dose Ingwerbier, die ich noch in der Hand hielt und völlig vergessen hatte, und der Inhalt er goss sich über den Holzfußboden. Im selben Moment hielten die beiden inne und fuhren zu mir her um, wie das Mädchen in Der Exorzist. « Lena ? », keuchte Justin. Er klang vollkommen fremd, nicht wie der Mann, mit dem ich die letzten beiden Jahre verbracht hatte. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ich brachte keinen Ton her aus. Ich wusste nur, dass ich von hier fortmusste, so weit weg wie möglich. Etwas so Schreckliches hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Rückwärts, mit weichen Knien bewegte ich mich aus der Tür. Ich streckte die Hand zum Geländer aus, um mich festzuhalten. « Lena ! », rief Justin mir kläglich nach. Meine Beine verwandelten sich in Pudding. Ich musste hier raus. Um mich wieder zu sammeln. Um nachzudenken. Mein Hirn produzierte nur noch Unzusammenhängendes und Albernes, und mein Körper war zu betäubt, um zu rea - gieren. In Zeitlupe bewegte ich mich auf die Treppe zu. Ganz langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ich musste nachdenken. Zweiter Schritt. Ich musste allein sein. Dritter Schritt. Unter anderen Umständen wäre mir die Glitzersandalette, die ganz gewiss nicht mir gehörte, sicher aufgefallen. Sie lag auf der vierten Stufe und funkelte im Sonnenlicht, das durch das Fenster fiel. Ich hätte sie weggekickt oder wäre ihr zumindest ausgewichen. Aber in meiner augenblicklichen Verfassung hätte ich nicht einmal einen Elefanten im Spitzentutu bemerkt. Ich war nur noch klopfendes Herz, tropfende Nase und Tränen. Und so hatte ich keine Chance gegen die Sandalette, die mich am linken Fuß packte und die Treppe hin unterwarf. Mein Mageninhalt wirbelte in mir her um wie in einer Waschmaschine : Porridge, Bananenchips, Litschis, das Riesenstück Schokoladenkuchen - alles klumpte sich zu einer einzigen unverdaulichen Masse zusammen. Schließlich landete ich am Fuß der Treppe in einer Stellung, die jeden fortgeschrittenen Yogaschüler hätte vor Neid erblassen lassen. Und dann wartete ich. Meine Gedanken zogen sich an einen Ort zurück, an dem mich nichts mehr erreichte. Ich wartete dar auf, dass der Schmerz einsetzte. Ich war bereit. Meine Lider schlossen sich mit einem langsamen Flackern, wie bei einem schlecht funktionierenden alten Fernseher. Ich wusste, dass er kam. Er kam . . . Ja . . . Jetzt war er beinahe da . . . Der Schmerz. So viel Schmerz. Und dann Dunkelheit.
1
Cara würde sich immer dar an erinnern, wo sie gewesen war und was sie gerade getan hatte, als sie das mit Lena erfuhr. Sie war da gewesen, wo sie dienstagabends immer war - sie hatte irgendeinen blöden Gast bedient. Diesmal behauptete der Typ, sie habe ihm aus Versehen auf eine Zehnpfundnote her ausgegeben, während er ihr aber zwanzig gegeben hätte. « Es war ein Zehner, glauben Sie mir », sagte sie ruhig und stellte sich dabei vor, wie sie ihm mit besagter Zehnpfundnote das Maul stopfte. « Ich schlage vor, dass Sie mal Ihre Kasse aufmachen und nachsehen, welchen Schein Sie zuletzt hin eingelegt haben, Miss », entgegnete er wichtigtuerisch. Cara konnte es sich nicht verkneifen, mit den Augen zu rollen, egal, ob er es sah oder nicht. Ade redete ständig davon, dass der Kunde immer recht habe, aber der Spruch war ihr schon immer gewaltig auf die Nerven gegangen. Das hier war ihre Bar (na ja, ihre und Ades), und die Einzige, die hier recht hatte (vor allem gerade jetzt), war sie selbst, und das würde sie gleich beweisen. Sie drückte auf eine Taste, und die Kassenschublade sprang auf. « Falls es sich nicht um eine dieser seltenen unsichtbaren Zaubernoten handelt, ist Ihr Zwanziger nicht da. Sie haben mir einen Zehner gegeben. Wünschen Sie sonst noch etwas, Sir ? », fragte sie scharf. Sie hoffte, dass dieser spezielle Gast nicht wiederkam. Nie wieder. Es war schließlich nicht so, als wäre die Bar auf ihn angewiesen. Nach drei langen Jahren Schufterei und schlafloser Nächte und einigen angespannten Terminen bei dem kaum dem Teenageralter entwachsenen Bankfilialleiter warf das A&R endlich Gewinn ab. Jeder, vor allem ihre Schwester Lena, hatte sie gewarnt, dass der Schritt in die Selbständigkeit schwierig und sehr risikoreich sein würde. Aber Cara und Ade hatten Herzblut in ihr Projekt gesteckt, und neben dem Blut noch jede Menge Schweiß und Tränen. Und während der Rest der Welt in einer globalen Rezession versank, konnten Cara und Ade sich behaupten, weil East Dulwich sich gerade zur bequemeren und billigeren Alternative zum Londoner West End entwickelte. Und das A&R mit seinem entspannten und coolen Look - schummrige Beleuchtung aus Mini-Lüstern, kleine Séparées mit bequemen Ledersofas, abgeteilt durch glitzernde Musselinvorhänge - konnte mit den besten Bars im West End mithalten. Nicht zu weit entfernt lebten Cara und Ade in einer Traumwohnung, von der aus sie einen wunderschönen Blick über London hatten. Im Prinzip hatte sie ihr Leben im Griff. Alles war genau so, wie es sein sollte : Sie hatte einen wunderbaren Lebensgefährten, eine schöne Wohnung, und ihr Geschäft lief super. Cara fuhr sich mit den Fingern durch das kurzgeschnittene Haar. Sie war müde, und ihr taten allmählich die Füße weh - was einerseits wohl dar an lang, dass sie den ganzen Tag pausenlos auf den Beinen gewesen war, und andererseits, dass sie ein Paar neue hochhackige Schuhe aus lila Satin trug, die noch eingelaufen werden mussten. Das war noch etwas, was die gutgehende Bar ihr ermöglichte : freie Schuhauswahl. Die Verkäuferinnen bei Kurt Geiger und Bertie sprachen sie schon mit Vornamen an. Sie besaß ein Paar Christian Louboutins und ein Paar Sergio Rossis, und bald würde sie ein Paar herrliche schwarz-orange Ginas mit einem Absatz von zwölf Zentimetern ihr Eigen nennen. Je höher der Absatz, desto selbstbewusster fühlte sie sich - vor allem, weil sie nur eins fünfzig maß. « Cara ! Cara ! », rief Ade von der anderen Seite der Bar. Seine Stimme klang drängend und ungeduldig, was gar nicht zu Ade passte. Normalerweise war er der Ruhige und sie die Chaotin. Er war der Nette und sie (und sie hatte kein Problem damit, das zuzugeben) die Ruppige. Was war los mit ihm ? « Ade ? » Sie gingen auf ein an der zu, beinahe in Zeitlupe. Ade hielt das schnurlose Telefon umklammert, die Hand über der Sprechmuschel. « Für dich », flüsterte er. Seine Miene war düster. Ihr Herz begann zu rasen. Irgendetwas war passiert. Alle möglichen Schreckensvorstellungen jagten ihr durch den Sinn. Vielleicht waren sie gar nicht so gut bei Kasse, wie sie gedacht hatte ? Vielleicht würde ihre Bar doch der Rezession zum Opfer fallen. Mit allem könnte sie zurechtkommen, nur damit nicht. Bitte nicht. « Wer ist dran ? », wisperte sie. Sie fühlte sich plötzlich nicht imstande, das Telefon von ihm entgegenzunehmen. « Das Fen Lane Hospital. Sie . . . sie müssen . . . dich dringend sprechen ! » Er redete in winzigen Explosionen, so schien es, und er schnappte nach Luft, als wäre er eben zwanzig Bahnen geschwommen. Seine Augen waren weit aufgerissen und wachsam. Cara rutschte das Herz in die Hosen, sie stand wie angewurzelt. Die Stylistics plärrten derweil ihr « Betcha By Golly Wow » durch das hochmoderne Soundsystem. « Das Krankenhaus ? », wiederholte sie so leise, dass sie von der Musik übertönt wurde. « Es . . . es geht um Lena . . . », sagte Ade.
2
Millie befand sich in einem Zustand monumentaler Seligkeit, anders konnte man es nicht ausdrücken. Voll Entzücken betrachtete sie die riesigen Zehen, die am Fußende des überaus unordentlichen Bettes unter der Bettdecke hervorragten. « Aufwachen, du Schlafmütze », sagte sie und tauchte selbst unter der Decke hervor. Der Fuß bewegte sich ein wenig, und sie beugte sich zum Nachttischchen und schaltete das winzige rosa Digitalradio ein. Unter der Decke drang ein ersticktes Gähnen hervor, als die seidige Stimme des DJs einsetzte. « Wir nähern uns dem Ende unserer Sendung - hier noch etwas von früher ! » « Millie », stöhnte die verschlafene Stimme unter der Decke, dann dröhnte « Firestarter » ins Zimmer. « Guten Morgen, schöner Mann », sagte sie heiter. So glücklich, so vollkommen hatte sie sich selten gefühlt. Es war eine schöne Abwechslung. « Was zum . . . ? » Immer noch schlaftrunken, rieb Rik sich die Augen. « Es ist beinahe Abend, Zeit zum Aufstehen ! », trällerte sie fröhlich, zog ihm die Decke vom Kopf und strahlte ihn an. Ihre wilden schulterlangen Locken wippten. « Hmmmm, ich habe Hunger », seufzte Rik. Seit einem Monat war sie mit ihm zusammen, und sie mochte ihn wirklich schrecklich gern . . . « Hast du vielleicht was zu essen, Millie ? », fuhr er fort und wedelte mit der Hand in der Luft her um. Und dann die Art, wie er ihren Namen sagte, wie er die Nase krauste, kurz bevor er lachte ! Sogar seine riesigen Füße waren süß. Sie war absolut verrückt nach ihm, und als sie Rik jetzt ansah, war ihr klar, was sie ihm sagen musste. « Ich . . . », begann sie vorsichtig. Rik beugte sich her über, um das kleine rosa Radio auszuschalten. Sie hatte es erst vor ein paar Monaten von Lena zum Vierundzwanzigsten bekommen, passend zu ihrem CD-Player, dazu eine Karte : Für Millie, meine verantwortungslose, liebe und schöne kleine Schwester. Herzlichen Glückwunsch. Du bist wunderbar. Alles Liebe, Lena. « Ich schau mal in den Kühlschrank, aber wahrscheinlich gibt er nicht mehr her als kalte Pizza von gestern Abend. Außer du willst, dass ich uns was aus Lenas Vorräten zurechtmache. Da muss ich dich allerdings warnen : Sie hat bloß so gesundes Zeug wie Bohnensprossen oder Äpfel. Oh, aber ich glaube, ich weiß, wo sie ihren Geheimvorrat an Toblerone aufbewahrt », fuhr Millie aufgeregt fort. « Ach, lassen wir das mit dem Essen », sagte Rik, der es sich anscheinend anders überlegt hatte. Er sprang aus dem Bett und ließ seinen perfekten Körper in eine Diesel-Jeans gleiten. Ihr Herz tat einen Satz. Sie wollte es sagen. Sie musste ihm wirklich sagen, dass sie ihn liebte. Und zwar jetzt, bevor es zu spät war. « Rik », begann sie. Sie musste sich sputen, damit sie es noch her ausbrachte, bevor er das Haus verließ. Er kam sowieso nur so selten vorbei, und sie gingen nie aus (es sei denn, man zählte den Fish-&-Chips-Imbiss letzten Samstag mit), daher wusste sie nicht, wann sich der nächste Moment bieten würde. Inzwischen hatte er schon das Shirt in der Hand. Sie musste sich beeilen, sonst wäre der Augenblick vor über. Sie musste es ihm jetzt sagen. Jetzt. Jetzt ! « Ich liebe dich. » Und dann herrschte Stille. Man hörte nur das Ticken ihres Betty-Boo-Weckers, während sie sich mit Blicken maßen, fast wie zwei feindliche Spieler. Nervös biss sie sich auf die Unterlippe und wartete. Rik seufzte und sah dann zu seiner Jacke hin über, die er über die schief in den Angeln hängende Schranktür geworfen hatte. Er zog das Shirt an, immer noch schweigend, und Millie packte die Daunendecke und drückte sie an sich, weil ihr auf einmal ziemlich kalt war. « Willst du denn gar nichts dazu sagen, Rik ? », fragte sie leise. « Millie, ich mag dich ja . . . Aber . . . » Und dann folgte ein Haufen Wörter, die, in die richtige Reihenfolge gebracht, alle auf dasselbe hin ausliefen : Er wollte sie nicht. « Ich glaube, wir sollten uns eine Weile nicht sehen », murmelte er schließlich. Sie tat so, als hätte sie es nicht gehört, sie wollte diese Worte nicht hören, die sie ständig und dauernd zu hören bekam, solange sie zurückdenken konnte. Hauptsächlich von Typen. Exfreunden, die natürlich nicht so perfekt zu ihr gepasst hatten wie Rik. Er war genau der Richtige für sie. Rik, der seinen Namen ohne C schrieb. Rik, mit dem sie sich sehr viel weniger einsam fühlte. Natürlich hatte sie auch Lena und manchmal Cara (die nur sehr selten), aber es war schön, jemanden wie Rik in der Nähe zu haben. Sie liebte ihn. Er war der Richtige für sie, und sie war die Richtige für ihn. Sie brauchte ihn - zählte das denn gar nicht ? Daher war das, was Millie als Nächstes tat, ganz natürlich. « Nein, hör auf, Millie », murmelte er und versuchte sich ihrem drängenden Kuss zu entziehen. Das nutzte ihm natürlich nichts, denn sie klammerte sich verzweifelt an ihm fest. Krallte ihm die Finger in die Arme, als er sich aus ihrem Griff zu befreien versuchte und vielleicht auch aus ihrem Leben. Das konnte sie nicht zulassen. Jetzt nicht, überhaupt nie mehr. Sie wusste einfach nicht, ob ihr Herz einen weiteren Sprung überstehen würde. Da packte er sie energisch bei den Schultern. « Ich habe nein gesagt, Millie ! » Seine Stimme war stark, fest, so klang ein Vater, der sein Kind ausschimpfte. « Nicht », sagte er und schob sanft ihr Gesicht von sich weg. « Hör auf damit, Millie. » Ein niederschmetterndes Gefühl der Zurückweisung überkam sie, drohte all ihre Sinne zu verschlingen, wenn sie nicht sofort etwas unternahm, um den Schaden zu begrenzen. « Verstehe schon, du bist hundemüde, ich hätte dich nicht wecken dürfen. Geh heim, ruh dich aus, und dann treffen wir uns später ? », plapperte sie atemlos. Er sah sie an, und in seinem Blick lag etwas, was sie nicht deuten konnte - oder nicht deuten wollte. « Nein, das halte ich für keine gute Idee, nachdem . . . » « Nein ! Sprich es nicht aus ! », fuhr sie ihn an und sprang so jäh aus dem Bett, dass es wackelte. « Es muss ausgesprochen werden, weil du vorhin offensichtlich nicht richtig zugehört hast, Millie », erwiderte er ruhig. Am frühen Morgen, ja, da hatte sie tatsächlich etwas gehört, nach einem wunderschönen, gemeinsam verbrachten Abend, aber sie hatte die verletzenden Worte gar nicht an sich her angelassen. « Es ist aus », sagte er. Sie legte die Hände auf die Ohren. « Mit uns ist es aus. Ich dachte, ich hätte das schon klar und deutlich gesagt. » Sie ließ die Hände sinken. « Aber ich dachte . . . » « Du dachtest, wenn du mich nur wieder ins Bett bekommst, nach ein paar Drinks, dann ist alles wieder gut. Ist es aber nicht, Millie. Ich wollte nur sichergehen, dass mit dir alles in Ordnung ist . . . Du hast gesagt, ich soll dich in den Arm nehmen, und das habe ich getan, und dann haben wir . . . Es tut mir leid, ehrlich. Ich tue das nicht gern. » « Wenn du es nicht gern tust, dann lass es doch bleiben. Bitte verlass mich nicht ! » Millie war es egal, wie verzweifelt sie klang, sie wollte einfach nicht, dass er ging. Sie wollte nicht schon wieder sitzengelassen werden. Riks Blick huschte panisch im Zimmer umher, fiel auf verdreckte Tassen, halb ausgelesene Zeitschriften und ein lippenstiftverschmiertes Handtuch. Millie versuchte, den Wust an Fragen, Antworten, Einwänden und flehentlichen Bitten zu sortieren, die ihr durch den Kopf wirbelten wie ein außer Kontrolle geratenes Karussell. « Dann . . . dann gehst du jetzt wirklich ? » Rik hatte schon die Jacke an und bahnte sich einen Weg durch all die Kisten, die Millie noch nicht ausgepackt hatte, seit sie vor drei Monaten aus ihrem Einzimmerappartement im Stadtteil Bow ausgezogen war. « Hier sieht es vielleicht aus », kritisierte er. Er stolperte fast über zwei dicke Wäschesäcke, die sie immer noch nicht in den Waschsalon gebracht hatte. « Danke. » « Ich hab meine Uhr verlegt », sagte er und umspannte das linke Handgelenk. « Wenn du sie findest, lässt du es mich dann bitte wissen ? » Sie war froh, dass er seine geliebte blöde Uhr verlegt hatte. So hatte sie wenigstens etwas, was ihm gehörte und das er sich irgendwann würde abholen müssen. Und wenn er dann kam, würde sie ihm die Tür in ihrem neuen Minikleid aus Chiffon von New Look aufmachen, das sie vor ein paar Monaten gekauft hatte. Sie würde auch etwas von dieser Wimperntusche von Rimmel auflegen, über die sich ihre Freundin Nikki gar nicht mehr einkriegen konnte, und wenn sie es sich leisten konnte, würde sie sich noch einen Besuch bei Monique's gönnen und sich das Haar glätten lassen. Andererseits, wenn sie es sich recht überlegte : Rik gefielen ihre weichen Locken, das hatte er ihr mehr als einmal gesagt. « Dann gehst du jetzt wirklich ? », fragte sie, und ihre Stimme brach. « Ja, Millie. Tut mir leid. Ich meine, du bist eine tolle Frau und so, aber seit letzter Nacht hat sich nichts geändert. Tut mir leid, Millie », erwiderte er und knöpfte seine Jacke zu. Und damit verließ er ihr Schlafzimmer. Rasch. Millie hatte ihr letztes Restchen an Würde aufgebraucht und konnte jetzt nur noch zuhören, wie er die Treppe hin unterlief. Mit jedem seiner Schritte brach ihr Herz ein bisschen mehr. Sie schloss die Schlafzimmertür und ließ sich aufs Bett sinken. Dauernd machten die Männer mit ihr Schluss, und sie hatte keine Ahnung, war um. Sie war aufmerksam, ehrerbietig, liebevoll und sexy und gab oft Lenas köstliches Essen als ihr eigenes aus. Was stimmte mit ihr bloß nicht ? Sie atmete tief durch, um sich zusammenzureißen. Sie war jetzt vierundzwanzig Jahre alt. Ein großes Mädchen. Außerdem war sie dergleichen ja gewohnt. Aber sie hatte es satt. Erst vor gut zwei Monaten hatte Olu ihr gesagt, dass es mit ihnen nicht funktionieren konnte, nicht funktionieren würde, und noch einen Monat davor hatte Kenny aufgehört, sie zurückzurufen. Sie wischte sich die Augen, gerade als ihr Handy eine misstönende Version der Simpsons-Titelmusik dudelte. Sie stand auf und stieß sich prompt den kleinen Zeh am Bett. « Auaaaaaa ! », schrie sie, als der Schmerz sie durchzuckte. Das Handy hörte auf zu klingeln, sie warf es aufs Bett, und dann flossen die Tränen. Sie weinte nicht wegen ihres Zehs (obwohl er verdammt wehtat !), sondern weil sie Rik verloren hatte und all die anderen Männer, mit denen sie sich eine Beziehung gewünscht hatte. Was war nur los mit ihr ? Ihre beiden Schwestern hatten tolle Beziehungen. War um passierte so etwas immer nur ihr ?
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Ich hatte Mühe, mein Mittagessen bei mir zu behalten, während ich in der Tür stand und zusah, wie der Mann, den ich doch liebte, mit einer anderen Frau Sex hatte. In mir brodelte ein ganzer Kessel voller Gefühle, bis ich begriff, dass das, was ich da sah, wirklich passierte. Mir passierte. Mit meinem Freund und einer Frau, der ich vertraut hatte. Wenn es nur möglich gewesen wäre, die Zeit zurückzudrehen, zwanzig Minuten vielleicht. Da hatte ich im Café auf der anderen Straßenseite gesessen, mir ein Riesenstück Schokoladenkuchen schmecken lassen und vor mich hingeträumt. Ehrlich gesagt, hatte ich fast den ganzen Tag vor mich hingeträumt - wenn ich nicht gerade dar über nachgedacht hatte, was sich in meinem Leben alles grundlegend ändern musste. Hier stand ich nun und schaute der oscarreifen Pornodarstellung meines Freundes zu, und all meine Zukunftspläne lösten sich in Hoffnungslosigkeit auf. Ich tastete in meiner Gesäßtasche nach meinem Notizbuch und dem gelben Puschelstift, aber ich zitterte zu sehr. Mir entglitt die halbleere Dose Ingwerbier, die ich noch in der Hand hielt und völlig vergessen hatte, und der Inhalt er goss sich über den Holzfußboden. Im selben Moment hielten die beiden inne und fuhren zu mir her um, wie das Mädchen in Der Exorzist. « Lena ? », keuchte Justin. Er klang vollkommen fremd, nicht wie der Mann, mit dem ich die letzten beiden Jahre verbracht hatte. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ich brachte keinen Ton her aus. Ich wusste nur, dass ich von hier fortmusste, so weit weg wie möglich. Etwas so Schreckliches hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Rückwärts, mit weichen Knien bewegte ich mich aus der Tür. Ich streckte die Hand zum Geländer aus, um mich festzuhalten. « Lena ! », rief Justin mir kläglich nach. Meine Beine verwandelten sich in Pudding. Ich musste hier raus. Um mich wieder zu sammeln. Um nachzudenken. Mein Hirn produzierte nur noch Unzusammenhängendes und Albernes, und mein Körper war zu betäubt, um zu rea - gieren. In Zeitlupe bewegte ich mich auf die Treppe zu. Ganz langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ich musste nachdenken. Zweiter Schritt. Ich musste allein sein. Dritter Schritt. Unter anderen Umständen wäre mir die Glitzersandalette, die ganz gewiss nicht mir gehörte, sicher aufgefallen. Sie lag auf der vierten Stufe und funkelte im Sonnenlicht, das durch das Fenster fiel. Ich hätte sie weggekickt oder wäre ihr zumindest ausgewichen. Aber in meiner augenblicklichen Verfassung hätte ich nicht einmal einen Elefanten im Spitzentutu bemerkt. Ich war nur noch klopfendes Herz, tropfende Nase und Tränen. Und so hatte ich keine Chance gegen die Sandalette, die mich am linken Fuß packte und die Treppe hin unterwarf. Mein Mageninhalt wirbelte in mir her um wie in einer Waschmaschine : Porridge, Bananenchips, Litschis, das Riesenstück Schokoladenkuchen - alles klumpte sich zu einer einzigen unverdaulichen Masse zusammen. Schließlich landete ich am Fuß der Treppe in einer Stellung, die jeden fortgeschrittenen Yogaschüler hätte vor Neid erblassen lassen. Und dann wartete ich. Meine Gedanken zogen sich an einen Ort zurück, an dem mich nichts mehr erreichte. Ich wartete dar auf, dass der Schmerz einsetzte. Ich war bereit. Meine Lider schlossen sich mit einem langsamen Flackern, wie bei einem schlecht funktionierenden alten Fernseher. Ich wusste, dass er kam. Er kam . . . Ja . . . Jetzt war er beinahe da . . . Der Schmerz. So viel Schmerz. Und dann Dunkelheit.
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Cara würde sich immer dar an erinnern, wo sie gewesen war und was sie gerade getan hatte, als sie das mit Lena erfuhr. Sie war da gewesen, wo sie dienstagabends immer war - sie hatte irgendeinen blöden Gast bedient. Diesmal behauptete der Typ, sie habe ihm aus Versehen auf eine Zehnpfundnote her ausgegeben, während er ihr aber zwanzig gegeben hätte. « Es war ein Zehner, glauben Sie mir », sagte sie ruhig und stellte sich dabei vor, wie sie ihm mit besagter Zehnpfundnote das Maul stopfte. « Ich schlage vor, dass Sie mal Ihre Kasse aufmachen und nachsehen, welchen Schein Sie zuletzt hin eingelegt haben, Miss », entgegnete er wichtigtuerisch. Cara konnte es sich nicht verkneifen, mit den Augen zu rollen, egal, ob er es sah oder nicht. Ade redete ständig davon, dass der Kunde immer recht habe, aber der Spruch war ihr schon immer gewaltig auf die Nerven gegangen. Das hier war ihre Bar (na ja, ihre und Ades), und die Einzige, die hier recht hatte (vor allem gerade jetzt), war sie selbst, und das würde sie gleich beweisen. Sie drückte auf eine Taste, und die Kassenschublade sprang auf. « Falls es sich nicht um eine dieser seltenen unsichtbaren Zaubernoten handelt, ist Ihr Zwanziger nicht da. Sie haben mir einen Zehner gegeben. Wünschen Sie sonst noch etwas, Sir ? », fragte sie scharf. Sie hoffte, dass dieser spezielle Gast nicht wiederkam. Nie wieder. Es war schließlich nicht so, als wäre die Bar auf ihn angewiesen. Nach drei langen Jahren Schufterei und schlafloser Nächte und einigen angespannten Terminen bei dem kaum dem Teenageralter entwachsenen Bankfilialleiter warf das A&R endlich Gewinn ab. Jeder, vor allem ihre Schwester Lena, hatte sie gewarnt, dass der Schritt in die Selbständigkeit schwierig und sehr risikoreich sein würde. Aber Cara und Ade hatten Herzblut in ihr Projekt gesteckt, und neben dem Blut noch jede Menge Schweiß und Tränen. Und während der Rest der Welt in einer globalen Rezession versank, konnten Cara und Ade sich behaupten, weil East Dulwich sich gerade zur bequemeren und billigeren Alternative zum Londoner West End entwickelte. Und das A&R mit seinem entspannten und coolen Look - schummrige Beleuchtung aus Mini-Lüstern, kleine Séparées mit bequemen Ledersofas, abgeteilt durch glitzernde Musselinvorhänge - konnte mit den besten Bars im West End mithalten. Nicht zu weit entfernt lebten Cara und Ade in einer Traumwohnung, von der aus sie einen wunderschönen Blick über London hatten. Im Prinzip hatte sie ihr Leben im Griff. Alles war genau so, wie es sein sollte : Sie hatte einen wunderbaren Lebensgefährten, eine schöne Wohnung, und ihr Geschäft lief super. Cara fuhr sich mit den Fingern durch das kurzgeschnittene Haar. Sie war müde, und ihr taten allmählich die Füße weh - was einerseits wohl dar an lang, dass sie den ganzen Tag pausenlos auf den Beinen gewesen war, und andererseits, dass sie ein Paar neue hochhackige Schuhe aus lila Satin trug, die noch eingelaufen werden mussten. Das war noch etwas, was die gutgehende Bar ihr ermöglichte : freie Schuhauswahl. Die Verkäuferinnen bei Kurt Geiger und Bertie sprachen sie schon mit Vornamen an. Sie besaß ein Paar Christian Louboutins und ein Paar Sergio Rossis, und bald würde sie ein Paar herrliche schwarz-orange Ginas mit einem Absatz von zwölf Zentimetern ihr Eigen nennen. Je höher der Absatz, desto selbstbewusster fühlte sie sich - vor allem, weil sie nur eins fünfzig maß. « Cara ! Cara ! », rief Ade von der anderen Seite der Bar. Seine Stimme klang drängend und ungeduldig, was gar nicht zu Ade passte. Normalerweise war er der Ruhige und sie die Chaotin. Er war der Nette und sie (und sie hatte kein Problem damit, das zuzugeben) die Ruppige. Was war los mit ihm ? « Ade ? » Sie gingen auf ein an der zu, beinahe in Zeitlupe. Ade hielt das schnurlose Telefon umklammert, die Hand über der Sprechmuschel. « Für dich », flüsterte er. Seine Miene war düster. Ihr Herz begann zu rasen. Irgendetwas war passiert. Alle möglichen Schreckensvorstellungen jagten ihr durch den Sinn. Vielleicht waren sie gar nicht so gut bei Kasse, wie sie gedacht hatte ? Vielleicht würde ihre Bar doch der Rezession zum Opfer fallen. Mit allem könnte sie zurechtkommen, nur damit nicht. Bitte nicht. « Wer ist dran ? », wisperte sie. Sie fühlte sich plötzlich nicht imstande, das Telefon von ihm entgegenzunehmen. « Das Fen Lane Hospital. Sie . . . sie müssen . . . dich dringend sprechen ! » Er redete in winzigen Explosionen, so schien es, und er schnappte nach Luft, als wäre er eben zwanzig Bahnen geschwommen. Seine Augen waren weit aufgerissen und wachsam. Cara rutschte das Herz in die Hosen, sie stand wie angewurzelt. Die Stylistics plärrten derweil ihr « Betcha By Golly Wow » durch das hochmoderne Soundsystem. « Das Krankenhaus ? », wiederholte sie so leise, dass sie von der Musik übertönt wurde. « Es . . . es geht um Lena . . . », sagte Ade.
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Millie befand sich in einem Zustand monumentaler Seligkeit, anders konnte man es nicht ausdrücken. Voll Entzücken betrachtete sie die riesigen Zehen, die am Fußende des überaus unordentlichen Bettes unter der Bettdecke hervorragten. « Aufwachen, du Schlafmütze », sagte sie und tauchte selbst unter der Decke hervor. Der Fuß bewegte sich ein wenig, und sie beugte sich zum Nachttischchen und schaltete das winzige rosa Digitalradio ein. Unter der Decke drang ein ersticktes Gähnen hervor, als die seidige Stimme des DJs einsetzte. « Wir nähern uns dem Ende unserer Sendung - hier noch etwas von früher ! » « Millie », stöhnte die verschlafene Stimme unter der Decke, dann dröhnte « Firestarter » ins Zimmer. « Guten Morgen, schöner Mann », sagte sie heiter. So glücklich, so vollkommen hatte sie sich selten gefühlt. Es war eine schöne Abwechslung. « Was zum . . . ? » Immer noch schlaftrunken, rieb Rik sich die Augen. « Es ist beinahe Abend, Zeit zum Aufstehen ! », trällerte sie fröhlich, zog ihm die Decke vom Kopf und strahlte ihn an. Ihre wilden schulterlangen Locken wippten. « Hmmmm, ich habe Hunger », seufzte Rik. Seit einem Monat war sie mit ihm zusammen, und sie mochte ihn wirklich schrecklich gern . . . « Hast du vielleicht was zu essen, Millie ? », fuhr er fort und wedelte mit der Hand in der Luft her um. Und dann die Art, wie er ihren Namen sagte, wie er die Nase krauste, kurz bevor er lachte ! Sogar seine riesigen Füße waren süß. Sie war absolut verrückt nach ihm, und als sie Rik jetzt ansah, war ihr klar, was sie ihm sagen musste. « Ich . . . », begann sie vorsichtig. Rik beugte sich her über, um das kleine rosa Radio auszuschalten. Sie hatte es erst vor ein paar Monaten von Lena zum Vierundzwanzigsten bekommen, passend zu ihrem CD-Player, dazu eine Karte : Für Millie, meine verantwortungslose, liebe und schöne kleine Schwester. Herzlichen Glückwunsch. Du bist wunderbar. Alles Liebe, Lena. « Ich schau mal in den Kühlschrank, aber wahrscheinlich gibt er nicht mehr her als kalte Pizza von gestern Abend. Außer du willst, dass ich uns was aus Lenas Vorräten zurechtmache. Da muss ich dich allerdings warnen : Sie hat bloß so gesundes Zeug wie Bohnensprossen oder Äpfel. Oh, aber ich glaube, ich weiß, wo sie ihren Geheimvorrat an Toblerone aufbewahrt », fuhr Millie aufgeregt fort. « Ach, lassen wir das mit dem Essen », sagte Rik, der es sich anscheinend anders überlegt hatte. Er sprang aus dem Bett und ließ seinen perfekten Körper in eine Diesel-Jeans gleiten. Ihr Herz tat einen Satz. Sie wollte es sagen. Sie musste ihm wirklich sagen, dass sie ihn liebte. Und zwar jetzt, bevor es zu spät war. « Rik », begann sie. Sie musste sich sputen, damit sie es noch her ausbrachte, bevor er das Haus verließ. Er kam sowieso nur so selten vorbei, und sie gingen nie aus (es sei denn, man zählte den Fish-&-Chips-Imbiss letzten Samstag mit), daher wusste sie nicht, wann sich der nächste Moment bieten würde. Inzwischen hatte er schon das Shirt in der Hand. Sie musste sich beeilen, sonst wäre der Augenblick vor über. Sie musste es ihm jetzt sagen. Jetzt. Jetzt ! « Ich liebe dich. » Und dann herrschte Stille. Man hörte nur das Ticken ihres Betty-Boo-Weckers, während sie sich mit Blicken maßen, fast wie zwei feindliche Spieler. Nervös biss sie sich auf die Unterlippe und wartete. Rik seufzte und sah dann zu seiner Jacke hin über, die er über die schief in den Angeln hängende Schranktür geworfen hatte. Er zog das Shirt an, immer noch schweigend, und Millie packte die Daunendecke und drückte sie an sich, weil ihr auf einmal ziemlich kalt war. « Willst du denn gar nichts dazu sagen, Rik ? », fragte sie leise. « Millie, ich mag dich ja . . . Aber . . . » Und dann folgte ein Haufen Wörter, die, in die richtige Reihenfolge gebracht, alle auf dasselbe hin ausliefen : Er wollte sie nicht. « Ich glaube, wir sollten uns eine Weile nicht sehen », murmelte er schließlich. Sie tat so, als hätte sie es nicht gehört, sie wollte diese Worte nicht hören, die sie ständig und dauernd zu hören bekam, solange sie zurückdenken konnte. Hauptsächlich von Typen. Exfreunden, die natürlich nicht so perfekt zu ihr gepasst hatten wie Rik. Er war genau der Richtige für sie. Rik, der seinen Namen ohne C schrieb. Rik, mit dem sie sich sehr viel weniger einsam fühlte. Natürlich hatte sie auch Lena und manchmal Cara (die nur sehr selten), aber es war schön, jemanden wie Rik in der Nähe zu haben. Sie liebte ihn. Er war der Richtige für sie, und sie war die Richtige für ihn. Sie brauchte ihn - zählte das denn gar nicht ? Daher war das, was Millie als Nächstes tat, ganz natürlich. « Nein, hör auf, Millie », murmelte er und versuchte sich ihrem drängenden Kuss zu entziehen. Das nutzte ihm natürlich nichts, denn sie klammerte sich verzweifelt an ihm fest. Krallte ihm die Finger in die Arme, als er sich aus ihrem Griff zu befreien versuchte und vielleicht auch aus ihrem Leben. Das konnte sie nicht zulassen. Jetzt nicht, überhaupt nie mehr. Sie wusste einfach nicht, ob ihr Herz einen weiteren Sprung überstehen würde. Da packte er sie energisch bei den Schultern. « Ich habe nein gesagt, Millie ! » Seine Stimme war stark, fest, so klang ein Vater, der sein Kind ausschimpfte. « Nicht », sagte er und schob sanft ihr Gesicht von sich weg. « Hör auf damit, Millie. » Ein niederschmetterndes Gefühl der Zurückweisung überkam sie, drohte all ihre Sinne zu verschlingen, wenn sie nicht sofort etwas unternahm, um den Schaden zu begrenzen. « Verstehe schon, du bist hundemüde, ich hätte dich nicht wecken dürfen. Geh heim, ruh dich aus, und dann treffen wir uns später ? », plapperte sie atemlos. Er sah sie an, und in seinem Blick lag etwas, was sie nicht deuten konnte - oder nicht deuten wollte. « Nein, das halte ich für keine gute Idee, nachdem . . . » « Nein ! Sprich es nicht aus ! », fuhr sie ihn an und sprang so jäh aus dem Bett, dass es wackelte. « Es muss ausgesprochen werden, weil du vorhin offensichtlich nicht richtig zugehört hast, Millie », erwiderte er ruhig. Am frühen Morgen, ja, da hatte sie tatsächlich etwas gehört, nach einem wunderschönen, gemeinsam verbrachten Abend, aber sie hatte die verletzenden Worte gar nicht an sich her angelassen. « Es ist aus », sagte er. Sie legte die Hände auf die Ohren. « Mit uns ist es aus. Ich dachte, ich hätte das schon klar und deutlich gesagt. » Sie ließ die Hände sinken. « Aber ich dachte . . . » « Du dachtest, wenn du mich nur wieder ins Bett bekommst, nach ein paar Drinks, dann ist alles wieder gut. Ist es aber nicht, Millie. Ich wollte nur sichergehen, dass mit dir alles in Ordnung ist . . . Du hast gesagt, ich soll dich in den Arm nehmen, und das habe ich getan, und dann haben wir . . . Es tut mir leid, ehrlich. Ich tue das nicht gern. » « Wenn du es nicht gern tust, dann lass es doch bleiben. Bitte verlass mich nicht ! » Millie war es egal, wie verzweifelt sie klang, sie wollte einfach nicht, dass er ging. Sie wollte nicht schon wieder sitzengelassen werden. Riks Blick huschte panisch im Zimmer umher, fiel auf verdreckte Tassen, halb ausgelesene Zeitschriften und ein lippenstiftverschmiertes Handtuch. Millie versuchte, den Wust an Fragen, Antworten, Einwänden und flehentlichen Bitten zu sortieren, die ihr durch den Kopf wirbelten wie ein außer Kontrolle geratenes Karussell. « Dann . . . dann gehst du jetzt wirklich ? » Rik hatte schon die Jacke an und bahnte sich einen Weg durch all die Kisten, die Millie noch nicht ausgepackt hatte, seit sie vor drei Monaten aus ihrem Einzimmerappartement im Stadtteil Bow ausgezogen war. « Hier sieht es vielleicht aus », kritisierte er. Er stolperte fast über zwei dicke Wäschesäcke, die sie immer noch nicht in den Waschsalon gebracht hatte. « Danke. » « Ich hab meine Uhr verlegt », sagte er und umspannte das linke Handgelenk. « Wenn du sie findest, lässt du es mich dann bitte wissen ? » Sie war froh, dass er seine geliebte blöde Uhr verlegt hatte. So hatte sie wenigstens etwas, was ihm gehörte und das er sich irgendwann würde abholen müssen. Und wenn er dann kam, würde sie ihm die Tür in ihrem neuen Minikleid aus Chiffon von New Look aufmachen, das sie vor ein paar Monaten gekauft hatte. Sie würde auch etwas von dieser Wimperntusche von Rimmel auflegen, über die sich ihre Freundin Nikki gar nicht mehr einkriegen konnte, und wenn sie es sich leisten konnte, würde sie sich noch einen Besuch bei Monique's gönnen und sich das Haar glätten lassen. Andererseits, wenn sie es sich recht überlegte : Rik gefielen ihre weichen Locken, das hatte er ihr mehr als einmal gesagt. « Dann gehst du jetzt wirklich ? », fragte sie, und ihre Stimme brach. « Ja, Millie. Tut mir leid. Ich meine, du bist eine tolle Frau und so, aber seit letzter Nacht hat sich nichts geändert. Tut mir leid, Millie », erwiderte er und knöpfte seine Jacke zu. Und damit verließ er ihr Schlafzimmer. Rasch. Millie hatte ihr letztes Restchen an Würde aufgebraucht und konnte jetzt nur noch zuhören, wie er die Treppe hin unterlief. Mit jedem seiner Schritte brach ihr Herz ein bisschen mehr. Sie schloss die Schlafzimmertür und ließ sich aufs Bett sinken. Dauernd machten die Männer mit ihr Schluss, und sie hatte keine Ahnung, war um. Sie war aufmerksam, ehrerbietig, liebevoll und sexy und gab oft Lenas köstliches Essen als ihr eigenes aus. Was stimmte mit ihr bloß nicht ? Sie atmete tief durch, um sich zusammenzureißen. Sie war jetzt vierundzwanzig Jahre alt. Ein großes Mädchen. Außerdem war sie dergleichen ja gewohnt. Aber sie hatte es satt. Erst vor gut zwei Monaten hatte Olu ihr gesagt, dass es mit ihnen nicht funktionieren konnte, nicht funktionieren würde, und noch einen Monat davor hatte Kenny aufgehört, sie zurückzurufen. Sie wischte sich die Augen, gerade als ihr Handy eine misstönende Version der Simpsons-Titelmusik dudelte. Sie stand auf und stieß sich prompt den kleinen Zeh am Bett. « Auaaaaaa ! », schrie sie, als der Schmerz sie durchzuckte. Das Handy hörte auf zu klingeln, sie warf es aufs Bett, und dann flossen die Tränen. Sie weinte nicht wegen ihres Zehs (obwohl er verdammt wehtat !), sondern weil sie Rik verloren hatte und all die anderen Männer, mit denen sie sich eine Beziehung gewünscht hatte. Was war nur los mit ihr ? Ihre beiden Schwestern hatten tolle Beziehungen. War um passierte so etwas immer nur ihr ?
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Autoren-Porträt von Lola Jaye
Jaye, LolaLola Jaye wuchs in London auf, wo sie immer noch wohnt. Einige Monate verbrachte sie in Nigeria, dem Land ihrer Vorfahren. Sie hat Psychologie studiert und lange als Beraterin für den National Health Service gearbeitet, bevor sie mit dem Schreiben begann. Die Romane "Für immer, dein Dad" und "Bis du erwachst" waren in Deutschland große Erfolge.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lola Jaye
- 2011, 304 Seiten, Maße: 11,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Lingsminat, Petra
- Übersetzer: Petra Lingsminat
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499254050
- ISBN-13: 9783499254055
- Erscheinungsdatum: 01.10.2011
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